Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 RJ 60/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 RJ 82/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 48/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer Witwenrente nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die am ... 1926 geborene Klägerin kam am 23. Juli 1997 aus K. in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist als Spätaussiedlerin nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannt.
Am 3. September 1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten Anträge auf Gewährung von Altersrente und von Witwenrente. Der Ehemann der Kläger war bereits am 1978 im gemeinsamen Wohnort der Eheleute in P. in der damaligen UdSSR verstorben.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 30. April 1998 eine Regelaltersrente ab dem 23. Juli 1997. Dabei errechnete sie 26,2770 Persönliche Entgeltpunkte (Ost), begrenzte diese aber auf 25,000 Persönliche Entgeltpunkte (Ost). Grundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte waren ausschließlich nach dem FRG zu berücksichtigende Zeiten.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente. Dabei stellte sie für die Rentenberechnung insgesamt 30,9417 Persönliche Entgeltpunkte (Ost) fest. Grundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte waren nur nach dem FRG zu berücksichtigende Zeiten. In dem Bescheid führte die Beklagte aus, die Rente werde ab Rentenbeginn (dem 23. Juli 1997) nicht gezahlt. Für anrechenbare Zeiten seien nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte zu berücksichtigen. Die würden auf die nach dem FRG gewährten Renten aufgeteilt und bei der Klägerin bereits vorrangig bei der Rente aus ihrer Versicherung berücksichtigt. Dieser Rentenbescheid wurde bestandskräftig.
Mit einem am 8. April 2002 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 11. Februar 1999. Die Beklagte stellte darauf hin mit Bescheid vom 21. November 2002 fest, der Witwenrentenbescheid sei rechtmäßig. Die Rentenzahlungen erfolgten bei Berücksichtigung des Maximalwertes von 25 Entgeltpunkten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und berief sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2003 als unbegründet zurück: Der Bescheid vom 11. Februar 1999 sei nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat am 20. Februar 2003 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. April 2004 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt: Die Beklagte habe die Hinterbliebenenrente der Klägerin zu Recht nicht ausgezahlt. Nach § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG würden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Der Wortlaut der Norm lasse die Anwendung auch auf Hinterbliebenenrenten zu. Die 25 Entgeltpunkte seien nur der Maßstab, in welcher Höhe der Gesetzgeber die Existenz der Aussiedler sichern wolle. Aus systematischer Sicht setze § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG den Wert von 25 Entgeltpunkten für Alleinstehende fest. Daraus ergebe sich, dass eine Witwe oder ein Witwer nach dem Tode des Ehegatten keine höhere Rente nach dem FRG beziehen solle. Bei Ehegatten gelte nach dem FRG eine Beschränkung auf maximal 40 Entgeltpunkte für beide Rentenbezieher. Nach dem Tode eines Ehegatten verringerten sich die Haushaltskosten regelmäßig. Deshalb gelte dann die Obergrenze von 25 Entgeltpunkten. Es wäre mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Fürsorgegedanken nicht vereinbar, die Hinterbliebenen besser zu stellen.
Gegen den am 24. April 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 7. Mai 2004 Berufung eingelegt. Sie beruft sich auf die nach ihrer Auffassung eindeutige Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG, die auch in ihrem Falle eine Begrenzung der Gesamtrente auf 25 Entgeltpunkte ausschließe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. April 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 21. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 11. Februar 1999 abzuändern und die Witwenrente neu unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berechnen und an sie auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für richtig und verweist ergänzend darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 den § 22b FRG geändert hat. Damit werde klargestellt, dass die bisherige Auffassung der Rentenversicherungsträger richtig sei, wonach die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte auch den Anspruch auf Witwenrente nach dem FRG erfasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten über das Verfahren betreffend die Altersrente der Klägern (Versicherungsnummer ) und das Witwenrentenverfahren (Versicherungsnummer ) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senates.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§105 Abs. 2, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und fristgerecht eingelegt Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist aber nicht begründet.
Die Beklagte hat zu Recht die Gesamtansprüche der Klägerin auf Rentenleistungen aus der Altersrente und der Witwenrente nach dem FRG auf eine Leistung unter Berücksichtigung von insgesamt 25 Entgeltpunkten begrenzt, so dass im Ergebnis nur die so begrenzte Altersrente zu Auszahlung kommt.
Rechtsgrundlage für die Begrenzung der Rentenleistungen ist § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I 2004, S. 1791). Diese im Art. 9 Nr. 2 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes enthaltene neue Fassung ist gemäß Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz mit Wirkung zum 7. Mai 1996 in Kraft getreten. Die Ausnahmevorschrift des § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), nach der aufgehobene Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird, ist nicht anwendbar, denn der Anspruch ist hier nicht innerhalb von drei Monaten nach der rückwirkend bestimmten Aufhebung zum 7. Mai 1996 geltend gemacht worden.
In der Fassung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz lautet § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG: "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt." Diese Bestimmung schließt es aus, an die Klägerin Rentenleistungen aus der Witwenrente zu erbringen. Denn sowohl bei ihrer Altersrente aus eigener Versicherung als auch bei der Witwenrente nach ihrem 12. März 1978 in der damaligen UdSSR verstorben Ehemann resultieren die Entgeltpunkte ausschließlich aus nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten. Weil bereits bei der gezahlten Altersrente 25 Entgeltpunkte zugrunde gelegt sind, können die Entgeltpunkte der Witwenrente sich nicht mehr rentensteigernd auswirken.
Der Senat hält die Neuregelung des FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz auch nicht für verfassungswidrig und somit für anwendbares Recht. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Neufassung mit Wirkung zum 7. Mai 1996 verfassungsrechtlich unzulässig ist. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Norm beim Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle ist daher ausgeschlossen.
Nach Auffassung des Senats kommt der rückwirkenden Änderung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz eine sogenannte echte Rückwirkung zu. Gleichwohl ist der Senat nicht zu der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Neureglung gelangt.
Vor der durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erfolgten rückwirkenden Änderung galt § 22b Abs. 1 Nr. 1 in der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) eingeführten Fassung und hatte den Wortlaut: "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt." Die Rentenversicherungsträger sahen schon hierin eine Grundlage für die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte auch in den Fällen, in denen eine Renten aus eigener Versicherung und eine Hinterbliebenenrenten zusammentrafen. Hiergegen gerichtete Klagen hatten in letzter Instanz vor dem Bundessozialgericht Erfolg. Zunächst hat der 4. Senat des BSG seiner Entscheidung die Auffassung zu Grunde gelegt, dass die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte dann keine Anwendung finde, wenn die oder der Begünstigte neben dem Rentenanspruch aus eigener Versicherung auch ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente hat (Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R = BSGE 88, 288 ff. = SozR 3-5050 § 22b FRG Nr. 2). Der 13. Senat des BSG hat sich dem im Ergebnis angeschlossen und ausgeführt, rechtssystematische Gesichtspunkte widersprächen einer Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte im § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG auf die Witwenrente (Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R = SozR 4-5050 § 22b FRG Nr. 1). Der 8. Senat des BSG hat entschieden, dass Spätaussiedler neben der Altersrente nach dem FRG Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente auf Grundlage von 25 Entgeltpunkten haben können (Urteil vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R = SozR 4-5050 § 22b Nr. 2).
Im Entwurf des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes hat der Gesetzgeber ausdrücklich auf das oben genannte Urteil des 4. Senats des BSG vom 30. August 2001 Bezug genommen und ausgeführt, durch die Neufassung solle lediglich "klargestellt" werden, dass entgegen dieser Entscheidung auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versicherungsrente und eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt werden soll (BT-Drucks. 15/2149 S. 32). Der 13. Senat des BSG hat sich in seiner Entscheidung vom 11. März 2004 - B RJ 44/03 R = SozR 4-5050 § 22b FRG Nr. 1 - mit der damals noch nicht in Kraft getretenen Änderung befasst und ausgeführt, die Ergänzung des Gesetzeswortlauts gehe über eine Klarstellung hinaus und bedeute eine inhaltliche Änderung. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Auslegung einer Norm durch die Rechtsprechung nicht einverstanden sei, könne er nicht selbst bestimmen, wie eine Norm authentisch zu interpretieren sei. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Die Frage, ob eine bloße Klarstellung ohne materiell-rechtliche Auswirkungen oder eine inhaltliche Änderung vorliegt, ist nach Auffassung des Senats aus der Sicht des von der Rechtsanwendung betroffenen Personenkreises zu beurteilen.
Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung konnte die Klägerin davon ausgehen, dass bei Anwendung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung durch das WFG die von der Beklagten vorgenommene Begrenzung spätestens in der Revisionsinstanz durch ein Urteil aufgehoben würde und sich für sie ein höherer Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten ergäbe. Insofern ist mit der Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz eine neue Situation geschaffen worden. Denn die rückwirkend anzuwendende Norm kann dem klaren Wortlaut nach nicht mehr im dem Sinne der oben zitierten Rechtsprechung interpretiert werden. Insofern wird durch die Änderung auch in einen Sachverhalt eingegriffen, der bereits vor der Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes abgeschlossen war und die Rechtsposition der Klägerin nachhaltig verschlechtert, so dass eine sogenannte echte Rückwirkung vorliegt (siehe zum Begriff bei Jarass/Pieroth, Komm, zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2000, Art. 20 Rn. 68). Dies lässt sich nicht alleine mit dem Hinweise rechtfertigen, es handele sich um eine bloße "Klarstellung". Wenn dem Gesetzgeber stets ohne weitere Prüfung als Reaktion auf eine aus seiner Sicht verfehlte höchstrichterliche Rechtsprechung die Möglichkeit zubilligt würde, den umstritten Norminhalt rückwirkend authentisch zu interpretieren, liefe dies auf eine mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht zu vereinbarende Kompetenzverlagerung hinaus.
Im konkreten Fall liegt aber eine Rechtfertigung für die Rückwirkung der Gesetzesänderung vor. Das grundsätzliche Verbot einer echten Rückwirkung wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) durchbrochen, wenn dafür besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen (siehe u. a. BVerfGE 72, 200, 258 f.).
Ein solcher Rechtfertigungsgrund liegt vor, wenn das geltende Recht unklar und verworren war. In einem solchen Fall ist der Gesetzgeber berechtigt, die unklare Rechtslage auch rückwirkend zu beseitigen (siehe dazu Urteil des BSG vom 25. Juni 1998 - B 7 AL 2/98 R = BSGE 82, 198, 205 = SozR 3-4100 § 242v Nr. 1 AFG - mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Der Senat ist der Auffassung, dass dieser Rechtfertigungsgrund auch dann Anwendung findet, wenn über die Auslegung einer Norm trotz einer höchstrichterlichen Rechtsprechung noch immer für die Rechtsanwendung bedeutsame Zweifel bestehen. Ein derartiger Fall lag hier vor Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vor. Die Rechtsprechung des BSG wurde von den Rentenversicherungsträgers bewusst nicht befolgt. Sie stieß auch bei den Instanzgerichten zumindest teilweise auf hartnäckigen Widerstand. In diesem Sinn hat das LSG Nordrhein-Westfalen ausdrücklich entgegen der Entscheidung des 4. Senats geurteilt (Urteil vom 30. Juli 2003 - L 8 RJ 64/03). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung durch das WFG bewirke eine Umstellung vom Eingliederungsprinzip des FRG zum Bedürftigkeitsprinzip. Der an der Bedürftigkeit orientierten Leistungsgewährung widerspreche es, wenn der Hinterbliebene ohne die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte für Versicherten- unter Hinterbliebenenrenten besser gestellt werde als ein Alleinstehender. Dem hat sich der 8. Senat des Hessischen Landessozialgericht im Urteil vom 16. Dezember 2004 - L 8 KN 13/03 angeschlossen. Der hier erkennende Senat hält ebenso wie das in der Vorinstanz erkennende Sozialgericht Magdeburg die Argumentation der von der Rechtsprechung des BSG abweichenden Instanzgerichte für überzeugend und hätte sich dieser bei einer Anwendung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a. F. angeschlossen. Denn nach dem Wortlaut der Norm in der Fassung vor der Änderung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist eine Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte auch bei Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Hinterbliebenenrente nicht ausgeschlossen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Regelung über die Entgeltpunkte im § 22b FRG zu einer besonderen Rente für Spätaussiedler fuhrt, die als Fürsorgeleistung ausgestaltet ist, liegt es nahe, dass sich die Entgeltpunktebegrenzung nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers auch auf die Fälle des Zusammentreffens von jeweils nach dem FRG gewährter Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten erstrecken soll.
Angesichts der auf gewichtige Argumente gestützten Ablehnung der Rechtsprechung des BSG und der entgegenstehenden Verwaltungspraxis konnte somit zum Zeitpunkt der Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 21. Juli 2004 nicht von einer abschließend geklärten Rechtslage ausgegangen werden. Eine auch rückwirkende Klärung durch den Gesetzgeber war insbesondere unter dem Gesichtspunkt geboten, dass die Rechtsprechung des BSG im Ergebnis zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Besserstellung der Hinterbliebenen mit Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente nach dem FRG im Verhältnis zu den Leistungsempfängern führte, die nur eine nach dem FRG gewährte Rente aus eigenem Recht erhielten. Denn wenn es sich bei den Leistungen aus dem FRG dem Kern nach seit der Modifizierung der Leistungsgewährung durch das WFG um Fürsorgeleistungen handelt, lässt sich die differenzierte Anwendung der Entgeltpunktbegrenzung danach, ob schon der verstorbene Ehepartner eine Leistung nach dem WFG bezog, schwerlich rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer Witwenrente nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die am ... 1926 geborene Klägerin kam am 23. Juli 1997 aus K. in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist als Spätaussiedlerin nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannt.
Am 3. September 1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten Anträge auf Gewährung von Altersrente und von Witwenrente. Der Ehemann der Kläger war bereits am 1978 im gemeinsamen Wohnort der Eheleute in P. in der damaligen UdSSR verstorben.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 30. April 1998 eine Regelaltersrente ab dem 23. Juli 1997. Dabei errechnete sie 26,2770 Persönliche Entgeltpunkte (Ost), begrenzte diese aber auf 25,000 Persönliche Entgeltpunkte (Ost). Grundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte waren ausschließlich nach dem FRG zu berücksichtigende Zeiten.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente. Dabei stellte sie für die Rentenberechnung insgesamt 30,9417 Persönliche Entgeltpunkte (Ost) fest. Grundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte waren nur nach dem FRG zu berücksichtigende Zeiten. In dem Bescheid führte die Beklagte aus, die Rente werde ab Rentenbeginn (dem 23. Juli 1997) nicht gezahlt. Für anrechenbare Zeiten seien nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte zu berücksichtigen. Die würden auf die nach dem FRG gewährten Renten aufgeteilt und bei der Klägerin bereits vorrangig bei der Rente aus ihrer Versicherung berücksichtigt. Dieser Rentenbescheid wurde bestandskräftig.
Mit einem am 8. April 2002 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 11. Februar 1999. Die Beklagte stellte darauf hin mit Bescheid vom 21. November 2002 fest, der Witwenrentenbescheid sei rechtmäßig. Die Rentenzahlungen erfolgten bei Berücksichtigung des Maximalwertes von 25 Entgeltpunkten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und berief sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2003 als unbegründet zurück: Der Bescheid vom 11. Februar 1999 sei nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat am 20. Februar 2003 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. April 2004 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt: Die Beklagte habe die Hinterbliebenenrente der Klägerin zu Recht nicht ausgezahlt. Nach § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG würden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Der Wortlaut der Norm lasse die Anwendung auch auf Hinterbliebenenrenten zu. Die 25 Entgeltpunkte seien nur der Maßstab, in welcher Höhe der Gesetzgeber die Existenz der Aussiedler sichern wolle. Aus systematischer Sicht setze § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG den Wert von 25 Entgeltpunkten für Alleinstehende fest. Daraus ergebe sich, dass eine Witwe oder ein Witwer nach dem Tode des Ehegatten keine höhere Rente nach dem FRG beziehen solle. Bei Ehegatten gelte nach dem FRG eine Beschränkung auf maximal 40 Entgeltpunkte für beide Rentenbezieher. Nach dem Tode eines Ehegatten verringerten sich die Haushaltskosten regelmäßig. Deshalb gelte dann die Obergrenze von 25 Entgeltpunkten. Es wäre mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Fürsorgegedanken nicht vereinbar, die Hinterbliebenen besser zu stellen.
Gegen den am 24. April 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 7. Mai 2004 Berufung eingelegt. Sie beruft sich auf die nach ihrer Auffassung eindeutige Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG, die auch in ihrem Falle eine Begrenzung der Gesamtrente auf 25 Entgeltpunkte ausschließe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. April 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 21. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 11. Februar 1999 abzuändern und die Witwenrente neu unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berechnen und an sie auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für richtig und verweist ergänzend darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 den § 22b FRG geändert hat. Damit werde klargestellt, dass die bisherige Auffassung der Rentenversicherungsträger richtig sei, wonach die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte auch den Anspruch auf Witwenrente nach dem FRG erfasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten über das Verfahren betreffend die Altersrente der Klägern (Versicherungsnummer ) und das Witwenrentenverfahren (Versicherungsnummer ) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senates.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§105 Abs. 2, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und fristgerecht eingelegt Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist aber nicht begründet.
Die Beklagte hat zu Recht die Gesamtansprüche der Klägerin auf Rentenleistungen aus der Altersrente und der Witwenrente nach dem FRG auf eine Leistung unter Berücksichtigung von insgesamt 25 Entgeltpunkten begrenzt, so dass im Ergebnis nur die so begrenzte Altersrente zu Auszahlung kommt.
Rechtsgrundlage für die Begrenzung der Rentenleistungen ist § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I 2004, S. 1791). Diese im Art. 9 Nr. 2 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes enthaltene neue Fassung ist gemäß Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz mit Wirkung zum 7. Mai 1996 in Kraft getreten. Die Ausnahmevorschrift des § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), nach der aufgehobene Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird, ist nicht anwendbar, denn der Anspruch ist hier nicht innerhalb von drei Monaten nach der rückwirkend bestimmten Aufhebung zum 7. Mai 1996 geltend gemacht worden.
In der Fassung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz lautet § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG: "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt." Diese Bestimmung schließt es aus, an die Klägerin Rentenleistungen aus der Witwenrente zu erbringen. Denn sowohl bei ihrer Altersrente aus eigener Versicherung als auch bei der Witwenrente nach ihrem 12. März 1978 in der damaligen UdSSR verstorben Ehemann resultieren die Entgeltpunkte ausschließlich aus nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten. Weil bereits bei der gezahlten Altersrente 25 Entgeltpunkte zugrunde gelegt sind, können die Entgeltpunkte der Witwenrente sich nicht mehr rentensteigernd auswirken.
Der Senat hält die Neuregelung des FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz auch nicht für verfassungswidrig und somit für anwendbares Recht. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Neufassung mit Wirkung zum 7. Mai 1996 verfassungsrechtlich unzulässig ist. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Norm beim Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle ist daher ausgeschlossen.
Nach Auffassung des Senats kommt der rückwirkenden Änderung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz eine sogenannte echte Rückwirkung zu. Gleichwohl ist der Senat nicht zu der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Neureglung gelangt.
Vor der durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erfolgten rückwirkenden Änderung galt § 22b Abs. 1 Nr. 1 in der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) eingeführten Fassung und hatte den Wortlaut: "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt." Die Rentenversicherungsträger sahen schon hierin eine Grundlage für die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte auch in den Fällen, in denen eine Renten aus eigener Versicherung und eine Hinterbliebenenrenten zusammentrafen. Hiergegen gerichtete Klagen hatten in letzter Instanz vor dem Bundessozialgericht Erfolg. Zunächst hat der 4. Senat des BSG seiner Entscheidung die Auffassung zu Grunde gelegt, dass die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte dann keine Anwendung finde, wenn die oder der Begünstigte neben dem Rentenanspruch aus eigener Versicherung auch ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente hat (Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R = BSGE 88, 288 ff. = SozR 3-5050 § 22b FRG Nr. 2). Der 13. Senat des BSG hat sich dem im Ergebnis angeschlossen und ausgeführt, rechtssystematische Gesichtspunkte widersprächen einer Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte im § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG auf die Witwenrente (Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R = SozR 4-5050 § 22b FRG Nr. 1). Der 8. Senat des BSG hat entschieden, dass Spätaussiedler neben der Altersrente nach dem FRG Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente auf Grundlage von 25 Entgeltpunkten haben können (Urteil vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R = SozR 4-5050 § 22b Nr. 2).
Im Entwurf des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes hat der Gesetzgeber ausdrücklich auf das oben genannte Urteil des 4. Senats des BSG vom 30. August 2001 Bezug genommen und ausgeführt, durch die Neufassung solle lediglich "klargestellt" werden, dass entgegen dieser Entscheidung auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versicherungsrente und eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt werden soll (BT-Drucks. 15/2149 S. 32). Der 13. Senat des BSG hat sich in seiner Entscheidung vom 11. März 2004 - B RJ 44/03 R = SozR 4-5050 § 22b FRG Nr. 1 - mit der damals noch nicht in Kraft getretenen Änderung befasst und ausgeführt, die Ergänzung des Gesetzeswortlauts gehe über eine Klarstellung hinaus und bedeute eine inhaltliche Änderung. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Auslegung einer Norm durch die Rechtsprechung nicht einverstanden sei, könne er nicht selbst bestimmen, wie eine Norm authentisch zu interpretieren sei. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Die Frage, ob eine bloße Klarstellung ohne materiell-rechtliche Auswirkungen oder eine inhaltliche Änderung vorliegt, ist nach Auffassung des Senats aus der Sicht des von der Rechtsanwendung betroffenen Personenkreises zu beurteilen.
Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung konnte die Klägerin davon ausgehen, dass bei Anwendung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung durch das WFG die von der Beklagten vorgenommene Begrenzung spätestens in der Revisionsinstanz durch ein Urteil aufgehoben würde und sich für sie ein höherer Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten ergäbe. Insofern ist mit der Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz eine neue Situation geschaffen worden. Denn die rückwirkend anzuwendende Norm kann dem klaren Wortlaut nach nicht mehr im dem Sinne der oben zitierten Rechtsprechung interpretiert werden. Insofern wird durch die Änderung auch in einen Sachverhalt eingegriffen, der bereits vor der Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes abgeschlossen war und die Rechtsposition der Klägerin nachhaltig verschlechtert, so dass eine sogenannte echte Rückwirkung vorliegt (siehe zum Begriff bei Jarass/Pieroth, Komm, zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2000, Art. 20 Rn. 68). Dies lässt sich nicht alleine mit dem Hinweise rechtfertigen, es handele sich um eine bloße "Klarstellung". Wenn dem Gesetzgeber stets ohne weitere Prüfung als Reaktion auf eine aus seiner Sicht verfehlte höchstrichterliche Rechtsprechung die Möglichkeit zubilligt würde, den umstritten Norminhalt rückwirkend authentisch zu interpretieren, liefe dies auf eine mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht zu vereinbarende Kompetenzverlagerung hinaus.
Im konkreten Fall liegt aber eine Rechtfertigung für die Rückwirkung der Gesetzesänderung vor. Das grundsätzliche Verbot einer echten Rückwirkung wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) durchbrochen, wenn dafür besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen (siehe u. a. BVerfGE 72, 200, 258 f.).
Ein solcher Rechtfertigungsgrund liegt vor, wenn das geltende Recht unklar und verworren war. In einem solchen Fall ist der Gesetzgeber berechtigt, die unklare Rechtslage auch rückwirkend zu beseitigen (siehe dazu Urteil des BSG vom 25. Juni 1998 - B 7 AL 2/98 R = BSGE 82, 198, 205 = SozR 3-4100 § 242v Nr. 1 AFG - mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Der Senat ist der Auffassung, dass dieser Rechtfertigungsgrund auch dann Anwendung findet, wenn über die Auslegung einer Norm trotz einer höchstrichterlichen Rechtsprechung noch immer für die Rechtsanwendung bedeutsame Zweifel bestehen. Ein derartiger Fall lag hier vor Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vor. Die Rechtsprechung des BSG wurde von den Rentenversicherungsträgers bewusst nicht befolgt. Sie stieß auch bei den Instanzgerichten zumindest teilweise auf hartnäckigen Widerstand. In diesem Sinn hat das LSG Nordrhein-Westfalen ausdrücklich entgegen der Entscheidung des 4. Senats geurteilt (Urteil vom 30. Juli 2003 - L 8 RJ 64/03). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung durch das WFG bewirke eine Umstellung vom Eingliederungsprinzip des FRG zum Bedürftigkeitsprinzip. Der an der Bedürftigkeit orientierten Leistungsgewährung widerspreche es, wenn der Hinterbliebene ohne die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte für Versicherten- unter Hinterbliebenenrenten besser gestellt werde als ein Alleinstehender. Dem hat sich der 8. Senat des Hessischen Landessozialgericht im Urteil vom 16. Dezember 2004 - L 8 KN 13/03 angeschlossen. Der hier erkennende Senat hält ebenso wie das in der Vorinstanz erkennende Sozialgericht Magdeburg die Argumentation der von der Rechtsprechung des BSG abweichenden Instanzgerichte für überzeugend und hätte sich dieser bei einer Anwendung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a. F. angeschlossen. Denn nach dem Wortlaut der Norm in der Fassung vor der Änderung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist eine Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte auch bei Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Hinterbliebenenrente nicht ausgeschlossen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Regelung über die Entgeltpunkte im § 22b FRG zu einer besonderen Rente für Spätaussiedler fuhrt, die als Fürsorgeleistung ausgestaltet ist, liegt es nahe, dass sich die Entgeltpunktebegrenzung nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers auch auf die Fälle des Zusammentreffens von jeweils nach dem FRG gewährter Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten erstrecken soll.
Angesichts der auf gewichtige Argumente gestützten Ablehnung der Rechtsprechung des BSG und der entgegenstehenden Verwaltungspraxis konnte somit zum Zeitpunkt der Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 21. Juli 2004 nicht von einer abschließend geklärten Rechtslage ausgegangen werden. Eine auch rückwirkende Klärung durch den Gesetzgeber war insbesondere unter dem Gesichtspunkt geboten, dass die Rechtsprechung des BSG im Ergebnis zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Besserstellung der Hinterbliebenen mit Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente nach dem FRG im Verhältnis zu den Leistungsempfängern führte, die nur eine nach dem FRG gewährte Rente aus eigenem Recht erhielten. Denn wenn es sich bei den Leistungen aus dem FRG dem Kern nach seit der Modifizierung der Leistungsgewährung durch das WFG um Fürsorgeleistungen handelt, lässt sich die differenzierte Anwendung der Entgeltpunktbegrenzung danach, ob schon der verstorbene Ehepartner eine Leistung nach dem WFG bezog, schwerlich rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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