Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 4299/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5196/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2010 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 24. November 2010 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Der am 18.01.1958 geborene Kläger beantragte am 13.07.2006 erstmals die Feststellung seines GdB. Das zuständige Versorgungsamt (Landratsamt Böblingen - Versorgungsamt in Stuttgart) zog ärztliche Befundberichte bei und stellte mit Bescheid vom 14.09.2006 einen GdB von 20 fest. Es legte hierbei degenerative Veränderungen der Wirbelsäule als Funktionsbehinderung zu Grunde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, es beständen weitere Behinderungen, vor allem psychische Erkrankungen (unter anderem mittelschwere Depressionen, weitere multiple psychische Probleme, Konzentrationsstörungen, Störungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses) sowie Schmerzen im linken Bein, eine Stoffwechselstörung bei Adipositas, Leberschäden und eine Augenerkrankung. Der Kläger legte ergänzend die Befundberichte des Neurochirurgen Dr. A. vom 21.05.2006 (Lumbalgie mit Schmerzausstrahlung in das linke Gesäß), der Augenärztin Dr. B. vom 18.09.2006 (Engwinkelglaukom, korrigierter Visus 0,7 bds.), des Orthopäden Dr. C. vom 27.10.2006 (Bandscheibenvorfall L5/S1, chro¬nische Lumboischialgie, chronische Ileosakralblockaden, Zervikobrachial-Thorakal-Lum¬bal-Syndrom, röntgenologisch ausgeprägte degenerative Veränderungen der Wirbelsäule), des Allgemeinmediziners Dr. D. vom 26.10.2006 (Wirbelsäulenbeschwerden, Depression, Migräne u. a.) und des Neurologen Dr. E. vom 26.10.2006 (chronische Rückenschmerzen, massives Übergewicht, Bandscheibenvorfall) vor. Ferner reichte der Kläger den Entlassungsbericht der Römerberg-Klinik Badenweiler vom 02.03.2007 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 24.01. bis 14.02.2007 ein (ausgeprägtes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Betonung der LWS, Bandscheibenvorfall 2002, rezidivierende Lumboischialgien, Adipositas), auf den wegen der genaueren Ausführungen zum Gesundheitszustand des Klägers verwiesen wird.
Gestützt auf die Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F. vom 23.04.2007 (Einzel-GdB von 20 für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen und von 10 für eine seelische Störung mit Kopfschmerzsyndrom) erließ der Beklagte sodann den abweisenden Widerspruchsbescheid vom 14.05.2007.
Der Kläger hat am 31.05.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort beantragt, unter Abänderung der vorgenannten Bescheide einen Gesamt-GdB von wenigstens 50 festzustellen. Er hat unter Verweis auf den Befundbericht von Dr. C. vorgetragen, bereits auf orthopädischem Gebiet bestehe ein GdB von 60. Er hat ferner Arztbriefe des Internisten Dr. Weidner vom 26.09.2007 (chronisches LWS-Syndrom) und des Internisten Dr. Hommel vom 21.05.2008 (Heliobacter-Schnell¬test pos., erosive Bulbitis [Entzündung des Zwölffingerdarms], Hia¬tus¬hernie [Zwerchfellbruch]) vorgelegt.
Der Beklagte ist der Klage zunächst vollen Umfangs entgegengetreten.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. O. hat unter dem 09.07.2007 mitgeteilt, der Kläger leide an einer ACG-Arthrose (Akromioklavikulargelenksarthrose) rechts, einem Supraspinatus-Syndrom rechts und einer Blockierung des ISG (Iliosacralgelenk) rechts. Die Beeinträchtigungen seien geringfügig bis leicht. Die Beweglichkeit der Schultergelenke sei beidseits gleichförmig gewesen, nur die Retroversion sei rechts um ein Drittel eingeschränkt. Der Neurologe Dr. E. hat unter dem 16.07.2007 ergänzend bekundet, bei dem Kläger einen chronischen Spannungskopfschmerz, aber keine Migräne diagnostiziert zu haben. Dr. D. hat in seiner Aussage vom 22.07.2007 weitere Diagnosen aus den Jahren 2006 und 2007 mitgeteilt, darunter Migräne und mäßige Hypertonie, und ausgeführt, die Wirbelsäulenbeschwerden bezeichneten einen schweren Schweregrad. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat unter dem 05.12.2007 angegeben, den Kläger zweimal behandelt zu haben, er leide an einer schweren, chronifizierten Depression und mittelschweren Folgen des Wirbelsäulenleidens, ergänzende Untersuchungen oder stationäre Behandlungen seien nicht erfolgt. Der Orthopäde Dr. C. hat mit Schreiben vom 07.12.2007 angegeben, den Kläger einmalig im Oktober 2006 behandelt zu haben, dabei habe er die bereits unter dem 27.10.2006 beschriebenen Diagnosen gestellt, es bestehe ein GdB von 60, da die Gesundheitsstörungen des Klägers als schwer bis sehr schwer zu bezeichnen seien.
Nach Eingang der Zeugenaussagen hat der Beklagte unter Vorlage der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. G. vom 08.04.2008, der den Einzel-GdB auf orthopädischem Gebiet unter Einbeziehung der Adipositas nunmehr auf 30 geschätzt hatte, dem Kläger unter dem 21.04.2008 vergleichsweise die Feststellung eines Gesamt-GdB von 30 angeboten.
Nachdem der Kläger das Angebot nicht angenommen hatte, hat das SG bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H.-I. ein Gutachten über den Kläger eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Kläger beständen ein sensomotorisches Wurzelreizsyndrom L3/S1 rechts bei Bandscheibenprolaps und degenerativen Veränderungen der LWS mit schweren Beeinträchtigungen (GdB 30), ein migränoider Spannungskopfschmerz mit einmal monatlich auftretenden Anfällen (leichte Beeinträchtigungen, GdB 20), Alkoholabhängigkeit bei glaubhafter Abstinenz seit 2005 mit ebenfalls leichten Beeinträchtigungen (GdB 10) und vor¬übergehende depressive Episoden mit geringfügigen Beeinträchtigungen (GdB 10). Es bestehe ein Gesamt-GdB von 40. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen wird auf das Gutachten vom 28.10.2008 verwiesen.
Der Beklagte hat zu diesem Gutachten die Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. K. vorgelegt, der darauf hingewiesen hat, dass die Migräne bei einmal monatlich auftretenden Anfällen mit einem GdB von nur 0 bis 10 zu bewerten sei und bei gegenwärtiger Abstinenz die Alkoholabhängigkeit keinen GdB von wenigstens 10 bedinge.
Der Kläger hat zuletzt den Therapiebericht der Physiotherapeutin L. (TherapiePlus M. und Team Stuttgart) vom 16.07.2010 vorgelegt, wonach er dort wechselhaft in Behandlung sei, ohne Schmerzmedikamente arbeiten könne und nach wie vor als Hausmeister tätig sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2010 hat das SG den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, bei dem Kläger ab dem 13.07.2006 einen GdB von 30 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule seien mit einem GdB von 30 zu bewerten, da der Kläger an mittelgradigen bis schweren Funktionsbeeinträchtigungen an einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der LWS, und an geringen Auswirkungen an einem anderen Abschnitt, der HWS, leide. Die Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, da die Beweglichkeit nur geringfügig (Abduktion um ein Drittel) eingeschränkt sei. Die seelische Störung des Klägers sei mit einem Einzel-GdB von 10 ausreichend bewertet. Die Gutachterin habe nur eine geringe Konzentrationsstörung beschrieben. Soweit Dr. N. eine chronifizierte, schwere Depression bestätigt habe, sei dies nach der seiner Aussage zu Grunde liegenden zweimaligen Konsultation nicht nachvollziehbar. Auch der migränoide Spannungskopfschmerz sei mit einem GdB von 10 zutreffend bewertet. Bereits eine echte Migräne mit leichter Verlaufsform mit Anfällen durchschnittlich einmal monatlich bedinge nur einen GdB von 0 bis 10. Bei dem Kläger lägen einmal monatlich auftretende, 10 Tage anhaltende Anfälle ohne Übelkeit und Erbrechen vor, die sich auf eine Einnahme von Ibuprofen hin besserten. Die Abhängigkeitserkrankung führe nach der seit 2005 bestehenden Abstinenz nicht zu einem GdB von wenigstens 10. Eine Polyneuropathie sei nicht belegt, Funktionsbehinderungen durch die Fettstoffwechselstörung nicht ersichtlich, allein die Adipositas bedinge keinen GdB, das gleiche gelte für ein korrigiertes Sehvermögen von 0,7. Letztlich seien dauerhafte Funktionseinschränkungen auf Grund der am 21.05.2008 festgestellten Bulbitis und Hiatushernie nicht ersichtlich.
Am 09.11.2010 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Unter Vorlage des - nicht unterschriebenen - Attests von Dr. O. vom 23.10.2010 (Spondylolyse L5/S1 bei Spondylarthrose, chronische Lumbalgie, Coxa vara [Verbiegung des Oberschenkelhalses], ausgeprägte Bursitis calcarea ["Kalkschulter"] rechts) trägt er ergänzend vor, er könne keiner Arbeit nachgehen und im Alltagsleben multipel behindert. Er könne viele Besorgungen des Alltags nur bei großer Anstrengung durchführen. Es beständen Orientierungsstörungen und Vergesslichkeit. Er leide an starken Schmerzen. Das Hauptproblem seien psychische Probleme. Dr. N. habe angegeben, dass der Kläger Sozialkontakte meide. Bereits die Gerichtsgutachterin Dr. H.-I. habe einen Gesamt-GdB von 40 bescheinigt. Auch dies sei jedoch zu wenig.
Der Beklagte hat in Ausführung des Gerichtsbescheids des SG vom 29.10.2010 mit Bescheid vom 24.11.2010 bei dem Kläger ab dem 13.07.2006 einen GdB von 30 festgestellt.
Der Kläger beantragt, teilwiese sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2010 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 14. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2007 und des Bescheids vom 24. November 2010 zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, teilweise sinngemäß,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2009 zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 24. November 2010 abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt den Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen. Er trägt vor, das Attest vom 23.10.2010 enthalte keine neuen Erkenntnisse, zumal es lediglich Diagnosen nenne.
Der Kläger hat sich unter dem 22.12.2010, der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.01.2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Das Gleiche gilt für die Klage gegen den Ausführungsbescheid vom 24.11.2010, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG entscheidet. Zwar ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, insbesondere kann der Kläger nur eine Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung seines GdB verlangen, aber nicht unmittelbar auf eine gerichtliche Feststellung klagen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rn. 13c m.w.N.). Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten - nur - zur Feststellung eines Gesamt-GdB von 30 verpflichtet.
Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an.
Maßstab der Beurteilung der Behinderungen des Klägers ist die seit dem 01.01.2009 geltende, auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) und die in Anlage 2 zur VersMedV enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG).
Hiernach besteht bei dem Kläger ein Einzel-GdB von 30 wegen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule. Nach Nr. B 18.9 VMG bedingen - erst -Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulen-Syndrome) einen GdB von 30, ebenso führen mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten zu einem GdB von 30 bis 40. Ein GdB von 50 und mehr ist erst bei besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese über drei Wirbelsäulenabschnitte) gerechtfertigt. Bei dem Kläger nun liegen an einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der LWS, mittelgradige bis allenfalls schwere Beeinträchtigungen vor, nachdem dort im Jahre 2002 ein Bandscheibenprolaps aufgetreten ist und im Nachgang Nervenwurzelreizungen bis ins Gesäß (so die Aussage von Dr. A. vom 21.05.2006) bzw. bis ins linke Bein (so der Vortrag des Klägers) aufgetreten sind. Dieses Ausmaß hat nicht nur die Gerichtssachverständige Dr. H.-I. bestätig, sondern letztlich auch der zwi¬schen¬zeitlich behandelnde Orthopäde Dr. C., der in seiner Aussage vom 07.12.2007 - nur - einen diffusen Druckschmerz auf beiden Seiten, eine ausgeprägte Tragschwäche, ausgeprägte Verspannungen der Muskulatur und geklagte Schmerzausstrahlungen ins linke Bein berichtet hat. Eine vollständige Versteifung auch nur eines Wirbelsäulenabschnitts nach einer Operation liegt nicht vor. Daneben bestehen geringfügige Beeinträchtigungen an einem weiteren Abschnitt, nämlich der HWS. Auch Dr. C. hat insoweit - nur - von einer Streckfehlhaltung berichtet, aber keine Einbußen der Beweglichkeit oder Nervenwurzelreizungen in diesem Bereich angegeben.
Die vom Kläger geklagten Schulterbeschwerden bedingen keinen GdB von mehr als 10. Nach Nr. B 18.13 ist ein GdB von 20 erst gerechtfertigt, wenn die Armhebung erheblich eingeschränkt ist, nämlich nur bis zu 90° bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit möglich ist. Bei dem Kläger nun ist die Armhebung selbst auf beiden Seiten uneingeschränkt, der damals und jetzt erneut behandelnde Orthopäde Dr. O. hatte in seiner Aussage vom 09.07.2007 nur eine Einschränkung der Retroversion rechts um ein Drittel angegeben. Auch hatte er die Beeinträchtigungen als geringfügig bis leicht beschrieben.
Auf psychiatrischem Gebiet besteht, auch darin ist dem SG zu folgen, ein GdB von höchstens 10. Dr. H.-I. hat überzeugend lediglich von vorübergehenden (passageren) depressiven Episoden berichtet, nicht aber von längerfristigen, nämlich über sechs Monate hinaus andauernden Depressionen. Hiernach läge überhaupt keine Behinderung vor. Selbst wenn aber eine depressive Erkrankung mit einem solchen zeitlichen Umfang besteht, ist diese mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Derartige Erkrankungen fallen in den Bereich der leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen, die nach Nr. B 3.7 VMG einen GdB von 0 bis 20 bedingen. Es ist nachvollziehbar, dass die Sachverständige hier einen GdB im mittleren Bereich dieser Stufe angenommen hat, nachdem sie bei der Begutachtung keine aktuellen Auswirkungen einer depressiven Episode wahrgenommen hat und der Kläger keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung durchführt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger sozial nicht isoliert ist, sondern nach seinen Angaben bei der Sachverständigen in einer Partnerschaft lebt, seinen Haushalt allein führt, im Garten und am PC arbeitet.
Die bereits seit langem andauernden Kopfschmerzen des Klägers führen nicht zu einem GdB von mehr als 10. Der Kläger selbst hat bei der Sachverständigen Dr. H.-I. von einmal monatlich auftretenden und dann ggfs. 10 Tage andauernden Anfällen ohne Übelkeit oder Erbrechen berichtet, wobei sich die Schmerzen nach Einnahme von Ibuprofen besserten. Ein GdB von wenigstens 20 ist jedoch nach Nr. B 2.3 VMG - und dies auch erst bei echter Migräne - erst bei einer mittelgradigen Verlaufsform mit häufigeren als einmal monatlichen Anfällen über einen oder mehrere Tage gerechtfertigt. Bei dem Kläger treten die Anfälle nur einmal monatlich auf. Dass sie dann - allerdings unbehandelt - 10 Tage andauern können, ist nicht erheblich, da die Begleiterscheinungen geringfügig sind und sich die Schmerzen bereits nach Einnahme eines Schmerzmedikaments bessern. Nach diesen Vorgaben der VMG konnte auch nicht der Einschätzung Dr. H.-I.s selbst gefolgt werden, die für die Kopfschmerzen einen GdB von 20 angenommen hatte, obwohl sie den Schweregrad der Krankheit selbst als leicht eingestuft hatte.
Eine Alkoholkrankheit wird nach Nr. B 3.8 VMG nach dem Ausmaß der Organschäden (Leberschäden, Polyneuropathie, organisch-psychische Veränderungen, hirnorganische Anfälle) bewertet. Solche körperlichen Folgeerkrankungen sind bei dem jetzt abstinenten Kläger nicht belegt. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn das SG in diesem Bereich keinen GdB annimmt.
Die Augenerkrankung des Klägers letztlich führt ebenfalls nicht zu einem GdB von mindestens 10. Das Engwinkelglaukom selbst bedingt keinen GdB, da es in den Nrn. B 4.1 bis 4.8 VMG nicht erwähnt ist. Die Sehschärfe ist nach Nr. B 4.3 VMG zu bewerten hiernach besteht bei einem (korrigierten) Visus von 0,8 bds. ein GdB von 0, bei 0,63 bds. ein solcher von 10. Der Kläger mit einem Visus von 0,7 bds. liegt zwischen diesen Stufen.
Aus diesen Behinderungen resultiert, wie das SG zu Recht angenommen hat, ein GdB von 30. Führend sind hierbei die orthopädischen Beeinträchtigungen mit einem GdB von 30. Die weiteren Einzel-GdB von 10 können nicht zu einem höheren Gesamt-GdB führen (Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee VMG), denn keine der Gesundheitsstörungen verstärkt eine andere, außerdem überschneiden sich sogar die Schulterbeschwerden mit den Beschwerden der oberen Wirbelsäule (HWS), vgl. Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstaben cc und dd VMG).
An dieser Einschätzung ändert sich nichts durch den weiteren Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren. In seiner Berufungsbegründung selbst hat er im Wesentlichen zu den angeblichen Auswirkungen seiner Depression vorgetragen; diesen Vortrag hatte bereits das Gutachten von Dr. H.-I. widerlegt. Das vorgelegte Attest von Dr. O. vom 23.10.2010 bestätigt die orthopädischen Diagnosen, insbesondere die Auswirkungen des Bandscheibenprolaps am Wirbelsäulensegment L5/S1. Es benennt erstmals die degenerativen Verschleißerscheinungen, die Ursache der Wirbelsäulenbeschwerden, als Spondylarthrose, hieraus folgen jedoch keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen. Die nunmehr diagnostizierte Kalkschulter rechts selbst wird nicht als Ursache für solche Einbußen beschrieben, vielmehr hat sie nach dem Attest eine akute Entzündung verursacht, die jedoch nicht mindestens sechs Monate andauert. Dass Dr. O. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit annimmt und ein Heilverfahren vorschlägt, hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung des GdB. Aus dem Therapiebericht der Physiotherapeuten vom 16.07.2010 entnimmt der Senat weiterhin, dass der Kläger trotz seiner orthopädischen Beeinträchtigungen regelmäßig ohne Schmerzmedikamente als Hausmeister arbeiten kann. Auch spricht die Tatsache, dass er nach wie vor bzw. erneut berufstätig ist, gegen eine erhebliche Einschränkung der sozialen Kontakte; dies bestätigt auch, dass eine schwerer wiegende depressive Erkrankung nach wie vor nicht besteht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Der am 18.01.1958 geborene Kläger beantragte am 13.07.2006 erstmals die Feststellung seines GdB. Das zuständige Versorgungsamt (Landratsamt Böblingen - Versorgungsamt in Stuttgart) zog ärztliche Befundberichte bei und stellte mit Bescheid vom 14.09.2006 einen GdB von 20 fest. Es legte hierbei degenerative Veränderungen der Wirbelsäule als Funktionsbehinderung zu Grunde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, es beständen weitere Behinderungen, vor allem psychische Erkrankungen (unter anderem mittelschwere Depressionen, weitere multiple psychische Probleme, Konzentrationsstörungen, Störungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses) sowie Schmerzen im linken Bein, eine Stoffwechselstörung bei Adipositas, Leberschäden und eine Augenerkrankung. Der Kläger legte ergänzend die Befundberichte des Neurochirurgen Dr. A. vom 21.05.2006 (Lumbalgie mit Schmerzausstrahlung in das linke Gesäß), der Augenärztin Dr. B. vom 18.09.2006 (Engwinkelglaukom, korrigierter Visus 0,7 bds.), des Orthopäden Dr. C. vom 27.10.2006 (Bandscheibenvorfall L5/S1, chro¬nische Lumboischialgie, chronische Ileosakralblockaden, Zervikobrachial-Thorakal-Lum¬bal-Syndrom, röntgenologisch ausgeprägte degenerative Veränderungen der Wirbelsäule), des Allgemeinmediziners Dr. D. vom 26.10.2006 (Wirbelsäulenbeschwerden, Depression, Migräne u. a.) und des Neurologen Dr. E. vom 26.10.2006 (chronische Rückenschmerzen, massives Übergewicht, Bandscheibenvorfall) vor. Ferner reichte der Kläger den Entlassungsbericht der Römerberg-Klinik Badenweiler vom 02.03.2007 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 24.01. bis 14.02.2007 ein (ausgeprägtes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Betonung der LWS, Bandscheibenvorfall 2002, rezidivierende Lumboischialgien, Adipositas), auf den wegen der genaueren Ausführungen zum Gesundheitszustand des Klägers verwiesen wird.
Gestützt auf die Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F. vom 23.04.2007 (Einzel-GdB von 20 für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen und von 10 für eine seelische Störung mit Kopfschmerzsyndrom) erließ der Beklagte sodann den abweisenden Widerspruchsbescheid vom 14.05.2007.
Der Kläger hat am 31.05.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort beantragt, unter Abänderung der vorgenannten Bescheide einen Gesamt-GdB von wenigstens 50 festzustellen. Er hat unter Verweis auf den Befundbericht von Dr. C. vorgetragen, bereits auf orthopädischem Gebiet bestehe ein GdB von 60. Er hat ferner Arztbriefe des Internisten Dr. Weidner vom 26.09.2007 (chronisches LWS-Syndrom) und des Internisten Dr. Hommel vom 21.05.2008 (Heliobacter-Schnell¬test pos., erosive Bulbitis [Entzündung des Zwölffingerdarms], Hia¬tus¬hernie [Zwerchfellbruch]) vorgelegt.
Der Beklagte ist der Klage zunächst vollen Umfangs entgegengetreten.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. O. hat unter dem 09.07.2007 mitgeteilt, der Kläger leide an einer ACG-Arthrose (Akromioklavikulargelenksarthrose) rechts, einem Supraspinatus-Syndrom rechts und einer Blockierung des ISG (Iliosacralgelenk) rechts. Die Beeinträchtigungen seien geringfügig bis leicht. Die Beweglichkeit der Schultergelenke sei beidseits gleichförmig gewesen, nur die Retroversion sei rechts um ein Drittel eingeschränkt. Der Neurologe Dr. E. hat unter dem 16.07.2007 ergänzend bekundet, bei dem Kläger einen chronischen Spannungskopfschmerz, aber keine Migräne diagnostiziert zu haben. Dr. D. hat in seiner Aussage vom 22.07.2007 weitere Diagnosen aus den Jahren 2006 und 2007 mitgeteilt, darunter Migräne und mäßige Hypertonie, und ausgeführt, die Wirbelsäulenbeschwerden bezeichneten einen schweren Schweregrad. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat unter dem 05.12.2007 angegeben, den Kläger zweimal behandelt zu haben, er leide an einer schweren, chronifizierten Depression und mittelschweren Folgen des Wirbelsäulenleidens, ergänzende Untersuchungen oder stationäre Behandlungen seien nicht erfolgt. Der Orthopäde Dr. C. hat mit Schreiben vom 07.12.2007 angegeben, den Kläger einmalig im Oktober 2006 behandelt zu haben, dabei habe er die bereits unter dem 27.10.2006 beschriebenen Diagnosen gestellt, es bestehe ein GdB von 60, da die Gesundheitsstörungen des Klägers als schwer bis sehr schwer zu bezeichnen seien.
Nach Eingang der Zeugenaussagen hat der Beklagte unter Vorlage der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. G. vom 08.04.2008, der den Einzel-GdB auf orthopädischem Gebiet unter Einbeziehung der Adipositas nunmehr auf 30 geschätzt hatte, dem Kläger unter dem 21.04.2008 vergleichsweise die Feststellung eines Gesamt-GdB von 30 angeboten.
Nachdem der Kläger das Angebot nicht angenommen hatte, hat das SG bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H.-I. ein Gutachten über den Kläger eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Kläger beständen ein sensomotorisches Wurzelreizsyndrom L3/S1 rechts bei Bandscheibenprolaps und degenerativen Veränderungen der LWS mit schweren Beeinträchtigungen (GdB 30), ein migränoider Spannungskopfschmerz mit einmal monatlich auftretenden Anfällen (leichte Beeinträchtigungen, GdB 20), Alkoholabhängigkeit bei glaubhafter Abstinenz seit 2005 mit ebenfalls leichten Beeinträchtigungen (GdB 10) und vor¬übergehende depressive Episoden mit geringfügigen Beeinträchtigungen (GdB 10). Es bestehe ein Gesamt-GdB von 40. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen wird auf das Gutachten vom 28.10.2008 verwiesen.
Der Beklagte hat zu diesem Gutachten die Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. K. vorgelegt, der darauf hingewiesen hat, dass die Migräne bei einmal monatlich auftretenden Anfällen mit einem GdB von nur 0 bis 10 zu bewerten sei und bei gegenwärtiger Abstinenz die Alkoholabhängigkeit keinen GdB von wenigstens 10 bedinge.
Der Kläger hat zuletzt den Therapiebericht der Physiotherapeutin L. (TherapiePlus M. und Team Stuttgart) vom 16.07.2010 vorgelegt, wonach er dort wechselhaft in Behandlung sei, ohne Schmerzmedikamente arbeiten könne und nach wie vor als Hausmeister tätig sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2010 hat das SG den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, bei dem Kläger ab dem 13.07.2006 einen GdB von 30 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule seien mit einem GdB von 30 zu bewerten, da der Kläger an mittelgradigen bis schweren Funktionsbeeinträchtigungen an einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der LWS, und an geringen Auswirkungen an einem anderen Abschnitt, der HWS, leide. Die Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, da die Beweglichkeit nur geringfügig (Abduktion um ein Drittel) eingeschränkt sei. Die seelische Störung des Klägers sei mit einem Einzel-GdB von 10 ausreichend bewertet. Die Gutachterin habe nur eine geringe Konzentrationsstörung beschrieben. Soweit Dr. N. eine chronifizierte, schwere Depression bestätigt habe, sei dies nach der seiner Aussage zu Grunde liegenden zweimaligen Konsultation nicht nachvollziehbar. Auch der migränoide Spannungskopfschmerz sei mit einem GdB von 10 zutreffend bewertet. Bereits eine echte Migräne mit leichter Verlaufsform mit Anfällen durchschnittlich einmal monatlich bedinge nur einen GdB von 0 bis 10. Bei dem Kläger lägen einmal monatlich auftretende, 10 Tage anhaltende Anfälle ohne Übelkeit und Erbrechen vor, die sich auf eine Einnahme von Ibuprofen hin besserten. Die Abhängigkeitserkrankung führe nach der seit 2005 bestehenden Abstinenz nicht zu einem GdB von wenigstens 10. Eine Polyneuropathie sei nicht belegt, Funktionsbehinderungen durch die Fettstoffwechselstörung nicht ersichtlich, allein die Adipositas bedinge keinen GdB, das gleiche gelte für ein korrigiertes Sehvermögen von 0,7. Letztlich seien dauerhafte Funktionseinschränkungen auf Grund der am 21.05.2008 festgestellten Bulbitis und Hiatushernie nicht ersichtlich.
Am 09.11.2010 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Unter Vorlage des - nicht unterschriebenen - Attests von Dr. O. vom 23.10.2010 (Spondylolyse L5/S1 bei Spondylarthrose, chronische Lumbalgie, Coxa vara [Verbiegung des Oberschenkelhalses], ausgeprägte Bursitis calcarea ["Kalkschulter"] rechts) trägt er ergänzend vor, er könne keiner Arbeit nachgehen und im Alltagsleben multipel behindert. Er könne viele Besorgungen des Alltags nur bei großer Anstrengung durchführen. Es beständen Orientierungsstörungen und Vergesslichkeit. Er leide an starken Schmerzen. Das Hauptproblem seien psychische Probleme. Dr. N. habe angegeben, dass der Kläger Sozialkontakte meide. Bereits die Gerichtsgutachterin Dr. H.-I. habe einen Gesamt-GdB von 40 bescheinigt. Auch dies sei jedoch zu wenig.
Der Beklagte hat in Ausführung des Gerichtsbescheids des SG vom 29.10.2010 mit Bescheid vom 24.11.2010 bei dem Kläger ab dem 13.07.2006 einen GdB von 30 festgestellt.
Der Kläger beantragt, teilwiese sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2010 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 14. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2007 und des Bescheids vom 24. November 2010 zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, teilweise sinngemäß,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2009 zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 24. November 2010 abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt den Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen. Er trägt vor, das Attest vom 23.10.2010 enthalte keine neuen Erkenntnisse, zumal es lediglich Diagnosen nenne.
Der Kläger hat sich unter dem 22.12.2010, der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.01.2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Das Gleiche gilt für die Klage gegen den Ausführungsbescheid vom 24.11.2010, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG entscheidet. Zwar ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, insbesondere kann der Kläger nur eine Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung seines GdB verlangen, aber nicht unmittelbar auf eine gerichtliche Feststellung klagen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rn. 13c m.w.N.). Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten - nur - zur Feststellung eines Gesamt-GdB von 30 verpflichtet.
Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an.
Maßstab der Beurteilung der Behinderungen des Klägers ist die seit dem 01.01.2009 geltende, auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) und die in Anlage 2 zur VersMedV enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG).
Hiernach besteht bei dem Kläger ein Einzel-GdB von 30 wegen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule. Nach Nr. B 18.9 VMG bedingen - erst -Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulen-Syndrome) einen GdB von 30, ebenso führen mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten zu einem GdB von 30 bis 40. Ein GdB von 50 und mehr ist erst bei besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese über drei Wirbelsäulenabschnitte) gerechtfertigt. Bei dem Kläger nun liegen an einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der LWS, mittelgradige bis allenfalls schwere Beeinträchtigungen vor, nachdem dort im Jahre 2002 ein Bandscheibenprolaps aufgetreten ist und im Nachgang Nervenwurzelreizungen bis ins Gesäß (so die Aussage von Dr. A. vom 21.05.2006) bzw. bis ins linke Bein (so der Vortrag des Klägers) aufgetreten sind. Dieses Ausmaß hat nicht nur die Gerichtssachverständige Dr. H.-I. bestätig, sondern letztlich auch der zwi¬schen¬zeitlich behandelnde Orthopäde Dr. C., der in seiner Aussage vom 07.12.2007 - nur - einen diffusen Druckschmerz auf beiden Seiten, eine ausgeprägte Tragschwäche, ausgeprägte Verspannungen der Muskulatur und geklagte Schmerzausstrahlungen ins linke Bein berichtet hat. Eine vollständige Versteifung auch nur eines Wirbelsäulenabschnitts nach einer Operation liegt nicht vor. Daneben bestehen geringfügige Beeinträchtigungen an einem weiteren Abschnitt, nämlich der HWS. Auch Dr. C. hat insoweit - nur - von einer Streckfehlhaltung berichtet, aber keine Einbußen der Beweglichkeit oder Nervenwurzelreizungen in diesem Bereich angegeben.
Die vom Kläger geklagten Schulterbeschwerden bedingen keinen GdB von mehr als 10. Nach Nr. B 18.13 ist ein GdB von 20 erst gerechtfertigt, wenn die Armhebung erheblich eingeschränkt ist, nämlich nur bis zu 90° bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit möglich ist. Bei dem Kläger nun ist die Armhebung selbst auf beiden Seiten uneingeschränkt, der damals und jetzt erneut behandelnde Orthopäde Dr. O. hatte in seiner Aussage vom 09.07.2007 nur eine Einschränkung der Retroversion rechts um ein Drittel angegeben. Auch hatte er die Beeinträchtigungen als geringfügig bis leicht beschrieben.
Auf psychiatrischem Gebiet besteht, auch darin ist dem SG zu folgen, ein GdB von höchstens 10. Dr. H.-I. hat überzeugend lediglich von vorübergehenden (passageren) depressiven Episoden berichtet, nicht aber von längerfristigen, nämlich über sechs Monate hinaus andauernden Depressionen. Hiernach läge überhaupt keine Behinderung vor. Selbst wenn aber eine depressive Erkrankung mit einem solchen zeitlichen Umfang besteht, ist diese mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Derartige Erkrankungen fallen in den Bereich der leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen, die nach Nr. B 3.7 VMG einen GdB von 0 bis 20 bedingen. Es ist nachvollziehbar, dass die Sachverständige hier einen GdB im mittleren Bereich dieser Stufe angenommen hat, nachdem sie bei der Begutachtung keine aktuellen Auswirkungen einer depressiven Episode wahrgenommen hat und der Kläger keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung durchführt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger sozial nicht isoliert ist, sondern nach seinen Angaben bei der Sachverständigen in einer Partnerschaft lebt, seinen Haushalt allein führt, im Garten und am PC arbeitet.
Die bereits seit langem andauernden Kopfschmerzen des Klägers führen nicht zu einem GdB von mehr als 10. Der Kläger selbst hat bei der Sachverständigen Dr. H.-I. von einmal monatlich auftretenden und dann ggfs. 10 Tage andauernden Anfällen ohne Übelkeit oder Erbrechen berichtet, wobei sich die Schmerzen nach Einnahme von Ibuprofen besserten. Ein GdB von wenigstens 20 ist jedoch nach Nr. B 2.3 VMG - und dies auch erst bei echter Migräne - erst bei einer mittelgradigen Verlaufsform mit häufigeren als einmal monatlichen Anfällen über einen oder mehrere Tage gerechtfertigt. Bei dem Kläger treten die Anfälle nur einmal monatlich auf. Dass sie dann - allerdings unbehandelt - 10 Tage andauern können, ist nicht erheblich, da die Begleiterscheinungen geringfügig sind und sich die Schmerzen bereits nach Einnahme eines Schmerzmedikaments bessern. Nach diesen Vorgaben der VMG konnte auch nicht der Einschätzung Dr. H.-I.s selbst gefolgt werden, die für die Kopfschmerzen einen GdB von 20 angenommen hatte, obwohl sie den Schweregrad der Krankheit selbst als leicht eingestuft hatte.
Eine Alkoholkrankheit wird nach Nr. B 3.8 VMG nach dem Ausmaß der Organschäden (Leberschäden, Polyneuropathie, organisch-psychische Veränderungen, hirnorganische Anfälle) bewertet. Solche körperlichen Folgeerkrankungen sind bei dem jetzt abstinenten Kläger nicht belegt. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn das SG in diesem Bereich keinen GdB annimmt.
Die Augenerkrankung des Klägers letztlich führt ebenfalls nicht zu einem GdB von mindestens 10. Das Engwinkelglaukom selbst bedingt keinen GdB, da es in den Nrn. B 4.1 bis 4.8 VMG nicht erwähnt ist. Die Sehschärfe ist nach Nr. B 4.3 VMG zu bewerten hiernach besteht bei einem (korrigierten) Visus von 0,8 bds. ein GdB von 0, bei 0,63 bds. ein solcher von 10. Der Kläger mit einem Visus von 0,7 bds. liegt zwischen diesen Stufen.
Aus diesen Behinderungen resultiert, wie das SG zu Recht angenommen hat, ein GdB von 30. Führend sind hierbei die orthopädischen Beeinträchtigungen mit einem GdB von 30. Die weiteren Einzel-GdB von 10 können nicht zu einem höheren Gesamt-GdB führen (Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee VMG), denn keine der Gesundheitsstörungen verstärkt eine andere, außerdem überschneiden sich sogar die Schulterbeschwerden mit den Beschwerden der oberen Wirbelsäule (HWS), vgl. Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstaben cc und dd VMG).
An dieser Einschätzung ändert sich nichts durch den weiteren Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren. In seiner Berufungsbegründung selbst hat er im Wesentlichen zu den angeblichen Auswirkungen seiner Depression vorgetragen; diesen Vortrag hatte bereits das Gutachten von Dr. H.-I. widerlegt. Das vorgelegte Attest von Dr. O. vom 23.10.2010 bestätigt die orthopädischen Diagnosen, insbesondere die Auswirkungen des Bandscheibenprolaps am Wirbelsäulensegment L5/S1. Es benennt erstmals die degenerativen Verschleißerscheinungen, die Ursache der Wirbelsäulenbeschwerden, als Spondylarthrose, hieraus folgen jedoch keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen. Die nunmehr diagnostizierte Kalkschulter rechts selbst wird nicht als Ursache für solche Einbußen beschrieben, vielmehr hat sie nach dem Attest eine akute Entzündung verursacht, die jedoch nicht mindestens sechs Monate andauert. Dass Dr. O. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit annimmt und ein Heilverfahren vorschlägt, hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung des GdB. Aus dem Therapiebericht der Physiotherapeuten vom 16.07.2010 entnimmt der Senat weiterhin, dass der Kläger trotz seiner orthopädischen Beeinträchtigungen regelmäßig ohne Schmerzmedikamente als Hausmeister arbeiten kann. Auch spricht die Tatsache, dass er nach wie vor bzw. erneut berufstätig ist, gegen eine erhebliche Einschränkung der sozialen Kontakte; dies bestätigt auch, dass eine schwerer wiegende depressive Erkrankung nach wie vor nicht besteht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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