Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 4091/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1935/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Schwerbehinderung (Grad der Behinderung [GdB] von wenigstens 50) und des Merkzeichens "G" (gehbehindert).
Der am 27.06.1955 geborene Kläger hatte erstmals am 25.03.2004 die Feststellung seines GdB beantragt. Gestützt auf die Stellungnahme von Versorgungsarzt A. vom 04.06.2004 (Einzel-GdB von 20 für eine Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und Schulter-Arm-Syndrom sowie von ebenfalls 20 für eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform und ei¬ne Harnsäurestoffwechselstörung, kein GdB von wenigstens 10 für ein Zwölffingerdarmgeschwürsleiden) hatte das Versorgungsamt Rottweil mit Bescheid vom 30.06.2004 einen Gesamt-GdB von 30 seit Antragstellung festgestellt. Der Widerspruch des Klägers und die anschließende Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 05.08.2004, Gerichtsbescheid vom 19.04.2006 in dem Verfahren S 9 SB 2813/04).
Am 10.07.2008 beantragte der Kläger Neufeststellung des GdB und - erstmals - Feststellung des Merkzeichens G. Er legte unter anderem den Entlassungsbericht der Breisgau-Klinik Bad Kro-zingen vom 06.08.2005 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (chronisch-rezidivierende Lum¬balgien bei muskulärem Dekonditionierungssyndrom und leichten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Ischialgien links, Cervikalsyndrom, femoropatellares Schmerzsyndrom bds., rezidivierende Gichtanfälle), die Dokumentation eines Ambulanten Stabilisierungsprogramms (ASP) in der Reha-Klinik Sonnhalde in Donaueschingen vom 30.11.2005, den Operationsbericht des Klinikums Konstanz, Prof. Dr. B., vom 27.02.2008 über eine Nukleotomie an diesem Tage (Protusion L4/L5 rechts) und den Abschlussbericht des Wellness- und Gesundheitszentrums Solemar Bad Dürrheim über eine ambulante Behandlung vom 20.05.2008 (Protusion L4/L5 rechts bei LWS-Syndrom, Nukleotomie am 27.02.2008, arterielle Hypertonie) vor. Gestützt auf die Stellungnahme von Versorgungsärztin Naue vom 04.08.2008 (Einzel-GdB von 30 für eine Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, operierter Bandscheibenschaden und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie - unverändert - von 20 für die Beeinträchtigungen an Knien, Füßen und Harnstoffwechsel) stellte das Versorgungsamt Rottweil mit Bescheid vom 06.08.2008 einen Gesamt-GdB von 40 ab dem 10.07.2008 fest.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er verwies darauf, dass Prof. Dr. B. am 13.12.2007 die Beeinträchtigungen durch den Bandscheibenvorfall und die ganz erheblichen Facettenarthrosen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 bewertet habe. Der Beklagte erließ sodann den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30.10.2008, in dem er auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens G verneinte, weil es an einer Schwerbehinderung fehle.
Der Kläger hat am 18.11.2008 Klage zum SG erhoben. Er hat sich erneut auf die Angaben von Prof. Dr. B. vom 13.12.2007 berufen.
Der Beklagte ist der Klage unter Vorlage der Stellungnahmen von Versorgungsärzten Dr. C. vom 30.09.2009 und Dr. Wolf vom 29.12.2009 entgegengetreten.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin Karger hat unter dem 16.03.2009 bekundet, bei dem Kläger beständen eine Befundverschlechterung und eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule. Der Gesamt-GdB sei mit 50 zu bewerten. Der Facharzt für Orthopädie und Chirotherapie Dr. D. vom Wellness- und Gesundheitszentrum Solemar hat am 09.04.2009 ergänzend mitgeteilt, bei der Nukleotomie am 27.02.2008 sei ein etwa 6 Gramm großer Bandscheibenvorfall entfernt worden.
Von Amts wegen hat das SG sodann den Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. E. mit einer Begutachtung des Klägers. Dieser Sachverständige hat in dem Gutachten vom 02.06.2009 festgestellt, bei dem Kläger beständen eine Fehlhaltung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom und die Folgen eines operierten Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule ohne restliche Wurzelreizsymptomatik (Ein¬zel-GdB 30) sowie eine retropatelläre Chondropathie des Kniegelenks mit mäßiger beginnender medialer Kniearthrose bds. ohne Funktionseinschränkungen, Hohl-Spreizfüße bds. mit Zehendeformität sowie eine Harnsäurestoffwechselstörung (Einzel-GdB 20). Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bewerten, die Voraussetzungen des Merkzeichens G lägen nicht vor. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen wird auf das fachorthopädische Gutachten verwiesen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG sodann Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. F. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.12.2009 zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger leide an einer Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Osteochondrose an den Segmenten C4 bis C7 und L4 bis S1, anhaltender Wurzelreizsymptomatik links mit Gefühlsstörung, Reflexausfall und Muskelmin¬derung des linken Beins (Einzel-GdB 30), an einer progredienten Kniegelenksarthrose mit Chon¬dromalazie (Knorpelabnutzung) medial betont und retropatellar bei Zustand nach (Z.n.) zweimaliger Arthroskopie des linken Knies 2004 (Einzel-GdB 30), an einer Funktionsstörung der Schulter bei Impingementsyndrom bds. sowie Schultergelenks- und Schultereckgelenksarthrose und Z.n. Schulter-OP mit Teilresektion des Schultereckgelenks (GdB 10) sowie an Hohl-Spreiz-Füßen, Digitus Superductus (Fehlstellung) an den 4. Zehen, Hallux valgus (Schiefstand der Großzehen) und Hammerzehen (GdB zusammen 10). Die Bewegungseinschränkungen durch die chondromalazischen Veränderungen, die (selbst) etwa mit einem Grad von 3 bis 4 einzuschätzen seien, wobei eine genauere Objektivierung durch eine kernspintomografische Untersuchung möglich sei, seien nicht sehr ausgeprägt. Der Gesamt-GdB betrage 50. Wegen der Kniegelenksbeschwerden beständen Schmerzen beim Gehen. Treppensteigen sei nur unter Schmerzen möglich. Die maximale Gehzeit betrage bis 30 Minuten, in dieser Zeit werde es dem Kläger in Einzelfällen möglich sein, 2 km zurückzulegen. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auch auf dieses Gutachten Bezug genommen.
Im Anschluss an einen Erörterungstermin am 24.02.2010 hat der Kläger am 09.03.2010 zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt, auf die verwiesen wird.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.04.2010 ab. Für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule hätten beide Gutachter einen GdB von 30 angenommen, dem sei zu folgen, da weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen von Dauercharakter auch von den behandelnden Ärzten aktuell nicht mitgeteilt worden seien. Die Funktionsbeeinträchtigung beider Kniegelenke sowie die Fußfehlform und die Harnsäurestoffwechselstörung seien, wie Dr. E. nachvollziehbar dargelegt habe, mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die höhere Einschätzung von Dr. F. könne unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht nachvollzogen werden. Weder seien Knorpelschäden in dem genannten Ausmaß nachgewiesen noch gebe es für den streitbefangenen Zeitraum Anhaltspunkte für Reizerscheinungen oder GdB-relevante Bewegungseinschränkungen der Kniegelenke. Es sei daher nach wie vor ein Gesamt-GdB von 40 anzunehmen, die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens G lägen nicht vor.
Am 22.04.2010 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung stützt er sich im Wesentlichen auf die Einschätzungen des Gutachtens von Dr. F. wegen der Beeinträchtigungen der Kniegelenke. Dieser habe die chondro-ma¬li¬zi¬schen Veränderungen mit einem Grad von 3 bis 4 eingeschätzt und insoweit auf eine kernspintomografische Untersuchung hingewiesen. Der Kläger legt hierzu zwei Berichte des Radiologen Dr. G. über ein Kernspintomogramm des linken Knies am 19.07.2010 (leichte, medial betonte femorotibiale (auf den Bereich Oberschenkel- und Schienbeinknochen bezogene) Gonarthrose mit Chondromalazie Stad. II, Chondropathie patellae Stad. II sowie Chon¬dro¬pathie des Patellagleitlagers Stad. II bis III) und über eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule am 21.07.2010 (mäßiggradige bis deutlich ausgeprägte osteochondrotische Veränderungen zwischen C3 und C6/C7, mäßige Spondylose und deutliche Spondylarthrose, geringe bis mäßige Einengungen an mehreren der genannten Segmente) vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. April 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 6. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2008 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von wenigstens 50 und die Voraussetzungen des Merkzeichens G ab dem 10. Juli 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Der Senat hat den nunmehr behandelnden Orthopäden des Klägers, Dr. J., schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 23.11.2010 unter anderem die bei den Behandlungen des Klägers seit dem 08.03.2010 erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt und ausgeführt, bei dem Kläger sei ein Gesamt-GdB von 70 angemessen. Wegen der weiteren Angaben wird auf die genannte Aussage verwiesen.
Der Beklagte hat sich unter dem 22.12.2010, der Kläger mit Schriftsatz vom 03.01.2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) als unbegründet abgewiesen.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
aa) Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an.
bb) Maßstab der Beurteilung der Behinderungen des Klägers ist die seit dem 01.01.2009 geltende, auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) und die in Anlage 2 zur VersMedV enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG), auf die sich auch das SG gestützt hat.
cc) Hiernach besteht bei dem Kläger ein Einzel-GdB von 30 wegen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule.
Nach Nr. B 18.9 VMG bedingen - erst - Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulen-Syndrome) einen GdB von 30, ebenso führen mittel¬gradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten zu einem GdB von 30 bis 40. Ein GdB von 50 und mehr ist erst bei besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese über drei Wirbelsäulenabschnitte) gerechtfertigt.
Bei dem Kläger nun liegen nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen der beiden in erster Instanz gehörten Gutachter zwar Beeinträchtigungen an der Hals- und an der Lendenwirbelsäule, also an zwei Abschnitten, vor, jedoch bestehen in keinem der Abschnitte die genannten schweren Auswirkungen. Beide Sachverständige haben den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen in der Lendenwirbelsäule gesehen. Dr. E. hat insoweit nur mäßige Funktionseinbußen und eine lokale Druckschmerzhaftigkeit, jedoch keine Wurzelreizungen festgestellt. Röntgenologisch hat er sogar die Veränderungen an der Halswirbelsäule in den Vordergrund gestellt, wobei hier nach den eigenen Angaben des Klägers bei ihm keine akuten subjektiven Beschwerden vorlagen. Dr. F. dagegen hat zwar eine von der lumbalen Wirbelsäule ausgehende Wurzelreizsymptomatik links beschrieben, diese jedoch ebenfalls mit einem GdB von 30 bewertet. Beschwerden, die von der Halswirbelsäule ausgehen, hat auch er nicht beschrieben. Die Bewertung der Wirbelsäulenbeeinträchtigungen hat im Übrigen der Kläger mit der Berufung auch nicht angegriffen. Sie wird auch bestätigt durch den Bericht über die Kernspintomografie der Halswirbelsäule bei Dr. G. vom 21.07.2010, den der Kläger selbst vorgelegt hat. Hiernach finden sich dort nach wie vor nur geringe bis mäßiggradige Einengungen des Spinalkanals, die nicht für dauerhafte Nervenwurzelreizungen sprechen. Andere Angaben hat auch Dr. J. in seiner Zeugenaussage vom 23.11.2010 nicht gemacht. Er hat zwar von zunehmenden Beschwerden gesprochen, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese zwischenzeitlich eine höhere Bewertung bedingten, zumal er als Behandlungen eine manuelle Therapie und Umschläge verordnet hat und eine Operation bislang nur geplant ist.
dd) Umstritten zwischen den Beteiligten war letztlich nur die Bewertung der Kniebeschwerden des Klägers. Hier nun ist mit dem SG und den Einschätzungen Dr. E.s von einem GdB von 20 auszugehen.
Hierbei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass tatsächlich Knorpelschäden an beiden Kniegelenken vorliegen. Dr. H. hatte zwar solche Schäden nicht beschrieben, vielmehr hat erstmals Dr. F. eine erhebliche chondromalizische Veränderung angegeben. Diese wird bestätigt durch den im Berufungsverfahren eingereichten Bericht über die kernspintomografische Untersuchung der Kniegelenke des Klägers am 19.07.2010. Allerdings ist der Grad dieser Chondromalazie entsprechend dem genannten Bericht von Dr. G. überwiegend mit Grad II und nur im Bereich des Patallagleitlagers (vorderer Abschnitt der Oberschenkelrolle) mit Grad II bis III anzunehmen. Dr. F. hatte zwar von einem Grad 3 bis 4 gesprochen, jedoch selbst darauf hingewiesen, dass für eine genauere Verifizierung eine kern¬spintotografische Untersuchung notwendig sei, die nunmehr durchgeführt worden ist.
Nach Nr. B 18.14 VMG sind ausgeprägte Knorpelschäden bereits eines Kniegelenks, wobei diese bei einer Chondromalazie patellae in den Stadien II bis IV vorliegen sollen, mit anhaltenden Reizerscheinungen mit einem GdB von 0 bis 30 zu bewerten, wenn keine Bewegungseinschränkungen vorliegen Bestehen Bewegungseinschränkungen, ist ein GdB von 20 bis 40 angemessen. Ob bei dem Kläger von anhaltenden Reizerscheinungen zu sprechen ist - beschrieben sind bislang im Wesentlichen nur belastungsabhängige Schmerzen z. B. beim Gehen und Treppensteigen -, kann hier offen bleiben. Selbst wenn dies der Fall ist, ergibt sich kein höherer GdB als 20, denn bei dem Kläger liegen keine Bewegungseinschränkungen vor. Dr. E. hat insoweit eine freie Beweglichkeit der Knie beschrieben, Dr. F. hat sogar die konkreten Bewegungsmaße nach der Neutral-Null-Methode mit 0-0-145 rechts und 0-0-135 links gemessen. Dies ist weitab von einer auch nur leichten Bewegungseinschränkung, die nach Nr. B 18.14 VMG erst bei einer Einschränkung der Beugung und der Streckung auf 0-0-90 anzunehmen ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn dann der GdB des Klägers aus dem Rahmen 0 bis 30 mit dem Mittelwert, nämlich 20, bewertet wird. Zwar weist Dr. F. zu Recht darauf hin, dass dieser Rahmen bereits bei Knorpelschäden an einem Knie eingreift, bei dem Kläger aber beide Knie betroffen sind. Auf der anderen Seite sind aber die Knorpelschäden mit einem Grad von II bzw. II bis III noch im unteren Bereich der von den VMG erfassten Breite von II bis IV anzusiedeln.
Sollten bei dem Kläger dagegen keine anhaltenden Reizerscheinung aus den Knorpelschäden folgen, dann sind seine Kniebeschwerden allein nach den Bewegungseinschränkungen zu bewerten (Nr. B 18.14 VMG), solche liegen aber, wie ausgeführt, nicht vor.
ee) Die Schulterbeschwerden haben bisher nicht zu Bewegungseinschränkungen oder erheblichen Reizungen geführt und sind daher - in Übereinstimmung mit den Vorschlägen beider Gutachter - mit einem GdB von 10 zu bewerten (Nr. B 18.13 VMG).
ff) Die Fehlformen und Fehlstellungen der Füße des Klägers sind ebenfalls mit beiden Gutachtern jedenfalls nicht mit einem höheren GdB als 10 zu bewerten. Einschränkungen der Fortbewegungsfähigkeiten bedingen sie nach den ärztlichen Unterlagen nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach Nr. B 18.14 VMG Fußdeformitäten wie Senk-Spreiz-Füße, Hohlfüße oder Knickfüße erst bei statischen Auswirkungen, also Auswirkungen auf die Standsicherheit des Betroffenen, überhaupt einen GdB bedingen, und einen solchen von 20 erst bei Auswirkungen stärkeren Grades.
gg) Die Gicht des Klägers schließlich ist nach Nr. B 15.2 VMG nach den Funktionseinschränkungen der betroffenen Gelenke zu bewerten, da Gichtanfälle seit langem nicht mehr beschrieben sind; deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sie mit den Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaße zusammengefasst hat, auch wenn es sich nicht um eine orthopädische oder neurologische Erkrankung handelt.
h) Zu folgen ist dem SG letztlich auch darin, dass die beiden relevanten Einzel-GdB von 30 und 20 für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen zu einem Gesamt-GdB von 40 zu integrieren sind. Hierbei bleiben die weiteren Einzel-GdB von 10 außer Betracht, (vgl. Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee VMG), auch eine Verstärkung der einen Behinderung durch die andere liegt nicht vor (ebd., Doppelbuchstabe dd). Vielmehr überschneiden sich die Funktionseinbußen beider Behinderungen sogar, denn die Schäden an der Lendenwirbelsäule verursachen auch nach den Angaben des Klägers Schmerzen bis in das linke Bein, während auch die Kniebehinderung solche Schmerzen verursacht. Ein Gesamt-GdB von 40 ist daher bereits im oberen Bereich angesiedelt (ebd., Doppelbuchstabe cc). Auch Dr. J. hat in seiner sachverständigen Aussage vom 23.11.2000 weitergehende Beeinträchtigungen nicht genannt, weshalb seiner Beurteilung des GdB nicht gefolgt werden kann.
b) Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens G.
Das Merkzeichen G, das eine erhebliche Beeinträchtigung des behinderten Menschen im Straßenverkehr bescheinigt, erhalten nach §§ 145 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) schwerbehinderte Menschen, die infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermögen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Der Zuerkennung des Merkzeichens G steht demnach bereits entgegen, dass der Kläger nach § 2 Abs. 2 SGB IX kein schwerbehinderter Mensch ist, da bei ihm kein GdB von wenigstens 50 besteht.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Schwerbehinderung (Grad der Behinderung [GdB] von wenigstens 50) und des Merkzeichens "G" (gehbehindert).
Der am 27.06.1955 geborene Kläger hatte erstmals am 25.03.2004 die Feststellung seines GdB beantragt. Gestützt auf die Stellungnahme von Versorgungsarzt A. vom 04.06.2004 (Einzel-GdB von 20 für eine Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und Schulter-Arm-Syndrom sowie von ebenfalls 20 für eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform und ei¬ne Harnsäurestoffwechselstörung, kein GdB von wenigstens 10 für ein Zwölffingerdarmgeschwürsleiden) hatte das Versorgungsamt Rottweil mit Bescheid vom 30.06.2004 einen Gesamt-GdB von 30 seit Antragstellung festgestellt. Der Widerspruch des Klägers und die anschließende Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 05.08.2004, Gerichtsbescheid vom 19.04.2006 in dem Verfahren S 9 SB 2813/04).
Am 10.07.2008 beantragte der Kläger Neufeststellung des GdB und - erstmals - Feststellung des Merkzeichens G. Er legte unter anderem den Entlassungsbericht der Breisgau-Klinik Bad Kro-zingen vom 06.08.2005 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (chronisch-rezidivierende Lum¬balgien bei muskulärem Dekonditionierungssyndrom und leichten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Ischialgien links, Cervikalsyndrom, femoropatellares Schmerzsyndrom bds., rezidivierende Gichtanfälle), die Dokumentation eines Ambulanten Stabilisierungsprogramms (ASP) in der Reha-Klinik Sonnhalde in Donaueschingen vom 30.11.2005, den Operationsbericht des Klinikums Konstanz, Prof. Dr. B., vom 27.02.2008 über eine Nukleotomie an diesem Tage (Protusion L4/L5 rechts) und den Abschlussbericht des Wellness- und Gesundheitszentrums Solemar Bad Dürrheim über eine ambulante Behandlung vom 20.05.2008 (Protusion L4/L5 rechts bei LWS-Syndrom, Nukleotomie am 27.02.2008, arterielle Hypertonie) vor. Gestützt auf die Stellungnahme von Versorgungsärztin Naue vom 04.08.2008 (Einzel-GdB von 30 für eine Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, operierter Bandscheibenschaden und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie - unverändert - von 20 für die Beeinträchtigungen an Knien, Füßen und Harnstoffwechsel) stellte das Versorgungsamt Rottweil mit Bescheid vom 06.08.2008 einen Gesamt-GdB von 40 ab dem 10.07.2008 fest.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er verwies darauf, dass Prof. Dr. B. am 13.12.2007 die Beeinträchtigungen durch den Bandscheibenvorfall und die ganz erheblichen Facettenarthrosen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 bewertet habe. Der Beklagte erließ sodann den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30.10.2008, in dem er auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens G verneinte, weil es an einer Schwerbehinderung fehle.
Der Kläger hat am 18.11.2008 Klage zum SG erhoben. Er hat sich erneut auf die Angaben von Prof. Dr. B. vom 13.12.2007 berufen.
Der Beklagte ist der Klage unter Vorlage der Stellungnahmen von Versorgungsärzten Dr. C. vom 30.09.2009 und Dr. Wolf vom 29.12.2009 entgegengetreten.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin Karger hat unter dem 16.03.2009 bekundet, bei dem Kläger beständen eine Befundverschlechterung und eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule. Der Gesamt-GdB sei mit 50 zu bewerten. Der Facharzt für Orthopädie und Chirotherapie Dr. D. vom Wellness- und Gesundheitszentrum Solemar hat am 09.04.2009 ergänzend mitgeteilt, bei der Nukleotomie am 27.02.2008 sei ein etwa 6 Gramm großer Bandscheibenvorfall entfernt worden.
Von Amts wegen hat das SG sodann den Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. E. mit einer Begutachtung des Klägers. Dieser Sachverständige hat in dem Gutachten vom 02.06.2009 festgestellt, bei dem Kläger beständen eine Fehlhaltung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom und die Folgen eines operierten Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule ohne restliche Wurzelreizsymptomatik (Ein¬zel-GdB 30) sowie eine retropatelläre Chondropathie des Kniegelenks mit mäßiger beginnender medialer Kniearthrose bds. ohne Funktionseinschränkungen, Hohl-Spreizfüße bds. mit Zehendeformität sowie eine Harnsäurestoffwechselstörung (Einzel-GdB 20). Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bewerten, die Voraussetzungen des Merkzeichens G lägen nicht vor. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen wird auf das fachorthopädische Gutachten verwiesen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG sodann Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. F. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.12.2009 zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger leide an einer Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Osteochondrose an den Segmenten C4 bis C7 und L4 bis S1, anhaltender Wurzelreizsymptomatik links mit Gefühlsstörung, Reflexausfall und Muskelmin¬derung des linken Beins (Einzel-GdB 30), an einer progredienten Kniegelenksarthrose mit Chon¬dromalazie (Knorpelabnutzung) medial betont und retropatellar bei Zustand nach (Z.n.) zweimaliger Arthroskopie des linken Knies 2004 (Einzel-GdB 30), an einer Funktionsstörung der Schulter bei Impingementsyndrom bds. sowie Schultergelenks- und Schultereckgelenksarthrose und Z.n. Schulter-OP mit Teilresektion des Schultereckgelenks (GdB 10) sowie an Hohl-Spreiz-Füßen, Digitus Superductus (Fehlstellung) an den 4. Zehen, Hallux valgus (Schiefstand der Großzehen) und Hammerzehen (GdB zusammen 10). Die Bewegungseinschränkungen durch die chondromalazischen Veränderungen, die (selbst) etwa mit einem Grad von 3 bis 4 einzuschätzen seien, wobei eine genauere Objektivierung durch eine kernspintomografische Untersuchung möglich sei, seien nicht sehr ausgeprägt. Der Gesamt-GdB betrage 50. Wegen der Kniegelenksbeschwerden beständen Schmerzen beim Gehen. Treppensteigen sei nur unter Schmerzen möglich. Die maximale Gehzeit betrage bis 30 Minuten, in dieser Zeit werde es dem Kläger in Einzelfällen möglich sein, 2 km zurückzulegen. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auch auf dieses Gutachten Bezug genommen.
Im Anschluss an einen Erörterungstermin am 24.02.2010 hat der Kläger am 09.03.2010 zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt, auf die verwiesen wird.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.04.2010 ab. Für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule hätten beide Gutachter einen GdB von 30 angenommen, dem sei zu folgen, da weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen von Dauercharakter auch von den behandelnden Ärzten aktuell nicht mitgeteilt worden seien. Die Funktionsbeeinträchtigung beider Kniegelenke sowie die Fußfehlform und die Harnsäurestoffwechselstörung seien, wie Dr. E. nachvollziehbar dargelegt habe, mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die höhere Einschätzung von Dr. F. könne unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht nachvollzogen werden. Weder seien Knorpelschäden in dem genannten Ausmaß nachgewiesen noch gebe es für den streitbefangenen Zeitraum Anhaltspunkte für Reizerscheinungen oder GdB-relevante Bewegungseinschränkungen der Kniegelenke. Es sei daher nach wie vor ein Gesamt-GdB von 40 anzunehmen, die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens G lägen nicht vor.
Am 22.04.2010 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung stützt er sich im Wesentlichen auf die Einschätzungen des Gutachtens von Dr. F. wegen der Beeinträchtigungen der Kniegelenke. Dieser habe die chondro-ma¬li¬zi¬schen Veränderungen mit einem Grad von 3 bis 4 eingeschätzt und insoweit auf eine kernspintomografische Untersuchung hingewiesen. Der Kläger legt hierzu zwei Berichte des Radiologen Dr. G. über ein Kernspintomogramm des linken Knies am 19.07.2010 (leichte, medial betonte femorotibiale (auf den Bereich Oberschenkel- und Schienbeinknochen bezogene) Gonarthrose mit Chondromalazie Stad. II, Chondropathie patellae Stad. II sowie Chon¬dro¬pathie des Patellagleitlagers Stad. II bis III) und über eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule am 21.07.2010 (mäßiggradige bis deutlich ausgeprägte osteochondrotische Veränderungen zwischen C3 und C6/C7, mäßige Spondylose und deutliche Spondylarthrose, geringe bis mäßige Einengungen an mehreren der genannten Segmente) vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. April 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 6. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2008 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von wenigstens 50 und die Voraussetzungen des Merkzeichens G ab dem 10. Juli 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Der Senat hat den nunmehr behandelnden Orthopäden des Klägers, Dr. J., schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 23.11.2010 unter anderem die bei den Behandlungen des Klägers seit dem 08.03.2010 erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt und ausgeführt, bei dem Kläger sei ein Gesamt-GdB von 70 angemessen. Wegen der weiteren Angaben wird auf die genannte Aussage verwiesen.
Der Beklagte hat sich unter dem 22.12.2010, der Kläger mit Schriftsatz vom 03.01.2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) als unbegründet abgewiesen.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
aa) Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an.
bb) Maßstab der Beurteilung der Behinderungen des Klägers ist die seit dem 01.01.2009 geltende, auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) und die in Anlage 2 zur VersMedV enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG), auf die sich auch das SG gestützt hat.
cc) Hiernach besteht bei dem Kläger ein Einzel-GdB von 30 wegen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule.
Nach Nr. B 18.9 VMG bedingen - erst - Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulen-Syndrome) einen GdB von 30, ebenso führen mittel¬gradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten zu einem GdB von 30 bis 40. Ein GdB von 50 und mehr ist erst bei besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese über drei Wirbelsäulenabschnitte) gerechtfertigt.
Bei dem Kläger nun liegen nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen der beiden in erster Instanz gehörten Gutachter zwar Beeinträchtigungen an der Hals- und an der Lendenwirbelsäule, also an zwei Abschnitten, vor, jedoch bestehen in keinem der Abschnitte die genannten schweren Auswirkungen. Beide Sachverständige haben den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen in der Lendenwirbelsäule gesehen. Dr. E. hat insoweit nur mäßige Funktionseinbußen und eine lokale Druckschmerzhaftigkeit, jedoch keine Wurzelreizungen festgestellt. Röntgenologisch hat er sogar die Veränderungen an der Halswirbelsäule in den Vordergrund gestellt, wobei hier nach den eigenen Angaben des Klägers bei ihm keine akuten subjektiven Beschwerden vorlagen. Dr. F. dagegen hat zwar eine von der lumbalen Wirbelsäule ausgehende Wurzelreizsymptomatik links beschrieben, diese jedoch ebenfalls mit einem GdB von 30 bewertet. Beschwerden, die von der Halswirbelsäule ausgehen, hat auch er nicht beschrieben. Die Bewertung der Wirbelsäulenbeeinträchtigungen hat im Übrigen der Kläger mit der Berufung auch nicht angegriffen. Sie wird auch bestätigt durch den Bericht über die Kernspintomografie der Halswirbelsäule bei Dr. G. vom 21.07.2010, den der Kläger selbst vorgelegt hat. Hiernach finden sich dort nach wie vor nur geringe bis mäßiggradige Einengungen des Spinalkanals, die nicht für dauerhafte Nervenwurzelreizungen sprechen. Andere Angaben hat auch Dr. J. in seiner Zeugenaussage vom 23.11.2010 nicht gemacht. Er hat zwar von zunehmenden Beschwerden gesprochen, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese zwischenzeitlich eine höhere Bewertung bedingten, zumal er als Behandlungen eine manuelle Therapie und Umschläge verordnet hat und eine Operation bislang nur geplant ist.
dd) Umstritten zwischen den Beteiligten war letztlich nur die Bewertung der Kniebeschwerden des Klägers. Hier nun ist mit dem SG und den Einschätzungen Dr. E.s von einem GdB von 20 auszugehen.
Hierbei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass tatsächlich Knorpelschäden an beiden Kniegelenken vorliegen. Dr. H. hatte zwar solche Schäden nicht beschrieben, vielmehr hat erstmals Dr. F. eine erhebliche chondromalizische Veränderung angegeben. Diese wird bestätigt durch den im Berufungsverfahren eingereichten Bericht über die kernspintomografische Untersuchung der Kniegelenke des Klägers am 19.07.2010. Allerdings ist der Grad dieser Chondromalazie entsprechend dem genannten Bericht von Dr. G. überwiegend mit Grad II und nur im Bereich des Patallagleitlagers (vorderer Abschnitt der Oberschenkelrolle) mit Grad II bis III anzunehmen. Dr. F. hatte zwar von einem Grad 3 bis 4 gesprochen, jedoch selbst darauf hingewiesen, dass für eine genauere Verifizierung eine kern¬spintotografische Untersuchung notwendig sei, die nunmehr durchgeführt worden ist.
Nach Nr. B 18.14 VMG sind ausgeprägte Knorpelschäden bereits eines Kniegelenks, wobei diese bei einer Chondromalazie patellae in den Stadien II bis IV vorliegen sollen, mit anhaltenden Reizerscheinungen mit einem GdB von 0 bis 30 zu bewerten, wenn keine Bewegungseinschränkungen vorliegen Bestehen Bewegungseinschränkungen, ist ein GdB von 20 bis 40 angemessen. Ob bei dem Kläger von anhaltenden Reizerscheinungen zu sprechen ist - beschrieben sind bislang im Wesentlichen nur belastungsabhängige Schmerzen z. B. beim Gehen und Treppensteigen -, kann hier offen bleiben. Selbst wenn dies der Fall ist, ergibt sich kein höherer GdB als 20, denn bei dem Kläger liegen keine Bewegungseinschränkungen vor. Dr. E. hat insoweit eine freie Beweglichkeit der Knie beschrieben, Dr. F. hat sogar die konkreten Bewegungsmaße nach der Neutral-Null-Methode mit 0-0-145 rechts und 0-0-135 links gemessen. Dies ist weitab von einer auch nur leichten Bewegungseinschränkung, die nach Nr. B 18.14 VMG erst bei einer Einschränkung der Beugung und der Streckung auf 0-0-90 anzunehmen ist. Es ist nicht zu beanstanden, wenn dann der GdB des Klägers aus dem Rahmen 0 bis 30 mit dem Mittelwert, nämlich 20, bewertet wird. Zwar weist Dr. F. zu Recht darauf hin, dass dieser Rahmen bereits bei Knorpelschäden an einem Knie eingreift, bei dem Kläger aber beide Knie betroffen sind. Auf der anderen Seite sind aber die Knorpelschäden mit einem Grad von II bzw. II bis III noch im unteren Bereich der von den VMG erfassten Breite von II bis IV anzusiedeln.
Sollten bei dem Kläger dagegen keine anhaltenden Reizerscheinung aus den Knorpelschäden folgen, dann sind seine Kniebeschwerden allein nach den Bewegungseinschränkungen zu bewerten (Nr. B 18.14 VMG), solche liegen aber, wie ausgeführt, nicht vor.
ee) Die Schulterbeschwerden haben bisher nicht zu Bewegungseinschränkungen oder erheblichen Reizungen geführt und sind daher - in Übereinstimmung mit den Vorschlägen beider Gutachter - mit einem GdB von 10 zu bewerten (Nr. B 18.13 VMG).
ff) Die Fehlformen und Fehlstellungen der Füße des Klägers sind ebenfalls mit beiden Gutachtern jedenfalls nicht mit einem höheren GdB als 10 zu bewerten. Einschränkungen der Fortbewegungsfähigkeiten bedingen sie nach den ärztlichen Unterlagen nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach Nr. B 18.14 VMG Fußdeformitäten wie Senk-Spreiz-Füße, Hohlfüße oder Knickfüße erst bei statischen Auswirkungen, also Auswirkungen auf die Standsicherheit des Betroffenen, überhaupt einen GdB bedingen, und einen solchen von 20 erst bei Auswirkungen stärkeren Grades.
gg) Die Gicht des Klägers schließlich ist nach Nr. B 15.2 VMG nach den Funktionseinschränkungen der betroffenen Gelenke zu bewerten, da Gichtanfälle seit langem nicht mehr beschrieben sind; deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sie mit den Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaße zusammengefasst hat, auch wenn es sich nicht um eine orthopädische oder neurologische Erkrankung handelt.
h) Zu folgen ist dem SG letztlich auch darin, dass die beiden relevanten Einzel-GdB von 30 und 20 für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen zu einem Gesamt-GdB von 40 zu integrieren sind. Hierbei bleiben die weiteren Einzel-GdB von 10 außer Betracht, (vgl. Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee VMG), auch eine Verstärkung der einen Behinderung durch die andere liegt nicht vor (ebd., Doppelbuchstabe dd). Vielmehr überschneiden sich die Funktionseinbußen beider Behinderungen sogar, denn die Schäden an der Lendenwirbelsäule verursachen auch nach den Angaben des Klägers Schmerzen bis in das linke Bein, während auch die Kniebehinderung solche Schmerzen verursacht. Ein Gesamt-GdB von 40 ist daher bereits im oberen Bereich angesiedelt (ebd., Doppelbuchstabe cc). Auch Dr. J. hat in seiner sachverständigen Aussage vom 23.11.2000 weitergehende Beeinträchtigungen nicht genannt, weshalb seiner Beurteilung des GdB nicht gefolgt werden kann.
b) Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens G.
Das Merkzeichen G, das eine erhebliche Beeinträchtigung des behinderten Menschen im Straßenverkehr bescheinigt, erhalten nach §§ 145 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) schwerbehinderte Menschen, die infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermögen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Der Zuerkennung des Merkzeichens G steht demnach bereits entgegen, dass der Kläger nach § 2 Abs. 2 SGB IX kein schwerbehinderter Mensch ist, da bei ihm kein GdB von wenigstens 50 besteht.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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