L 9 U 1083/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2401/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1083/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Verschuldenskosten können der Beklagten auferlegt werden, wenn die vom SG nachgeholten Ermittlungen unverzichtbar für die zu treffende Entscheidung gewesen sind. Die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen und deren höchstrichterlicher Auslegung zu beurteilen.
2. Die Entscheidung, ob der Beklagten Verschuldenskosten aufzuerlegen sind, kann vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens getroffen werden.
3. Bei dem Beschwerdeverfahren handelt es sich um ein selbstständiges, nicht kontradiktorisches Verfahren im Rahmen des von den Beteiligten betriebenen Hauptsacheverfahrens. Eine Kostenentscheidung zugunsten des Klägers des Hauptsacheverfahrens scheidet damit aus. In diesem Verfahren findet jedoch § 197a SGG Anwendung, weshalb Gerichtskosten anfallen und zu erheben sind.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 9. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin, Beklagte des anhängigen Rechtsstreits, gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten.

Der Kläger des Hauptsacheverfahrens begehrt von der Beschwerdeführerin wegen eines Unfalles vom 26.10.2007 (beim Abbremsen seines Lkw vor einer Ampel kippte das Führerhaus nach vorne auf die Fahrbahn) die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 07.02.2008 hinaus. Der Kläger wurde mit dem Verdacht auf eine Halswirbelsäulen-Distorsion ambulant in der Klinik am Eichert in G. behandelt. Der Unfallchirurg B. berichtete am 26.11.2007 - neben einer anhaltenden Schmerzsymptomatik im Bereich der HWS und BWS - über massive Angstzustände des Klägers, die ihm das Fahren und Benutzen von Personenkraftwagen zurzeit nicht möglich machten. Er veranlasste eine Kernspintomographie der HWS und des Schädels sowie eine psychiatrische Untersuchung. Am 06.11.2007 erfolgte eine neurologische Untersuchung im Christophsbad G. einschließlich einer CT des Schädels, mit welcher eine knöcherne Verletzung, eine Blutung oder sonstige intracerebrale Unfallfolgen ausgeschlossen werden konnten. Vom 24.01.2008 bis 25.01.2008 befand sich der Kläger mit der Diagnose "spezifische, posttraumatisch entstandene Phobie (ICD10: F40.2)" in stationärer psychotherapeutischer Behandlung bei Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Psych. H., Christophsbad G ... Dort wurde über eine seit dem Unfall bestehende große Angst vor dem selbstständigen Autofahren berichtet, das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgeschlossen. Arbeitsunfähigkeit wurde aufgrund der Vorstellung am 01.02. und 15.02.2008 "bis auf weiteres" bescheinigt (Vorlage der Auszahlscheine durch die AOK N.-F., Bl. 101 ff. d. Akten). Unter derselben Diagnose ("spezifische, posttraumatisch entstandene Phobie [ICD10: F40.29"]) erfolgte eine weitere stationäre Behandlung vom 29.04.2008 bis 11.06.2008. Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Psych. H. führte in seinem Bericht vom 20.06.2008 aus, durch die erfolgte Behandlung habe eine deutliche Abnahme der Pkw-Phobie erreicht werden können. Er (der Kläger) habe sich aber entschieden, nicht wieder in seinem Beruf als Lkw-Fahrer zu arbeiten, weil er sich eine Lkw-Exposition zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen könne.

Bereits mit Schreiben vom 03.03.2008 forderte die Beklagte die Verletztengeld auszahlende AOK N. F., G., auf, die Zahlungen einzustellen und lehnte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 03.07.2008 die Gewährung von Leistungen über den 07.02.2008 hinaus ab. Das Unfallereignis sei nach Art und Schwere nicht geeignet gewesen, eine psychotraumatologische Symptomatik hervorzurufen. Bei der diagnostizierten phobischen Störung sei von einer vorbestehenden Persönlichkeitsstörung auszugehen.

Diese Auffassung stützte die Beklagte auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F., welcher unter dem 24.06.2008 ausführte, dass das Unfallereignis nach Art und Schwere nicht geeignet gewesen sei, eine psychotraumatologische Symptomatik hervorzurufen. Die bestehende phobische Störung sei nach dem Bericht des behandelnden Chirurgen möglicherweise schon früher vorhanden gewesen und auch die Diagnosen spezifische Persönlichkeitsstörung, Abhängigkeitssyndrom deuteten darauf hin, dass hier Faktoren im Vordergrund stünden, die in der Persönlichkeit und Situation des Patienten begründet seien. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.

In dem sich vor dem Sozialgericht Ulm (SG) anschließenden Klageverfahren, mit dem der Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Leistungen nach den § 56 ff. SGB VII begehrt, hat das SG Beweis erhoben durch das Einholen eines nervenärztlich/psychiatrischen Gutachtens bei Dr. Sch., Sch. G. , und hat - nach vorherigem Hinweis - mit Beschluss vom 09.02.2010 der Beklagten die Kosten des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens bei "Dr. L." in Höhe von 677,71 EUR auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 192 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfüllt seien. Die Einholung eines nervenärztlich-neurologisch-psychiatrischen Fachgutachtens sei erkennbar notwendig gewesen, so dass die Kammer gezwungen gewesen sei, diese erforderlichen Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren nachzuholen. Die ablehnende Begründung der Beklagten im angefochtenen Bescheid, das Unfallereignis sei nicht geeignet gewesen, psychische Gesundheitsstörungen zu verursachen, sei ebenso wenig durch medizinische Beweiserhebungen im Verwaltungsverfahren gedeckt, wie die Behauptung einer vorbestehenden seelischen Erkrankung des Klägers. Der Beklagten dürfte auch die umfangreiche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage psychischer Unfallfolgen bekannt sein. Eine Vorerkrankung müsse im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein und dürfe nur dann in die Zurechnungsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung eingestellt werden, wenn auch vollbeweislich feststehe, dass sie eine nicht hinweg zu denkende Bedingung für das konkrete Unfallereignis gewesen sei.

Gegen den der Beklagten am 11.02.2010 zugestellten Beschluss hat sie am 04.03.2010 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben.

Zur Begründung ihres Antrages, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, macht sie geltend, dass es für die Frage, ob das Einholen eines Fachgutachtens bereits im Verwaltungsverfahren erkennbar und notwendig gewesen ist, auf den Standpunkt eines objektiven Betrachters während des Verwaltungsverfahrens ankomme. An der Erkennbarkeit fehle es bereits dann, wenn es nach vertretbarer Rechtsauffassung auf die später vom Gericht für erforderlich gehaltenen Ermittlungen nicht ankomme. Insbesondere seien die Ermittlungen im Verwaltungsfahren auch dann ausreichend gewesen, wenn sie auf einer Rechtsauffassung beruhten, die später möglicherweise vom Gericht nicht geteilt werde oder sich im Nachhinein als fehlerhaft erweise. Der Entscheidung liege im Wesentlichen eine Stellungnahme nach Aktenlage des beratenden Arztes Dr. F. zugrunde. Dieser habe auf der Grundlage der vorliegenden Arztberichte sowie der Angaben des Klägers zum Unfallhergang bei der Polizei festgestellt, dass der Unfallhergang nicht geeignet gewesen sei, eine psychotraumatologische Symptomatik bzw. die während der stationären Behandlung diagnostizierte spezifische Phobie zu verursachen. Begründend habe er unter anderem ausgeführt, dass keine Angaben über initiale massive seelische Beeinträchtigungen gemacht worden seien, die eine derartige Symptomatik hätten begründen können. Damit habe eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für eine Bescheiderteilung vorgelegen. Die Beklagte habe aufgrund der Ausführungen des Dr. F. davon ausgehen können, dass die auf psychiatrischem Fachgebiet geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei und somit die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mit dem Ende der distorsionbedingten Halswirbelsäulenbeschwerden abgeschlossen gewesen sei. Nach Auswertung der Stellungnahme sei es für die Beklagte nicht erforderlich gewesen, vor Bescheiderteilung eine Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet zu veranlassen.

Das SG hat mit Beschluss vom 01.10.2010 den Beschluss vom 09.02.2010 dahin gehend abgeändert und berichtigt, dass die Beklagte die durch die Einholung des Gutachtens bei Dr. Sch. entstandenen Kosten in vollem Umfang i.H.v. 677,71 EUR zu erstatten hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beschwerdeführerin sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die nach § 172 SGG statthafte Beschwerde ist, da die Beschwerdefrist auch gewahrt ist, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 173 Satz 2 SGG), form- und fristgerecht erhoben und damit zulässig.

Gegenstand des Verfahrens ist der Beschluss des SG vom 09.02.2010. Dem Beschluss vom 01.10.2010 kommt abgesehen von der Berichtigung des Tenors des Bescheides vom 09.02.2010 im Hinblick auf die unzutreffende Bezeichnung des Sachverständigen, dessen Kosten zu erstatten sind, keine eigene Regelungsqualität zu. So sind die Ausfertigungen des Beschlusses vom 09.02.2010 auch mit dem entsprechenden Berichtigungsvermerk versehen worden. Einer Beschwerde auch gegen den Bescheid vom 01.10.2010 bedurfte es daher nicht.

§ 192 Abs. 4 SGG ist auch bereits anwendbar, nachdem die Vorschrift am 01.04.2008 in Kraft getreten ist und das Widerspruchsverfahren erst durch Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2009 abgeschlossen wurde.

Der vom SG getroffenen Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Anders als in den nach § 192 Abs. 1 SGG zu entscheidenden Fällen lässt sich die Frage, ob Verschuldenskosten aufzuerlegen sind oder nicht, nicht erst nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens beantworten, sondern bereits im Zeitpunkt der für erforderlich gehaltenen Ermittlungen. Die Frage der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ist auch unabhängig vom Ergebnis der durchzuführenden Ermittlungen zu beantworten, eines Bezuges auf die Beendigung des Verfahrens bedurfte es – wie in § 192 Abs. 1 SGG – daher nicht. Abweichend von § 192 Abs. 1 SGG hat die Entscheidung nach § 192 Abs. 4 Satz 1 SGG auch immer durch einen gesonderten Beschluss (§ 192 Abs. 4 Satz 2) zu ergehen, wodurch der Beklagten, abgesehen von § 172 Abs. 2 Nr. 4 SGG, grundsätzlich eine Beschwerdemöglichkeit eröffnet ist.

In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Das SG hat der Beklagten zu Recht die Kosten des von ihm eingeholten Gutachtens nach § 192 Abs. 4 SGG auferlegt.

Voraussetzung für die Auferlegung von Kosten auf die Beklagte nach § 192 Abs. 4 S. 1 SGG ist, dass die Beklagte im Verwaltungsverfahren erkennbare und notwendige Ermittlungen unterlassen hat, die vom Gericht nachgeholt wurden. Von einer Notwendigkeit wird dann auszugehen sein, wenn die nachgeholten Ermittlungen entsprechend der Amtsermittlungspflicht der Behörde nach §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch unverzichtbar für die zu treffende Entscheidung gewesen sind. Von einer Erkennbarkeit ist auszugehen, wenn sich der Behörde die Notwendigkeit unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen und deren höchstrichterlichen Auslegung aufdrängen musste und die Behörde - mangels einer solchen - nicht nach einer vertretbaren Rechtsauffassung davon ausgehen durfte, auf die Ermittlungen komme es nicht an (vgl. hierzu Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2011, L 2 U 166/10 B - in Juris - m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war das Einholen eines psychiatrischen Gutachtens notwendig und erkennbar.

Streitgegenstand des Verfahrens ist unabhängig von dem im Klageverfahren gestellten Antrag, "über den 07.02.2008 hinaus Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen, insbesondere Leistungen nach §§ 56 ff. SGB VII", jedenfalls die Gewährung von Verletztengeld über den 07.02.2008 hinaus (und nach dem Gutachten von Dr. Sch. bis zur Aufnahme der Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print im März 2009), über die die Beklagte im angefochtenen Bescheid mit der Ablehnung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit entschieden hat. Ob die Klage letztlich (auch) auf die Feststellung von Unfallfolgen gerichtet ist und zulässigerweise auch "Leistungen nach §§ 56 ff SGB VII" beantragt werden können, brauchte der Senat an dieser Stelle daher nicht zu entscheiden.

Unstreitig ist, dass der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat, dass er also zur Zeit des Unfalles eine Tätigkeit ausgeübt hat, die seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen war, dass diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat und dass dieses Unfallereignis zu einem Gesundheitserstschaden, nämlich einer Distorsion der HWS und BWS geführt hat. Ob dem Kläger über den 07.02.2008 hinaus ein Anspruch auf Verletztengeld (und - soweit überhaupt Gegenstand des Rechtsstreits - auf Sachleistungen sowie Verletztenrente) zusteht, ist zunächst davon abhängig, ob Unfallfolgen vorgelegen haben, die Arbeitsunfähigkeit bedingten.

Die Beklagte kann sich im konkreten Fall nicht darauf berufen, weitere Ermittlungen hätten unterbleiben können, weil dies einer vertretbaren Rechtsauffassung entsprochen habe. Eine vertretbare Rechtsauffassung hat sich an Gesetz, an der Auslegung durch die Rechtsprechung und insbesondere an der des Bundessozialgerichts zu orientieren. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung war die Beklagte gehalten, aufgrund der lediglich geäußerten Mutmaßungen in der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. F., den Sachverhalt durch ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten aufzuklären. Die Grundlagen für eine vertretbare Rechtsauffassung waren mit den durchgeführten Ermittlungen vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens noch nicht geschaffen.

Das Bundessozialgericht hat in mehreren Entscheidungen im Rahmen seiner Ausführungen zur Theorie der rechtlich wesentlichen Bedingung ausgeführt, dass für alle in der Folge eines Unfalles geltend gemachte Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen dieser Maßstab anzuwenden ist. Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung von Leistungen wie Verletztengeld und/oder Verletztenrente für sie ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht sein. Voraussetzungen für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ist nach dieser Rechtsprechung (vgl. BSG Urteil v. 09.05.2006, B 2 U 1/05 R - in Juris) zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die vorliegen und welche die Erwerbsfähigkeit des Verletzten mindern. Für die danach erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen muss dann geprüft werden, welche Ursachen für die festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen nach der Bedingungstheorie gegeben sind, um dann in einem zweiten Schritt zu klären, ob die versicherte Ursache - das Unfallereignis - direkt oder mittelbar - für diese Gesundheitsstörungen wesentlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung war. Basis dieser Beurteilung müssen zum einen der konkrete Versicherte mit seinem Unfallereignis und seinen Erkrankungen und zum anderen der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge von Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen sein. Die Anforderungen, die das Bundessozialgericht an die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl. insoweit BSG a.a.O.) an die Gerichte stellt, sind auch von den Verwaltungsträgern zu beachten. Allein hieraus ergibt sich, dass aufgrund der gestellten Diagnosen (erhebliche posttraumatische Angstzustände, spezifische posttraumatisch entstandene Phobie), eine ärztliche Äußerung nach Aktenlage und ohne nachvollziehbare (wissenschaftliche) Begründung, weshalb ein Ereignis im konkreten Fall nicht geeignet gewesen sein soll, eine psychotraumatologische Symptomatik hervorzurufen und die sich im Wesentlichen mit Formulierungen begnügt, dass weitere Diagnosen, wie spezifische Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeitssyndrom, darauf hindeuteten, dass hier Faktoren im Vordergrund stünden, die in der Persönlichkeit und in der Situation des Patienten begründet seien, die ablehnende Entscheidung nicht tragen kann. Denn mit dieser Einschätzung hat der gehörte Beratungsarzt schon die von der behandelnden Klinik gestellten Diagnosen in Zweifel gezogen, ohne dies aufgrund eigener Diagnosen und Feststellungen verifizieren zu können. Darüber hinaus blieb nach Aktenlage schon zweifelhaft, ob andere Diagnosen, wie etwa die spezifische Persönlichkeitsstörung und das Abhängigkeitssyndrom tatsächlich vorgelegen haben. Denn der Bericht des Christophbad G. vom 19.03.2008 gibt lediglich den Eindruck nach einer ersten ambulanten Behandlung am 22.01.2008 wieder. Darin wird (u.a.) auch lediglich nur der Verdacht auf ("V.a.") eine "sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung" gestellt. Im Bericht über die zeitlich nachfolgende stationäre Behandlung vom 24.01. bis 25.01.2008 werden diese Diagnosen nicht mehr wiederholt (Bericht vom 07.03.2008). Nicht nur hinsichtlich der generellen Eignung und der kausalen Verknüpfung sondern bereits zum Vorliegen konkurrierender Ursachen stellt die beratungsärztliche Stellungnahme damit lediglich Mutmaßungen an, die von den Befunderhebungen nicht gedeckt sind. Ausgehend von diesem Kenntnisstand nach einer zumutbaren Schlüssigkeitsprüfung durch die Beklagte war eine weitere Abklärung durch das Einholen eines Sachverständigengutachtens notwendig und dies für die Beklagte auch ohne weiteres erkennbar. Diese Ermittlungen hat das SG durch das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten bei Dr. Sch. auch nachgeholt.

Gründe, die im Hinblick auf das eingeräumte Ermessen des SG ein Absehen der Kostenauferlegung oder auch nur eine teilweise Kostenübernahme hätten rechtfertigen können, sind von der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb das SG die Kosten auch zu Recht in voller Höhe ersetzt verlangen durfte.

Unter Berücksichtigung dessen konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein selbstständiges, nicht kontradiktorisches und mit einer eigenen Kostenentscheidung zu versehendes Verfahren im Rahmen des von den Beteiligten betriebenen Hauptsacheverfahrens handelt. Eine Kostenentscheidung zugunsten des Klägers des Hauptsacheverfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin ist jedoch im Verhältnis zur Staatskasse in dem anhängigen Beschwerdeverfahren nicht (auch) hinsichtlich der zu erhebenden Gerichtskosten privilegiert, weil sie nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind) gehört. § 197a SGG stellt für die Beurteilung der Anwendbarkeit des Gerichtskostengesetzes und der VwGO auf den Rechtszug ab, also auf das Verfahren vor dem SG, dem LSG und dem BSG. Für jeden dieser Rechtszüge ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 197a SGG (noch) erfüllt sind. So ist nicht ausgeschlossen, dass diese Voraussetzungen in einem späteren Verfahren vor dem LSG oder BSG nicht mehr gegeben sind, wie das Beispiel von Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 197a Rn 3 zeigt. Ein Grund, Gerichtskosten nach dem GKG in der vorliegenden Fallgestaltung nicht zu erheben, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sind auf der Grundlage des § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens, die sich auf 50 EUR belaufen (KV 7504 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz [GKG]), als Gerichtskosten an die Staatskasse zu bezahlen.

Einer Festsetzung des Streitwertes bedurfte es wegen § 3 Abs. 1, 2. Halbsatz GKG iVm. KV 7504 und eines nicht bestehenden Anspruches auf Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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