L 8 SO 16/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 SO 103/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 16/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in der Sache über die Kostenerstattung für die Bestattung des gemeinsamen Sohnes der Kläger.

Der am ... 1975 geborene älteste Sohn der Kläger, S M., verstarb am 9. Januar 2009 in B im Salzlandkreis. Er bezog zum Zeitpunkt seines Todes auf Grund einer vorläufigen Entscheidung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Arbeitsgemeinschaft SGB II Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Nach dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts - Nachlassgericht – K. ist er von den Klägern jeweils zu einem hälftigen Anteil beerbt worden.

Die Klägerin zu 1. bezog vom 1. Mai 2008 bis zum 30. Oktober 2009 Arbeitslosengeld I mit einem ausgezahlten Betrag (Leistungsentgelt) in Höhe von 451,80 EUR monatlich, der Kläger zu 2. ausweislich des Lohn- und Gehaltsausdrucks für Dezember 2008 im Januar 2009 ein ausgezahltes Nettoentgelt von 1.388,60 EUR (zzgl. 40,00 EUR vermögenswirksame Leistungen), im gesamten Kalenderjahr 2008 ein ausgezahltes Nettoentgelt von 15.923,76 EUR (zzgl. 480,00 EUR vermögenswirksame Leistungen). Die Klägerin zu 1. bezog im Übrigen unregelmäßig Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung (Oktober und Dezember 2008 jeweils 165,00 EUR, Februar 2009 138,00 EUR, März 2009 52,00 EUR, April 2009 26,00 EUR). Aus Anlass des Todes des Sohnes zahlte die Z ... D H. Lebensversicherungs AG aus dessen Rentenversicherung im Februar 2009 auf Grund der Bezugsberechtigung an die Klägerin zu 1. 905,55 EUR und an den Kläger zu 2. 905,56 EUR aus.

Für die Bestattung von S. M. forderte die Stadt K mit Gebührenbescheid vom 9. Januar 2009 für die Urnenbeisetzung in einer Gemeinschaftsanlage 770,00 EUR; der Steinmetzbetrieb berechnete unter dem 30. Januar 2009 für die Grabplatte 360,82 EUR; für die Feuerbestattung stellte das Bestattungsinstitut den Klägern unter dem 11. Februar 2009 1.554,60 EUR für eigene Leistungen und 349,47 EUR für Fremdleistungen, d.h. insgesamt 1.904,07 EUR, in Rechnung.

Den am 27. Januar 2009 bei dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld eingegangenen Antrag der Kläger auf Übernahme der Bestattungskosten für ihren Sohn leitete dieser an den beklagten Landkreis weiter, der den Klägern mit Schreiben vom 20. Mai 2009 mitteilte, es werde beabsichtigt, diesen Antrag abzulehnen. Für eine abschließende Prüfung der Einkommens- und Vermögenssituation der Kläger seien ggf. weitere - noch nicht nachgewiesene - abzugsfähige Ausgaben für Versicherungen zu berücksichtigen. Neben weiteren Belegen über Einkommen und Ausgaben legten die Kläger daraufhin eine ausschließlich von F. M ..., der Mutter des Klägers zu 1., unterzeichnete Erklärung vom 10. Juni 2009 vor. Sie habe den Klägern für die Begleichung der Bestattungskosten am 17. Februar 2009 ein Darlehen in Höhe von 2.800,00 EUR zur Verfügung gestellt, das sie in einem Zeitraum vom sechs Monaten zurückerstattet haben wolle.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2009 lehnte der Beklagte die Übernahme der Bestattungskosten ab. Von den geltend gemachten Bestattungskosten würden - unter Kürzung der Kosten für Eigen- und Fremdleistungen des Bestattungsinstituts, der Beisetzung und der Anbringung einer Grabplatte - insgesamt 2.142,91 EUR als angemessen anerkannt. Unter Berücksichtigung der Auszahlung der Z D. H Lebensversicherungs AG in Höhe von insgesamt 1.811,11 EUR seien als nicht durch den Nachlass gedeckte Bestattungskosten 331,80 EUR zu berücksichtigen. Das bereinigte Einkommen der Bedarfsgemeinschaft betrage 1.741,00 EUR. Die Einkommensgrenze gemäß § 85 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) bilde sich aus dem Grundbetrag in Höhe von zurzeit 702,00 EUR und den anteiligen angemessenen Unterkunftskosten (ohne Heizung), hier zwei Viertel der Unterkunftskosten in Höhe von 210,15 EUR. Für eine weitere Person der Bedarfsgemeinschaft sei ein Familienzuschlag in Höhe von 252,00 EUR berücksichtigt worden, sodass die hier maßgebende Einkommensgrenze 1.180,15 EUR betrage. Hieraus ergebe sich ein die Einkommensgrenze übersteigendes Einkommen der Kläger in Höhe von 560,85 EUR. Den Klägern sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der Nähe ihrer Beziehung zu dem Verstorbenen, die Kostentragung in Höhe von 331,80 EUR auch zumutbar.

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs führten die Kläger aus, die Berechnung der Einkommensgrenze und der angemessenen Bestattungskosten seien ihnen nicht verständlich. Es sei bisher auch nicht berücksichtigt worden, dass im Nachhinein noch für den Verstorbenen Stromkosten in Höhe von 115,02 EUR, Kontoführungs-gebühren in Höhe von 23,37 EUR und eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 in Höhe von 687,45 EUR hätten bezahlt werden müssen, wie aus den in Kopie beigefügten Abrechnungen erkennbar sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2009 nach mündlicher Anhörung der Klägerin zu 1. als unbegründet zurück. Der Betrag der als angemessen anerkannten Bestattungskosten in Höhe von 2.142,91 EUR wird dort im Rahmen einer Aufstellung nach Einzelposten den geltend gemachten Bestattungskosten gegenübergestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid, Blatt 153 der Verwaltungsakte, Bezug genommen. Die Kosten für die Annonce, Danksagung, Trauerfeier und für die Dekoration der Kapelle gehörten nicht zu den notwendigen Kosten einer Bestattung und würden deshalb nicht übernommen. Da die Friedhofssatzung eine Grabplatte nicht vorschreibe, werde für diese nur ein Zuschuss gewährt. Im Übrigen seien die Leistungen aus der Lebensversicherung des Verstorbenen, das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft und die Einkommensgrenze wie in dem angefochtenen Bescheid erläutert zu berechnen. Die Kläger könnten die verbleibenden Bestattungskosten in Höhe von 331,80 EUR aus ihrem übersteigenden Einkommen decken. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung über die gegen diese Entscheidung mögliche und innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem Sozialgericht in Magdeburg (unter Angabe der Gerichtsadresse) zu erhebende Klage versehene Widerspruchsbescheid ist ausweislich der Zustellungsurkunde am 14. Oktober 2009 (einem Mittwoch) durch den Zusteller der Deutschen Post AG bei den Klägern in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden.

Die Kläger haben - ausweislich des Eingangstempels des Amtsgerichts Magdeburg - am 17. November 2009 (einem Dienstag) mit Schriftsatz unter dem Datum vom 12. November 2009 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung sei nicht nachvollziehbar. Alle Urnenplätze in dem Grabfeld, in dem ihr Sohn bestattet worden sei, seien mit einer Grabplatte versehen. Von einer entsprechenden Verpflichtung durch die Friedhofsverwaltung seien sie nach deren Mitteilung ausgegangen. Das von dem Beklagten angenommene einzusetzende Einkommen sei zu hoch.

Da dem Schreiben vom 12. November 2009 die angefochtenen Bescheide nicht beigefügt gewesen sind, hat das Sozialgericht den Vorgang zunächst nicht zuordnen können. Am 13. Januar 2010 ist bei dem Amtsgericht Magdeburg ein an das Postfach des Sozialgerichts Magdeburg adressiertes Schreiben der Kläger mit dem als Anlage in Kopie beigefügten Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2009 eingegangen, das bei dem Sozialgericht als neue Klage unter dem Aktenzeichen S 20 SO 5/10 registriert worden ist. Nach dortigem Hinweis des Sozialgerichts auf die versäumte Klagefrist ist unter dem 1. März 2010 von der Justizangestellten M folgender Aktenvermerk aufgenommen worden:

"Die Klägerin hat heute telefonisch mitgeteilt, dass der Widerspruchsbescheid bereits eingereicht worden sei. Dabei hat die Geschäftsstelle festgestellt, dass die Klage doppelt eingetragen worden ist bzw. dass es sich bei den Verfahren S 20 SO 103/09 und S 20 SO 5/10 um ein und denselben Widerspruchsbescheid handelt. Dies erklärte ich der Klägerin und meinte, dass sie erst einmal nichts unternehmen bräuchte, sondern dass das Gericht die Angelegenheit klären wird und dann wieder auf sie zukommen würde".

Das Sozialgericht hat die Verfahren S 20 SO 103/09 und S 20 SO 5/10 mit Beschluss vom 9. März 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, mit dem Verfahren S 20 SO 103/09 als führendem Verfahren, verbunden.

Mit Schreiben vom 11. März 2010 hat das Sozialgericht den Beteiligten den Verfahrensablauf vor Verbindung der Klageverfahren im Einzelnen erläutert und auf die nicht eingehaltene Frist zur Erhebung der Klage hingewiesen. Wiedereinsetzungsgründe wegen Versäumung der Klagefrist seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Sozialgericht hat die Beteiligten gleichzeitig zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und die Klage sodann mit Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2010 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da der Widerspruchsbescheid mit seiner Zustellung am 14. Oktober 2009 im Sinne des § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) bekannt gegeben worden sei. Die Frist von einem Monat zur Erhebung der Klage habe damit am 15. Oktober 2009 begonnen und am 14. November 2009 (einem Sonnabend) geendet. Die Klage habe damit spätestens 16. November 2009 beim Sozialgericht eingehen müssen. Mit der am 17. November 2009 eingegangenen Klageschrift sei die Klagefrist deshalb nicht gewahrt. Wiedereinsetzungsgründe seien auch nach dem Hinweis des Sozialgerichts in dem Richterbrief vom 11. März 2010 nicht dargelegt worden.

Die Kläger haben gegen den ihnen am 8. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts mit am 6. Juli 2010 bei dem Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sodann an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden ist. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, sie hätten nicht gewusst, dass bei einem auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fallenden Fristende der Tag der nächsten Woche maßgebend sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine am Freitag bei der Post aufgegebene Sendung erst am Dienstag ankomme. Was die Gründe für eine Wiedereinsetzung betreffe, sei ihnen in einer telefonischen Absprache mit Frau M ... mitgeteilt worden, dass sie sich auf Grund der Schreiben nicht bei Gericht melden müssten, da die Verfahren S 20 SO 103/09 und S 20 SO 5/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden würden. In der Sache sei es unbillig, dass sie ihr die Auszahlung der Lebensversicherung des Verstorbenen übersteigendes Einkommen für die Bestattungskosten einzusetzen hätten. Denn sie hätten damit auch andere Kosten - z.B. Miete, Strom, Nebenkosten, Kontogebühren - begleichen müssen. Die Klägerin zu 1. beziehe nur Arbeitslosengeld, das nicht höher sei als die Leistungen an einen Arbeitslosengeld II-Empfänger.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Juni 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen 1.223,78 EUR für die Kosten der Bestattung ihres Sohnes S ...M zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält Wiedereinsetzungsgründe für gegeben, den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis aber für zutreffend.

Der Berichterstatter hat die Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2010 darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht die Klage zutreffend als verfristet angesehen habe. Nach Beratung des Senats unter Berücksichtigung eines in den hinteren Aktendeckel gehefteten leeren Briefkuverts, das keinen Hinweis auf den Adressaten oder den Inhalt, aber die Frankierung als Einschreiben (2,60 EUR) vom 13. November 2009 und auf der Rückseite die handschriftliche Angabe der Adresse der Kläger trägt, hat der Senat den Beteiligten die Friedhofssatzung der Stadt K ... (Anhalt) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 26. Juni 2008 in Kopie übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden können, da sie auf Grund der - ausweislich der Postzustellungsurkunde - am 23. November 2010 bewirkten Terminsmitteilung Kenntnis von dem Termin zur mündlichen Verhandlung gehabt haben und auf die Möglichkeit der Entscheidung bei ihrem Ausbleiben hingewiesen worden sind (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Der Wert des Beschwerdegegegenstandes, der dem geltend gemachten Betrag von 1.223,78 EUR entspricht, übersteigt den Schwellenwert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von 750,00 EUR. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 SGG).

Die Berufung ist im Sinne einer Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht auch begründet.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht u.a. dann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Das Sozialgericht hat in diesem Sinne auf eine zulässige Klage nicht über den geltend gemachten materiellen Anspruch entschieden.

Der Senat hält es im Ergebnis für geboten, die Kläger wie bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) durch das Sozialgericht zu behandeln (vgl. zur Zuständigkeitsabgrenzung Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 67 RdNr. 15).

Die Klage ist hier nicht entsprechend § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben worden. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Frist zur Klageerhebung nach § 87 Abs. 2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung. Dem Lauf der Frist stand nicht eine unzutreffende oder unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten entgegen (vgl. hierzu z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 13/07 R - juris). Die Zustellung des Widerspruchsbescheides ist ordnungsgemäß erfolgt (§ 85 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGG, § 3 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG), § 180 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Monatsfrist begann damit am Tag nach der Zustellung des Widerspruchsbescheides, d.h. am 15. Oktober 2009, und endete an dem auf das Fristende folgenden Montag, d.h. dem 16. November 2009 (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG).

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag nach § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (a.a.O. Abs. 2 Satz 1). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (a.a.O. Abs. 2 Satz 2). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (a.a.O. Abs. 2 Satz 3). Die Kläger haben hier erstmals im Rahmen der Berufungsbegründung vorgetragen, dass sie von einem fristgerechten Zugang der Klage ausgegangen seien, da sie etwas - gemeint ist wohl die Klageschrift - am Freitag bei der Post aufgegeben hätten. Insoweit berücksichtigt der Senat jedoch von Amts wegen, dass die Aktenverwaltung im vorliegenden Verfahren Mängel aufweist, die teilweise der Sphäre des Gerichts zuzuordnen sind. Das am hinteren Aktendeckel angeheftete Kuvert hat sehr wahrscheinlich die Klageschrift vom 12. November 2009 zum Inhalt gehabt, da die durch die Deutsche Post AG angebrachte Frankierung dem Datum nach mit der von den Klägern angegebenen Aufgabe ihres Briefes zur Post am Freitag, dem 13. November 2009, übereinstimmt. Die Kläger haben nicht zu vertreten, dass das Kuvert nicht dem Schriftsatz angefügt worden ist, der seinen Inhalt gebildet hat. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die telefonische Auskunft der Geschäftsstelle im Zusammenhang mit der fehlerhaften Doppelregistrierung der Klage die nicht anwaltlich vertretenen Kläger davon abgehalten hat, bei dem Sozialgericht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und ordnungsgemäß zu begründen.

Der Senat kann eine unverschuldet versäumte Frist zur Klageerheung hier nicht ausschließen. An einem Verschulden fehlt es u.a. dann, wenn ein Schriftstück entsprechend den Bestimmungen der Deutschen Post AG so rechtzeitig auf die Post gegeben wird, dass dieses nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht hätte (vgl. von Wulffen, SGB X Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 27 RdNr. 8 m.w.N.). Überwiegend wird vor dem Hintergrund der in § 2 Nr. 3 der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I 1999, 2418) vorgegebenen Qualitätsmerkmale für mindestens 80 v.H. der inländischen Briefbeförderungen im Jahresdurchschnitt eine bestimmungsgemäße Auslieferung für die an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen am auf den Einlieferungstag folgenden Werktag angenommen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - NJW 2009, 2379 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 6a). Legt man diesen abstrakten Maßstab zugrunde, kann insoweit für ein Übergabeeinschreiben nichts anderes gelten. Denn § 2 PUDLV regelt die Qualitätsmerkmale "der Briefbeförderung"; die Briefbeförderung erfasst nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PUDLV auch die Sendungsform Einschreibsendung (Briefversendung, die pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert ist und gegen Empfangsbestätigung ausgeliefert wird).

Vor diesem Hintergrund überwiegt im Rahmen der Ermessensausübung des Senats das Interesse der Kläger an einer Wiedereröffnung von zwei Tatsacheninstanzen.

Eine Zurückverweisung an das Sozialgericht soll durch das Landessozialgericht, dem selbst die Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhaltes offen stehen, nur im Ausnahmefall erfolgen (vgl. Fichte, SGb 1987, 271, 277). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor, weil die dem materiellen Anspruch zugrunde liegende Rechtsvorschrift in § 74 SGB XII die Überprüfung eines Beurteilungsspielraums der Behörde beinhaltet. In diesem Rahmen sind auch wertende Betrachtungen erforderlich, die im Regelfall instanzübergreifend wohl annähernd, aber nicht vollständig auf dasselbe rechnerische Ergebnis hinführen.

Der Senat vermag auch eine abschließende Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen des materiellen Anspruchs auf der Grundlage des aktuellen Sach- und Streitstandes nicht vorzunehmen.

Die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten vom 7. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 setzt voraus, dass die Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachte Kostenerstattung für die Bestattung ihres Sohnes haben.

Nach § 74 SGB XII werden die Bestattungskosten übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Passivlegitimiert für den streitigen Anspruch ist nach § 97 Abs. 1 i.V.m. § 98 Abs. 3 SGB XII der Beklagte, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich hier der Sterbeort liegt. Aus § 97 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII ergibt sich keine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe als Ausnahme von der Regelzuständigkeit des Beklagten als örtlichem Träger. Das Gesetz zur Ausführung des SGB XII in Sachsen-Anhalt vom 11. Januar 2005 (GVBl. S. 8) sieht keine Zuständigkeitszuweisung für Entscheidungen auf der Grundlage von § 74 SGB XII vor. § 97 Abs. 4 SGB XII regelt nur die Zuständigkeit für Bestattungskosten, die in Zusammenhang mit einer stationären Leistung entstehen (vgl. z.B. Hohm in: Schellhorn, SGB XII – Sozialhilfe, 18. Aufl. 2010, § 97 RdNr. 16 ff.), die hier nicht durchgeführt wurde.

Die Kläger waren zur Bestattung ihres Sohnes nach § 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt verpflichtet. Nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tragen sie als Erben die Kosten dieser Beerdigung.

Aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen lässt sich bisher die Erforderlichkeit der von den Klägern veranlassten Bestattungskosten nicht abschließend beurteilen. Die Frage der angemessenen Höhe dieser Kosten hängt insbesondere davon ab, welchen Maßstab das Sozialgericht im Hinblick auf die Wahlfreiheit des Verstorbenen bzw. der Kläger bezüglich der Ausgestaltung der Beerdigung und welchen Vergleichsmaßstab es für die Einzelposten der Bestattungskosten oder für die Gesamtkosten hier zugrunde legt. Allein der von dem Beklagten in Bezug genommenen Arbeitsanweisung vermag der Senat die Erforderlichkeit bzw. Nichterforderlichkeit der im vorliegenden Fall aufgewendeten Bestattungskosten nicht zu entnehmen, da die Prüfung der Verwaltung nicht Gegenstand einer Ermessensentscheidung ist, die ggfs. durch eine solche Arbeitsanweisung konkretisiert werden könnte.

Bei der dann ggfs. vorzunehmenden Prüfung der Zumutbarkeit der Kostentragung für die Bestattung durch die Kläger sind dem Einzelfall Rechnung tragende und vom Sozialhilferecht im Übrigen weitgehend losgelöste Grundsätze zu beachten (vgl. zu § 15 Bundessozialhilfegesetz Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Juni 1997 - 5 C 13/96 - BVerwGE 105, 51 ff.; zu § 74 SGB XII BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/98 - BSGE 104, 219 ff.).

Die Einkomens- und Vermögensverhältnisse der Kläger zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlungsverpflichtungen für die Bestattungskosten sind bisher nicht Gegenstand des Vorverfahrens oder Klageverfahrens gewesen. Legt man die Entscheidung des BSG vom 29. September 2009 (a.a.O.) der Entscheidung zugrunde, wäre ggf. eine Bedarfsprüfung nach § 85 ff. SGB XII von Februar 2009 bis zum Erlass des das Vorverfahren abschließenden Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 zu berücksichtigen.

Bezüglich der von der Großmutter des Verstorbenen wohl im Februar 2009 für die Bestattung geleisteten Geldmittel kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob sich im Hinblick auf die rechtliche Zuordnung und Durchführung des Rechtsgeschäfts Auswirkungen auf die Entscheidung ergeben. Die Einzelheiten der Aus- bzw. Rückzahlung der Summe von 2.800,00 EUR sind bisher nicht festgestellt worden. Hier käme u.a der Abgrenzung zwischen einem Darlehen und einer Schenkung besondere Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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