L 2 AS 720/10 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 801/07
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 720/10 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Vorliegen einer ausreichenden nachträglichen Entschuldigung des Klägers für das Ausbleiben im Erörterungstermin.
I. Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom
9. September 2010 wird aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die ihm im Beschwerde-
verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.



Gründe:

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Verhängung von Ordnungsgeld gegen den Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.).

In dem Verfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Az.: S 9 AS 801/07) ist die Rechtmäßigkeit der Absenkung des dem Bf. zustehenden Anteils am Arbeitslosengeld II im Zeitraum vom 1. Juni bis 31. August 2007 um 30 v.H. gemäß Bescheid vom 2. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2007 streitig.

Das Sozialgericht hat den Bf. zu einem Termin zur Beweisaufnahme und zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 1. September 2010 geladen und das persönliche Erscheinen angeordnet. Da der Bf. zu diesem Termin nicht anwesend war, hat es mit Beschluss den Rechtsstreit vertagt und den Bf. mit Schreiben vom 1. September 2010 aufgefordert, bis 8. September 2010 den Grund des Ausbleibens mitzuteilen. Eine Äußerung ist zunächst nicht eingegangen.

Mit Beschluss vom 9. September 2010 hat das Sozialgericht gegen den Bf. ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt.

Am 14. September 2010 ist ein Schreiben vom 13. September 2010 der Fachklinik K. eingegangen, nach dem sich der Bf. seit 17. August 2010 bis voraussichtlich 9. November 2010 in stationärer Rehabilitationsbehandlung bei chronischer Alkoholabhängigkeit aufhält. Es sei ihm deshalb nicht möglich gewesen, den Termin vor Gericht wahrzunehmen. Der Bf. hat ferner seine Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts mit der Entgiftungstherapie und den persönlichen Begleitumständen begründet.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und begründet.
Nach §§ 111, 202 SGG in Verbindung mit § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden (§ 141 Abs. 3 S. 1 ZPO). Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen.
Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weit. Da das Gericht gehalten ist, in einer mündlichen Verhandlung eine Entscheidung zu treffen, bedarf es vielfach eines vorbereitenden Erörterungstermins (§ 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG), in dem die Anwesenheit der Beteiligten notwendig ist, um die Sach- und Rechtslage zu klären und/oder zu sachdienlichen Anträgen zu gelangen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei, zumal die Anordnung in Zusammenhang mit einer ebenfalls angeordneten Zeugenvernehmung stand.
Der ordnungsgemäß geladene Bf. hat sich nachträglich ausreichend entschuldigt (§ 111 SGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 ZPO). Nach § 380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld aufzuerlegen. § 381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig, d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft und die Entschuldigung hinreichend ist.
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen.

Der Bf. befand sich seit 17. August 2010 in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zum Entzug bei Alkoholabusus. Dies ist durch die Bescheinigung der Klinik vom 13. September 2010 nachgewiesen. Es wird bescheinigt, dass es dem Bf. nicht möglich war, den Termin vor dem Sozialgericht wahrzunehmen. Im Rahmen der Beschwerdebegründung hat er ferner glaubhaft die Umstände während der Anfangsphase der Maßnahme dargelegt, die dazu geführt haben, dass er den Termin darüber hinaus auch vergessen hat. Auch diese stehen im Zusammenhang mit der Erkrankung des Bf. Für eine hinreichende nachträgliche Entschuldigung ist dies ausreichend. Dies gilt auch für die Darlegung, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft.

Der Beschluss des Sozialgerichts war daher aufzuheben.

Aufgrund des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens sind die außergerichtlichen Kosten analog § 193 SGG der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. hierzu die Entscheidung des Senats vom 05.02.2010, Az.: L 2 R 515/09 B).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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