Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2698/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 463/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2006 abgeändert.
Das beklagte Land wird unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 21. März 2003 in Gestalt der Bescheide vom 22. Juli 2003 und 4. November 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2004 verpflichtet, bei dem Kläger für die Zeit vom 01. November 2000 bis zum 20. Januar 2003 einen gesamten Grad der Behinderung von 40 (vierzig) festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Das beklagte Land erstattet dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 in der Zeit vom 04.01.1998 bzw. vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003.
Der am 01.09.1943 geborene Kläger beantragte mit Eingang beim damaligen Versorgungsamt Stuttgart am 26.09.2002 erstmals die Feststellung seines GdB und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises ab dem 04.01.1998. Zur Begründung für die rückwirkende Antragstellung verwies er auf eine "Rentenantragstellung zum 60. Lebensjahr" und Steuervergünstigungen. Er gab an, er leide an Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule durch Bandscheibenvorfälle, der Psyche, einem beidseitigen Tinnitus, starker Migräne und ständigen Knie- und Fußschmerzen. Das Versorgungsamt zog medizinische Unterlagen bei, darunter den Bericht der Neurochirurgischen Klinik am Klinikum Ludwigsburg vom 21.01.2002 (Angabe von Lumba¬go¬beschwerden seit dem 04.01.1998, Operation [Sequestrektomie und Nukleotomie L5/S1] am 14.01.2002) sowie den Entlassungs¬bericht über eine Anschlussheilbehandlung in der Salinen-Klinik Bad A. vom 24.01. bis 28.02.2002 (Residuales LWS-Syndrom bei Z.n. [Zustand nach] der genannten Operation; V.a. [Verdacht auf] reaktive Anpassungsstörung).
Der Kläger erlitt am 20.01.2003 eine Gehirnblutung und wurde am Folgetag operiert. Das Versorgungsamt zog daraufhin weitere Unterlagen bei. Hierbei ergab sich aus dem Zwischenbericht der Kliniken Schmieder, Dr. Arndt, vom 10.04.2003, dass der Kläger bereits im Februar 2002 während der Rehabilitationsmaßnahme in Bad A. einen "Hirninfarkt" erlitten habe und seitdem mit Marcumar behandelt wurde (bei dem in anderen Unterlagen auch genannten Datum Februar 2001 [so z. B. in dem Entlassungsbericht des Bürgerhospitals Stuttgart, Prof. Dr. B., vom 07.02.2003] handelt es sich um einen Schreibfehler).
Ferner teilte der Kläger am 04.03.2003 mit, ein Tinnitus solle nicht berücksichtigt werden, und es werde eine rückwirkende Feststellung "ab November 2000" begehrt.
Mit Bescheid vom 21.03.2003 stellte das Versorgungsamt bei dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 einen GdB von 20 und für die Zeit ab dem 21.01.2003 einen solchen von 40 fest. Dem GdB von 20 für die hier noch streitige Zeit lag ein Einzel-GdB von 20 für einen Bandscheibenschaden operiert mit Nervenwurzelreizerscheinungen zu Grunde.
Der Kläger erhob Widerspruch und begehrte die Feststellung eines GdB von mindestens 50 für die gesamte streitige Zeit. Auf Grund seiner Vorerkrankungen habe bereits ab dem 01.11.2000 die Schwerbehinderteneigenschaft vorgelegen. Das Versorgungsamt zog weitere aktuelle Unterlagen bei. Für die hier noch streitige Zeit ergaben sich aus dem Entlassungsbericht der Kliniken Schmieder, Dr. C., vom 21.05.2003, "eigenanamnestisch" der genannte frühere, leichter Schlaganfall im Februar 2002 und aus dem Arztbrief des HNO-Arztes Dr. D. vom 05.06.2003 eine neben dem Tinnitus seit Jahren bestehende Hörminderung bds.
Das Versorgungsamt erließ daraufhin den Abhilfebescheid vom 22.07.2003, mit dem es bei dem Kläger ab dem 21.01.2003 einen GdB von 80 und die Merkzeichen G und B feststellte, aber keine Änderungen für die Zeit davon vornahm. Zu Grunde lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20.06.2003 (Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen, 70 für die Schlaganfallfolgen u.ä. und 30 für Schwerhörigkeit bds. mit Ohrgeräuschen).
Am 20.08.2003 erhob der Kläger "Widerspruch" gegen den Bescheid vom 22.07.2003. Das Versorgungsamt sei auf die beantragte rückwirkende Feststellung eines GdB von mindestens 50 ab 2000 nicht eingegangen. Außerdem beantragte der Kläger hier die Merkzeichen aG und Bl. Er machte geltend, er habe 1990 einen Hörsturz erlitten und leide seitdem an einer Hochtonschall-empfindungsschwerhörigkeit mit Tinnitus rechts. Weiterhin beständen Migräne und Schwank-schwindel, eine schwerwiegende seelische Beeinträchtigung durch Mobbing, eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik und - seit 2003 - eine vollständige linksseitige Blindheit. Der Klä¬ger legte Arztbriefe des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 06.12.1993 (Migränekopf¬schmerz), des HNO-Arztes Dr. Sigle vom 09.12.1993 (chronische Rhinitis, Sinusitis max. bds., Tinnitus) und der Internistin Dr. E. vom 01.08.2003 (schon vor 2000 Schlaflosigkeit wegen Mobbings, permanente Magenschmerzen, Kopfschmerzen und Depression) sowie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 03.03.1998 (Lumboischialgie links sowie Cervikobrachialgie mit Wurzelreizsyndrom) vor.
Das Versorgungsamt stellte mit Bescheid vom 04.11.2003 bei dem Kläger auch schon für die Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 einen GdB von 30 und das Merkzeichen G fest. Zu Grunde lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.09.2003 (Einzel-GdB von 30 für Schwerhörigkeit bds. mit Ohrgeräuschen, 20 für die orthopädischen Beschwerden und 20 für eine seelische Störung). Mit weiterem Bescheid vom 05.11.2003 lehnte das Versorgungsamt die Zuerkennung der Merkzeichen aG und Bl ab.
Entsprechend den beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen erhob der Kläger am 19.11.2003 Widerspruch gegen die Bescheide vom 04. und 05.11.2003, wobei er mitteilte, er sei mit den Feststellungen des Versorgungsamts für die Zeit ab dem 21.01.2003 einverstanden. Er legte unter anderem den Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der orthopädischen Klinik Bad H. vom 25.06.1998 vor (rezidivierende linksseitige Ischialgien bei Protusion, Irritationen und Stenose an der HWS, reaktive Depression).
Der Beklagte wies die beiden Widersprüche des Klägers mit getrennten Widerspruchsbescheiden vom 30.03.2004 (Merkzeichen aG) und vom 01.04.2004 (Höhe des GdB vor dem 21.01.2003) zurück.
Der Kläger hat am 28.04.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort die Feststellung eines GdB von mindestens 50 in der Zeit vom 04.01.1998 bis zum 20.01.2003 unter entsprechender Abänderung des Bescheids vom 21.03.2003 und unter Aufhebung des Bescheids vom 04.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2004 beantragt. Er hat ausgeführt aus, seine Schwerhörigkeit mit Tinnitus, die seelische Störung und die Bandscheibenschäden seien mit höheren Einzel-GdB zu bewerten, auch die Migräne sei zu berücksichtigen und bedinge bereits allein einen Einzel-GdB von 50, letztlich leide er auch an Arthrose in den Knien.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen des Neurochirurgen Dr. G. vom 03.11.2004 (Behandlung im September und November 2001, Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenvorfall, keine Knieschäden, geschätzter GdB von 20 auf orthopädischem Gebiet), der Internistin Dr. E. vom 23.11.2004 (Apoplex 02/2002, intermittierendes Vorhofflimmern mit Marcumar-Behandlung, Z.n. Hörsturz mit darauffolgendem Tinnitus, Depression, schwere degenerative Veränderungen der LWS und Bandscheibenvorfälle, der Kläger seit nach 1998 in kurzer Zeit arbeitsunfähig geworden, die "Minderung der Erwerbsfähigkeit" betrage mindestens 60 %), des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 06.05.2005 (Behandlung 1993 sowie ab Dezember 2003, Mobbingkonflikt ab 1998, depressive Anpassungsstörung, keine Einschätzung des damaligen GdB möglich) und der Neurologin und Psychiaterin F. vom 21.06.2006 (Behandlung erst ab Mai 2003) verwiesen. Ferner hat das SG den Entlassungsbericht der Pfalz-Klinik Blieskastel vom 26.11.2001 über eine stationäre Rehabilitation des Klägers beigezogen (Lumbo¬ischial¬gien bei Prolaps L5/L6 links und psycho-vegetative Erschöpfung, arbeitsunfähig, vollschichtig erwerbsfähig für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, Steigen von Treppen und Leitern und vermehrte Stressbelastung).
Mit Urteil vom 11.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen.
Es hat in seinem Urteil ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens sei - nur - der Bescheid vom 04.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2004. Entgegen der Ansicht des Klägers sei der Bescheid vom 21.03.2003 nicht Verfahrensgegenstand. Dem Widerspruch des Klägers gegen jenen Bescheid habe der Beklagte mit dem Bescheid vom 22.07.2003 teilweise abgeholfen. Der Widerspruch des Klägers vom 18.08.2003 gegen diesen Bescheid sei unzulässig gewesen, da gegen Teil-Abhilfebescheide in laufenden Widerspruchsverfahren kein erneuter Widerspruch möglich sei. Vielmehr könne in dem Schreiben (vom 18.08.2003) ein Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gesehen werden, über den die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid vom 04.11.2003 entschieden habe.
Ferner hat das SG ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit sie die Zeit vom 04.01.1998 bis zum 31.10.2000 betreffe, für die Zeit danach bis zum 20.01.2003 jedoch zulässig. Die rückwirkende Feststellung des GdB setze nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ein besonderes Interesse voraus, wobei bloße steuerliche Vorteile nicht genügten. Bei dem Kläger bestehe dieses Interesse nur zurück bis zum 01.11.2000, weil er bei Anerkennung des Schwerbehindertenstatus ab diesem Zeitpunkt abschlagfreie Rente beziehen könne. Für die Zeit davor sei ein besonderes Interesse weder vorgetragen noch ersichtlich.
Hinsichtlich der Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 hat das SG die Klage für unbegründet gehalten. Für diese Zeit lasse sich ein höherer GdB als 30 nicht feststellen. Entsprechend den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 habe der Beklagte zu Recht Einzel-GdB von jeweils 20 für die Wirbelsäulenschäden und die psychische Erkrankung gebildet. Die weiter geltend gemachten Behinderungen bedingten keine weiteren Einzel-GdB von wenigstens 20. Das Ausmaß der Tinnituserkrankung nach dem Hörsturz 1990 lasse sich den medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Soweit der Tinnitus dort überhaupt erwähnt werde, werde lediglich die Diagnose ohne die für die GdB-Einstufung maßgeblichen Befunde genannt. Der als sachverständiger Zeuge befragte HNO-Arzt Dr. Sigle habe den Kläger zuletzt 1993 gesehen. Auch eine Behinderung durch die Kniearthrose werde nicht erwähnt. Der Rehabilitationsbericht aus Bad A. aus dem Jahre 2002 beschreibe einen stabilen Seitenbandapparat und eine gerade Beinachse und verneine einen Erguss und eine Gelenkschwellung. Konkrete Bewegungsmaße nenne er nicht. Auch Dr. G. habe insofern keine Befunde mitgeteilt. Eine Funktionsbeeinträchtigung sei somit nicht nachgewiesen. Das Gleiche gelte letztlich für die geltend gemachte Migräneerkrankung. Soweit diese in den medizinischen Unterlagen überhaupt erwähnt werde, erfolge dies lediglich im Zusammenhang mit den festgestellten Diagnosen. Befunde oder Auskünfte über die Häufigkeit der Migräneanfälle sowie die Art und das Ausmaß eventuell damit verbundener Begleiterscheinungen, würden an keiner Stelle mitgeteilt. Insgesamt sei daher aus den beiden Einzel-GdB-Werten von je 20 ein Gesamt-GdB von 30 zu bilden.
Gegen dieses, ihm am 02.01.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.01.2007 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Er meint, seine Klage sei insgesamt zulässig, denn nach neuerer Rechtsprechung sei in "offenkundigen" Fällen eine rückwirkende Feststellung zulässig, und ein solcher Fall liege hier vor. Er behauptet, er habe bereits seit 1998 nur noch gebückt gehen können und oft tagelang nicht aufrecht gehen können. Er leide auch seit langem an Beschwerden an den Knien. Er trägt vor, Dr. E. habe schwere degenerative Veränderungen der LWS und Bandscheibenvorfälle bekundet und angegeben, dass er - der Kläger - bereits seit 1998 nicht mehr arbeitsfähig gewesen sei. Der Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Bad H. vom 25.06.1998 nenne einen FBA (Finger-Boden-Abstand) von 40 cm mit verzögerter Vorbeuge und eine zeitweilige motorische Schwäche des linken Beins. Ferner trägt er vor, der Tinnitus und die Hörminderung beständen schon seit Jahren und seien als schwer einzustufen. Auch die psychiatrische Erkrankung, bedingt durch ein schweres Mobbing am Arbeitsplatz wegen häufiger Fehlzeiten, sei schwerer zu bewerten als es das SG getan habe. Letztlich leide er an der Migräne bereits seit 25 Jahren. Zeitweise habe er 10 bis 15 Schmerztabletten täglich eingenommen. Er habe zwischen 1993 und 2003 wegen der Kopfschmerzen keine Ärzte mehr aufgesucht, da diese aus seiner Sicht nichts hätten tun können.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2006 sowie unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2003 und unter Aufhebung des Bescheids vom 04. November 2003 sowie des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2004 den Beklagten zu verpflichten, bei ihm für die Zeit vom 04. Januar 1998 bis 20. Januar 2003 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen. Er meint, es ergäben sich - ungeachtet der Frage eines Rechtsschutzbedürfnisses - keine konkreten Befunde, die eine rückwirkende Feststellung eines GdB ab 04.01.1998 oder eines höheren GdB als 30 ab 01.11.2000 erlauben würden. Der im Erstantrag genannte Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitation in Bad A. vom 27.05. bis 24.06.1998 liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 12.01.2007 stellte das Versorgungsamt einen GdB von 90 für die Zeit ab dem 21.01.2003 fest.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. I. begutachten lassen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.07.2010 ausgeführt, die depressiven Episoden des Klägers seien seit Februar 1998 verifiziert. Der zu Grunde liegende Mobbing-Konflikt werde anamnestisch seit Anfang 1998 geschildert. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, Facharztbesuch und Reha-Maßnahme ließen auf eine mittel- bis schwergradige soziale Anpassungsstörung schießen, die einen GdB der seelischen Leiden zwischen 01/98 und 02/01 von 50 sicherlich rechtfertige. Ab 02/01 sei von einer schweren sozialen Anpassungsschwierigkeit auszugehen und der psychische Befund nach dem ersten Apoplex 02/01 (auch hier gemeint: 02/02, dazu unten) mit einem GdB von 70 bis 80 zu bewerten, da anamnestisch das Psychosyndrom bereits seit damals beschrieben werde. Seit Vorfall damals sei bereits auf neurologischem Gebiet von einem GdB von 100 auszugehen. Insgesamt, so Dr. I. weiter, sei im "dargelegten Zeitraum" von einem GdB von 100 auszugehen. Hierbei seien die Bandscheibenbefunde und die internistischen Leiden nicht berücksichtigt. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.
Sodann hat der Senat von Amts wegen über den Kläger bei dem Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. K. ein orthopädisches Gutachten und bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten eingeholt. Dr. L. hat unter dem 29.12.2010 ausgeführt, auf neurologischem Gebiet hätten im Streitzeitraum die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule keine eigenständigen Behinderungen ergeben. Es habe ferner eine Migräne ohne Aura vorgelegen, die bei fehlender Dokumentation schwerer Attacken trotz wochenlanger stationärer Aufenthalte in den Jahren 1998 bis 2003 jedoch allenfalls einen GdB von 10 bedingt habe. Ähnlich könne der vom Kläger beschriebene Tinnitus eingeordnet werden. Bezüglich der Psyche könne retrospektiv eine Anpassungsstörung mit leichter depressiver Reaktion diagnostiziert werden. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit scheine nicht vorgelegen zu haben, da eine solche bei den Rehabilitationsmaßnahmen aufgefallen wäre. Es sei daher insoweit ein GdB von 20 vertretbar. Der Kläger habe eine zerebrale Ischämie im November 2001 (gemeint auch hier: Februar 2002, dazu im Folgenden) beschrieben, jedoch sei diese damals nicht diagnostiziert worden, auch später seien mögliche Folgen dieses Schlaganfalls nicht beschrieben worden, sodass davon ausgegangen werden könne, dass keine behindernden Residuen persistiert hätten. Auf orthopädischem Gebiet hat Dr. K. in seinem Gutachten vom 07.01.2011 zusätzlich einen Bandscheibenschaden und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule diagnostiziert, die im Streitzeitraum einen GdB von 20 bedingt hätten. Eine daneben bestehende Osteoporose habe keine Behinderung dargestellt. Zusätzlich zu dieser orthopädischen Behinderung und den von Dr. L. beschriebenen psychiatrischen Beeinträchtigungen seien eine Schwerhörigkeit mit einem GdB von 20 und Herzrhythmusstörungen geringen Ausmaßes (GdB 10) zu berücksichtigen. Insgesamt, so Dr. K., ergebe sich für die Zeit vor dem 20.01.2003 ein Gesamt-GdB von maximal 40. Nur bei einer Höherbewertung der Hörstörungen, ggfs. unter Aufnahme des Tinnitus, mit einem GdB von 30, könne es ohne wesentliche Überschneidungen zu einem Gesamt-GdB von 40 bis 50 kommen. Jedoch habe es in der Zeit vom 04.01.1998 bis 20.01.2003 auch Phasen gegeben, in denen der orthopädische GdB nur 10 betragen und auch zusammen mit den seelischen Beeinträchtigungen kein höherer GdB als 20 vorgelegen habe. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen der beiden Sachverständigen wird auf die beiden genannten schriftlichen Gutachten verwiesen.
Beide Seiten haben sich nach Eingang der beiden Gutachten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist insgesamt zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Kläger kann von dem Beklagten nur für einen Teil der noch streitigen Zeit, nämlich vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003 die Feststellung eines höheren GdB verlangen, nämlich eines GdB von 40 statt des bislang anerkannten GdB von 30. Im Übrigen stehen ihm keine Ansprüche zu. Insbesondere war er auch in diesem Zeitraum kein schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 50.
1. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 21.03.2003. Insoweit hat der Kläger in beiden Instanzen den zutreffenden Antrag gestellt. Bereits in jenem Bescheid hatte das Versorgungsamt zumindest für einen Teil der jetzt noch streitigen Zeit, nämlich für die Zeit vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003, eine Entscheidung über den GdB getroffen, es hatte diesen nämlich auf 20 festgesetzt. Mit dem Abhilfebescheid vom 22.07.2003 erhöhte das Versorgungsamt sodann den GdB nur für die spätere Zeit ab dem 21.01.2003, nicht aber für die jetzt noch streitige Zeit zuvor. Es handelte sich daher nur um einen Teil-Abhilfe-Bescheid. Das Schreiben vom 18.08.2003 war daher nicht als echter, erneuter Widerspruch auszulegen. Vielmehr machte der Kläger darin deutlich, dass er an seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.03.2003 festhalten wollte. Außerdem führte er hier erstmals die Merkzeichen aG und Bl in das Verfahren ein, hat dieses Begehren jedoch später wieder fallengelassen. Einen Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 2 SGB X, wie das SG meint, musste der Kläger hier nicht stellen, da weder der Bescheid vom 21.03.2003 noch der Abhilfebescheid vom 22.07.2003 zwischenzeitlich bestandskräftig geworden waren. Entsprechend hat dann auch das Versorgungsamt keinen Überprüfungsbescheid erlassen. Es hat vielmehr zunächst unter dem 04.11.2003 den GdB für die Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 auf 30 erhöht. Hierbei handelte es sich erneut um einen Teil-Abhilfe-Bescheid, auch wenn dies in ihm nicht deutlich erwähnt wurde. Sodann hat der Beklage den noch anhängigen Teil des Widerspruchs des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2004 zurückgewiesen.
2. Diese Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers betreffend den Zeitraum 04.01.1998 bis 20.01.2003 ist, wie auch das SG ausgeführt hat, nur für die Zeit vom 01.11.2000 an zulässig, für die Zeit davor jedoch unzulässig.
a) Allerdings liegt hinsichtlich des gesamten Zeitraums ein anfechtungsfähiger Bescheid vor (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) und es ist auch insgesamt das nach § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt worden. Der Kläger hatte bereits in seinem Antrag, der am 26.09.2002 bei dem Versorgungsamt Stuttgart einging, eine Feststellung des GdB ab dem 04.01.1998 begehrt. Zwar hat das Versorgungsamt in den Bescheiden vom 21.03.2003 und vom 04.11.2003 ausdrücklich nur Feststellungen für die Zeit ab dem 01.11.2000 getroffen. Grund hierfür war die telefonische Mitteilung des Klägers vom 04.03.2003, er begehre eine Rückwirkung ab November 2000. Diese Mitteilung erfolgte jedoch im Zusammenhang mit seiner Aussage, der Tinnitus solle nicht berücksichtigt werden. Es ist daher nicht zwingend davon auszugehen, dass der Kläger hiermit seinen gesamten Antrag (teilweise) zurücknehmen wollte. Hierfür spricht auch sein späteres Verhalten im Gerichtsverfahren, in dem er von Anfang an eine rückwirkende Feststellung seit dem 04.11.1998 begehrt hat. Der Beklagte hat insoweit im Gerichtsverfahren auch nicht gerügt, für die Zeit vom 04.01.1998 bis zum 31.10.2000 fehle es an einer Entscheidung und an einem Vorverfahren. Auch aus Gründen der Verfahrensökonomie legt der Senat daher die genannten Bescheide und auch den Widerspruchsbescheid vom 01.04.2004 so aus, dass darin auch, und zwar ablehnend, über die Zeit vom 04.01.1998 bis zum 31.10.2000 entschieden worden sei.
b) Dem Kläger fehlt jedoch für die Zeit vor dem 01.11.2000 das besondere, für eine solche Feststellung notwendige Interesse, das über das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das an jeder Klage besteht, hinaus geht.
aa) Dass ein Antragsteller für eine rückwirkende Feststellung seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (GdB 50) oder eines anderen GdB ein besonderes Interesse geltend machen muss, folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 2 der auch vom SG zitierten SchwbAwV. Rückwirkend ist dabei eine Feststellung für Zeiten vor Eingang des ersten Antrags bei dem Versorgungsamt oder einer anderen, zur Weiterleitung verpflichteten Behörde (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SchwbAwV). Ansonsten bleibt es dabei, dass es sich bei der Feststellung des GdB um eine Statusentscheidung handelt, die prinzipiell in die Zukunft wirkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rentenrechtliche Vorteile, die mit der Anerkennung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (oder ggfs. mit einem anderen GdB) zusammenhängen, ein solches besonderes Interesse darstellen (vgl. zuletzt LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.02.2010, L 11 SB 351/08, Juris Rn. 27 ff., 29). Dagegen hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 29.05.1991 (9a/9 RVs 11/89, Juris Rn. 20) ausgeführt, dass steuerliche Vorteile kein solches Interesse darstellen können, weil "Steuervorteile ( ) aber, auch wenn sie Anlass zu einem Feststellungs-, also Statusverfahren gegeben haben, nur eine der möglichen Folgen des feststellenden Verwaltungsaktes (sind) und ( ) das sozialrechtliche Statusverfahren nicht (prägen), das auf die Gesamtheit der Berechtigungen und Nachteilsausgleiche von Schwerbehinderten ausgerichtet ist". Zwar hat das BSG in einem Beschluss vom 11.10.2006 (B 9a SB 1/06 BH, www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/B 9a SB 1.06.BH.htm, ansonsten nicht veröffentlicht) ausgeführt, es sei angesichts des Widerspruchs, den das Urteil vom 29.05.1991 in der Literatur gefunden habe (Hinweis auf Steinäcker, Rückwirkende Feststellungen der Versorgungsverwaltung im Schwerbehindertenrecht, BehindertenR 2006, 98 ff.) wieder klärungsbedürftig geworden, welche Qualität die Interessen eines Behinderten haben müssten, damit Feststellungen nach dem SGB IX auch rückwirkend getroffen werden könnten. Dieser Beschluss, der in einem PKH-Verfahren erging, hat die weitere Rechtsprechung der Sozialgerichte, die an dem Urteil vom 29.05.1991 festgehalten haben, jedoch nicht beeinflusst. Hiernach liegt kein ausreichendes besonderes Interesse vor, wenn die rückwirkende Feststellung eines GdB lediglich mit der Begründung begehrt wird, es könnten noch die Freibeträge nach § 33 Abs. 1, § 33b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend gemacht werden, auch wenn steuerrechtlich eine rückwirkende Änderung möglich wäre (vgl. §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung [AO 1977]). Dem folgt der Senat. Die besonderen Freibeträge nach §§ 33b EStG sind eine nur mittelbare Folge der Statusfeststellung eines bestimmten GdB. Da die Einkommensteuerpflicht die meisten Bundesbürger trifft, zumal nicht nur Erwerbseinkommen steuerpflichtig ist, kann das Interesse an einer besonderen steuerlichen Gestaltung nur als allgemein, aber nicht als besonderes Interesse verstanden werden. In dieser Ansicht spiegelt sich auch wider, dass rückwirkende Eingriffe in abgeschlossene rechtliche Tatbestände, wie es die festgestellte Steuerpflicht in einem Veranlaungszeitraum darstellt, grundsätzlich zu vermeiden sind.
bb) Hiernach besteht für die Zeit vom 27.09.2002 bis zum 20.01.2003 schon deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antrag des Klägers auf Feststellung seines GdB am 26.09.2002 bei dem Versorgungsamt einging (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAwV).
cc) Weitergehend sind für die Zeit ab November 2000 bis zum Eingang des Antrags rentenrechtliche Vorteile des Klägers denkbar, und zwar im Hinblick auf den Stichtag 16.11.2000 in § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Senat folgt hier auch der Ansicht des SG, in diesen Fällen könne der geltend gemachte GdB bereits ab dem 01.11.2000 verlangt werden und nicht erst ab dem genannten konkreten Stichtag.
dd) Für die Zeit vor November 2000 hat der Kläger jedoch lediglich pauschal auf einkommensteuerrechtliche Vorteile verwiesen. Dies reicht als Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses, wie ausgeführt, nicht aus.
3. Für den demnach zulässigerweise beklagten Zeitraum vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 kann der Kläger die Feststellung eines GdB von 40 verlangen, jedoch nicht die Feststellung seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
a) Der Senat liegt bei der Beurteilung dieses Zeitraums den gleichen Beweis- und Überzeugungsmaßstab an. Notwendig ist insoweit, dass das Gericht nach dem Inbegriff des Verfahrens und einer etwaigen Beweisaufnahme von den Voraussetzungen des begehrten GdB in einer Weise überzeugt ist, die begründeten Zweifeln Einhalt gebietet (Vollbeweis). Auch für die Zeit vor Eingang des Antrags bei dem Versorgungsamt ist kein gesteigerter Darlegungs- oder Beweismaßstab zu fordern.
In der Rechtsprechung wird zwar - und zwar unabhängig von dem besonderen Interesse des Antragstellers an einer rückwirkenden Feststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV - ausgeführt, die rückwirkende Feststellung eines GdB müsse auf offenkundige Fälle beschränkt werden, um den Sinn und Zweck einer Statusentscheidung nicht zu konterkarieren (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20 f.; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 27; LSG für das Saarland, Beschluss vom 05.11.2002, L 5 B 12/01 SB, Juris Rn. 20). Offenkundigkeit soll hierbei anzunehmen sein, wenn die für die Feststellung erforderlichen Voraussetzungen aus der Sicht eines unbefangenen, sachkundigen Beobachters nach Prüfung der objektiv gegebenen Befundlage ohne Weiteres deutlich zu Tage treten (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.01.2010, L 11 SB 358/08, Juris Rn. 22).
Diese Beschränkung auf offenkundige Behinderungen kann sich jedoch nicht auf den Beweismaßstab beziehen, da die Feststellung eines GdB ohnehin bereits den Vollbeweis verlangt und eine Steigerung daher nicht möglich ist.
b) Ausgehend von den allgemeinen Maßstäben ist ein höherer GdB als 40 in der Zeit vom 27.09.2002 bis 20.01.2003 zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen.
aa) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen waren in dem hier streitigen Zeitraum vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003 noch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der damaligen Fassung (1996) heranzuziehen. Die Maßstäbe aus der nach § 30 Abs. 17 BVG n.F. erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 galten dagegen noch nicht, denn diese Verordnung ist erst zum 01.01.2009 in Kraft getreten. In den AHP war der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderung wiedergegeben. Die AHP ermöglichten somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das BSG hatte die Bedeutung der AHP betont und diese Grundsätze als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich Urteil vom 01.09.1999, B 9 V 25/98 R, Juris) bezeichnet. Daher waren die AHP für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie trugen aber als "antizipierte Sachverständigengutachten" der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. damals noch Teil A Allgemeine Grundsätze Ziff. 19 AHP).
bb) Den Einzel-GdB für die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers im Streitzeitraum entnimmt der Senat im Wesentlichen dem Gutachten von Dr. L ... Dieser hat nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen über den Kläger aus dem Streitzeitraum festgestellt, der Kläger habe an einer Anpassungsstörung mit leichter depressiver Reaktion gelitten und diese Behinderung mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dem ist zu folgen.
Einerseits ist die seelische Behinderung des Klägers in der Tat bereits seit 1998 und damit auch ab November 2000 nachgewiesen. Dr. L. hat insoweit auf einen Arztbrief vom 19.02.1998 verwiesen, in dem bereits eine "psychische Labilisierung" und eine depressive Verstimmung wegen Mobbings genannt worden waren. Bereits damals war dem Kläger eine medikamentöse Behandlung mit Insidon oder Amitriptylin angeraten worden, seine Beeinträchtigung muss daher schon damals Krankheitswert gehabt haben. Auch in der Folgezeit wurden eine Depression, meist in reaktiver Form, bzw. depressive Episoden mehrfach diagnostiziert, so z. B. in den Rehabilitationsberichten aus der Reha-Klinik H. vom 25.06.1998 und der Salinen-Klinik Bad A. vom 10.04.2002. Auch in seinem am 28.09.2002 bei dem Versorgungsamt eingegangenen Antrag hatte der Kläger auf ein "hochgradiges Mobbing am Arbeitsplatz" und daraus folgende psychische Probleme hingewiesen. Vor dem Hintergrund, dass die psychischen Beeinträchtigungen eine bestimmte, bereits 1998 vorliegende Ursache hatten und mehrfach diagnostiziert wurden, kann angenommen werden, dass sie im Streitzeitraum durchgehend und jeweils für mindestens sechs Monate angedauert haben, also Behinderungen darstellten.
Nach Nr. 26.3 AHP waren leichtere psychovegetative Störungen oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wie z. B. ausgeprägte depressive Störungen mit einem GdB von 30 bis 40. Die wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit musste sich hierbei auf die gesamte Lebensführung des Behinderten beziehen und nicht nur auf Teilbereiche wie etwa die Gestaltung des Berufs- oder Arbeitslebens.
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Dr. L. die psychischen Beeinträchtigungen durchgängig mit einem GdB von 20 bewertet hat. Der Kläger war in der genannten Zeit nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Auch in einigen weiteren Unterlagen aus dem Streitzeitraum war eine solche Behinderung nicht erwähnt. So nennt der Entlassungsbericht der Pfalzklinik vom 26.11.2001 nur eine psycho-vegetative Erschöpfung, aber keine psychische Beeinträchtigung mit Krankheits- oder Behinderungswert. Eine Behandlung wird weder vorgeschlagen noch erwähnt. Es ist aber davon auszugehen, dass eine erheblichere psychische Störung gerade bei einer längerfristigen stationären Rehabilitationsmaßnahme aufgefallen wäre. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Ursache der Störung in der Berufstätigkeit des Klägers gelegen habe. Es spricht also viel dafür, dass sie jedenfalls sein Alltagsleben nicht in einem ausgeprägten Maße, wie es für einen GdB von wenigstens 30 erforderlich wäre, beeinträchtigt hat. Zumindest in dem hier zulässigerweise beklagten Zeitraum ab November 2000 war der Kläger auch nicht mehr berufstätig, sodass die berufliche Belastung nicht mehr vorlag.
Der Senat konnte sich dagegen nicht den Schlussfolgerungen des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. I. anschließen. Dieser hat seine Einschätzung, bereits ab 1998 habe ein GdB von 50 und ab 02/2001 (gemeint: 02/2002) ein solcher von 70 bis 80 vorgelegen, auf die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die Facharztbesuche und die Reha-Maßnahmen gestützt. Dies überzeugt nicht, nachdem die Ursachen der jeweiligen Arbeitsunfähigkeiten nicht bekannt sind, eine Behandlung bei einem Arzt oder gar einem Facharzt wegen der psychischen Beeinträchtigungen nicht stattfand und die Rehabilitationsmaßnahmen durchgehend die orthopädischen Störungen betrafen und während dieser Maßnahmen auch keine - erheblichen, behandlungsbedürftigen - psychischen Störungen festgestellt wurden. Auch der Annahme, der GdB habe sich nach dem Apoplex im Februar 2001 (2002) erhöht, kann nicht gefolgt werden. Zum einen hat dieser - mögliche - Vorfall, wie sich aus den weiteren Unterlagen ergibt, erst im Februar 2002 stattgefunden (nämlich während der Rehabilitationsmaßnahme in Bad A. im Februar 2002; das falsche Datum hat Dr. I. vermutlich dem bereits genannten Entlassungsbericht des Bürgerhospitals Stuttgart entnommen). Zum anderen hatte der Vorfall im Februar 2002 nach den eigenen Aussagen des Klägers keine weiteren Folgen. Vor allem wurde er - wohl im Zusammenhang mit den Herzbeschwerden, über die der Kläger zeitweise geklagte hatte - nur mit Marcumar behandelt, also einem Blutverdünner, aber nicht psychopharmakologisch oder psychotherapeutisch. Insbesondere ist ein organisches Psychosyndrom, auf das Dr. I. hingewiesen hat, nach dem Schlaganfall 2002 (anders als nach dem Vorfall im Januar 2003) nicht festgestellt worden.
cc) Auf neurologischem Gebiet bestanden ab November 2000 bei dem Kläger noch keine Behinderungen, jedenfalls keine Behinderungen mit einem GdB von mehr als 10.
Dr. L. hat den vorliegenden Unterlagen entnommen, dass zu keinem Zeitpunkt neurologische Beschwerden wie etwa Ausfallerscheinungen diagnostiziert wurden. Die auch von ihm gesehenen Nervenwurzelreizerscheinungen wegen der Veränderungen der Wirbelsäule und der Bandscheibenvorfälle hat er zu Recht den orthopädischen Beeinträchtigungen zugeordnet.
Es kann zwar zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass er tatsächlich schon vor Januar 2003 einen Schlaganfall ("Apoplex") erlitten hat, und zwar im Februar 2002 in Bad A ... Diesen Zeitpunkt hatte die behandelnde Ärztin Dr. E. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 23.11.2004 genannt, sie hatte auch die entsprechende Diagnose im Februar 2002 gestellt. Auch Dr. C. von den Kliniken Schmieder (Bericht vom 21.05.2003) hatte - nach dem unstreitigen Vorfall vom 20.01.2003 - nach der "Eigenanamnese" des Klägers von einem weiteren, aber leichteren Schlaganfall im Februar 2002 gesprochen. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass dieser Vorfall bleibende, mehr als sechs Monate andauernde neurologischen Folgen gehabt hat, was aber für die Feststellung einer Behinderung notwendig wäre. Von solchen Folgen hat keiner der behandelnden Ärzte berichtet. Die bloße Marcumar-Behandlung hing, wie schon zur Psyche ausgeführt, vor allem auch mit den geklagten Herzrhythmusstörungen zusammen, war aber keine spezifische neurologische Behandlung. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Vorfall während einer laufenden Rehabilitation stattgefunden haben soll, aber in der Reha-Klinik nicht bemerkt und daher im Entlassungsbericht vom 10.04.2002 auch nicht erwähnt wurde. Er kann daher keine gravierenden Auswirkungen gehabt haben. Auch der Kläger hatte in seinem Antrag vom September 2002 von einem bereits erlittenen Schlaganfall nicht berichtet, sondern nur von wohl vorübergehenden Sehstörungen.
Da keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nach dem Vorfall im Februar 2002 beschrieben sind, kann auch nicht von einem weiteren GdB bzw. einer Erhöhung des GdB für die psychischen Beeinträchtigungen ausgegangen werden, wie es Dr. I. vorgeschlagen hat.
dd) Weiterhin folgt der Senat den Einschätzungen Dr. L.s, dass für die Migräne des Klägers kein GdB von mehr als 10 anerkannt werden kann. Ein solcher GdB ist nach Nr. 26.2 AHP für eine leichtere Verlaufsform mit durchschnittlich einem Anfall pro Monat anzusetzen, während ein GdB von mindestens 20 einen mittelgradigen Verlauf, nämlich häufigere als einmal monatlich stattfindende Anfälle, die auch jeweils einen (ganzen) Tag oder mehrere Tage anhalten, voraussetzt. Hierfür ist nichts ersichtlich. Stärkere Kopfschmerzen wurden nach der erstmaligen Diagnose der Migräne 1993/1998 von keinem Arzt und vor allem in keinem der Rehabilitationsberichte genannt. Der Kläger selbst hat vorgetragen, sich wegen der Kopfschmerzen von 1993 bis 2003 an keinen Arzt gewandt, sondern die Anfälle jeweils selbst behandelt zu haben, wobei die Beschwerden nach der Einnahme von Schmerzmitteln wie Ibuprofen zurückgegangen seien.
ee) Die orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers bewertet der Senat entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. K. mit einem GdB von 20.
Die vom Kläger geklagten Wirbelsäulenschäden bedingen nach Nr. 26.18 AHP einen GdB von 20, wenn sie mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome verursachen). Ein GdB von (mindestens) 30 ist dagegen erst gerechtfertigt, wenn die genannten mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten auftreten oder aber in einem Abschnitt schwere Auswirkungen vorliegen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome).
Bei dem Kläger sind seit Anfang 1998 Wirbelsäulenbeschwerden diagnostiziert worden (vgl. MDK-Gut¬ach¬ten vom 03.03.1998). Die weiteren Auswirkungen damals waren aber, wie Dr. K. überzeugend darlegt, nicht so gravierend wie der Kläger vorträgt. So war bereits nach dem Gutachten des MDK vom 03.03.1998 unter der Behandlung am Schlingentisch, mit Bestrahlungen und Medikamenten eine Besserung erreicht worden, der Vorbeugeversuch war "erstaunlich gut" der FBA betrug nur 10 cm und Rumpfseitneigung und Rotation waren nicht eingeschränkt. Auch am Ende der Rehabilitation in H. war der vom Kläger behauptete FBA von 40 auf nur 21 cm zurückgegangen. Es wurde ein normalschrittiges, aufrechtes Gangbild bei deutlicher Schmerzreduzierung beschrieben. Für die Zeit danach sind keine wesentlichen Beschwerden beschrieben, sodass Dr. K. zu Recht anmerkt, dass der GdB im orthopädischen Bereich dann eher bei 10 denn bei 20 anzusiedeln sei. Nach den Angaben des Klägers in dem Rehabilitationsbericht der Salinen-Kliniken Bad A. vom 10.04.2002 hätten sich dann - erst - ab Herbst 2001 die Rückenschmerzen wieder verstärkt, sodass am 04.01.2002 die Bandscheibenoperation durchgeführt wurde. Auch hier hat der Kläger aber keine weitergehenden Funktionseinbußen geschildert, und die geklagten Beschwerden haben insgesamt nur weniger als sechs Monate, nämlich bis zur OP, bestanden, waren also keine dauernde Behinderung. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger aus der Rehabilitation in der Pfalzklinik im November 2001 als vollschichtig erwerbsfähig entlassen worden war, wobei nur Wirbelsäulenzwangshaltungen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ausgeschlossen wurden. Nach der Operation verbesserte sich die Situation dann wieder. Hierzu hat der Kläger in Bad A. selbst angegeben, die Schmerzen hätten sich verringert, insbesondere sei die Ausstrahlung in die Beine nahezu verschwunden.
Bestätigt wird diese Einschätzung insbesondere durch die schriftliche Zeugenaussage von Dr. G. vom 03.11.2004. Dieser hatte für die Zeit vor der Operation berichtet, die Beschwerden des Klägers hätten sich - zunächst - spontan ohne Operation gebessert und seien erst in der Folgezeit erneut aufgetreten. Bei seiner Untersuchung am 20.11.2001 konnte er gleichwohl keine Paresen oder Sensibilitätsstörungen (der Gliedmaßen) bestätigen, sondern einen Druckschmerz der unteren Lendenwirbelsäule mit eingeschränkter Beweglichkeit. Dr. G. hat insoweit (in Anlehnung an die inhaltsgleichen AHP 2004) ebenso wie Dr. K. einen GdB von 20 auf orthopädischem Gebiet angenommen.
ff) Ein GdB für Beeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen (Nr. 26.18 AHP) wegen Beschwerden am Knie ist nicht zu bilden. Der Kläger hat zwar gelegentlich über Schmerzen im Knie geklagt (so auch während der genannten Rehabilitation in Bad A.), entsprechende ärztliche Diagnosen oder Feststellungen der daraus folgenden Funktionseinschränkungen fehlen aber. Insbesondere Dr. G. hat am 03.11.2004 bekundet, er habe den Kläger wegen eines Knieschadens nicht behandelt.
gg) Für die Hörbehinderungen des Klägers vor dem 21.01.2003 legt der Senat einen Einzel-GdB von 20 zu Grunde:
Dass auch bereits im Streitzeitraum Hörschäden und ein Tinnitus nach einem Hörsturz 1990 vorlagen, hatte schon unter dem 09.12.1993 HNO-Arzt Dr. Sigle diagnostiziert. Allerdings hat er damals nur eine gering ausgeprägte Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit rechts feststellen können. Weitere Behandlungen nach 1993 hat Dr. Sigle auf Anfrage des SG verneint. Aus der Zeit danach liegt erst wieder der Arztbrief von Dr. D. vom 05.06.2003 vor, der allerdings eine Behandlung nach dem Schlaganfall im Januar 2003 beschreibt. Auch hier lag nur eine gering- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit mit Hochtonschrägabfall links vor.
Es kann daher davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger in der hier zu überprüfenden Zeit vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003 keine Hörbehinderung vorlag, die einen GdB von mehr als 20 bedingt hätte. Zwar hat der Beklagte dem Bescheid vom 04.11.2003 einen Einzel-GdB von 30 für die Hörminderung und den Tinnitus zu Grunde gelegt. Es wird jedoch nicht deutlich, ob er diesen Wert tatsächlich auf für die Zeit ab dem 01.11.2000, also vor dem zweiten Schlaganfall, annehmen wollte oder nur für die Zeit danach. Anzunehmen ist letzteres, denn der nunmehr zuerkannte Einzel-GdB beruhte auch auf den Angaben Dr. D.s, der zweite Schlaganfall habe nach den eigenen Schilderungen des Klägers "die Hörbehinderung und den Tinnitus erheblich verstärkt"; dann kann aber vor dem Schlaganfall nur ein geringerer GdB vorgelegen haben. Ein GdB von 20 kam nach Nr. 26.5 AHP erst bei einer geringgradigen Schwerhörigkeit auf einem und einer mindestens mittel¬gra¬di¬gen auf dem anderen Ohr in Betracht, wobei ein mittlerer Grad erst bei einem Hörverlust von 40 bis 60 % vorlag. Einen solchen Hörverlust hat im Streitzeitraum kein Arzt diagnostiziert. Die einzige hierzu vorliegende Unterlage, der Arztbrief von Dr. Sigle vom 09.12.1993, hatte nur eine geringe Hörstörung auf nur einem Ohr feststellen können. Ein Tinnitus konnte zwar einen weiteren GdB bedingen, jedoch nur wegen der mit ihm verbundenen psychovegetativen Begleiterscheinungen, die für einen GdB von 20 erheblich sein mussten. Sollten bei dem Kläger wegen des Tinnitus derartige Folgen vorgelegen haben, sind sie durch den GdB für die allgemeine psychische Erkrankung mit erfasst.
hh) Die Herzrhythmusstörungen des Klägers bedingen keinen weiteren GdB, jedenfalls keinen höheren als 10. Nach Nr. 26.9 AHP setzt ein GdB von 10 bis 30 mindestens anfallsweise auftretende hämodynamisch relevante Rhythmusstörungen voraus. Solche lagen aber nach Beginn der Behandlung mit Marcumar, die nach der Aussage von Dr. E. vom 23.11.2004 ab 2002 stattgefunden hat, bei dem Kläger nicht mehr vor. Selbst wenn also die Therapie mit Marcumar selbst bzw. ihre Folgen und Risiken für die Feststellung des GdB relevant sind, so bedingen sie bei fehlenden Rhythmusstörungen selbst höchstens einen GdB von 10.
ii) Legt man nur die genannten Einzel-GdB von jeweils 20 für die orthopädischen und psychischen Beeinträchtigungen und die Hörminderung mit Tinnitus zu Grunde, ergibt sich integrierend ein Gesamt-GdB von 40, wie auch Dr. K. vorgeschlagen hat. An diesem Gesamt-GdB würde sich auch dann nichts ändern, wenn man den Einzel-GdB für die Hörbehinderung mit Tinnitus mit 30 annähme, wie es - möglicherweise - der Beklagte tut. In diesem Fall wäre zu berücksichtigen, dass drei Einzel-GdB von 30, 20 und 20 nicht zwingend zu einem Gesamt-GdB von 50 führen, zumal der Wert für die Hörstörungen wegen des einbezogenen Tinnitus starke Überschneidungen mit dem allgemeinen GdB für die psychischen Beeinträchtigungen aufweist.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
5. Der Senat lässt im Hinblick auf die Frage, ob die Klage des Klägers für die Zeit vor dem 01.11.2000 unzulässig ist, die Revision zu. Diese Zulassung beruht zwar nicht auf Divergenz (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, denn das Urteil entspricht insoweit der Rechtsprechung des BSG, nämlich dem Urteil vom 29.05.1991. Die genannte Frage hat jedoch grundsätzliche rechtliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Wie schon das BSG in dem Beschluss vom 11.10.2006 ausgeführt hat, ist es - ggfs. erneut - klärungsbedürftig geworden, welche Qualität die Interessen eines Antragstellers an der rückwirkenden Feststellung eines GdB haben müssen, um "besondere Interessen" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV zu sein, ob insbesondere einkommensteuerrechtliche Vorteile ausreichen. Diese Frage hatte auch das bereits genannte Urteil des BSG vom 29.05.1991 nicht vollständig beantwortet, nachdem es dort um ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ging, hier aber eine Erstfeststellung in Rede steht.
Das beklagte Land wird unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 21. März 2003 in Gestalt der Bescheide vom 22. Juli 2003 und 4. November 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2004 verpflichtet, bei dem Kläger für die Zeit vom 01. November 2000 bis zum 20. Januar 2003 einen gesamten Grad der Behinderung von 40 (vierzig) festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Das beklagte Land erstattet dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 in der Zeit vom 04.01.1998 bzw. vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003.
Der am 01.09.1943 geborene Kläger beantragte mit Eingang beim damaligen Versorgungsamt Stuttgart am 26.09.2002 erstmals die Feststellung seines GdB und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises ab dem 04.01.1998. Zur Begründung für die rückwirkende Antragstellung verwies er auf eine "Rentenantragstellung zum 60. Lebensjahr" und Steuervergünstigungen. Er gab an, er leide an Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule durch Bandscheibenvorfälle, der Psyche, einem beidseitigen Tinnitus, starker Migräne und ständigen Knie- und Fußschmerzen. Das Versorgungsamt zog medizinische Unterlagen bei, darunter den Bericht der Neurochirurgischen Klinik am Klinikum Ludwigsburg vom 21.01.2002 (Angabe von Lumba¬go¬beschwerden seit dem 04.01.1998, Operation [Sequestrektomie und Nukleotomie L5/S1] am 14.01.2002) sowie den Entlassungs¬bericht über eine Anschlussheilbehandlung in der Salinen-Klinik Bad A. vom 24.01. bis 28.02.2002 (Residuales LWS-Syndrom bei Z.n. [Zustand nach] der genannten Operation; V.a. [Verdacht auf] reaktive Anpassungsstörung).
Der Kläger erlitt am 20.01.2003 eine Gehirnblutung und wurde am Folgetag operiert. Das Versorgungsamt zog daraufhin weitere Unterlagen bei. Hierbei ergab sich aus dem Zwischenbericht der Kliniken Schmieder, Dr. Arndt, vom 10.04.2003, dass der Kläger bereits im Februar 2002 während der Rehabilitationsmaßnahme in Bad A. einen "Hirninfarkt" erlitten habe und seitdem mit Marcumar behandelt wurde (bei dem in anderen Unterlagen auch genannten Datum Februar 2001 [so z. B. in dem Entlassungsbericht des Bürgerhospitals Stuttgart, Prof. Dr. B., vom 07.02.2003] handelt es sich um einen Schreibfehler).
Ferner teilte der Kläger am 04.03.2003 mit, ein Tinnitus solle nicht berücksichtigt werden, und es werde eine rückwirkende Feststellung "ab November 2000" begehrt.
Mit Bescheid vom 21.03.2003 stellte das Versorgungsamt bei dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 einen GdB von 20 und für die Zeit ab dem 21.01.2003 einen solchen von 40 fest. Dem GdB von 20 für die hier noch streitige Zeit lag ein Einzel-GdB von 20 für einen Bandscheibenschaden operiert mit Nervenwurzelreizerscheinungen zu Grunde.
Der Kläger erhob Widerspruch und begehrte die Feststellung eines GdB von mindestens 50 für die gesamte streitige Zeit. Auf Grund seiner Vorerkrankungen habe bereits ab dem 01.11.2000 die Schwerbehinderteneigenschaft vorgelegen. Das Versorgungsamt zog weitere aktuelle Unterlagen bei. Für die hier noch streitige Zeit ergaben sich aus dem Entlassungsbericht der Kliniken Schmieder, Dr. C., vom 21.05.2003, "eigenanamnestisch" der genannte frühere, leichter Schlaganfall im Februar 2002 und aus dem Arztbrief des HNO-Arztes Dr. D. vom 05.06.2003 eine neben dem Tinnitus seit Jahren bestehende Hörminderung bds.
Das Versorgungsamt erließ daraufhin den Abhilfebescheid vom 22.07.2003, mit dem es bei dem Kläger ab dem 21.01.2003 einen GdB von 80 und die Merkzeichen G und B feststellte, aber keine Änderungen für die Zeit davon vornahm. Zu Grunde lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20.06.2003 (Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen, 70 für die Schlaganfallfolgen u.ä. und 30 für Schwerhörigkeit bds. mit Ohrgeräuschen).
Am 20.08.2003 erhob der Kläger "Widerspruch" gegen den Bescheid vom 22.07.2003. Das Versorgungsamt sei auf die beantragte rückwirkende Feststellung eines GdB von mindestens 50 ab 2000 nicht eingegangen. Außerdem beantragte der Kläger hier die Merkzeichen aG und Bl. Er machte geltend, er habe 1990 einen Hörsturz erlitten und leide seitdem an einer Hochtonschall-empfindungsschwerhörigkeit mit Tinnitus rechts. Weiterhin beständen Migräne und Schwank-schwindel, eine schwerwiegende seelische Beeinträchtigung durch Mobbing, eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik und - seit 2003 - eine vollständige linksseitige Blindheit. Der Klä¬ger legte Arztbriefe des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 06.12.1993 (Migränekopf¬schmerz), des HNO-Arztes Dr. Sigle vom 09.12.1993 (chronische Rhinitis, Sinusitis max. bds., Tinnitus) und der Internistin Dr. E. vom 01.08.2003 (schon vor 2000 Schlaflosigkeit wegen Mobbings, permanente Magenschmerzen, Kopfschmerzen und Depression) sowie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 03.03.1998 (Lumboischialgie links sowie Cervikobrachialgie mit Wurzelreizsyndrom) vor.
Das Versorgungsamt stellte mit Bescheid vom 04.11.2003 bei dem Kläger auch schon für die Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 einen GdB von 30 und das Merkzeichen G fest. Zu Grunde lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.09.2003 (Einzel-GdB von 30 für Schwerhörigkeit bds. mit Ohrgeräuschen, 20 für die orthopädischen Beschwerden und 20 für eine seelische Störung). Mit weiterem Bescheid vom 05.11.2003 lehnte das Versorgungsamt die Zuerkennung der Merkzeichen aG und Bl ab.
Entsprechend den beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen erhob der Kläger am 19.11.2003 Widerspruch gegen die Bescheide vom 04. und 05.11.2003, wobei er mitteilte, er sei mit den Feststellungen des Versorgungsamts für die Zeit ab dem 21.01.2003 einverstanden. Er legte unter anderem den Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der orthopädischen Klinik Bad H. vom 25.06.1998 vor (rezidivierende linksseitige Ischialgien bei Protusion, Irritationen und Stenose an der HWS, reaktive Depression).
Der Beklagte wies die beiden Widersprüche des Klägers mit getrennten Widerspruchsbescheiden vom 30.03.2004 (Merkzeichen aG) und vom 01.04.2004 (Höhe des GdB vor dem 21.01.2003) zurück.
Der Kläger hat am 28.04.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort die Feststellung eines GdB von mindestens 50 in der Zeit vom 04.01.1998 bis zum 20.01.2003 unter entsprechender Abänderung des Bescheids vom 21.03.2003 und unter Aufhebung des Bescheids vom 04.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2004 beantragt. Er hat ausgeführt aus, seine Schwerhörigkeit mit Tinnitus, die seelische Störung und die Bandscheibenschäden seien mit höheren Einzel-GdB zu bewerten, auch die Migräne sei zu berücksichtigen und bedinge bereits allein einen Einzel-GdB von 50, letztlich leide er auch an Arthrose in den Knien.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen des Neurochirurgen Dr. G. vom 03.11.2004 (Behandlung im September und November 2001, Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenvorfall, keine Knieschäden, geschätzter GdB von 20 auf orthopädischem Gebiet), der Internistin Dr. E. vom 23.11.2004 (Apoplex 02/2002, intermittierendes Vorhofflimmern mit Marcumar-Behandlung, Z.n. Hörsturz mit darauffolgendem Tinnitus, Depression, schwere degenerative Veränderungen der LWS und Bandscheibenvorfälle, der Kläger seit nach 1998 in kurzer Zeit arbeitsunfähig geworden, die "Minderung der Erwerbsfähigkeit" betrage mindestens 60 %), des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 06.05.2005 (Behandlung 1993 sowie ab Dezember 2003, Mobbingkonflikt ab 1998, depressive Anpassungsstörung, keine Einschätzung des damaligen GdB möglich) und der Neurologin und Psychiaterin F. vom 21.06.2006 (Behandlung erst ab Mai 2003) verwiesen. Ferner hat das SG den Entlassungsbericht der Pfalz-Klinik Blieskastel vom 26.11.2001 über eine stationäre Rehabilitation des Klägers beigezogen (Lumbo¬ischial¬gien bei Prolaps L5/L6 links und psycho-vegetative Erschöpfung, arbeitsunfähig, vollschichtig erwerbsfähig für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, Steigen von Treppen und Leitern und vermehrte Stressbelastung).
Mit Urteil vom 11.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen.
Es hat in seinem Urteil ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens sei - nur - der Bescheid vom 04.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2004. Entgegen der Ansicht des Klägers sei der Bescheid vom 21.03.2003 nicht Verfahrensgegenstand. Dem Widerspruch des Klägers gegen jenen Bescheid habe der Beklagte mit dem Bescheid vom 22.07.2003 teilweise abgeholfen. Der Widerspruch des Klägers vom 18.08.2003 gegen diesen Bescheid sei unzulässig gewesen, da gegen Teil-Abhilfebescheide in laufenden Widerspruchsverfahren kein erneuter Widerspruch möglich sei. Vielmehr könne in dem Schreiben (vom 18.08.2003) ein Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gesehen werden, über den die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid vom 04.11.2003 entschieden habe.
Ferner hat das SG ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit sie die Zeit vom 04.01.1998 bis zum 31.10.2000 betreffe, für die Zeit danach bis zum 20.01.2003 jedoch zulässig. Die rückwirkende Feststellung des GdB setze nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ein besonderes Interesse voraus, wobei bloße steuerliche Vorteile nicht genügten. Bei dem Kläger bestehe dieses Interesse nur zurück bis zum 01.11.2000, weil er bei Anerkennung des Schwerbehindertenstatus ab diesem Zeitpunkt abschlagfreie Rente beziehen könne. Für die Zeit davor sei ein besonderes Interesse weder vorgetragen noch ersichtlich.
Hinsichtlich der Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 hat das SG die Klage für unbegründet gehalten. Für diese Zeit lasse sich ein höherer GdB als 30 nicht feststellen. Entsprechend den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 habe der Beklagte zu Recht Einzel-GdB von jeweils 20 für die Wirbelsäulenschäden und die psychische Erkrankung gebildet. Die weiter geltend gemachten Behinderungen bedingten keine weiteren Einzel-GdB von wenigstens 20. Das Ausmaß der Tinnituserkrankung nach dem Hörsturz 1990 lasse sich den medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Soweit der Tinnitus dort überhaupt erwähnt werde, werde lediglich die Diagnose ohne die für die GdB-Einstufung maßgeblichen Befunde genannt. Der als sachverständiger Zeuge befragte HNO-Arzt Dr. Sigle habe den Kläger zuletzt 1993 gesehen. Auch eine Behinderung durch die Kniearthrose werde nicht erwähnt. Der Rehabilitationsbericht aus Bad A. aus dem Jahre 2002 beschreibe einen stabilen Seitenbandapparat und eine gerade Beinachse und verneine einen Erguss und eine Gelenkschwellung. Konkrete Bewegungsmaße nenne er nicht. Auch Dr. G. habe insofern keine Befunde mitgeteilt. Eine Funktionsbeeinträchtigung sei somit nicht nachgewiesen. Das Gleiche gelte letztlich für die geltend gemachte Migräneerkrankung. Soweit diese in den medizinischen Unterlagen überhaupt erwähnt werde, erfolge dies lediglich im Zusammenhang mit den festgestellten Diagnosen. Befunde oder Auskünfte über die Häufigkeit der Migräneanfälle sowie die Art und das Ausmaß eventuell damit verbundener Begleiterscheinungen, würden an keiner Stelle mitgeteilt. Insgesamt sei daher aus den beiden Einzel-GdB-Werten von je 20 ein Gesamt-GdB von 30 zu bilden.
Gegen dieses, ihm am 02.01.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.01.2007 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Er meint, seine Klage sei insgesamt zulässig, denn nach neuerer Rechtsprechung sei in "offenkundigen" Fällen eine rückwirkende Feststellung zulässig, und ein solcher Fall liege hier vor. Er behauptet, er habe bereits seit 1998 nur noch gebückt gehen können und oft tagelang nicht aufrecht gehen können. Er leide auch seit langem an Beschwerden an den Knien. Er trägt vor, Dr. E. habe schwere degenerative Veränderungen der LWS und Bandscheibenvorfälle bekundet und angegeben, dass er - der Kläger - bereits seit 1998 nicht mehr arbeitsfähig gewesen sei. Der Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Bad H. vom 25.06.1998 nenne einen FBA (Finger-Boden-Abstand) von 40 cm mit verzögerter Vorbeuge und eine zeitweilige motorische Schwäche des linken Beins. Ferner trägt er vor, der Tinnitus und die Hörminderung beständen schon seit Jahren und seien als schwer einzustufen. Auch die psychiatrische Erkrankung, bedingt durch ein schweres Mobbing am Arbeitsplatz wegen häufiger Fehlzeiten, sei schwerer zu bewerten als es das SG getan habe. Letztlich leide er an der Migräne bereits seit 25 Jahren. Zeitweise habe er 10 bis 15 Schmerztabletten täglich eingenommen. Er habe zwischen 1993 und 2003 wegen der Kopfschmerzen keine Ärzte mehr aufgesucht, da diese aus seiner Sicht nichts hätten tun können.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2006 sowie unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2003 und unter Aufhebung des Bescheids vom 04. November 2003 sowie des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2004 den Beklagten zu verpflichten, bei ihm für die Zeit vom 04. Januar 1998 bis 20. Januar 2003 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen. Er meint, es ergäben sich - ungeachtet der Frage eines Rechtsschutzbedürfnisses - keine konkreten Befunde, die eine rückwirkende Feststellung eines GdB ab 04.01.1998 oder eines höheren GdB als 30 ab 01.11.2000 erlauben würden. Der im Erstantrag genannte Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitation in Bad A. vom 27.05. bis 24.06.1998 liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 12.01.2007 stellte das Versorgungsamt einen GdB von 90 für die Zeit ab dem 21.01.2003 fest.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. I. begutachten lassen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.07.2010 ausgeführt, die depressiven Episoden des Klägers seien seit Februar 1998 verifiziert. Der zu Grunde liegende Mobbing-Konflikt werde anamnestisch seit Anfang 1998 geschildert. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, Facharztbesuch und Reha-Maßnahme ließen auf eine mittel- bis schwergradige soziale Anpassungsstörung schießen, die einen GdB der seelischen Leiden zwischen 01/98 und 02/01 von 50 sicherlich rechtfertige. Ab 02/01 sei von einer schweren sozialen Anpassungsschwierigkeit auszugehen und der psychische Befund nach dem ersten Apoplex 02/01 (auch hier gemeint: 02/02, dazu unten) mit einem GdB von 70 bis 80 zu bewerten, da anamnestisch das Psychosyndrom bereits seit damals beschrieben werde. Seit Vorfall damals sei bereits auf neurologischem Gebiet von einem GdB von 100 auszugehen. Insgesamt, so Dr. I. weiter, sei im "dargelegten Zeitraum" von einem GdB von 100 auszugehen. Hierbei seien die Bandscheibenbefunde und die internistischen Leiden nicht berücksichtigt. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.
Sodann hat der Senat von Amts wegen über den Kläger bei dem Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. K. ein orthopädisches Gutachten und bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten eingeholt. Dr. L. hat unter dem 29.12.2010 ausgeführt, auf neurologischem Gebiet hätten im Streitzeitraum die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule keine eigenständigen Behinderungen ergeben. Es habe ferner eine Migräne ohne Aura vorgelegen, die bei fehlender Dokumentation schwerer Attacken trotz wochenlanger stationärer Aufenthalte in den Jahren 1998 bis 2003 jedoch allenfalls einen GdB von 10 bedingt habe. Ähnlich könne der vom Kläger beschriebene Tinnitus eingeordnet werden. Bezüglich der Psyche könne retrospektiv eine Anpassungsstörung mit leichter depressiver Reaktion diagnostiziert werden. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit scheine nicht vorgelegen zu haben, da eine solche bei den Rehabilitationsmaßnahmen aufgefallen wäre. Es sei daher insoweit ein GdB von 20 vertretbar. Der Kläger habe eine zerebrale Ischämie im November 2001 (gemeint auch hier: Februar 2002, dazu im Folgenden) beschrieben, jedoch sei diese damals nicht diagnostiziert worden, auch später seien mögliche Folgen dieses Schlaganfalls nicht beschrieben worden, sodass davon ausgegangen werden könne, dass keine behindernden Residuen persistiert hätten. Auf orthopädischem Gebiet hat Dr. K. in seinem Gutachten vom 07.01.2011 zusätzlich einen Bandscheibenschaden und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule diagnostiziert, die im Streitzeitraum einen GdB von 20 bedingt hätten. Eine daneben bestehende Osteoporose habe keine Behinderung dargestellt. Zusätzlich zu dieser orthopädischen Behinderung und den von Dr. L. beschriebenen psychiatrischen Beeinträchtigungen seien eine Schwerhörigkeit mit einem GdB von 20 und Herzrhythmusstörungen geringen Ausmaßes (GdB 10) zu berücksichtigen. Insgesamt, so Dr. K., ergebe sich für die Zeit vor dem 20.01.2003 ein Gesamt-GdB von maximal 40. Nur bei einer Höherbewertung der Hörstörungen, ggfs. unter Aufnahme des Tinnitus, mit einem GdB von 30, könne es ohne wesentliche Überschneidungen zu einem Gesamt-GdB von 40 bis 50 kommen. Jedoch habe es in der Zeit vom 04.01.1998 bis 20.01.2003 auch Phasen gegeben, in denen der orthopädische GdB nur 10 betragen und auch zusammen mit den seelischen Beeinträchtigungen kein höherer GdB als 20 vorgelegen habe. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen der beiden Sachverständigen wird auf die beiden genannten schriftlichen Gutachten verwiesen.
Beide Seiten haben sich nach Eingang der beiden Gutachten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist insgesamt zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Kläger kann von dem Beklagten nur für einen Teil der noch streitigen Zeit, nämlich vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003 die Feststellung eines höheren GdB verlangen, nämlich eines GdB von 40 statt des bislang anerkannten GdB von 30. Im Übrigen stehen ihm keine Ansprüche zu. Insbesondere war er auch in diesem Zeitraum kein schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 50.
1. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 21.03.2003. Insoweit hat der Kläger in beiden Instanzen den zutreffenden Antrag gestellt. Bereits in jenem Bescheid hatte das Versorgungsamt zumindest für einen Teil der jetzt noch streitigen Zeit, nämlich für die Zeit vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003, eine Entscheidung über den GdB getroffen, es hatte diesen nämlich auf 20 festgesetzt. Mit dem Abhilfebescheid vom 22.07.2003 erhöhte das Versorgungsamt sodann den GdB nur für die spätere Zeit ab dem 21.01.2003, nicht aber für die jetzt noch streitige Zeit zuvor. Es handelte sich daher nur um einen Teil-Abhilfe-Bescheid. Das Schreiben vom 18.08.2003 war daher nicht als echter, erneuter Widerspruch auszulegen. Vielmehr machte der Kläger darin deutlich, dass er an seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.03.2003 festhalten wollte. Außerdem führte er hier erstmals die Merkzeichen aG und Bl in das Verfahren ein, hat dieses Begehren jedoch später wieder fallengelassen. Einen Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 2 SGB X, wie das SG meint, musste der Kläger hier nicht stellen, da weder der Bescheid vom 21.03.2003 noch der Abhilfebescheid vom 22.07.2003 zwischenzeitlich bestandskräftig geworden waren. Entsprechend hat dann auch das Versorgungsamt keinen Überprüfungsbescheid erlassen. Es hat vielmehr zunächst unter dem 04.11.2003 den GdB für die Zeit vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 auf 30 erhöht. Hierbei handelte es sich erneut um einen Teil-Abhilfe-Bescheid, auch wenn dies in ihm nicht deutlich erwähnt wurde. Sodann hat der Beklage den noch anhängigen Teil des Widerspruchs des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2004 zurückgewiesen.
2. Diese Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers betreffend den Zeitraum 04.01.1998 bis 20.01.2003 ist, wie auch das SG ausgeführt hat, nur für die Zeit vom 01.11.2000 an zulässig, für die Zeit davor jedoch unzulässig.
a) Allerdings liegt hinsichtlich des gesamten Zeitraums ein anfechtungsfähiger Bescheid vor (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) und es ist auch insgesamt das nach § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt worden. Der Kläger hatte bereits in seinem Antrag, der am 26.09.2002 bei dem Versorgungsamt Stuttgart einging, eine Feststellung des GdB ab dem 04.01.1998 begehrt. Zwar hat das Versorgungsamt in den Bescheiden vom 21.03.2003 und vom 04.11.2003 ausdrücklich nur Feststellungen für die Zeit ab dem 01.11.2000 getroffen. Grund hierfür war die telefonische Mitteilung des Klägers vom 04.03.2003, er begehre eine Rückwirkung ab November 2000. Diese Mitteilung erfolgte jedoch im Zusammenhang mit seiner Aussage, der Tinnitus solle nicht berücksichtigt werden. Es ist daher nicht zwingend davon auszugehen, dass der Kläger hiermit seinen gesamten Antrag (teilweise) zurücknehmen wollte. Hierfür spricht auch sein späteres Verhalten im Gerichtsverfahren, in dem er von Anfang an eine rückwirkende Feststellung seit dem 04.11.1998 begehrt hat. Der Beklagte hat insoweit im Gerichtsverfahren auch nicht gerügt, für die Zeit vom 04.01.1998 bis zum 31.10.2000 fehle es an einer Entscheidung und an einem Vorverfahren. Auch aus Gründen der Verfahrensökonomie legt der Senat daher die genannten Bescheide und auch den Widerspruchsbescheid vom 01.04.2004 so aus, dass darin auch, und zwar ablehnend, über die Zeit vom 04.01.1998 bis zum 31.10.2000 entschieden worden sei.
b) Dem Kläger fehlt jedoch für die Zeit vor dem 01.11.2000 das besondere, für eine solche Feststellung notwendige Interesse, das über das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das an jeder Klage besteht, hinaus geht.
aa) Dass ein Antragsteller für eine rückwirkende Feststellung seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (GdB 50) oder eines anderen GdB ein besonderes Interesse geltend machen muss, folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 2 der auch vom SG zitierten SchwbAwV. Rückwirkend ist dabei eine Feststellung für Zeiten vor Eingang des ersten Antrags bei dem Versorgungsamt oder einer anderen, zur Weiterleitung verpflichteten Behörde (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SchwbAwV). Ansonsten bleibt es dabei, dass es sich bei der Feststellung des GdB um eine Statusentscheidung handelt, die prinzipiell in die Zukunft wirkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rentenrechtliche Vorteile, die mit der Anerkennung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (oder ggfs. mit einem anderen GdB) zusammenhängen, ein solches besonderes Interesse darstellen (vgl. zuletzt LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.02.2010, L 11 SB 351/08, Juris Rn. 27 ff., 29). Dagegen hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 29.05.1991 (9a/9 RVs 11/89, Juris Rn. 20) ausgeführt, dass steuerliche Vorteile kein solches Interesse darstellen können, weil "Steuervorteile ( ) aber, auch wenn sie Anlass zu einem Feststellungs-, also Statusverfahren gegeben haben, nur eine der möglichen Folgen des feststellenden Verwaltungsaktes (sind) und ( ) das sozialrechtliche Statusverfahren nicht (prägen), das auf die Gesamtheit der Berechtigungen und Nachteilsausgleiche von Schwerbehinderten ausgerichtet ist". Zwar hat das BSG in einem Beschluss vom 11.10.2006 (B 9a SB 1/06 BH, www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/B 9a SB 1.06.BH.htm, ansonsten nicht veröffentlicht) ausgeführt, es sei angesichts des Widerspruchs, den das Urteil vom 29.05.1991 in der Literatur gefunden habe (Hinweis auf Steinäcker, Rückwirkende Feststellungen der Versorgungsverwaltung im Schwerbehindertenrecht, BehindertenR 2006, 98 ff.) wieder klärungsbedürftig geworden, welche Qualität die Interessen eines Behinderten haben müssten, damit Feststellungen nach dem SGB IX auch rückwirkend getroffen werden könnten. Dieser Beschluss, der in einem PKH-Verfahren erging, hat die weitere Rechtsprechung der Sozialgerichte, die an dem Urteil vom 29.05.1991 festgehalten haben, jedoch nicht beeinflusst. Hiernach liegt kein ausreichendes besonderes Interesse vor, wenn die rückwirkende Feststellung eines GdB lediglich mit der Begründung begehrt wird, es könnten noch die Freibeträge nach § 33 Abs. 1, § 33b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend gemacht werden, auch wenn steuerrechtlich eine rückwirkende Änderung möglich wäre (vgl. §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung [AO 1977]). Dem folgt der Senat. Die besonderen Freibeträge nach §§ 33b EStG sind eine nur mittelbare Folge der Statusfeststellung eines bestimmten GdB. Da die Einkommensteuerpflicht die meisten Bundesbürger trifft, zumal nicht nur Erwerbseinkommen steuerpflichtig ist, kann das Interesse an einer besonderen steuerlichen Gestaltung nur als allgemein, aber nicht als besonderes Interesse verstanden werden. In dieser Ansicht spiegelt sich auch wider, dass rückwirkende Eingriffe in abgeschlossene rechtliche Tatbestände, wie es die festgestellte Steuerpflicht in einem Veranlaungszeitraum darstellt, grundsätzlich zu vermeiden sind.
bb) Hiernach besteht für die Zeit vom 27.09.2002 bis zum 20.01.2003 schon deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antrag des Klägers auf Feststellung seines GdB am 26.09.2002 bei dem Versorgungsamt einging (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAwV).
cc) Weitergehend sind für die Zeit ab November 2000 bis zum Eingang des Antrags rentenrechtliche Vorteile des Klägers denkbar, und zwar im Hinblick auf den Stichtag 16.11.2000 in § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Senat folgt hier auch der Ansicht des SG, in diesen Fällen könne der geltend gemachte GdB bereits ab dem 01.11.2000 verlangt werden und nicht erst ab dem genannten konkreten Stichtag.
dd) Für die Zeit vor November 2000 hat der Kläger jedoch lediglich pauschal auf einkommensteuerrechtliche Vorteile verwiesen. Dies reicht als Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses, wie ausgeführt, nicht aus.
3. Für den demnach zulässigerweise beklagten Zeitraum vom 01.11.2000 bis 20.01.2003 kann der Kläger die Feststellung eines GdB von 40 verlangen, jedoch nicht die Feststellung seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
a) Der Senat liegt bei der Beurteilung dieses Zeitraums den gleichen Beweis- und Überzeugungsmaßstab an. Notwendig ist insoweit, dass das Gericht nach dem Inbegriff des Verfahrens und einer etwaigen Beweisaufnahme von den Voraussetzungen des begehrten GdB in einer Weise überzeugt ist, die begründeten Zweifeln Einhalt gebietet (Vollbeweis). Auch für die Zeit vor Eingang des Antrags bei dem Versorgungsamt ist kein gesteigerter Darlegungs- oder Beweismaßstab zu fordern.
In der Rechtsprechung wird zwar - und zwar unabhängig von dem besonderen Interesse des Antragstellers an einer rückwirkenden Feststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV - ausgeführt, die rückwirkende Feststellung eines GdB müsse auf offenkundige Fälle beschränkt werden, um den Sinn und Zweck einer Statusentscheidung nicht zu konterkarieren (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20 f.; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 27; LSG für das Saarland, Beschluss vom 05.11.2002, L 5 B 12/01 SB, Juris Rn. 20). Offenkundigkeit soll hierbei anzunehmen sein, wenn die für die Feststellung erforderlichen Voraussetzungen aus der Sicht eines unbefangenen, sachkundigen Beobachters nach Prüfung der objektiv gegebenen Befundlage ohne Weiteres deutlich zu Tage treten (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.01.2010, L 11 SB 358/08, Juris Rn. 22).
Diese Beschränkung auf offenkundige Behinderungen kann sich jedoch nicht auf den Beweismaßstab beziehen, da die Feststellung eines GdB ohnehin bereits den Vollbeweis verlangt und eine Steigerung daher nicht möglich ist.
b) Ausgehend von den allgemeinen Maßstäben ist ein höherer GdB als 40 in der Zeit vom 27.09.2002 bis 20.01.2003 zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen.
aa) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen waren in dem hier streitigen Zeitraum vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003 noch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der damaligen Fassung (1996) heranzuziehen. Die Maßstäbe aus der nach § 30 Abs. 17 BVG n.F. erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 galten dagegen noch nicht, denn diese Verordnung ist erst zum 01.01.2009 in Kraft getreten. In den AHP war der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderung wiedergegeben. Die AHP ermöglichten somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das BSG hatte die Bedeutung der AHP betont und diese Grundsätze als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich Urteil vom 01.09.1999, B 9 V 25/98 R, Juris) bezeichnet. Daher waren die AHP für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie trugen aber als "antizipierte Sachverständigengutachten" der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. damals noch Teil A Allgemeine Grundsätze Ziff. 19 AHP).
bb) Den Einzel-GdB für die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers im Streitzeitraum entnimmt der Senat im Wesentlichen dem Gutachten von Dr. L ... Dieser hat nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen über den Kläger aus dem Streitzeitraum festgestellt, der Kläger habe an einer Anpassungsstörung mit leichter depressiver Reaktion gelitten und diese Behinderung mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dem ist zu folgen.
Einerseits ist die seelische Behinderung des Klägers in der Tat bereits seit 1998 und damit auch ab November 2000 nachgewiesen. Dr. L. hat insoweit auf einen Arztbrief vom 19.02.1998 verwiesen, in dem bereits eine "psychische Labilisierung" und eine depressive Verstimmung wegen Mobbings genannt worden waren. Bereits damals war dem Kläger eine medikamentöse Behandlung mit Insidon oder Amitriptylin angeraten worden, seine Beeinträchtigung muss daher schon damals Krankheitswert gehabt haben. Auch in der Folgezeit wurden eine Depression, meist in reaktiver Form, bzw. depressive Episoden mehrfach diagnostiziert, so z. B. in den Rehabilitationsberichten aus der Reha-Klinik H. vom 25.06.1998 und der Salinen-Klinik Bad A. vom 10.04.2002. Auch in seinem am 28.09.2002 bei dem Versorgungsamt eingegangenen Antrag hatte der Kläger auf ein "hochgradiges Mobbing am Arbeitsplatz" und daraus folgende psychische Probleme hingewiesen. Vor dem Hintergrund, dass die psychischen Beeinträchtigungen eine bestimmte, bereits 1998 vorliegende Ursache hatten und mehrfach diagnostiziert wurden, kann angenommen werden, dass sie im Streitzeitraum durchgehend und jeweils für mindestens sechs Monate angedauert haben, also Behinderungen darstellten.
Nach Nr. 26.3 AHP waren leichtere psychovegetative Störungen oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wie z. B. ausgeprägte depressive Störungen mit einem GdB von 30 bis 40. Die wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit musste sich hierbei auf die gesamte Lebensführung des Behinderten beziehen und nicht nur auf Teilbereiche wie etwa die Gestaltung des Berufs- oder Arbeitslebens.
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Dr. L. die psychischen Beeinträchtigungen durchgängig mit einem GdB von 20 bewertet hat. Der Kläger war in der genannten Zeit nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Auch in einigen weiteren Unterlagen aus dem Streitzeitraum war eine solche Behinderung nicht erwähnt. So nennt der Entlassungsbericht der Pfalzklinik vom 26.11.2001 nur eine psycho-vegetative Erschöpfung, aber keine psychische Beeinträchtigung mit Krankheits- oder Behinderungswert. Eine Behandlung wird weder vorgeschlagen noch erwähnt. Es ist aber davon auszugehen, dass eine erheblichere psychische Störung gerade bei einer längerfristigen stationären Rehabilitationsmaßnahme aufgefallen wäre. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Ursache der Störung in der Berufstätigkeit des Klägers gelegen habe. Es spricht also viel dafür, dass sie jedenfalls sein Alltagsleben nicht in einem ausgeprägten Maße, wie es für einen GdB von wenigstens 30 erforderlich wäre, beeinträchtigt hat. Zumindest in dem hier zulässigerweise beklagten Zeitraum ab November 2000 war der Kläger auch nicht mehr berufstätig, sodass die berufliche Belastung nicht mehr vorlag.
Der Senat konnte sich dagegen nicht den Schlussfolgerungen des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. I. anschließen. Dieser hat seine Einschätzung, bereits ab 1998 habe ein GdB von 50 und ab 02/2001 (gemeint: 02/2002) ein solcher von 70 bis 80 vorgelegen, auf die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die Facharztbesuche und die Reha-Maßnahmen gestützt. Dies überzeugt nicht, nachdem die Ursachen der jeweiligen Arbeitsunfähigkeiten nicht bekannt sind, eine Behandlung bei einem Arzt oder gar einem Facharzt wegen der psychischen Beeinträchtigungen nicht stattfand und die Rehabilitationsmaßnahmen durchgehend die orthopädischen Störungen betrafen und während dieser Maßnahmen auch keine - erheblichen, behandlungsbedürftigen - psychischen Störungen festgestellt wurden. Auch der Annahme, der GdB habe sich nach dem Apoplex im Februar 2001 (2002) erhöht, kann nicht gefolgt werden. Zum einen hat dieser - mögliche - Vorfall, wie sich aus den weiteren Unterlagen ergibt, erst im Februar 2002 stattgefunden (nämlich während der Rehabilitationsmaßnahme in Bad A. im Februar 2002; das falsche Datum hat Dr. I. vermutlich dem bereits genannten Entlassungsbericht des Bürgerhospitals Stuttgart entnommen). Zum anderen hatte der Vorfall im Februar 2002 nach den eigenen Aussagen des Klägers keine weiteren Folgen. Vor allem wurde er - wohl im Zusammenhang mit den Herzbeschwerden, über die der Kläger zeitweise geklagte hatte - nur mit Marcumar behandelt, also einem Blutverdünner, aber nicht psychopharmakologisch oder psychotherapeutisch. Insbesondere ist ein organisches Psychosyndrom, auf das Dr. I. hingewiesen hat, nach dem Schlaganfall 2002 (anders als nach dem Vorfall im Januar 2003) nicht festgestellt worden.
cc) Auf neurologischem Gebiet bestanden ab November 2000 bei dem Kläger noch keine Behinderungen, jedenfalls keine Behinderungen mit einem GdB von mehr als 10.
Dr. L. hat den vorliegenden Unterlagen entnommen, dass zu keinem Zeitpunkt neurologische Beschwerden wie etwa Ausfallerscheinungen diagnostiziert wurden. Die auch von ihm gesehenen Nervenwurzelreizerscheinungen wegen der Veränderungen der Wirbelsäule und der Bandscheibenvorfälle hat er zu Recht den orthopädischen Beeinträchtigungen zugeordnet.
Es kann zwar zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass er tatsächlich schon vor Januar 2003 einen Schlaganfall ("Apoplex") erlitten hat, und zwar im Februar 2002 in Bad A ... Diesen Zeitpunkt hatte die behandelnde Ärztin Dr. E. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 23.11.2004 genannt, sie hatte auch die entsprechende Diagnose im Februar 2002 gestellt. Auch Dr. C. von den Kliniken Schmieder (Bericht vom 21.05.2003) hatte - nach dem unstreitigen Vorfall vom 20.01.2003 - nach der "Eigenanamnese" des Klägers von einem weiteren, aber leichteren Schlaganfall im Februar 2002 gesprochen. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass dieser Vorfall bleibende, mehr als sechs Monate andauernde neurologischen Folgen gehabt hat, was aber für die Feststellung einer Behinderung notwendig wäre. Von solchen Folgen hat keiner der behandelnden Ärzte berichtet. Die bloße Marcumar-Behandlung hing, wie schon zur Psyche ausgeführt, vor allem auch mit den geklagten Herzrhythmusstörungen zusammen, war aber keine spezifische neurologische Behandlung. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Vorfall während einer laufenden Rehabilitation stattgefunden haben soll, aber in der Reha-Klinik nicht bemerkt und daher im Entlassungsbericht vom 10.04.2002 auch nicht erwähnt wurde. Er kann daher keine gravierenden Auswirkungen gehabt haben. Auch der Kläger hatte in seinem Antrag vom September 2002 von einem bereits erlittenen Schlaganfall nicht berichtet, sondern nur von wohl vorübergehenden Sehstörungen.
Da keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nach dem Vorfall im Februar 2002 beschrieben sind, kann auch nicht von einem weiteren GdB bzw. einer Erhöhung des GdB für die psychischen Beeinträchtigungen ausgegangen werden, wie es Dr. I. vorgeschlagen hat.
dd) Weiterhin folgt der Senat den Einschätzungen Dr. L.s, dass für die Migräne des Klägers kein GdB von mehr als 10 anerkannt werden kann. Ein solcher GdB ist nach Nr. 26.2 AHP für eine leichtere Verlaufsform mit durchschnittlich einem Anfall pro Monat anzusetzen, während ein GdB von mindestens 20 einen mittelgradigen Verlauf, nämlich häufigere als einmal monatlich stattfindende Anfälle, die auch jeweils einen (ganzen) Tag oder mehrere Tage anhalten, voraussetzt. Hierfür ist nichts ersichtlich. Stärkere Kopfschmerzen wurden nach der erstmaligen Diagnose der Migräne 1993/1998 von keinem Arzt und vor allem in keinem der Rehabilitationsberichte genannt. Der Kläger selbst hat vorgetragen, sich wegen der Kopfschmerzen von 1993 bis 2003 an keinen Arzt gewandt, sondern die Anfälle jeweils selbst behandelt zu haben, wobei die Beschwerden nach der Einnahme von Schmerzmitteln wie Ibuprofen zurückgegangen seien.
ee) Die orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers bewertet der Senat entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. K. mit einem GdB von 20.
Die vom Kläger geklagten Wirbelsäulenschäden bedingen nach Nr. 26.18 AHP einen GdB von 20, wenn sie mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome verursachen). Ein GdB von (mindestens) 30 ist dagegen erst gerechtfertigt, wenn die genannten mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten auftreten oder aber in einem Abschnitt schwere Auswirkungen vorliegen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome).
Bei dem Kläger sind seit Anfang 1998 Wirbelsäulenbeschwerden diagnostiziert worden (vgl. MDK-Gut¬ach¬ten vom 03.03.1998). Die weiteren Auswirkungen damals waren aber, wie Dr. K. überzeugend darlegt, nicht so gravierend wie der Kläger vorträgt. So war bereits nach dem Gutachten des MDK vom 03.03.1998 unter der Behandlung am Schlingentisch, mit Bestrahlungen und Medikamenten eine Besserung erreicht worden, der Vorbeugeversuch war "erstaunlich gut" der FBA betrug nur 10 cm und Rumpfseitneigung und Rotation waren nicht eingeschränkt. Auch am Ende der Rehabilitation in H. war der vom Kläger behauptete FBA von 40 auf nur 21 cm zurückgegangen. Es wurde ein normalschrittiges, aufrechtes Gangbild bei deutlicher Schmerzreduzierung beschrieben. Für die Zeit danach sind keine wesentlichen Beschwerden beschrieben, sodass Dr. K. zu Recht anmerkt, dass der GdB im orthopädischen Bereich dann eher bei 10 denn bei 20 anzusiedeln sei. Nach den Angaben des Klägers in dem Rehabilitationsbericht der Salinen-Kliniken Bad A. vom 10.04.2002 hätten sich dann - erst - ab Herbst 2001 die Rückenschmerzen wieder verstärkt, sodass am 04.01.2002 die Bandscheibenoperation durchgeführt wurde. Auch hier hat der Kläger aber keine weitergehenden Funktionseinbußen geschildert, und die geklagten Beschwerden haben insgesamt nur weniger als sechs Monate, nämlich bis zur OP, bestanden, waren also keine dauernde Behinderung. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger aus der Rehabilitation in der Pfalzklinik im November 2001 als vollschichtig erwerbsfähig entlassen worden war, wobei nur Wirbelsäulenzwangshaltungen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ausgeschlossen wurden. Nach der Operation verbesserte sich die Situation dann wieder. Hierzu hat der Kläger in Bad A. selbst angegeben, die Schmerzen hätten sich verringert, insbesondere sei die Ausstrahlung in die Beine nahezu verschwunden.
Bestätigt wird diese Einschätzung insbesondere durch die schriftliche Zeugenaussage von Dr. G. vom 03.11.2004. Dieser hatte für die Zeit vor der Operation berichtet, die Beschwerden des Klägers hätten sich - zunächst - spontan ohne Operation gebessert und seien erst in der Folgezeit erneut aufgetreten. Bei seiner Untersuchung am 20.11.2001 konnte er gleichwohl keine Paresen oder Sensibilitätsstörungen (der Gliedmaßen) bestätigen, sondern einen Druckschmerz der unteren Lendenwirbelsäule mit eingeschränkter Beweglichkeit. Dr. G. hat insoweit (in Anlehnung an die inhaltsgleichen AHP 2004) ebenso wie Dr. K. einen GdB von 20 auf orthopädischem Gebiet angenommen.
ff) Ein GdB für Beeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen (Nr. 26.18 AHP) wegen Beschwerden am Knie ist nicht zu bilden. Der Kläger hat zwar gelegentlich über Schmerzen im Knie geklagt (so auch während der genannten Rehabilitation in Bad A.), entsprechende ärztliche Diagnosen oder Feststellungen der daraus folgenden Funktionseinschränkungen fehlen aber. Insbesondere Dr. G. hat am 03.11.2004 bekundet, er habe den Kläger wegen eines Knieschadens nicht behandelt.
gg) Für die Hörbehinderungen des Klägers vor dem 21.01.2003 legt der Senat einen Einzel-GdB von 20 zu Grunde:
Dass auch bereits im Streitzeitraum Hörschäden und ein Tinnitus nach einem Hörsturz 1990 vorlagen, hatte schon unter dem 09.12.1993 HNO-Arzt Dr. Sigle diagnostiziert. Allerdings hat er damals nur eine gering ausgeprägte Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit rechts feststellen können. Weitere Behandlungen nach 1993 hat Dr. Sigle auf Anfrage des SG verneint. Aus der Zeit danach liegt erst wieder der Arztbrief von Dr. D. vom 05.06.2003 vor, der allerdings eine Behandlung nach dem Schlaganfall im Januar 2003 beschreibt. Auch hier lag nur eine gering- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit mit Hochtonschrägabfall links vor.
Es kann daher davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger in der hier zu überprüfenden Zeit vom 01.11.2000 bis zum 20.01.2003 keine Hörbehinderung vorlag, die einen GdB von mehr als 20 bedingt hätte. Zwar hat der Beklagte dem Bescheid vom 04.11.2003 einen Einzel-GdB von 30 für die Hörminderung und den Tinnitus zu Grunde gelegt. Es wird jedoch nicht deutlich, ob er diesen Wert tatsächlich auf für die Zeit ab dem 01.11.2000, also vor dem zweiten Schlaganfall, annehmen wollte oder nur für die Zeit danach. Anzunehmen ist letzteres, denn der nunmehr zuerkannte Einzel-GdB beruhte auch auf den Angaben Dr. D.s, der zweite Schlaganfall habe nach den eigenen Schilderungen des Klägers "die Hörbehinderung und den Tinnitus erheblich verstärkt"; dann kann aber vor dem Schlaganfall nur ein geringerer GdB vorgelegen haben. Ein GdB von 20 kam nach Nr. 26.5 AHP erst bei einer geringgradigen Schwerhörigkeit auf einem und einer mindestens mittel¬gra¬di¬gen auf dem anderen Ohr in Betracht, wobei ein mittlerer Grad erst bei einem Hörverlust von 40 bis 60 % vorlag. Einen solchen Hörverlust hat im Streitzeitraum kein Arzt diagnostiziert. Die einzige hierzu vorliegende Unterlage, der Arztbrief von Dr. Sigle vom 09.12.1993, hatte nur eine geringe Hörstörung auf nur einem Ohr feststellen können. Ein Tinnitus konnte zwar einen weiteren GdB bedingen, jedoch nur wegen der mit ihm verbundenen psychovegetativen Begleiterscheinungen, die für einen GdB von 20 erheblich sein mussten. Sollten bei dem Kläger wegen des Tinnitus derartige Folgen vorgelegen haben, sind sie durch den GdB für die allgemeine psychische Erkrankung mit erfasst.
hh) Die Herzrhythmusstörungen des Klägers bedingen keinen weiteren GdB, jedenfalls keinen höheren als 10. Nach Nr. 26.9 AHP setzt ein GdB von 10 bis 30 mindestens anfallsweise auftretende hämodynamisch relevante Rhythmusstörungen voraus. Solche lagen aber nach Beginn der Behandlung mit Marcumar, die nach der Aussage von Dr. E. vom 23.11.2004 ab 2002 stattgefunden hat, bei dem Kläger nicht mehr vor. Selbst wenn also die Therapie mit Marcumar selbst bzw. ihre Folgen und Risiken für die Feststellung des GdB relevant sind, so bedingen sie bei fehlenden Rhythmusstörungen selbst höchstens einen GdB von 10.
ii) Legt man nur die genannten Einzel-GdB von jeweils 20 für die orthopädischen und psychischen Beeinträchtigungen und die Hörminderung mit Tinnitus zu Grunde, ergibt sich integrierend ein Gesamt-GdB von 40, wie auch Dr. K. vorgeschlagen hat. An diesem Gesamt-GdB würde sich auch dann nichts ändern, wenn man den Einzel-GdB für die Hörbehinderung mit Tinnitus mit 30 annähme, wie es - möglicherweise - der Beklagte tut. In diesem Fall wäre zu berücksichtigen, dass drei Einzel-GdB von 30, 20 und 20 nicht zwingend zu einem Gesamt-GdB von 50 führen, zumal der Wert für die Hörstörungen wegen des einbezogenen Tinnitus starke Überschneidungen mit dem allgemeinen GdB für die psychischen Beeinträchtigungen aufweist.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
5. Der Senat lässt im Hinblick auf die Frage, ob die Klage des Klägers für die Zeit vor dem 01.11.2000 unzulässig ist, die Revision zu. Diese Zulassung beruht zwar nicht auf Divergenz (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, denn das Urteil entspricht insoweit der Rechtsprechung des BSG, nämlich dem Urteil vom 29.05.1991. Die genannte Frage hat jedoch grundsätzliche rechtliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Wie schon das BSG in dem Beschluss vom 11.10.2006 ausgeführt hat, ist es - ggfs. erneut - klärungsbedürftig geworden, welche Qualität die Interessen eines Antragstellers an der rückwirkenden Feststellung eines GdB haben müssen, um "besondere Interessen" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV zu sein, ob insbesondere einkommensteuerrechtliche Vorteile ausreichen. Diese Frage hatte auch das bereits genannte Urteil des BSG vom 29.05.1991 nicht vollständig beantwortet, nachdem es dort um ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ging, hier aber eine Erstfeststellung in Rede steht.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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