L 3 R 422/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 9 R 41/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 422/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer großen Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Bei dem am ... 1948 geborenen und am ... 2005 verstorbenen G. E. Sch., im Folgenden "der Versicherte", wurde im Januar 2004 nach einer zunächst konservativen Behandlung seiner Magen-/Darmbeschwerden die Diagnose eines stenosierenden Adenokarzinoms des Zökums mit multiplen Lebermetastasen gestellt. Auf den Bericht des Klinikums Q. bewilligte die zuständige Krankenkasse dem Versicherten eine Anschlussheilbehandlung in der Rehabilitationsklinik B. S. vom 4. Februar bis zum 1. März 2004. Nach dem Entlassungsbericht dieser Rehabilitationsklinik vom 3. März 2004 befand sich der Versicherte dort in einem Zustand mit ausgeprägtem Konditions- und Kraftmangel, aber ohne Schlaf- oder Ernährungsprobleme. Auf Grund des ausgedehnten Tumorleidens unter fortlaufender palliativer Therapie sei dem Versicherten keine Tätigkeit mehr zuzumuten.

Der Versicherte verfügte über abgeschlossene Berufsausbildungen als Gärtner und Schlosser, war zunächst als Zeitsoldat und ab Januar 1972 bis September 1990 als Berufssoldat bei der Nationalen Volksarmee (zuletzt als Stabsfähnrich in der Lagerverwaltung) tätig. Er war Vater von einem im Jahr 1974 geborenen Sohn und einer im Jahr 1980 geborenen Tochter; nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Jahr 1986 bezog er große Witwerrente von der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit einem Zahlbetrag ab dem 1. April 2004 von 407,28 EUR. Zuletzt stand er seit dem 1. Oktober 2003 in einem zum 31. März 2004 befristeten Beschäftigungsverhältnis bei einer Baufirma (Versorgung von Baustellen, Materialeinkauf etc.). Vom 7. bis zum 14. November 2003 und ab dem 5. Januar 2004 war der Versicherte arbeitsunfähig. Die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, teilte ihm mit Schreiben vom 17. März 2004 mit, sein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 26. Januar 2004 werde in einen Rentenantrag umgedeutet; es liege eine volle Erwerbsminderung vor. Im Juni 2004 bewilligte die LVA dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Zahlbetrag von 860,08 EUR. Die Pflegekasse der BKK Gesundheit bewilligte dem Versicherten mit Bescheid vom 21. Juli 2005 auf seinen Antrag vom 7. Juni 2005 ab dem 1. Juni 2005 Pflegegeld nach der Pflegestufe III.

Die am ... 1946 geborene Klägerin steht nach ihren Angaben in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis als Berufsschullehrerin. Zeitweise hat sie nebenberuflich auch in der Erwachsenenqualifizierung und als Versicherungsvertreterin gearbeitet. Sie bezog von der BfA bzw. der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2008 aus der eigenen Versicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Zahlbetrag von 937,51 EUR. Sie hat aus ihrer ersten Ehe drei in den 70er-Jahren geborene Kinder. Sie und der Versicherte heirateten am 29. Juni 2005 (einem Mittwoch). Mit einem von der Klägerin geschriebenen und von dem Versicherten unterschriebenen Schreiben vom 12. Juli 2005 informierte der Versicherte die LVA, er habe "seine langjährige Verlobte" geheiratet.

Die Klägerin beantragte am 8. August 2005 bei der LVA die Bewilligung einer Witwenrente. In der Anlage zum Rentenantrag gab sie (durch Ankreuzen) an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Ehegatten sei bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen.

Die LVA richtete zunächst eine Anfrage an die Hausärztin des Versicherten, Dr. H., die in ihrer Stellungnahme vom 4. November 2005 ausführte, die Diagnosestellung sei am 12. Januar 2004 erfolgt. Der Versicherte sei an den Folgen eines Zäkumkarzinoms verstorben. Im Anschluss an ihren letzten Hausbesuch am 18. Juli 2005 habe sie den Versicherten auf Grund einer allgemeinen Befundverschlechterung stationär einweisen müssen. Sowohl der Versicherte als auch seine Ehefrau seien über die Ernsthaftigkeit des Krankheitsbildes, aber auch über die eventuell schlechte Prognose aufgeklärt gewesen. Der Versicherte habe sich nach der Operation gut erholt und die zur Sicherheitsbehandlung durchgeführte Chemotherapie gut toleriert. Die weiteren diagnostischen Verlaufskontrollen hätten trotz Chemotherapie und des Zustands nach der Operation eine zunehmende Metastasierung ergeben; seit Juni 2005 sei dann eine akute Verschlechterung mit voraussehbarer infauster Prognose eingetreten.

Die LVA lehnte den Antrag der Klägerin auf Witwenrente mit Bescheid vom 5. September 2005 ab. Der Tod ihres Ehegatten sei vor der Mindestehedauer von einem Jahr eingetreten. Es lägen auch keine besonderen Umstände vor, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprächen.

Hiergegen legte die Klägerin am 22. September 2005 Widerspruch ein. Sie sei bereits seit dem Jahr 1987 mit dem Versicherten befreundet gewesen und habe mit ihm seit dem Jahr 1989 eine gemeinsame Wohnung bewohnt. Sie habe die beiden Kinder des Versicherten nach dem Tod seiner ersten Ehefrau während seiner berufsbedingten Abwesenheit versorgt. Nach der Wende habe der Versicherte große berufliche Probleme gehabt, sodass ihr Gehalt oftmals die finanzielle Basis gebildet habe. Anlass für ihre Hochzeit mit dem Versicherten sei gewesen, dass im Sommer 2005 "das letzte Kind" seine Ausbildung beendet gehabt habe. Man habe nun endlich die lange Zusammengehörigkeit besiegeln wollen. Niemand habe ahnen können, dass ihr Mann nur noch so kurze Zeit leben würde. Für September 2005 sei noch eine Reise gebucht gewesen. Der Versicherte sei, bevor er verstorben sei, stark pflegebedürftig gewesen (Stufe III). Auch diese Pflege habe sie - mit Ausnahme der Krankenhausaufenthalte - durchgeführt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2006 als unbegründet zurück. Nach den Angaben von Dr. H. vom 4. November 2005 sei davon auszugehen, dass die Klägerin trotz der bei dem Versicherten erhofften Heilung mit einer tödlichen Folge der schweren Krebserkrankung zu rechnen gehabt habe. Demzufolge habe die Annahme einer "Versorgungsehe" von der Klägerin nicht widerlegt werden können, sodass die Regelung in § 46 Abs. 2a SGB VI der Gewährung einer Witwenrente entgegen stehe.

Mit ihrer am 30. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie wolle nun die Vermutung einer "Versorgungsehe" widerlegen. Die Beklagte habe den Verlauf ihrer Beziehung von 18 Jahren mit dem Versicherten nicht berücksichtigt. Vorwiegend sie habe den Lebensunterhalt - auch der fünf Kinder - und deren Ausbildung finanziert. Auch nach dem Tod des Versicherten seien dessen Kinder, die beide Hartz IV-Empfänger seien, auf ihre Hilfe und Unterstützung angewiesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe sie daran geglaubt, ihr Ehemann werde die Krankheit überstehen. Sie beide seien nicht davon ausgegangen, dass er bald sterben werde. Sie selbst habe eine Krebserkrankung überstanden und wisse daher, welche große Bedeutung die Psyche für eine Heilung habe. Von daher habe sie dem Versicherten durch die Heirat einen psychischen Beistand geben wollen. Sie sei mit dem Versicherten bereits seit 1988 verlobt gewesen. Sie hätten schon immer heiraten wollen; es sei aber immer etwas dazwischen gekommen. Zeitweise sei sie von diesem Gedanken auch nicht so begeistert gewesen, da er zeitweilig Alkoholprobleme und Probleme mit seinen Arbeitsstellen gehabt habe. Ihr Arbeitsverhältnis als Berufsschullehrerin bestehe ungekündigt fort, sodass sie im Fall der Ablehnung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus ihrer eigenen Versicherung wieder arbeiten könne.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. November 2009 abgewiesen. Die Klägerin habe nach § 46 Abs. 2a SGB VI keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten habe nur knapp einen Monat angedauert, sodass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bestehe. Diese habe von der Klägerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden können. Die Heirat habe hier am Ende des Monats (Juni 2005) stattgefunden, in dem eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten mit voraussehbarer infauster Prognose eingetreten gewesen sei. Damit habe zum Zeitpunkt der Eheschließung ein sehr hoher Grad der Lebensbedrohlichkeit und der Offenkundigkeit bestanden. Die volle richterliche Überzeugung, also ein der Gewissheit nahe kommender Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Ehe nicht in Versorgungsabsicht, sondern zur Dokumentation der Verbundenheit und des Beistandes geschlossen worden sei, habe die Kammer nicht erlangen können.

Gegen das ihr am 5. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Dezember 2009 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Ihr Begehren werde durch die Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil vom 27. August 2009 (- B 13 R 101/08 R -), die eine ähnliche Sachlage betreffe, gestützt. Sie habe sich aber sogar 18 Jahre lang um die Halbwaisenkinder des Versicherten gekümmert, davon ein Jahr allein. Selbst in Zeiten, in denen der Versicherte kein oder sehr wenig Einkommen hatte, habe sie ihn und seine Kinder finanziell versorgt. Sie sei auf den Versicherten auch während des Bezuges ihrer Rente nicht finanziell angewiesen gewesen. Die Eheschließung sei nicht im Sinne einer "Versorgungsehe" zu sehen, sondern nach vielen gemeinsamen Jahren ein Liebesbeweis gewesen, in der Hoffnung, dass sich über die Psyche der Gesamtzustand bessere, wie sie es bei ihrer eigenen Erkrankung erlebt habe, als sie gehört habe, "Oma" zu werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. August 2005 große Witwenrente zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In der Gesamtabwägung der Einzelumstände sei die Versorgungsabsicht zu Gunsten der Klägerin als überwiegendes Heiratsmotiv anzusehen.

Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Klägerin dem Senat Kopien der Bescheide über die Weiterbewilligung ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung bis Dezember 2008 und über die Bewilligung von Pflegegeld für den Versicherten (Antragstellung am 7. Juni 2005) sowie das diesen betreffende Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 15. Juli 2005 übersandt. In dem auf Grund des am 15. Juli 2005 durchgeführten Hausbesuchs erstellten Gutachten wird im Wesentlichen festgestellt, der Versicherte erhalte hoch dosierte Medikamente, benutze einen geborgten Toilettenstuhl, da er den Weg zum WC nicht mehr schaffe. Seit der Feststellung von Leber- und Knochenmetastasen mit Zustand nach Entfernung von zwei Dritteln der Leber bestehe ein kontinuierlicher Leistungsabbau bei infauster Prognose. Der Versicherte habe massiv abgenommen und habe häufige Halluzinationen bei der palliativen Therapie. Wegen Entkräftung sei er zu keiner selbstständigen Verrichtung in der Lage. Eine Pflege erfolge durch die Klägerin im Umfang von mehr als 28 Stunden in der Woche. Gegenstand der Pflege sei u.a. eine vollständige pflegerische Übernahme der Körperwäsche und des An- bzw. Entkleidens. Der Versicherte verwende zwei Unterarmgehstützen, einen Rollstuhl und einen Sitzring. Die Mahlzeiteinnahme sei wegen Inappetenz sehr zeitaufwändig.

Auf Befragen des Senats hat die Klägerin - nach ihrer Belehrung über die Freiwilligkeit ihrer Angaben - mitgeteilt, die Eheschließung mit dem Versicherten sei von ihrer Seite nach einem Zusammenleben von 18 Jahren erfolgt, um ihm zu zeigen, dass sie ihn liebe, zu ihm stehe und die - bei ihr bis zuletzt tatsächlich nicht erloschene - Hoffnung auf Genesung nicht aufgegeben habe. Die Hochzeit habe bei ihnen Zuhause mit der (ausschließlichen) Anwesenheit der Standesbeamtin und einer Zeugin von der Stadt stattgefunden. Der Versicherte habe dabei nicht im Bett gelegen, sondern am Tisch gesessen. Nach der nachfolgenden Mitteilung über die Eheschließung in der Familie habe in diesem Kreis ein gemeinsames Kaffeetrinken stattgefunden. Am 5. Juli 2005 habe der Versicherte auch noch ihrer Geburtstagsfeier in größerer Runde beigewohnt. Ein Testament habe der Versicherte nicht gemacht. Nach den Bestattungskosten sei ihr als Bezugsberechtigter noch ein Betrag aus der in den 90er Jahren abgeschlossenen Lebensversicherung des Versicherten verblieben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die den Versicherten betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von großer Witwenrente. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten (§ 54 Satz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllte und die Klägerin - seine Witwe - nicht wieder geheiratet hat. Unter den genannten Voraussetzungen haben Witwen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden und damit hier anwendbaren Fassung Anspruch auf die unbefristet geleistete große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die Witwenrente wird nach § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die im Juli 1946 geborene Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen einer großen Witwenrente damit ab dem 1. August 2005.

Nach § 46 Abs. 2a SGB VI besteht ein Anspruch auf Witwenrente nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat hier vom 29. Juni bis zum 24. Juli 2005, d.h. nicht mindestens ein Jahr, angedauert. Auf Grund der gesetzlichen Vermutung in § 46 Abs. 2a SGB VI wird damit zunächst unterstellt, dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war und somit ein Anspruch auf Witwenrente ausscheidet. Dieser mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) eingeführten Vorschrift entsprechen vergleichbare Regelungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung sowie in den Vorschriften über die Beamtenversorgung (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 20. September 2007 - L 3 RJ 126/05 - NZA-RR 2008, 207, 208). Hierdurch soll ein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente bei einer Versorgungsehe ausgeschlossen sein, wenn zumindest überwiegendes Ziel der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung ist. Dabei wird unterstellt, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstirbt (vgl. die Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/4595 S. 44). Die Versorgung des überlebenden Ehegatten soll auch für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausgeschlossen sein, die sich vor der Erkrankung bewusst gegen eine Eheschließung entschieden hatten.

Der Senat ist davon überzeugt, dass nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Ehe der Klägerin zum überwiegenden Zweck der Hinterbliebenenversorgung geschlossen wurde. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Versorgungsehe erfordert nach § 202 SGG, § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils anhand objektiver Feststellungen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 ff.).

Zunächst lassen sich aus dem tatsächlichen Geschehensablauf hier keine Rückschlüsse auf eine überwiegend nicht in Versorgungsabsicht erfolgte Eheschließung ziehen. Solche Rückschlüsse erlauben, z.B. der Eintritt eines Unfalltodes, das mit der erfolgten Eheschließung sichergestellte Sorgerecht für gemeinsame Kinder oder die Legitimation einer vorher nach deutschem Eherecht ungültigen Ehe (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.; Urteil des Senats vom 20. September 2007, a.a.O.). In diesem Zusammenhang sprechen für solche objektiven Umstände u.a. auch ein vor der Diagnose der zum Tod des Versicherten führenden Erkrankung feststehender Hochzeitstermin (Schleswig-Holsteineinisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - L 7 R 58/09 - juris).

Auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen subjektiven Beweggründe für die erfolgte Eheschließung hat sich hier ein mindestens gleichwertiges anderes Motiv für die Eheschließung als die Versorgung der Klägerin als Witwe zur Überzeugung des Senats nicht feststellen lassen.

Anerkannt sind in diesem Zusammenhang überwiegend religiöse Motive für eine Legitimation des Zusammenlebens (vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg, Beschl. v. 28. Oktober 2004 - 1 Bf 189/04 - NVwZ-RR 2006, 196) oder der Wunsch, dem Partner neuen Lebensmut in der Überwindung einer Erkrankung zu geben (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 7. März 2007 - L 8 R 207/06 - NZS 2007, 665 (nur Leitsatz), juris; Urteil des Senats vom 20. September 2007 - L 3 RJ 126/05 - NZA-RR 2008, 207, 209). Dabei hat der Senat insoweit die Motive beider Ehegatten zu berücksichtigt (vgl. zu diesem Maßstab BSG, Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 - BSGE 60, 204, 206; BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.). Keines der vorgenannten Heiratsmotive, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, kann hier näher in Betracht gezogen werden. Vielmehr ist aus dem Vorbringen der Klägerin deutlich erkennbar, dass es den Ehegatten hier bei der Eheschließung zumindest auch in wesentlichen Umfang um die Kompensation der besonderen Leistungen der Klägerin bei der Erziehung der Kinder des Versicherten und dessen aufwändiger Pflege vor seinem Tod ging. Da diese Kompensation hier durch die Leistungen aus der Versicherung des Verstorbenen erfolgen soll, wird konkret das Vorliegen der Gründe für einen Rentenausschluss im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI von der Klägerin selbst vorgetragen.

Die im Übrigen von der Klägerin vorgebrachten Gründe der Eheschließung sind mit dem Gesichtspunkt der finanziellen Kompensation nicht als gleichwertig anzusehen, da der Senat unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben hat.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel von einer so genannten Versorgungsehe auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.). In Bezug auf die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung in diesem Sinne kommt es nicht darauf an, ob der Zeitpunkt des Todes bei der Eheschließung genau oder begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum feststeht. Auch bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung ist die Widerlegung der Vermutung, dass die Eheschließung zumindest aus gleichwertigen oder überwiegenden Gründen der Versorgung erfolgte, nicht völlig ausgeschlossen. Bei der abschließenden Gesamtbewertung müssen diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, dann aber umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung war (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.).

Zur Überzeugung des Senats war der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung lebensbedrohlich erkrankt und sowohl der Versicherte als auch die Klägerin waren hierüber informiert und haben die Hochzeit vor diesem Hintergrund forciert betrieben. Der Antrag auf Pflegegeld (Pflegestufe III) für den Versicherten lag hier drei Wochen vor der Eheschließung. Bei dem nur ca. zwei Wochen nach der Eheschließung erfolgten Hausbesuch des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Versicherten litt dieser erkennbar unter Halluzinationen und war zu schwach, um die Toilette aufzusuchen. Die Kraftlosigkeit war auch durch den über Monate hinweg eingetretenen starken Gewichtsverlust dokumentiert. Aus den Feststellungen des MDK ergeben sich von der Klägerin verrichtete Pflegeleistungen im Sinne des Sozialgesetzbuch Elftes Buch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) im Umfang von mehr als 28 Stunden in der Woche, wobei der tatsächliche Umfang der Pflege oberhalb dieses Schwellenwertes nicht abgefragt wurde. Die Klägerin hatte insbesondere das Waschen und das An- und Auskleiden des Versicherten vollständig übernommen. Die Pflegestufe III wurde dann rückwirkend ab dem 1. Juni 2005, d.h. auch für einen drei Wochen vor der Hochzeit liegenden Zeitraum, zuerkannt. Soweit die Klägerin vorträgt, das baldige Ableben des Versicherten sei nicht vorhersehbar gewesen, ist dies angesichts des schlechten Zustands des Versicherten deshalb nicht glaubhaft. Auch der Umstand, dass für September 2005 noch eine Reise gebucht war, steht dem nicht entgegen. Denn diese Reise ist nach den vorliegenden Unterlagen im April 2005 gebucht worden, zu einem Zeitpunkt, als sich der Gesundheitszustand noch besser dargestellt hatte. Spätestens im Juni 2005 ist es nach den Angaben der Hausärztin zu einer akuten Verschlechterung mit infauster Prognose und einer erforderlichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung gekommen.

Nach dem Vorbringen der Klägerin über diese Pflege und ihre jahrelange finanzielle Absicherung des Versicherten und seiner Kinder sind ihre - erstmals vor dem Senat gemachten - Angaben zu dem durch die Eheschließung allein bezweckten Liebesbeweis nicht überzeugend. Vor dem Hintergrund der Aufopferung der Klägerin in der Sicherung des Familienunterhalts und der Pflege des Versicherten ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Versicherte Zweifel an der Zuneigung und dem Zugehörigkeitswillen der Klägerin gehabt haben sollte. Insgesamt vermitteln hier die Umstände der Trauung zu Hause ohne Hinzuziehung von Familienangehörigen auch nicht den Eindruck eines feierlichen Ereignisses zur Besiegelung der Zusammengehörigkeit.

Schließlich besteht auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Klägerin, eine Hinterbliebenenversorgung von der Beklagten zu erhalten. Die Klägerin stand selbst zumindest bis Dezember 2008 im Rentenbezug und gehört einem rentennahen Geburtsjahrgang an. Unter Berücksichtigung des höchsten aktenkundigen monatlichen Zahlbetrags ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung von unter 950,00 EUR würde die dauerhaft mit dem Rentenartfaktor 0,55 geleistete Rente aus der Versicherung des Verstorbenen eine Erhöhung des der Klägerin dauerhaft zur Verfügung stehenden Renteneinkommens um ca. 50 v.H. bedeuten. Der Senat hat auch die weiteren objektiven finanziellen Umstände der Klägerin und des Versicherten nicht außer Acht lassen können, die auf eine gezielte "Optimierung" der Leistungen gegenüber der Sozialversicherung hindeuten. Im diesem Zusammenhang sicherte das unverheiratete Zusammenleben der Klägerin mit dem Versicherten über Jahre die Weitergewährung der von ihm bezogenen Witwerrente aus der Versicherung seiner ersten Ehefrau. Der Senat hat nicht abschließend ermittelt, auf welcher Grundlage die Klägerin selbst Mitte des Jahres 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen hat. Aus ihren Angaben zur Pflege des Versicherten "rund um die Uhr" drängen sich aber auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme dieser Leistungen aus der Sozialversicherung durch die Klägerin auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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