L 13 AS 2616/09 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2730/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2616/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 27. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift hier nicht ein, da das Sozialgericht seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat. Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht darüber hinaus nicht entgegen, dass der Gegenstandswert der Hauptsache den Wert von 750,00 EUR nicht erreicht - die Antragstellerin wendet sich in diesem Verfahren gegen den Bescheid vom 26. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2008, mit dem die ihr für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2008 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen Eintritts einer Sanktion gem. § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) teilweise zurückgenommen wurden (insgesamt: Juni: 31,- Euro; Juli/ August je 32,- Euro, zusammen: 95,- Euro) - und somit gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Hauptsacheentscheidung nur nach Zulassung der Berufung anfechtbar wäre (vgl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 23. Februar 2009 - L 13 AS 3835/08 PKH-B - juris m.w.N.).

Die Beschwerde ist dagegen nicht begründet. PKH erhält gem. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO), wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache (nicht hinsichtlich der Kostengrundentscheidung des Sozialgerichts) ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 114 Rdnr. 19).

Die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung kann nach Auffassung des Senats und bei Anwendung der derzeit geltenden Rechtslage nicht anhand des Unterschreitens einer bestimmten Bagatellgrenze verneint werden. Gem. § 73 a SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist auf Antrag der Partei ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dabei ist der Rechtsbegriff der Erforderlichkeit, dessen Auslegung und Anwendung zuerst den Fachgerichten obliegt, im Lichte der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verbürgten Rechtsschutzgleichheit auszulegen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 (358) m.w.N.). Ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erscheint, beurteilt sich nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, sondern auch nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Juni 2007 - 1 BvR 681/07 - NJW-RR 2007, 1713-1714). Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96 - NJW 1997, S. 2103 f.). Daher kann (insoweit entgegen LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Februar 2009 - L 5 B 1956/08 AS PKH - juris) die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Beiordnung nicht allein anhand des Werts des Streitgegenstandes unter Verweis darauf, bemittelte Personen würden bei vergleichbaren Streitwerten ebenfalls keinen Anwalt beauftragen, verneint werden. Bei bemittelten Personen haben derartige "Bagatellbeträge" ein anderes Gewicht als bei Beziehern von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II, sodass diese Personen auch insoweit andere Überlegungen anstellen dürfen, als auch kleinere Beträge - anders als bei bemittelten Personen - das Existenzminimum und damit die Lebensgrundlage berühren.

Dennoch hat das Sozialgericht die Bewilligung von PKH im Ergebnis zutreffend versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Die Antragstellerin ist nach Auffassung des Senats ohne wichtigen Grund und trotz ausreichender schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden, nicht nachgekommen. Damit war kraft Gesetzes das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert zu mindern.

In Folge einer begrenzten Umkehr der Beweislast (Rixen in: Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 31 Rdnr. 39 ff, insbes. Rdnr. 41) obliegt es der Antragstellerin, die aus ihrer Sphäre stammenden Umstände zum Vorhandenseins eines wichtigen Grundes darzulegen; ihr fallen daher auch die negativen Folgen zur Last, wenn mangels Tatsachen und Umständen aus ihrer Sphäre bzw. ihrem Verantwortungsbereich ein wichtiger Grund nicht festgestellt werden kann (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juni 2008 - L 7 B 121/08 AS ER - juris).

Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie habe den Vorsprachetermin am 14. Mai 2008, 16:00 Uhr, deshalb nicht wahrnehmen können, weil zeitgleich der Kindergarten ihrer Kinder schließe und sie diese von dort habe abholen müssen, begründet dies keinen wichtigen Grund für ihr Verhalten, der die Sanktionswirkung ausschließt. Insoweit ergibt sich weder aus dem gesamten bisherigen Vortrag der Antragstellerin, noch aus den Verwaltungsakten, dass es nicht möglich gewesen wäre, die Kinder früher vom Kindergarten abzuholen und zur Vorsprache mitzunehmen. Der bloße Verweis darauf, die Kinder hätten nicht anderweitig betreut werden können, rechtfertigt das Ausbleiben beim Vorsprachetermin nicht. Wenn die Klägerin dazu darauf verweist, sie habe die fehlende anderweitige Betreuung der Kinder der Beklagten mitgeteilt und von dort mitgeteilt bekommen, dies sei "okay", finden sich hierzu keine Anhaltspunkte in der Verwaltungsakte. Lediglich das Vorbringen im Widerspruch, "Herr Wanke dürfte als Zeuge zur Verfügung stehen", genügt dafür nicht.

Das Ausbleiben beim Vorsprachetermin am 14. Mai 2008 lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf den Zweck der Vorsprache rechtfertigen. Denn die Einladung zum Termin am 14. Mai 2008, verbunden mit dem Hinweis "die berufliche Situation besprechen" zu wollen, war - auch im Hinblick auf die Schwangerschaft (5. Schwangerschaftsmonat) und die Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin - selbst dann nicht unzulässig, wenn die Antragstellerin, wie der Prozessbevollmächtigte meint, weder in eine weitergehende Beschäftigung vermittelt hätte werden dürfen, noch eine anderweitige Stelle hätte finden können.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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