L 8 SO 136/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 55 SO 186/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 136/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Überleitung eines zivilrechtlichen Anspruchs - Brutto-Prinzip- Sachleistungsverschaffung - Anspruch auf Rückforderung wegen Schenkung - gespaltener Rechtsweg - Auffangstreitwert
1. Zu den Anforderungen einer Überleitung
2. Zur Prüfungsintensität zivilrechtlicher Vorfragen (Negativevidenz)
3. Bei der Anfechtungsklage des Schuldners eines Rückgewähranspruchs wegen einer Schenkung besteht keine Kostenfreiheit im Sinne von § 183 Abs. 1 S. 1 SGG
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.05.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Im Streit ist die von der Beklagten vorgenommene Überleitung eines zivilrechtlichen Anspruchs der verstorbenen Hilfeempfängerin F. W. gegenüber dem Kläger.

Der 1965 geb. Kläger ist ein Enkel der W. Der Beklagte als Träger der Sozialhilfe leistete der Hilfeempfängerin Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen durch die Unterbringung in einem Altenheim vom 28.01.2001 bis zu deren Tod am 11.02.2005 mit einem eigenen Leistungsumfang von rund 28.300 EUR.

Die Mutter des Klägers (Tochter der W.) hatte dieser mit notariellem Vertrag vom 22.07.1965 ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in B. abgekauft. Unter Nr. XIV des Vertrages wurde der W. ein Leibgeding in Form eines Wohnrechts an bestimmten Räumen zugewandt.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 15.04.1976 übernahm der Kläger das Anwesen von seiner Mutter und verpflichtet sich, der W. ein Wohnrecht in dem neu errichten Anbau und ein Nutzungsrecht an den Gemeinschaftsflächen, insbesondere am Garten, einzurichten (Nr. 16 des Vertrages). Dieses wurde im Grundbuch eingetragen.

Mit notarieller Urkunde vom 27.06.1991 verzichtete W. zu Gunsten des Klägers auf das im Grundbuch eingetragene Wohn- und Mitbenutzungsrecht und stimmte der Löschung zu. Am gleichen Tag veräußerte der Kläger das Grundstück.

Mit Bescheid vom 15.09.2005 (unter Anfügung der Anzeige vom 14.09.2005) zeigte der Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass der Anspruch auf Rückforderung wegen des Verzichts der Leistungsberechtigten an den Beklagten übergeleitet werde. Insgesamt bezeichnete die Beklagte vier Anspruchsgrundlagen: §§ 985 ff., 846, 528,812 ff. Die Verzichtserklärung und die damit verbundene Wertsteigerung der verkauften Immobilie enthalte eine Schenkung. Die Leistungsberechtigte sei außer Stande gewesen sei, ihren Unterhalt zu bestreiten und hätte daher gemäß § 528 BGB vom Kläger die Schenkung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern können.

Den Widerspruch des Klägers, damit begründet, dass keine Schenkung zu Gunsten des Klägers vorgelegen habe, wies die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 zurück. Bei der Überleitung sei nicht zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Anspruch bestehe. Lediglich bei einem offensichtlichen Nichtbestehen sei die Überleitung rechtswidrig.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. W. sei am Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 15.04.1976 nicht beteiligt gewesen. Daher sei auch kein Wohnrecht für diese entstanden. Im Übrigen sei das Wohnrecht wertlos. Da das Wohnrecht nicht wirksam zu Gunsten der Leistungsberechtigten entstanden sei, handele es sich bei der Löschungsbewilligung nicht um eine Schenkung, sondern um eine Grundbuchberichtigung.
Mit Urteil vom 18.5.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Voraussetzungen für den Übergang von Ansprüchen gemäß § 93 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vorliegen würden. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bestünden nicht. Der Beklagte habe sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt und insbesondere den Aspekt der sparsamen Bewirtschaftung der öffentlichen Mittel mit den Belangen des Drittverpflichteten abgewogen. Die Überleitung sei auch nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der übergeleitete Anspruch nicht bestehe. Es liege keine erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige vor (sog. Negativevidenz). Ein Anspruch der ehemaligen Leistungsberechtigten auf Rückforderung komme zumindest in Betracht, da die wirksame Einräumung des Nießbrauchs an dem Grundstück zu Gunsten der Leistungsempfängerin möglich sei. Nach § 873 BGB entstehe ein Recht an einem Grundstück mit der Einigung der Beteiligten und der Eintragung in das Grundbuch. Die Zustimmung der Leistungsberechtigten sei dabei grundsätzlich formfrei.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und im Wesentliche sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Wohnrecht sei wirksam begründet worden, da die Mitwirkung des begünstigen Dritten nicht erforderlich ist. Es handele sich dabei um einen Vertrag zu Gunsten Dritter.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten beider Instanzen und des Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig und form- und fristgemäß eingelegt.

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben, ohne dass dies vom Berufungsgericht weiter überprüft werden durfte
(§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz). Die Befugnis der Beklagten beruht auf einer Norm des Sozialhilferechts (§ 93 SGB XII) und resultiert letztlich aus der Leistungsbeziehung zu W., auch wenn der Verwaltungsakt der Überleitung selbst privatrechtsgestaltend ist.

Gegenstand der Klage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 15.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006, mit welchem dieser im Wege der sog. Magistralzession einen Gläubigerwechsel hinsichtlich eines behaupteten zivilrechtlichen Anspruches bewirkte. Dadurch erfolgte ein Eingriff in die Rechtssphäre des Klägers.

Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG. Bei Maßnahmen nach § 93 SGB XII handelt es sich um Verwaltungsakte (vgl. etwa § 93
Abs. 3 SGB XII). Die Beschwer des Klägers ist beseitigt, wenn die Anfechtung Erfolg hat und durch eine Aufhebung die Regelung der Beklagten ihre Wirkung verliert.

Eine Beiladung der früheren Gläubigers (W. als Leistungsempfängerin), die im Regelfall erforderlich ist (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.10.2008, Az.: B 8 SO 22/07 R), ist wegen deren Versterbens nicht mehr möglich. Die Beiladung der Erben des Rückgewähranspruchs ist nicht möglich, da solche ausweislich der von der Beklagten eingeholten negativen Auskunft des Nachlassgerichts vom 06.05.2005 nicht bekannt sind.

Die Berufung ist indes nicht begründet. Das klageabweisende Urteil des SG erging zurecht. Der Kläger ist durch das Verwaltungshandeln nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Voraussetzungen der Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind erfüllt. Darin ist bestimmt, dass dann, wenn eine leistungsberechtigte Person einen Anspruch gegen einen anderen hat, der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken kann, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.

Die Regelung erlaubt auch die Überleitung von Ansprüchen gegen andere, soweit eine leistungsberechtigte Person - wie hier die W. vom 28.01.2001 zum 11.02.2005 - noch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhielt und bis zum 31.12.2004 keine Überleitungsanzeige erfolgte. Der Gesetzgeber hat dadurch, dass er die frühere Regelung in § 90 BSHG weitgehend übernommen hat, seinem Willen Ausdruck verliehen, das bisherige System fortzuführen (vgl. Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 09.11.2005 L 20 (12) B 38/05 SO ER-; LSG Berlin-Brandenburg vom 16.08.2007 -L 23 B 150/07 SO -, Urteil des OVG Bremen vom 24.2.2010, S 3 A 169/07).

Die formalen Voraussetzungen der Überleitung sind erfüllt. Sie ist durch Verwaltungsakt schriftlich (vgl. § 93 Abs. 2 SGB XII) gegenüber dem Kläger ergangen.

Materiell-rechtlich setzt die Überleitung eine tatsächliche Hilfegewährung von Sozialhilfeleistungen voraus, was ebenfalls der Fall war. Der Beklagte hat der W. in der Zeit vom 28.01.2001 bis zu deren Tod am 11.02.2005 eine Sachleistung verschafft, indem sie dieser im Wege der erweiterten Sozialhilfe (§ 19 Abs. 5 SGB XII) ihren notwendigen Lebensunterhalt in einer Einrichtung (vgl. § 35 SGB XII) nach dem so genannten Brutto-Prinzip erbracht hat (Sachleistungsverschaffung, vgl. Urteil des BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R = BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr. 9). Dazu hat sie Aufwendungen von rund 28.300 EUR getätigt, die als von der W. ungedecktem Betrag angefallen sind. Die Hilfeleistung ist mit bindendem Bescheid vom 15.09.2005 erbracht worden, dessen Tatbestandswirkung als unangefochtener Verwaltungsakt nicht außer Acht gelassen werden darf. Selbst Zweifel daran, ob die Leistung rechtmäßig erbracht worden ist, hindern die Beklagte nicht an der Überleitung. Denn sind die Leistungen zu Unrecht erbracht worden, weil berücksichtigungsfähiges Einkommen (Rückgewährsanspruch der W.) in Unkenntnis ihres Vorhandenseins nicht berücksichtigt worden ist, kommt die Rücknahme und Rückforderung der Leistungen nach § 45 SGB X in Betracht. Auch dann besteht ein Anspruch der Beklagten, der sich originär gegen W. richtete und der ebenfalls durch deren eigene Ansprüche befriedigt werden könnte.

Für die Leistungserbringung besteht auch eine kausale Verknüpfung zu dem übergeleiteten Anspruch auf Rückgewähr des dem Kläger Zugewandten. Denn hätte dieser die Ansprüche der W. aus dem Rechtsgeschäft vom 27.06.1991 erfüllt, wäre insoweit kein Eintreten der Sozialhilfe in der erfolgten Höhe erforderlich gewesen. Ohne Belang ist es, dass W. auf einen Anspruch verzichtet hat, der zum geschützten Vermögen nach i.S.v.
§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII gehörte und bei Wahrnehmung des Wohnrechts nicht hätte verwertet werden müssen. Denn dieser verlor das Privileg als Schonvermögen durch den Verzicht. Im Übrigen wäre insoweit auch der Erbe zum Kostenersatz verpflichtet (vgl.
§ 102 SGB XII); es entfällt also das Privileg nach dem Tode. Der Senat ist auch nicht der Ansicht, dass der Überleitungstatbestand entfällt, weil die Bewilligung eventuell - ohne Kenntnis des Rückgewähranspruchs - rechtswidrig erfolgt ist. Schließlich war die Beklagte damals wegen des Faktizitätsprinzips gehalten, sofort Hilfe ohne Verweis auf Ansprüche gegenüber Dritten zu leisten.

Ein Anspruch auf Schenkungsrückgewähr ist bei der hier vorliegenden Fallgestaltung auch vererblich. Der Rückforderungsanspruch des Schenkers wegen Verarmung (§ 528 BGB) setzt lediglich voraus, dass die Notlage in der Person des Schenkers, also zu dessen Lebzeiten, eingetreten ist (vgl. dazu im folgenden Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010 BGB, § 1922 Gesamtrechtsnachfolge V. 4. Rn. 24ff.) Der Bundesgerichtshof (BGH) erkannte danach schrittweise an, dass dieser Anspruch dann nicht mit dem Tod des Schenkers erlischt, wenn der Träger der Sozialhilfe den Anspruch vorher auf sich übergeleitet hat, oder den Anspruch abgetreten erhielt; ebenso (auch ohne vor dem Erbfall erfolgte Überleitung), wenn die öffentliche Hand (Sozialhilfeträger) oder Dritte in Vorlage treten mussten, weil der Beschenkte seinen Verpflichtungen nach § 528 nicht nachkam, aber auch allein deshalb, weil der Schenker Sozialhilfe in Anspruch nahm. (BGH NJW 1995, 2287). Der BGH hat in der Folgezeit noch stärker betont, dass der Anspruch nicht etwa als höchstpersönlich, dh. als grundsätzlich unvererblich, anzusehen ist, sondern dass entscheidend ist, ob die Vererblichkeit der Zweckbindung des Anspruchs entspricht und mit dem Schutz der Entscheidungsfreiheit des Schenkers (Erblassers) vereinbar ist. Diesem soll es überlassen bleiben, ob er den Anspruch geltend machen will oder lieber die entstandene Notlage hinnimmt. Daraus folgert der BGH, dass der Anspruch nicht erlischt, wenn er vom Schenker bereits geltend gemacht oder abgetreten wurde, aber auch dann, wenn der Schenker private unterhaltssichernde Leistungen (etwa eines Pflegeheims) in Anspruch genommen hat, die nicht aus seinem Vermögen gedeckt werden konnten.

Das ist durch W. geschehen. Sie hat ihre Ansprüche gegenüber dem Kläger nicht realisiert, sondern die Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch genommen.

Die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII setzt nicht voraus, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht. Zu beachten ist insoweit vielmehr, dass die Überleitungsanzeige nur dazu dient, einen Gläubigerwechsel herbeizuführen. Nur wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen ist, könnte eine dennoch erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige rechtswidrig sein (vgl. Urteil des BVerwG vom 27.05.1993 -5 C 7/91 -BVerwGE 92, 281; Urteil des BayLSG vom 14.02.2008 -L 11 SO 20/07 m.w.N.). Dass der übergeleitete Anspruch der W. offensichtlich nicht vorhanden wäre, ist nicht ersichtlich.

Mit notarieller Urkunde vom 27.06.1991 verzichtete W. damals zu Gunsten des Klägers auf das im Grundbuch eingetragene Wohn- und Mitbenutzungsrecht und stimmte der Löschung zu. Der Kläger behauptet zwar, dass ein solches Recht gar nicht mehr bestanden habe. Denn der Kläger habe schon früher mit notariellem Kaufvertrag vom 15.04.1975 das Anwesen von seiner Mutter übernommen und sich dabei lediglich verpflichtet, der Leistungsberechtigten ein Wohnrecht in dem neu errichten Anbau einzurichten. Das habe aber kein Recht begründet, da W. nicht Vertragspartner gewesen sei. § 873 Abs. 1 BGB bestimmt zwar, dass zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ist, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dadurch ist aber nicht ausgeschlossen, dass nicht ein Dritter begünstigt werden kann, wenn sich nur Veräußerer und Erwerber einig sind. Hier kommt hinzu, dass die Eintragung im Grundbuch tatsächlich erfolgt ist, so dass ein Erwerb der W. nicht ausgeschlossen ist. Was die Formvorschriften einer Schenkung betrifft, wonach zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich ist (§ 518 Form des Schenkungsversprechens), tritt eine Heilung des Mangels der Form durch die Bewirkung der versprochenen Leistung ein. Insoweit stellt der Senat in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Beklagten fest, dass W. im involvierten Anwesen gewohnt hat. Es ist unerheblich, wenn dies nicht in den genau im Wohnrecht zur Benutzung zugestanden Räumen erfolgt ist, da W. jedenfalls ihre Rechte an der Nutzung des Gemeinschaftseigentums wahrgenommen hat.

Die Geltendmachung eines eventuellen Anspruchs auf Schenkungsrückgewähr ist auch nicht von vorneherein ausgeschlossen. Gemäß § 529 Abs. 1 BGB ist dies nur der Fall, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. So ist nach dem Verzicht der W. vom 27.06.1991 die Unterbringung der W. in dem Altenheim schon zum 28.1.2001 innerhalb der Zehnjahresfrist erfolgt.

Es geht bei dieser Sachlage eines gespaltenen Rechtswegs zwischen Überleitung und Anspruchsdurchsetzung letztlich nicht darum, welcher konkreten Art der Rechtsvorteil ist, den der Kläger mit dem Verzicht vom 27.06.1991 erlangt hat. Das ist eine Frage der zivilrechtlichen Klärung, wie das Versprechen des Klägers vom 15.04.1976 zu qualifizieren ist. Die Klärung des Typus der Vertragsgestaltung im Rahmen der zivilrechtlichen Privatautonomie und der daraus herzuleitenden Rechte ist eine Frage, die nach der Konzeption des Rechts der Sozialhilfe den Zivilgerichten vorbehalten bleibt. All diese Dinge müssen nicht vorab bei der Überleitung geklärt werden. Dazu findet nur eine grobe Kontrolle im Sinne der sog. Negativevidenz statt. Der überzuleitende Anspruch muss mutmaßlich bestehen. Eine Überleitung ist ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht (BVerwGE 34, 219; 34, 260; 41, 115; 58, 209; 92, 281). Wäre das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs eine objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, müsste das Gericht auch über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen entscheiden. Eine derartige Überprüfung ist mit dem bestehenden gegliederten Rechtsschutzsystem nicht zu vereinbaren. Es soll verhindert werden, dass die Sozialgerichte letztverantwortlich zivilrechtlich umstrittene Fragen entscheiden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte das ihr in § 93 Abs. 1 S. 1
SGB XII eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat. Hinsichtlich der an die Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu auch § 54 Abs. 2 S. 2 SGG) kann auf die bisherige Rechtsprechung zu § 90 BSHG zurückgegriffen werden, da der mit Wirkung vom 01.01.2005 an die Stelle des § 90 BSHG getretene § 93 SGB XII im Wesentlichen der alten Regelung entspricht. Die Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange kann danach in der Praxis wegen des starken Gewichts des Nachranggrundsatzes regelmäßig nur dazu führen, dass eine Überleitungsanzeige an den Drittschuldner ermessensfehlerfrei ergeht (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.1993, 5 C 7/91 = BVerwGE 92, 281). In Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG geht die sozialgerichtliche Rechtsprechung zu § 93 Abs. 1 SGB XII von einem sog. intendierten Ermessen aus (vgl. BayLSG, U. v. 14.02.2008 - L 11 SO 20/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 20.12.2006 - L 20 B 135/06 SO -; vgl. auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 93 Rn. 16). Dabei ist es nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Überleitung eines Anspruchs unbillig oder unzumutbar ist. Das kann z. B. der Fall sein, wenn der Drittschuldner einen pflegebedürftigen Familienangehörigen vor dem Eintreten der Sozialhilfe weit über das Maß der ihn treffenden Verpflichtung hinaus gepflegt und den Sozialhilfeträger dadurch erheblich entlastet hat oder wenn infolge der Anspruchsüberleitung eine nachhaltige Störung des Familienfriedens zu befürchten wäre und der Grundsatz der familiengerechten Hilfe verletzt würde. Derartiges ist vom Kläger im Rahmen der Anhörung nicht vorgetragen worden, insbesondere hat er schon wegen der Unterbringung der W. und der unterschiedlichen Wohnorte dieselbe nicht nachhaltig pflegen können.

Die Beklagte hat die Notwendigkeit einer Ermessensausübung gesehen und angenommen, dass die öffentlichen Interessen und die privaten Interessen des Klägers gegeneinander abzuwägen sind. Dies genügt zur Begründung einer Ermessensentscheidung (§ 35 Abs. 1 S. 3 SGB XII), wenn von der Beklagten den Interessen der öffentlichen Hand der Vorrang eingeräumt wird. Dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht noch weiter auf die besonderen Lebensumstände des Klägers eingegangen ist, liegt daran, dass in der Widerspruchsbegründung solche Umstände nicht deutlich gemacht wurden. Vielmehr stützte der Kläger die Widerspruchsbegründung maßgeblich darauf, dass es an einem bürgerlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch der Großmutter fehle. Es ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte im Widerspruchsbescheid zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung nicht weiter zu den besonderen Lebensumständen des Klägers Stellung genommen, sondern maßgeblich auf den Nachranggrundsatz abgestellt hat.

Die Berufung war demnach nicht begründet und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO (Unterliegen des Klägers). Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich bei dem Rechtsstreit bezüglich der Überleitung nicht um ein Verfahren nach § 193 SGG. Denn gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben. Kostenfreiheit im Sinne von § 183 Abs. 1 S. 1 SGG besteht nur für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Insbesondere ist der Kläger nicht Sonderrechtsnachfolger der in einem Heim verstorbenen Leistungsempfängerin.

Gründe zur Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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