L 3 R 252/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 668/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 252/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§§ 43 SGB VI, 109 SGG, Rentenbegehren, Beweisantrag
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) streitig.

Der am ... 1955 geborene Kläger schloss die allgemeinbildende Schule mit der achten Klasse ab und absolvierte dann von 1971 bis 1974 eine Ausbildung zum Bäcker. In diesem Beruf arbeitete er bis August 1977. Danach war er bis Dezember 1998 als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Im Rahmen seines letzten Arbeitsverhältnisses ab 1. März 1992, in dem er als Kraftfahrer für den Containerdienst T. tätig war, verursachte er am 17. September 1998 mit einem LKW einen Unfall, als er mit dem Fahrerhaus gegen die Einfahrt eines Tunnels stieß. Sein Arbeitgeber setzte ihn daraufhin nicht mehr als Kraftfahrer, sondern als Betriebshelfer ein. Wegen des Verkehrsunfalls stellte sich der Kläger zwei Monate später am 12. November 1998 einem Arzt vor, der ihn für arbeitsunfähig erklärte. Zum 31. Dezember 1998 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. Dieser ist seitdem arbeitslos und bezieht vom 1. Januar 2005 an Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende – SGB II).

Bereits am 31. August 1999 hatte der Kläger erstmals einen Rentenantrag gestellt, der mit Bescheid vom 1. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 19. April 2000 abgelehnt worden war. In dem sich anschließenden Klageverfahren - S 5 RJ 258/00 - war ein Gutachten von Dr. L. vom 26. August 2002 eingeholt worden. Sie hatte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt und unter Berücksichtigung einer chronischen Lumbago und eines chronischen Schmerzsyndroms mit hochgradiger psychischer Fixierung sowie eines Verdachts auf massive Hypochondrie und eines Rentenbegehrens noch leichte körperliche Arbeiten mit normalen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten vollschichtig für möglich erachtet. Die Klage wurde mit Urteil vom 29. Oktober 2002 abgewiesen und die hierauf eingelegte Berufung zurückgenommen. Der zweite Rentenantrag vom 17. Juni 2003 wurde nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. A. vom 24. Oktober 2003 und eines nervenärztlichen Gutachtens vom Dr. T. vom 8. März 2004, die jeweils ein vollschichtiges Leistungsvermögen für gegeben erachtetet hatten, abgelehnt. Die daraufhin erhobene Klage wies das Sozialgericht Halle mit Urteil vom 30. August 2005 ab (S 10 RJ 242/04).

Nach einem Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik G. vom 2. März bis zum 6. April 2005 stellte der Kläger am 18. November 2005 bei der Beklagten den weiteren verfahrensgegenständlichen Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Nach dem von der Beklagten beigezogenen Rehabilitationsentlassungsbericht der Fachklinik für orthopädische und psychosomatische Rehabilitation vom 22. April 2005 litt der Kläger an folgenden Gesundheitsstörungen:

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.

Leichte depressive Episode.

Lumboischialgie.

Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise.

Adipositas.

Der Kläger könne seine letzte berufliche Tätigkeit als Kraftfahrzeugführer sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Im Übrigen sei er in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ausüben. Tätigkeiten in vorgebeugter Rumpfhaltung oder Überkopf sowie Wiederholungen von Arbeiten mit häufigem Vorneigen und Aufrichten könnten ihm nicht mehr zugemutet werden. Auch seien stärkere stochastische Schwingungen (z.B. auf Baufahrzeugen) als ungünstig anzusehen. Angesichts der Schlafstörungen seien Nachtschichten nicht abzuverlangen. Tätigkeiten unter erhöhtem Zeitdruck (wie z.B. Akkord) seien wegen der psychisch eingeschränkten Belastbarkeit zu vermeiden. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in der Lage, als Berufskraftfahrer ohne Be- und Entladetätigkeit oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit leichten bis mittelschweren körperlichen Belastungen sechs Stunden und mehr täglich zu arbeiten. Zwischen den subjektiven Beschwerden des Klägers und den erhobenen Befunden bestünden deutliche Diskrepanzen. Die Verdeutlichungstendenzen des Klägers wirkten zumindest zum Teil bewusstseinsnah. Bei der testpsychologischen Untersuchung finde sich eine an der unteren Normgrenze liegende prämorbide Intelligenz. Hinsichtlich der kognitiven Verarbeitungsgeschwindigkeit hätten sich durchschnittliche Leistungen ergeben, bezüglich der Aufmerksamkeit und Belastbarkeit lägen keine wesentlichen Einschränkungen vor. Eine hirnorganisch bedingte Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit sei eher auszuschließen. Das beschriebene Leistungsbild entspreche nicht der Selbsteinschätzung des Klägers; er selbst halte sich nicht für vollschichtig einsetzbar, weil er aufgrund seiner Medikation nicht fahrtauglich sei.

Die Beklagte holte von der Fachärztin für Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie, Homöopathie Dr. P. einen aktuellen Befundbericht vom 8. Dezember 2005 ein, wonach sich die Befunde während der letzten zwölf Monate nicht geändert hätten. Der Kläger könne danach noch leichte Tätigkeiten, wie z.B. als Pförtner o.ä., ausüben. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. teilte unter dem 6. Februar 2006 mit, der Kläger sei bei klarem Bewusstsein, voll orientiert mit starrer Affektlage und leide unter einer mittelschweren depressiven Stimmungslage. Er sei ausgesprochen klagsam, es bestünden ausgeprägte Ängste neben Resignation, Insuffizienzgefühlen und Somatisierungsstörungen mit teilweisen psychogenen Mechanismen bei vermindertem Antrieb.

Die Beklagte holte hierauf von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F. das Gutachten vom 13. April 2006 ein. Im Rahmen der Anamnese teilte der Kläger mit, er gehe nach dem Frühstück mit seiner Ehefrau und dem Hund spazieren und halte sich im Sommer viel in seinem Garten auf. Nach dem Mittagessen gehe er wieder mit dem Hund spazieren und fahre anschließend etwa 20 Minuten auf seinem Heimtrainer. Hausarbeiten teile er sich mit seiner Ehefrau, wobei er alle Arbeiten erledige, die seine Frau aufgrund ihrer chronischen Erkrankung (Multiple Sklerose) nicht mehr machen könne, wie z.B. das Putzen der Fenster und alle Überkopfarbeiten. Die Gutachterin stellte folgende Diagnosen:

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.

Reaktiv-depressiver Verstimmungszustand (leichtgradig).

Lumboischialgie.

Alkoholmissbrauch mit Leberschaden.

Im Vordergrund stünden anhaltende Rückenschmerzen, für die bisher keine ausreichende organ-pathologische Ursache habe gefunden werden können. Der Kläger selbst führe aufgrund eines Kausalitätsbedürfnisses seine Beschwerden auf den Unfall im Jahr 1998 zurück. Schwerwiegende Verletzungen habe sich der Kläger bei dem genannten Unfall nicht zugezogen. Aus psychiatrischer Sicht handele es sich um eine somatoforme Schmerzstörung, wobei alle qualitativen Einschränkungen zu beachten seien, die auch für Wirbelsäulenkranke gelten würden. Seit dem letzten Rentenverfahren hätten sich keine neuen medizinischen Gesichtspunkte ergeben; dem Kläger seien leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und Tragen und ohne häufige Zwangshaltungen vollschichtig zumutbar. Die Tätigkeit als "Berufskraftfahrer" könne der Kläger noch drei bis unter sechs Stunden ausüben.

Mit Bescheid vom 24. April 2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Rente ab, wobei sie feststellte, dass die Erwerbsfähigkeit durch Wirbelsäulenbeschwerden, Schmerzstörungen und einen Leberschaden beeinträchtigt sei. Am 8. Mai 2006 erhob der Kläger Widerspruch und trug am 21. Juni 2006 vor, er leide unverändert unter Rückenschmerzen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2006 ohne weitere medizinische Ermittlungen als unbegründet zurück. Der Kläger habe ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken, Hocken, Knien sowie ohne häufige Zwangshaltungen für sechs Stunden und mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Im Übrigen liege auch keine Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 SGB VI vor, da der Kläger seinen ursprünglichen Beruf als Bäcker nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe und in der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit als Kraftfahrer nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) zur Gruppe der Angelernten im unteren Bereich zu zählen sei, wodurch er keinen Berufsschutz genieße und auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen sei.

Mit der am 23. August 2006 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, zum Arbeiten nicht mehr in der Lage zu sein. Die Beklagte hat darauf verwiesen, der Kläger habe nunmehr seinen dritten Antrag auf Bewilligung von Erwerbsminderungsrente gestellt, nachdem die vorherigen vom 31. August 1999 und 17. Juni 2003 nicht zum Erfolg geführt hätten. Nach der von Beklagtenseite vorgelegten Arbeitgeberauskunft vom 11. November 1999 müsste für die Tätigkeit als Kraftfahrzeugführer eines Containerfahrzeugs eine völlig ungelernte Kraft zwei Wochen angelernt werden; auch der Kläger sei in diesem Zeitumfang angelernt worden.

Das Sozialgericht hat zunächst von Dr. M. einen Befundbericht vom 12. Dezember 2006 angefordert. Danach hätten sich die Beschwerden des Klägers seit März 2006 nicht wesentlich verändert, im Vordergrund stünden somatoforme Störungen. Die depressive Stimmungslage und die Ängste hätten sich abgeschwächt. Aufgrund der psychischen Situation sei der Kläger in der Lage, leichte Arbeiten sechs Stunden am Tag durchzuführen. Aus dem Befundbericht von Dr. P. vom 27. Dezember 2006 ergibt sich eine schmerzbedingt sehr beeinträchtigte Funktionalität des Klägers im Vergleich zu einem gesunden Menschen und daher eine erheblich eingeschränkte Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die praktische Ärztin Dipl.-Med. J. hat im Befundbericht vom 10. Januar 2007 mitgeteilt, nähere Angaben zu einer Befundverschlechterung nicht machen zu können, da der Kläger seit dem 5. Mai 2005 nicht mehr in ihrer Sprechstunde gewesen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2007 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert, noch berufsunfähig. Das Sozialgericht hat ausgeführt, es bestehe beim Kläger ein schmerzhaftes Wirbelsäulenleiden, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine leichte depressive Episode, ein Bluthochdruck, ein Übergewicht und ein Leberschaden. Der Kläger könne dennoch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken, Hocken, Knien sowie ohne Zwangshaltungen sechs Stunden und mehr ausüben und es sei auch keine weitere Begutachtung des Klägers erforderlich gewesen, da die behandelnden Ärzte nach den Befundberichten keine Veränderungen seines Gesundheitszustandes mitgeteilt hätten und ihrer Ansicht nach ein Leistungsvermögen zumindest für leichte Arbeiten sechs Stunden täglich beim Kläger gegeben sei. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI, da er unter Berücksichtigung des Mehrstufenschemas des BSG mit seiner letzten Beschäftigung als Fahrer eines Containerfahrzeugs als Angelernter im unteren Bereich einzuordnen gewesen sei. Er habe keine abgeschlossene Berufskraftfahrerausbildung absolviert, sondern sei lediglich zwei Wochen angelernt worden. Mithin könne er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen gewesen wäre.

Gegen den dem Kläger am 31. Mai 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 20. Juni 2007 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und vorgetragen, es sei eine weitere medizinische Aufklärung in psychiatrischer Hinsicht erforderlich. Seine Arbeitsfähigkeit sei wegen einer Schmerztherapie und einer psychiatrischen Behandlung nicht mehr gegeben.

Der Kläger, der die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht mehr weiterverfolgt hat, beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 29. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2005 zu bewilligen,

weiter hilfsweise

ein Sachverständigengutachten von Dr. Dr. h.c. M., J.-K.-Straße in H., nach § 109 SGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten und eines anschließenden nervenärztlichen Gutachtens. Aus dem Befundbericht von Dipl.-Med. J. vom 30. März 2009 ergibt sich seit dem Befundbericht vom 10. Januar 2007 keine Änderung bis auf die Überweisungen zum Neurologen bzw. zur Schmerztherapie. Nach dem Befundbericht von Dr. M. vom 1. April 2009 hätten sich die Befunde nicht verbessert, neue Leiden seien aber seit 2006 nicht hinzugekommen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, mittelschwere und schwere Arbeiten durchzuführen, leichte Arbeiten könne er aber noch verrichten. Aufgrund seiner psychischen Symptomatik sei er nur noch eingeschränkt von z.B. vier bis sechs Stunden am Tag belastbar. Dr. P. geht im Befundbericht vom 8. April 2009 davon aus, die Funktionalität des Klägers sei schmerzbedingt um 50 % im Vergleich zu einem Gesunden beeinträchtigt, daher sei die Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erheblich eingeschränkt. Auch sei seine Vermittlungsfähigkeit aufgrund der Psychopharmaka und der Opioidlangzeitherapie eingeschränkt.

Der Senat hat sodann ein nervenärztliches Gutachten von Dr. V., Chefarzt der Neurologischen Klinik und Ärztlicher Leiter im SKH A., vom 22. Oktober 2009 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten in gleicher Weise über den ihm vom Kläger geschilderten Tagesablauf berichtet wie die Vorgutachter. Auch die Ehefrau habe darauf verwiesen, dass der Kläger selbstständig den Haushalt mache. Weiter habe der Kläger erklärt, auch seine an Altersschwäche im Jahr 2007 verstorbene Mutter in den letzten Monaten bis zu ihrem Tod zusammen mit seiner Cousine versorgt zu haben. Ferner seien seine Enkelkinder fast täglich bei ihnen. Bei der körperlichen Untersuchung des Klägers sei der Finger-Boden-Abstand nicht prüfbar gewesen, da der Kläger behauptet habe, sich wegen eines angeblichen Ziehens im gesamten Rücken überhaupt nicht beugen zu können. Während der weiteren Untersuchung habe sich der Kläger plötzlich mit heftigen Schmerzangaben für die Dauer von ca. fünf Sekunden an die linke Herzgegend gefasst. Hierzu habe der Kläger bemerkt, dass dies gelegentlich auftrete. Zusammenfassend hat der Gutachter darauf hingewiesen, die orthopädischen Untersuchungen und Behandlungen hätten einerseits keine gravierenden Befunde und andererseits keine nennenswerte Besserung der subjektiven schmerzhaften Lendenwirbelsäulenbeschwerden erbracht. Auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule (LWS) vom April 1999 habe lediglich allgemeine degenerative Veränderungen mit mäßigen Protusionen gezeigt. Neurologische Ausfälle seien weder damals noch später festgestellt worden. Die langjährige kontinuierliche Schmerztherapie mit Opiaten gründe auf den subjektiven Angaben des Klägers zu seiner Schmerzstörung. Die durchgeführte Schmerztherapie erfolge ausschließlich medikamentös, ohne dass der Kläger eine subjektive Besserung verspüre. Hinsichtlich der stärkeren depressiven Störungen sei allerdings unter Medikation mit Antidepressiva eine Besserung eingetreten. Im psychischen Befund fielen eine leichte bis mäßig depressive Stimmungslage, eine Aggravationsneigung im Untersuchungsverlauf, eine deutliche Schmerzfixierung und eine verminderte affektive Schwingungsfähigkeit sowie eine vegetative Stigmatisierung auf. Infolge des LKW-Unfalls habe der Kläger im damaligen Beschäftigungsverhältnis auf eine fahrende Tätigkeit verzichten und Hilfsdienste im Betrieb verrichten müssen. Die infolge des Unfalls ausgesprochene Abmahnung und die Aufforderung, nunmehr Hilfsarbeiten verrichten zu müssen, habe der Kläger ebenso als ungerecht und demütigend empfunden wie die kurz hierauf erfolgte Kündigung des Arbeitsgebers. Die inzwischen manifesten Rückenschmerzen habe der Kläger auf den Unfall zurückgeführt, wobei unter diesen Bedingungen die Rückenbeschwerden eine überwertige Bedeutung für die Selbstwahrnehmung wie auch für den Umgang mit der Umgebung und den behandelnden Ärzten gewonnen hätten. Es liege eine somatoforme Schmerzfixierung mit dem Wunsch nach Hilfe, medizinischer Anerkennung und schließlich Berentung vor. Beim Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor, die dessen Leistungsvermögen im Erwerbsleben beeinflussten:

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.

Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik.

Lumbalgien bei leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen der LWS.

Der Kläger sei ab 2005 noch in der Lage gewesen, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend oder auch ausschließlich im Sitzen zu verrichten, wobei die sitzende oder stehende Tätigkeit unterbrochen und der sitzende Anteil täglicher Arbeitszeit von 60 % nicht unterschritten werden sollte. Dem Kläger seien auch Arbeiten mit bis zu häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen möglich, wobei Bücken, Knien und Hocken nur gelegentlich, aber Leiter- und Gerüstarbeiten gelegentlich bis häufig möglich seien. Der Kläger könne auch Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderten, ebenso verrichten wie Arbeiten im Freien unter Witterungsschutz und unter Vermeidung von starken Temperaturschwankungen und Zugluft. Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen und geistig mittelschwierigen Anforderungen sei der Kläger gewachsen wie auch Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit. Der Kläger könne in allen Schichten ohne Nachtschicht arbeiten und auch Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr - aber unter Vermeidung von besonderem Zeitdruck - verrichten. Dem Kläger seien einfache körperliche Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen möglich. Das Bedienen von Maschinen mit hoher Verletzungsgefahr oder die Tätigkeit als Berufskraftfahrer sei aufgrund seiner derzeitigen Medikamenteneinnahme eingeschränkt.

Bei den Gesundheitsstörungen handele es sich vorrangig um seelische Störungen und Zustände der Aggravation. Der Kläger sei nicht in der Lage, die Störungen bei zunehmender Willensanstrengung selbst oder mit ärztlicher Hilfe sofort oder bald zu überwinden. Die Störungen würden auch mit der endgültigen Ablehnung des Rentenantrages nicht verschwinden. Der Anteil des zweckgerichteten Verhaltens sei dem Kläger unbewusst und insofern auch der bewussten Steuerung nur bedingt zugänglich. Dagegen seien weder die psychischen Störungen noch die schmerzbedingten Funktionseinschränkungen in ihrer Art und Ausprägung so schwerwiegend, dass hieraus ein deutlicher Abfall der Leistungsfähigkeit in einer mindestens sechsstündigen Arbeitsschicht unter Berücksichtigung vorgenannter qualitativer Einschränkungen zu erwarten wäre. Die Gehfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt. Er sei aber in der Lage, täglich mindestens viermal 500 Meter ohne unzumutbare Schmerzen in angemessener Zeit ohne orthopädische Hilfsmittel regelmäßig zurückzulegen. Er sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Benutzung eines Kraftfahrzeuges für längere Strecken (ab ca. 30 km) sei aus medizinischen Gründen eingeschränkt. Die festgestellte Leistungsfähigkeit weiche nicht wesentlich von den Beurteilungen der bisherigen ärztlichen Sachverständigen ab. Den Einschätzungen der behandelnden Schmerztherapeutin und des behandelnden Nervenarztes könne nicht gefolgt werden, soweit diese in ihren letzten Stellungnahmen aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen ein erheblich reduziertes berufliches Leistungsvermögen attestiert hätten. Die objektivierbaren Befunde könnten eine solche Einschätzung trotz eingetretener Chronifizierung der Gesundheitsstörungen nicht begründen.

Im Erörterungstermin vom 25. Juni 2010 ist darauf hingewiesen worden, dass weitere medizinische Ermittlungen nicht beabsichtigt seien. Der Kläger hat hierauf geltend gemacht, es liege ein "Rentenfixierungsbegehren" mit Krankheitswert vor und es sei von einer Chronifizierung der somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Das Gutachten von Dr. V. erscheine insoweit nicht plausibel, zumal auch die ICD-Nummern nicht genannt worden seien. Ferner fehle eine Konsistenzprüfung im Gutachten von Dr. V ...

Der Gutachter hat in seiner hierauf vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juli 2010 ein solches Rentenfixierungsbegehren beim Kläger bestätigt, allerdings ohne diesem einen eigenständigen Krankheitswert in leistungsminderndem Umfang zuzuordnen. Das Rentenfixierungsbegehren sei Bestandteil der Gesundheitsstörungen und habe entsprechend Berücksichtigung gefunden. Eine fehlende Konsistenzprüfung sei nicht gegeben, da Widersprüche in den getroffenen Feststellungen nicht erkennbar seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Der Kläger ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger ist seit 2005 in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend oder auch ausschließlich im Sitzen zu verrichten, mit Unterbrechung durch kurze stehende oder gehende Anteile, wobei der sitzende Anteil täglicher Arbeitszeit 60 % nicht unterschreiten sollte. Dem Kläger sind auch Arbeiten mit bis zu häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen möglich, wobei Bücken, Knien und Hocken nur gelegentlich, aber Leiter- und Gerüstarbeiten gelegentlich bis häufig möglich sind. Der Kläger kann auch Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erfordern, verrichten. Arbeiten im Freien unter Witterungsschutz und unter Vermeidung von starken Temperaturschwankungen sowie Zugluft sind zumutbar. Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit geistig mittelschwierigen Anforderungen sowie mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit ist der Kläger gewachsen. Er kann in allen Schichten ohne Nachtschicht arbeiten und Tätigkeiten mit häufigem Publikumsverkehr - allerdings unter Vermeidung von besonderem Zeitdruck - verrichten. Das Bedienen von Maschinen mit hoher Verletzungsgefahr ist für den Kläger aufgrund der derzeitigen Medikamenteneinnahme eingeschränkt.

Der Senat stützt sich im Wesentlichen auf das schlüssige und überzeugende Gutachten von Dr. V. vom 22. Oktober 2009. Die Feststellungen zum Leistungsbild werden gestützt durch das Gutachten von Dipl.-Med. F. vom 19. April 2006 und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik in G. vom 22. April 2005. Die Befundberichte der behandelnden Ärzte Dipl.-Med. J., Dr. M. und Dr. P. weisen ferner darauf hin, dass in den letzten Jahren keine wesentliche Gesundheitsverschlechterung eingetreten ist. Konkret abweichende Befunde ergeben sich auch nicht aus den letzten beigezogenen Befundberichten von Dr. M. und Dr. P., zumal Dr. M. ein bis zu sechsstündiges Leistungsvermögen bescheinigt, während Dr. P. von einer erheblichen schmerzbedingten Beeinträchtigung der Funktionalität ausgeht ohne genaue Angabe des verbleibenden quantitativen täglichen Leistungsvermögens.

Im Vordergrund stehen beim Kläger seelische Störungen und Zustände der Aggravation in Form einer chronifizierten somatoformen Schmerzstörung, einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, einer verminderten affektiven Schwingungsfähigkeit, einer vegetativen Stigmatisierung, einer deutlichen Schmerzfixierung und einem Rentenbegehren ohne eigenständigen Krankheitswert. Diese psychischen Störungen und die damit verbundenen schmerzbedingten Funktionseinschränkungen sind ihrer Art und Ausprägung nach jedoch nicht so schwerwiegend, um eine verminderte quantitative Leistungsfähigkeit von unter sechs Stunden anzunehmen. Insbesondere resultieren hieraus keine geistigen Leistungseinschränkungen. Wegen der Somatisierungsstörung scheiden lediglich Arbeiten unter Zeitdruck, wie Akkord- und Fließbandarbeit, Tätigkeiten mit Wechselschicht und mit mehr als geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit aus. Die Behauptung des Klägers, nicht mehr arbeitsfähig zu sein, wird durch die Beurteilungen der gehörten Gutachter, insbesondere von Dr. V. und Dipl.-Med. F., und das tatsächlich täglich gezeigte Leistungsvermögen, nicht gestützt. Die Gutachter haben zudem dargelegt, der Kläger habe das Bedürfnis, seine Beschwerden auf den Unfall im Jahr 1998 zurückzuführen, um hierdurch eine Entschädigung für das von ihm als ungerecht empfundene Verhalten seines Arbeitgebers zu erhalten. Trotz der vom ihm beklagten subjektiven Beschwerden unternimmt er eigenen Angaben nach täglich mehrere Spaziergänge mit dem Hund, führt für sich und seine Frau den Haushalt und übernimmt hierbei auch anstrengende Tätigkeiten wie das Putzen der Fenster. Daneben trainiert er täglich für 20 Minuten auf seinem Fahrradergometer. Schließlich sind die zu beaufsichtigende Enkelkinder fast täglich anwesend.

Der Kläger leidet ferner an Lumbalgien bei leichten bis mäßigen allgemeinen degenerativen Veränderungen der LWS mit mäßigen Protusionen und einer Osteochondrose L2/3, Bluthochdruck, Übergewicht und Alkoholmissbrauch mit einem Leberschaden. Aus diesem Grund sind dem Kläger nur noch gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten zumutbar. Weitere Gesundheitsstörungen bestehen nicht.

Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger daher mit dem festgestellten verbliebenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar.

Auch eine Summierung so genannter ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Verrichtungen im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen im Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 -, Soz R 3 – 2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f).

Schließlich besteht im Falle des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Nach übereinstimmender Einschätzung aller gehörten Gutachter kann der Kläger Gehstrecken von viermal knapp mehr als 500 Meter mehrmals täglich zurücklegen und ist auch in der Lage, mit dem PKW Wegstrecken bis zu 30 km zu fahren. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die vorliegenden Gutachten, insbesondere auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. V. vom 22. Oktober 2009.

Der Antrag, Dr. Dr. hc. M. gutachtlich zu hören, war nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss ein vom Versicherten bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Das Gericht kann jedoch den Antrag gemäß § 109 Abs. 2 SGG ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Der in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits gestellte Antrag, nach § 109 Abs. 1 SGG Dr.Dr. h.c. M. als Gutachter des Vertrauens zu hören, hätte hier bei Zulassung der weiteren Beweiserhebung die Erledigung des Berufungsverfahrens verzögert, da dies eine Vertagung des Rechtsstreits zur Folge gehabt hätte und der Senat eine Sachentscheidung nicht hätte treffen können.

Der Antrag ist aus grober Nachlässigkeit des Klägers nicht früher gestellt worden. Denn bei sorgfältiger Prozessführung hätte der Kläger den Antrag, einen Arzt seines Vertrauens zu hören, spätestens nach der Ladung zum Verhandlungstermin bis Ende Oktober 2010 stellen müssen. Bereits mit der Übersendung des von Amts wegen eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Dr. V. vom 22. Oktober 2009 mit Richterbrief vom 27. Oktober 2009 hatte der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass angesichts des vorliegenden nervenärztlichen Gutachtens der Berufung keine Erfolgsaussicht mehr beigemessen werden könne und zu prüfen sei, ob die Berufung zurückgenommen werde. Der Kläger hatte daraufhin erklärt, die Berufung nicht zurücknehmen zu wollen; einen Antrag nach § 109 SGG hatte er nicht gestellt. Auch in dem am 25. Juni 2010 vom Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin, in dem dieser darauf hingewiesen hatte, weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen nicht durchführen zu wollen, ist ein Antrag nach § 109 SGG vom Kläger nicht gestellt worden. Auf die im Erörterungstermin geübte Kritik an dem vom Senat eingeholten Gutachten von Dr. V. ist dem Kläger die ergänzende Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen vom 19. Juli 2010 am 3. August 2010 übersandt worden. Auch nach Kenntnis der Stellungnahme von Dr. V., wonach dem "Rentenfixierungsbegehren" des Klägers keine leistungsmindernde Bedeutung zukomme und der Vorwurf der "fehlenden Konsistenzprüfung" unberechtigt sei, hat der Kläger keine Veranlassung gesehen, angesichts des für ihn weiterhin negativen Beweisergebnisses von seinem Antragsrecht Gebrauch zu machen. Schließlich ist nach der Ladung des Rechtsstreits am 28. September 2010 kein Antrag auf Einholung eines Gutachtens von einem Arzt des Vertrauens gestellt worden. Das weitere Zuwarten des Klägers mit dem Antrag nach § 109 SGG bis zur letzten sich bietenden Gelegenheit in der mündlichen Verhandlung lässt jede Sorgfalt außer Acht, die von einem sorgfältig Prozessführenden erwartet werden kann, zumal der Kläger für die verspätete Antragstellung keine rechtfertigenden Gründe angegeben hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. Dezember 1971 - 11 RA 56/71 -, SozR Nr. 40 zu § 109).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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