L 12 AS 3395/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 2081/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3395/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Juni 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 18. Dezember 2006 bis 31. August 2007.

Die 1979 geborene Klägerin bewohnt seit Dezember 2004 gemeinsam mit Herrn L. das in dessen Eigentum stehende Einfamilienhaus G.str. 19, 74722 B ... In den Jahren 2006 und 2007 wandte L. hinsichtlich eines Darlehens zur Finanzierung des Wohneigentums Zinsen in Höhe von monatlich 158,33 EUR auf. Weiterhin entrichtete er Gebühren für Wasser und Abwasser in Höhe von monatlich 42,00 EUR, Grundsteuer in Höhe von jährlich 93,33 EUR, Mühlgebühren in Höhe von monatlich 10,83 EUR sowie Heizkosten in Höhe von monatlich 139,01 EUR. Die Klägerin beteiligte sich an den "Nebenkosten" pauschal mit einem Betrag von monatlich 100,00 EUR. L. bezog 2006/2007 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2658,99 EUR (1603,41 EUR netto).

Nachdem der Bezug von Arbeitslosengeld zum 17. Dezember 2006 endete, beantragte die erwerbsfähige Klägerin, die über kein Einkommen und lediglich Vermögen in Form eines Sparbuches mit einem Guthaben von 2.463,06 EUR (Stand: 04. Dezember 2006) verfügte, am 07. Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB II und gab hierbei an, dass sie alleinstehend sei. Mit Schreiben vom 03. Januar 2007 teilte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten u.a. mit, dass sie eine Mietbescheinigung nicht vorlegen könne, da sie nicht zur Miete wohne. Zur Zeit wohne sie bei einem guten Bekannten mietfrei. An den anfallenden Nebenkosten müsse sie sich beteiligen.

Am 29. Januar 2007 suchte ein Aussendienstmitarbeiter der Beklagten die Klägerin auf. In dem Ermittlungsbericht wird ausgeführt, dass L. offen eingestanden habe, dass beide eine Beziehung hätten und sich liebten. Er lebe mit der Klägerin seit dem 16. Dezember 2004 zusammen in der Wohnung. Die Klägerin habe in der Vergangenheit selbst ihren Anteil an Nebenkosten in Höhe von 100,00 EUR bezahlt. Die Antragstellung sei erfolgt, da der Klägerin die Krankenversicherung wichtig sei und diese zumindest einen kleinen Anteil an Nebenkosten bzw. laufenden Kosten für den täglichen Lebensunterhalt beisteuern wolle. Ein gemeinsames Konto mit L. bestehe nicht. L. sei bei der Firma P.u.A. in B. als Qualitätsprüfer beschäftigt. L. habe ausgeführt, dass es für ihn merkwürdig sei, wenn er für den Lebensunterhalt seiner Partnerin aufzukommen habe und diese von ihm abhängig sei. L. habe das Haus von seinen Eltern übernommen und dort Umbauarbeiten durchgeführt, bei denen er teilweise durch die Klägerin unterstützt worden sei. Das Haus bestehe im Dachgeschoss aus einem Ess- und Wohnbereich mit Einbauküche und einem kleinen Bad; im zweiten Stock befinde sich ein gemeinsames Schlafzimmer, ein Hobbyraum, ein Nähzimmer; im Erdgeschoß stehe ein Bad und ein Wohnzimmer mit einer kleinen Küche zur Verfügung. Beide Partner planten die Zukunft gemeinsam. Weiterhin gab die Klägerin an, dass die monatlichen Ausgaben nicht aus einer gemeinsamen Kasse getätigt würden. Es werde gemeinsam gekocht und gewaschen. Lebensmittel und sonstige Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände würden gemeinsam gekauft und verbraucht. Es bestehe kein gemeinsames Konto. Der Partner könne nicht über das Konto des anderen Partners verfügen. Die Kosten für Strom, Wasser und Müllabfuhr trage L. Eine Verlobung bestehe nicht. Die Eingehung der Ehe sei nicht geplant.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2007 lehnte die Beklagte den klägerischen Antrag ab. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19. März 2007 Widerspruch ein. Eine eheähnliche Gemeinschaft mit L. könne nicht angenommen werden. Das Zusammenleben sei erst von kurzer Dauer. Im wesentlichen hätten beide getrennte Kassen und Konten. Eine Unterstützung, insbesondere mit Geld, finde nicht statt. Lediglich ein mietfreies Wohnen werde gewährt. Die Beklagte wies den klägerischen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2007 als unbegründet zurück. Die Klägerin lebe seit Dezember 2004 mit L. zusammen in dessen Haus. Damit seien die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung des § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II erfüllt. Die Vermutung sei nicht widerlegt worden.

Am 13. Juni 2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und geltend gemacht, dass sie mit ihrem Freund nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Eine finanzielle Unterstützung habe nicht stattgefunden. Sie habe bisher von ihrem Schonvermögen gelebt, dass fast aufgebraucht sei.

Am 1. September 2007 nahm die Klägerin eine Vollzeittätigkeit mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.414,- EUR auf.

In der mündlichen Verhandlung am 02. Juni 2008 hat das SG die Klägerin zum Sachverhalt befragt sowie Beweis erhoben durch Vernehmung von L. als Zeugen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Vernehmung wird auf die Niederschrift vom 02. Juni 2008 Bezug genommen (Bl. 16 bis 22 SG-Akte).

Mit Urteil vom 02. Juni 2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 18. Dezember 2006 bis 31. August 2007 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Einkommen oder Vermögen von L. bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht zu berücksichtigen seien. Hilfebedürftig sei, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sei auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehöre als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebe, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II). Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, werde u.a. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Im vorliegenden Fall lebten die Klägerin und L. unstreitig erheblich länger als ein Jahr in einem gemeinsamen Haushalt. Durch die Beweisaufnahme sei jedoch die gesetzliche Vermutung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft insoweit widerlegt. Die gesetzliche Regelung zur Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft folge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sog. "eheähnlichen Gemeinschaft". Diese Rechtsprechung setzte voraus, dass die Bindungen zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts so eng seien, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. Die Gemeinschaft müsse auf Dauer angelegt sein und lasse daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zu. Nur wenn die Partner einer Gemeinschaft sich so sehr füreinander verantwortlich fühlten, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, sei ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar. Auf diese Maßstäbe sei auch bei der Prüfung der Existenz einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II zurückzugreifen. Die Kammer sei einhellig zu der Überzeugung gelangt, dass insbesondere aufgrund der Zeugenaussage des L. der Beweis geführt sei, dass der gegenseitige Wille der Klägerin und des L., in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander einzustehen, nicht gegeben sei. Während der äußere Anschein nahezu vollständig für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft spreche, müsse aufgrund der spontanen und glaubhaften Darstellung des Zeugen L. davon ausgegangen werden, dass die notwendigen inneren Bindungen und der notwendige Einstehenswille vorliegend nicht vorhanden seien. Der Zeuge L. habe eindrücklich zum Ausdruck gebracht, dass er davon ausgehe, dass die Klägerin und er jeweils wirtschaftlich selbständig sein müssten. Die Klägerin komme ihm - dem Zeugen L. -, wenn er denn für ihren Lebensunterhalt aufkommen müsste, "wie ein Hund" vor. Für die Klägerin einstehen würde der Zeuge L. nur im Falle einer Heirat mit der Geburt gemeinsamer Kinder, dann allerdings auch im wesentlichen wohl deshalb, weil die Klägerin dann als Erziehungsperson für seine Kinder zur Verfügung stünde.

Gegen das ihr am 23. Juni 2008 zugestellte Urteil des SG richtet sich die am 17. Juli 2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie führt zur Begründung aus, dass es sich bei der Klägerin und L. um ein Paar handele, das seit nunmehr fast vier Jahren zusammenlebe. Die Wohnung werde gemeinsam bewohnt und nicht in Bereiche aufgeteilt. Die Haushaltsführung erfolge gemeinsam bzw. abwechselnd. Es werde gemeinsam eingekauft und nach Möglichkeit gemeinsam gegessen sowie abwechselnd gekocht. Der Urlaub werde gemeinsam verbracht. Diese Umstände zeigten eine besondere Nähe und einen Umgang der beiden untereinander, wie er sonst nur in Ehen und eheähnlichen Beziehungen üblich sei. L.´s Vergleich mit einem Hund und die Erklärung, nur für die Mutter seiner Kinder einstehen zu wollen, seien eine reine Behauptung und kein Beweis. Allein aufgrund der bisherigen Dauer der Beziehung handele es sich nicht um eine kurzfristige Affäre. Auch eine Ehe sei nicht mehr unbedingt lebenslänglich angelegt. Auch in einer Ehe regelten Menschen mit Sicherheitsbedürfnissen gewisse finanzielle Angelegenheiten vorab per Vertrag. Auch in einer Ehe bleibe das Eigentum jedes Ehegatten sein Eigentum, über das er nach seinen Vorstellungen verfügen könne. Vielmehr sei L. während der Arbeitslosigkeit der Klägerin für seine Partnerin eingestanden. Als deren eigenes Geld verbraucht gewesen sei, habe L. den gemeinsamen Lebensunterhalt finanziert. L. habe die Klägerin nicht vor die Tür gesetzt, sondern ihr die Zahlung der Nebenkosten auf unbestimmte Zeit gestundet, als diese die vereinbarte Beteiligung an den Nebenkosten nicht mehr erbringen konnte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. Juni 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagte eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft allein im Hinblick auf das vierjährige Zusammenleben unterstelle. Das SG habe zutreffend im Urteil ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Einstehensgemeinschaft nicht vorlägen. Sowohl L. als auch die Klägerin hätten angegeben, dass eine getrennte Einkommens- und Vermögensverwaltung erfolge. Bei Einkäufen seien die Kosten im wesentlichen geteilt worden. L. habe angegeben, dass die Klägerin keine Kontovollmacht für sein Konto habe. Auch habe diese keinen Einblick über seine Einkünfte und sein Vermögen. In seiner Lebensversicherung sei seine Mutter als Begünstigte eingetragen. Sein Einkommen nutze er für eigene Zwecke. Die Ausstattung der Wohnung geschehe nach seinen Wünschen. Erst als die Klägerin ihr Schonvermögen aufgebracht hatte, habe L. geholfen. Diese Nothilfe lege die Beklagte als Einstandswillen aus, wobei die Vereinbarung der späteren Rückzahlung als unbeachtlich angesehen werde.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des L. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2011 (Bl. 34 - 37 der Gerichtsakten).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist in der Sache begründet, denn der Bescheid vom 21. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2007 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 18. Dezember 2006 bis zum 31. August 2007 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu.

Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gem. § 7 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, 1706), die auf den streitgegenständlichen Zeitraum Anwendung findet, Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Streitig ist vorliegend allein, ob die Klägerin hilfebedürftig war. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2), sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die Klägerin erzielte im oben genannten Zeitraum kein Einkommen und verfügte über kein zu berücksichtigendes Vermögen. Jedoch lag keine Hilfebedürftigkeit der Klägerin vor, weil sie mit L. eine Bedarfsgemeinschaft bildete mit der Folge, dass bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen des L. in diesem Zeitraum zu berücksichtigten war (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB II).

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, 1706) gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach § 7 Abs. 3 a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Diese Regelung knüpft an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft die Bindungen der Partner so eng sein müssen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (BVerfGE 87, 234). Nur wenn sich die Partner in der Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetzen, ist ihre Lage derjenigen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar. Da es sich dabei um subjektive Tatsachen handelt, berücksichtigte die Rechtsprechung grundsätzlich die Gesamtheit der feststellbaren (äußeren) Tatsachen, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer solchen Gemeinschaft zugelassen haben, und zog als Hinweistatsachen vor allem die Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, heran. Die zum 01. August 2006 eingeführte Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB II ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung, die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (vgl. bspw. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2010 - L 3 AS 4622/08 -). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3 a SGB II vor, sind diese also nachgewiesen, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Hilfebedürftigen um. Will dieser die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Für eine Widerlegung der Vermutung genügen unsubstantiierte Behauptungen der Partner nicht, insbesondere wenn sie widersprüchlich sind oder im Gegensatz zu früheren Angaben stehen (Senatsurteil vom 25. April 2008 - L 12 AS 4422/07 -). Auch ist bei der Prüfung der Voraussetzungen nicht ausschlaggebend, ob ein Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, tatsächlich vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 25. April 2008 - L 12 AS 4422/07-; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. August 2007 - L 7 AS 3645/07 ER-B -).

Vorliegend wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, nachdem die Klägerin seit Dezember 2004 und damit zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums länger als ein Jahr mit L. zusammenlebt. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme können zur Überzeugung des Senats keine Umstände festgestellt werden, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Zur Überzeugung des Senats spricht nichts dafür, dass abweichend von der gesetzlichen Vermutung das langjährige Zusammenleben der Klägerin mit L. nur als reine Zweck- und Wohngemeinschaft angesehen werden kann. Vielmehr leben und lebten die Klägerin und L. sowohl nach den äußeren Umständen, als auch von der erkennbaren inneren Einstellung her in einer Art und Weise zusammen, die über eine bloße Wohngemeinschaft deutlich hinausgeht. Diese Einschätzung ergibt sich aus der Einlassung der Klägerin im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und der Aussage des Zeugen L. in beiden Instanzen. Es erfolgte keine Trennung der Wohnverhältnisse und keine strikte Trennung der finanziellen Verhältnisse, wie sie für eine bloße Wohngemeinschaft typisch sind.

Zwischen der Klägerin. und L. besteht unstreitig eine (sexuelle) Beziehung. Sie wohnen gemeinsam in der Wohnung des L. ohne eine erkennbare räumliche Trennung (gemeinsamer Wohn-, Ess- und Schlafbereich, gemeinsame Küche, gemeinsames Bad). Sie nutzen gemeinsam die Wohnung sowie die Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände. Die Klägerin gab an, dass - soweit aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeiten möglich - gemeinsam gekocht und gegessen wird und Lebensmittel und sonstige Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände gemeinsam eingekauft werden, wobei in der Regel eine Kostenteilung stattfindet. Die Klägerin und der Zeuge L. gaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG übereinstimmend an, dass sie einen gemeinsamen Haushalt führen und sich die anfallende Hausarbeit teilen. Zur Überzeugung des Senats liegt eine strikte Trennung der finanziellen Verhältnisse nicht vor. Zwar hat die Klägerin nach ihren Angaben und den Bekundungen des L. vor dem SG keine Verfügungsbefugnis über dessen Konto. Jedoch wohnt sie bei L. "mietfrei" und beteiligt sich mit einem Pauschalbetrag von 100,00 EUR lediglich an den Verbrauchskosten wie Wasser, Abwasser, Müll und Heizung. Die Klägerin und L. haben übereinstimmend berichtet, dass L. der Klägerin, nachdem sie über kein Einkommen mehr verfügte und ihr Vermögen aufgebraucht hatte, die Zahlung der Nebenkosten so lange gestundet hat, bis sie wieder über Einkommen verfügte. Darüber hinaus hat L. in dieser Situation überwiegend die Aufwendungen für Lebensmittel getragen. So erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, L. habe ihr zu verstehen gegeben, dass er sie "nicht verhungern" lasse. Der Zeuge L. hat in der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2011 vor dem Senat bekundet, dass er beim Einkaufen die Lebensmittel bezahlt hat. Er habe sich gesagt, er kann die Klägerin in der Notlage nicht auf die Straße setzen. Der Zeuge L. hat mithin die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Notsituation unterstützt und den gemeinsamen Lebensunterhalt sichergestellt, bevor er sein persönliches Einkommen zur Befriedung seiner Bedürfnisse einsetzen konnte. Er hat sich gerade nicht wie ein Vermieter oder ein sonstiger Dritter verhalten und keine Konsequenzen gezogen, als die Klägerin sich an den Nebenkosten und den Aufwendungen für Lebensmittel nicht mehr beteiligen konnte. In diesem tatsächlichen Zusammenleben der Klägerin mit L. manifestierte sich der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Demgegenüber hat das SG in erster Linie auf die von der Klägerin und L. geäußerten subjektiven Vorstellungen abgestellt, nicht in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander einzustehen zu wollen. So hat es die Vorstellung des L. zugrundegelegt, dass beide Partner wirtschaftlich selbständig sein müssten und die Klägerin bei einer finanziellen Unterstützung ihm "wie ein Hund" vorkomme. Diese subjektiven Tatsachen sind vorliegend nicht maßgeblich, sondern die festgestellten äußeren Tatsachen, die - wie dargelegt - nur einen Rückschluss auf das Bestehen einer Verantwortungsgemeinschaft zulassen. Auch der Umstand, dass L. die Klägerin nicht als Bezugsberechtigte seiner Lebensversicherung angegeben hat, sondern seine Mutter, erscheint bei einer seit ca. 2 Jahren bestehenden eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht untypisch, zumal dem Kläger das Wohngrundstück von seinen Eltern übertragen worden war. Schließlich spricht auch die Bekundung des L. vor dem SG, er habe bei der Einrichtung des gemeinsam bewohnten Hauses Tapeten und Vorhänge nach seinen Vorstellungen ausgesucht, nicht richtungsweisend gegen die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II.

Unter Anrechnung des Einkommens des L. hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei berechnet sich die Höhe des Gesamtbedarfs der aus der Klägerin und L. bestehenden Bedarfsgemeinschaft aus den diesen zustehenden Regelleistungen in einer Höhe von insgesamt 622,- EUR. Hinzu kommen die Kosten der Unterkunft in Höhe von 367,94 EUR. Unter Berücksichtigung der vollständigen Unterkunftskosten errechnet sich damit ein Gesamtbedarf in Höhe von 989,94 EUR. Dem stand das zu berücksichtigende Erwerbseinkommen des L. von monatlich 1.323,41 EUR gegenüber, wobei das monatliche Nettoeinkommen in Höhe von 1.603,41 EUR (vgl. zum Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB II) um die Freibeträge nach § 11 Abs. 2 S. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II zu bereinigen war. Das zu berücksichtigende Einkommen der Bedarfsgemeinschaft lag damit deutlich über ihrem Bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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