L 11 KA 96/10 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 308/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 96/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.08.2010 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussbeschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.08.2010 abgeändert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung vom 10.11.2008 durch Anordnungsbescheid vom 03.08.2009 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der zum Az. S 2 KA 188/09 (L 11 KA 92/10) vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage wird festgestellt. Antragstellerin und Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen je zur Hälfte als Gesamtschuldner. Der Streitwert wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist eine zur vertragsärztlichen Versorgung in T zugelassene Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin, teils mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie. Am 28.08.2008 beantragte sie die Genehmigung einer fachärztlich nephrologischen Zweigpraxis mit Dialyse im St.-G-Krankenhaus F.

Die Antragsgegnerin holte eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz ein (Schreiben vom 02.10.2008). Diese teilte die Dialyseeinrichtungen ihres nördlichen Bereiches und deren Versorgungsregionen sowie die Auslastung der Praxen mit und wies darauf hin, dass sich darunter eine Hauptpraxis in C mit Zweigpraxis in B befinde; diese Dialysepraxis sei jedoch zu 100 % ausgelastet, so dass von dort aus keine weiteren Dialysepatienten aus den Gemeinden F, X und S versorgt werden könnten (Schreiben vom 13.10.2008).

Sodann wandte sich die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Stellungnahme der KV Rheinland-Pfalz an die Landesverbände der Krankenkassen mit dem Bemerken, es sei beabsichtigt, den Antrag zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyse-Versorgung zu befürworten; um Stellungnahme bis zum 07.11.2008 werde gebeten; sofern keine Stellungnahme abgegeben werde, setze sie - die Antragsgegnerin - das Einverständnis voraus (Schreiben vom 22.10.2008). Die Landwirtschaftliche Krankenkasse Nordrhein-Westfalen und der Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen befürworteten den Antrag. Die übrigen Adressaten äußerten sich nicht.

Mit Bescheid vom 10.11.2008 genehmigte die Antragsgegnerin die Zweigpraxis in F, I-straße 00. Eine Begründung enthält der Bescheid nicht.

Der Beigeladene, als Facharzt für Innere Medizin in I zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, legte fristgerecht Widerspruch ein. Eine wohnortnahe Versorgung sei durch seine freien Kapazitäten gewährleistet. Er dialysiere zur Zeit mehr als 30 Kassenpatienten; seine freien Kapazitäten lägen nach den gültigen Richtlinien bei über 60 Patienten.

Unter dem 23.03.2009 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, sie gehe davon aus, nicht nur Dialyseleistungen zu erbringen, vielmehr entsprechend ihrer nephrologischen Tätigkeit am Hauptpraxissitz auch Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen des genehmigten Einzugsgebietes in der Zweigpraxis ambulant versorgen zu können.

Auf Antrag vom 15.06.2009 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Zweigpraxisgenehmigung insoweit an, als diese die wohnortnahe Durchführung und Abrechnung von Dialyseleistungen bei solchen - namentlich noch zu benennenden - Patienten betrifft, die derzeit schon in der Hauptbetriebsstätte in T versorgt werden (Anordnungsbescheid vom 03.08.2009). Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Die Genehmigung sei rechtmäßig. Ein besonderes öffentliches Interesse liege vor (wird ausgeführt).

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Beigeladenen wegen fehlender Anfechtungsbefugnis zurück.

Diese Entscheidung hat der Beigeladene im Hauptsacheverfahren S 2 KA 188/09 (Sozialgericht (SG) Düsseldorf) mit der Klage angegriffen.

Am 28.06.2010 hat die Antragstellerin beim SG um einstweiligen Rechtsschutzes ersucht. Eine Auslastung am Zweigpraxisstandort sei durch die eingeschränkte sofortige Vollziehungsanordnung nicht gewährleistet. Angesichts der Altersstruktur der Dialysepatienten reduziere sich die Anzahl der bis zum Stichdatum versorgten Patienten laufend. Neue Patienten dürften nicht behandelt werden. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Zweigpraxis sei nicht möglich. Die Einrichtung einer Dialysepraxis am St. G-Krankenhaus F sei mit einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden. Da dort derzeit eine nicht ausreichende Anzahl von Patienten behandelt werden dürfe, sei der für den Zweigpraxisstandort abgestellte Arzt nicht ausgelastet und fehle gleichzeitig in der Hauptbetriebsstätte. Der Beigeladene habe es mittels Verschleppungstaktik geschafft, sie faktisch davon abzuhalten, von der Genehmigung Gebrauch zu machen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die sofortige Vollziehung der ihr von der Beklagten (Antragsgegnerin) erteilten Dialyse-Zweigpraxisgenehmigung vom 10.11.2008 - Az. 000 - auch hinsichtlich der Behandlung derjenigen Dialysepatienten anzuordnen, die am 10.11.2008 noch nicht in ihrer Hauptbetriebsstätte in T versorgt wurden, und den Antrag des Beigeladenen vom 08.07.2010 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

beide Anträge zurückzuweisen.

Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis. Die sofortige Vollziehung sei zunächst bei der Verwaltung zu beantragen. Nur bei erkennbarer Aussichtslosigkeit bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung. Dies sei hier nicht der Fall. Bereits am 03.08.2009 habe sie den Sofortvollzug angeordnet. Um nach damaliger Rechtslage den Interessen des Drittwiderspruchsführers Rechnung zu tragen, habe sie den Sofortvollzug auf Dialyseleistungen bei Patienten begrenzt, die die Antragstellerin bereits zuvor in ihrer Hauptbetriebsstätte in T versorgt habe. Das habe die Antragstellerin über Monate akzeptiert. Deswegen und angesichts der inzwischen erfolgten höchstrichterlichen Klärung der Frage der Anfechtungsberechtigung hätte es nahe gelegen, zunächst einen erneuten behördlichen Antrag zu stellen. Eine Überprüfung der abgerechneten Leistungen in den Quartalen IV/2009 und I/2010 habe ergeben, dass alle Leistungen über die Hauptbetriebsstättennummer abgerechnet worden seien. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass bislang trotz eingeschränkter Anordnung der sofortigen Vollziehung von der erteilten Zweigpraxisgenehmigung kein Gebrauch gemacht worden sei.

Der Beigeladene hat beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen, sowie zusätzlich, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung vom 10.11.2008 durch die Beklagte (Antragsgegnerin) vom 03.08.2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht statthaft. Die Antragstellerin hätte sich zunächst an die Antragsgegnerin wenden müssen. Er - der Beigeladene - sei anfechtungsberechtigt. Die Bestimmungen der Qualitätssicherungsvereinbarung für Blutreinigungsverfahren sowie der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag/Ersatzkassenvertrag (BMV-Ä/EKV) gewährten den Dialyseärzten, denen - wie ihm - eine Versorgungsregion zugewiesen sei, grundsätzlich Konkurrenzschutz. Der Genehmigungsbescheid sei zudem rechtswidrig. Das Genehmigungsverfahren sei unzulänglich durchgeführt worden. Die Antragsgegnerin habe nicht beachtet, dass seine - des Beigeladenen - Praxis in I in derselben Versorgungsregion liege und Patienten aus dem Umfeld von F, X oder S seine Praxis wesentlich schneller, innerhalb kürzerer Fahrzeiten und für die Kostenträger günstiger erreichten als vergleichsweise die Praxis der Antragstellerin. Er verfüge über ausreichende Kapazitäten, um die von der Antragstellerin genannten 30 bzw. 24 dialysepflichtigen Patienten zu versorgen. Die Antragstellerin beabsichtige nicht, schon behandelte Patienten wohnortnah zu versorgen. Ihr gehe es ausschließlich darum, neue Patientenkreise zu seinen Lasten zu erschließen. Trotz Anordnung des Sofortvollzuges der Zweigpraxisgenehmigung sei bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein Dialyseplatz eingerichtet und kein einziger Patient versorgt worden. Der Genehmigungsbescheid vom 10.11.2008 sei auch formell fehlerhaft, da der Tenor über den gestellten Antrag hinausgehe und er - der Beigeladene - weder angehört noch die Kreisstelle des S-Kreises um Stellungnahme gebeten worden sei.

Durch Beschluss vom 05.08.2010 hat das SG die Anträge der Antragstellerin und des Beigeladenen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Grundvoraussetzung für eine gerichtliche Entscheidung sei ein Rechtsschutzbedürfnis, das nur dann bestehe, wenn ein bei der Verwaltung gestellter Antrag erkennbar aussichtslos sei. Das sei der Fall. Die Antragstellerin habe sich bereits einmal mit einem Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Zweigpraxisgenehmigung an die Antragsgegnerin gewandt. Ob ein weiterer Antrag auf Anordnung des Sofortvollzuges der Zweigpraxisgenehmigung in vollem Umfang erfolgversprechend gewesen wäre, bleibe unsicher. Hinzu komme, dass der Beigeladene am 08.10.2009 und damit zeitnah nach Anordnung des teilweisen Sofortvollzuges am 03.08.2009 Klage in der Hauptsache (S 2 KA 188/09) erhoben habe, so dass das Gericht ohnehin mit der Angelegenheit befasst sei. Der Antrag der Antragstellerin auf uneingeschränkte sofortige Vollziehungsanordnung ihrer Dialysezweigpraxisgenehmigung sei zurückzuweisen. Die Klage des Beigeladenen im Hauptsacheverfahren S 2 KA 188/09 entfalte aufschiebende Wirkung. Die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage des Beigeladenen seien offen. Zwar sei nach der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - ein Dritter grundsätzlich nicht berechtigt, die Erteilung der Genehmigung für eine Zweigpraxis anzufechten. Für die Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten bzw. die Durchführung von Versorgungsaufträgen mit Dialyse würden indes besondere Anforderungen gelten (wird ausgeführt). Ob und inwieweit die wohnortnahe Versorgung der Patienten aus F/X/S durch die Praxis in I nicht hinreichend sichergestellt sei, habe die Antragsgegnerin nicht geprüft. Sie habe in ihren Anschreiben an die Landesverbände der Krankenkassen vom 22.10.2008 lediglich auf die Mitteilung der KV Rheinland-Pfalz über die Vollauslastung der Dialyse-Praxis in B hingewiesen. Aus den Verwaltungsvorgängen ergäben sich keine Erkenntnisse betreffend den Auslastungsgrad der Dialysepraxis des Beigeladenen. Nach seinem - bestrittenen - Vortrag verfüge er noch über ausreichende Kapazitäten. Dem sei im Hauptsacheverfahren näher nachzugehen. Im Rahmen der Abwägung sei es geboten, den bisherigen status quo bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens beizubehalten. Der Antrag des Beigeladenen sei daher abzulehnen. Den Beigeladenen belaste dies nicht, weil diese Patienten ohnehin nicht seine eigenen, sondern solche der Antragstellerin seien. In diese Bewertung fließe ein, dass die grundrechtlich geschützte kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur der Dialysepraxis des Beigeladenen durch einen uneingeschränkten Sofortvollzug der Zweigpraxisgenehmigung möglicherweise irreparabel gefährdet werde und eine Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund für einen uneingeschränkten Sofortvollzug. Die Antragstellerin habe von der ihr unter dem 10.11.2008 erteilten Zweigpraxisgenehmigung keinen Gebrauch gemacht.

Diese Entscheidung greifen die Antragstellerin und der Beigeladene mit Beschwerde bzw. Anschlussbeschwerde an.

Die Antragstellerin trägt vor: Der Beigeladene sei weder anfechtungsberechtigt noch sei die Zweigpraxisgenehmigung rechtswidrig (wird ausgeführt). Eine Dialysezweigpraxisgenehmigung eröffne weder den Zutritt zum Dialysemarkt noch würden die Teilnahmemöglichkeiten rechtlich erweitert. Werde eine Anfechtungsberechtigung unterstellt, sei die Klage im Hauptsacheverfahren dennoch unbegründet, da die Zweigpraxisgenehmigung rechtmäßig sei. Da sie dem Antrag entsprochen habe, bedürfe die Genehmigung keiner Begründung. Dennoch sei davon auszugehen, dass sowohl die Antragsgegnerin als auch die Landesverbände der Krankenkassen die Praxis des Beigeladenen in ihre Erwägungen einbezogen und gleichwohl die Zweigpraxis der Antragstellerin als zur Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig erachtet hätten. Auch in der Sache seien die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Feststellung, dass die Zweigpraxis der Antragstellerin zur Sicherstellung der Dialyseversorgung angesichts der geographischen Gegebenheiten notwendig sei, erfüllt (wird dargelegt). Demzufolge führe die Zweigpraxisgenehmigung zu einer Verbesserung der wohnortnahen Versorgung der Dialysepatienten. Die Anforderungen an eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur müssten nicht erfüllt sein; für diese vom SG aufgestellte Voraussetzung gebe es keine Rechtsgrundlage (wird dargelegt). Ein besonderes öffentliches Interesse sei gegeben. Der Beigeladene sei nicht geeignet, die wohnortnahe Dialyseversorgung der Patienten im östlichen S-Kreis sicherzustellen. Sie - die Antragstellerin - könne die Tätigkeit am Zweigpraxisstandort nur aufnehmen, wenn die sofortige Vollziehung der Zweigpraxisgenehmigung uneingeschränkt angeordnet werde. Die Einrichtung einer Dialysepraxis bedeute einen erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Eine Auslastung am Zweigpraxisstandort sei durch die bislang bestehende eingeschränkte sofortige Vollziehung nicht gewährleistet. Die kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur der Praxis des Beigeladenen sei aus Rechtsgründen nicht schützenswert. Auch im Übrigen drohten ihm keine irreparablen Schäden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.08.2010 - Az.: S 2 KA 308/10 ER - aufzuheben und die sofortige Vollziehung der der Antragstellerin erteilten Dialyse-Zweigpraxisgenehmigung vom 10.11.2008 - Az. 000 - uneingeschränkt anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde der Antragsteller und die Anschlussbeschwerde des Beigeladenen zurückzuweisen.

Sie meint, ihre Entscheidung sei rechtmäßig.

Der Beigeladene greift die Entscheidung des SG mit der Anschlussbeschwerde an und beantragt:

1. a) den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.08.2010 - S 2 KA 308/10 ER - insoweit aufzuheben, als der Antrag des Beigeladenen auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin vom 10.11.2008 und auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Beigeladenen zurückgewiesen wurde

und

b) unter Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung des Betriebs einer Zweigpraxis für die Antragstellerin vom 10.11.2008 durch die Antragsgegnerin vom 03.08.2009 die aufschiebende Wirkung der Klage des Beigeladenen anzuordnen sowie

2) den Antrag der Antragsstellerin aus der Beschwerdeschrift vom 09.09.2010 zurückzuweisen.

Er trägt vor: Die Antragsstellerin habe über ein Jahr von der Zweigpraxisgenehmigung keinen Gebrauch und nicht einmal Anstalten gemacht, eine solche einzurichten. Der Genehmigungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Er - der Beigeladene - sei anfechtungsberechtigt (wird dargelegt). Der Genehmigungsbescheid sei formell fehlerhaft. Die Antragsgegnerin sei über die beantragte Genehmigung hinausgegangen. Zum anderen sei der Bescheid rechtswidrig, weil er - der Beigeladene - nicht angehört worden sei und die Antragsgegnerin nicht beachtet habe, dass er in der Versorgungsregion, in der die Zweigpraxis genehmigt worden sei, bereits eine Hauptbetriebsstätte unterhalte. Der Genehmigungsbescheid sei zudem materiell rechtswidrig (wird ausgeführt).

Durch Urteil vom 11.08.2010 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, über den Widerspruch des Beigeladenen gegen den der Antragstellerin erteilten Bescheid vom 10.11.008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung greifen Antragstellerin und Antragsgegnerin jeweils mit der Berufung sowie der Beigeladene mit der Anschlussberufung an. Das Verfahren ist vor dem Senat zum Az. L 11 KA 92/10 anhängig.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Streitakte, den Inhalt der Akte L 11 KA 92/10 (S 14 KA 184/09) einschließlich der darin befindlichen Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin.

II.

Die gem. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige (nachfolgend 1.) Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet (nachfolgend 2.).

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist (noch) gegeben. a) Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - indessen darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, 2008, vor § 51 Rdn. 16a). So gilt auch hier, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Düring in Jansen, SGG. 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3). Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Keller, a.a.O., § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, dass § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraussetze, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8 f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER -, 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -).

b) Ausgehend hiervon ist das Rechtsschutzinteresse letztlich (noch) zu bejahen. Die Antragstellerin hat zwar bei der Antragsgegnerin am 15.06.2009 einen Antrag auf sofortige Vollziehung der erteilten Zweigpraxisgenehmigung gestellt, der am 03.08.2008 mit Einschränkungen positiv beschieden wurde. Dies geschah indessen allein vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der seinerzeit ungeklärten Rechtslage (auch) den Interessen des Beigeladenen Rechnung tragen wollte. Zwischenzeitlich hat das BSG die Frage, ob und inwieweit eine Drittanfechtung einer Zweigpraxisgenehmigung zulässig ist, rechtsgrundsätzlich dahin geklärt, dass keine Anfechtungsbefugnis bei defensiven Konkurrentenklagen gegen Zweigpraxisgenehmigungen im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) gegeben ist (Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R -). Angesichts dieser Rechtslage wäre es tunlich gewesen, neuerlich einen Antrag auf (vollumfängliche) sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides bei der Antragsgegnerin zu stellen. Dieser Antrag wäre auch nicht offenkundig aussichtslos gewesen, was die Antragsgegnerin im Gerichtsverfahren mehrfach betont hat (Schriftsätze vom 01.07.2010 und 13.07.2010). Soweit sie nunmehr einschränkend darauf verweist (Schreiben vom 16.11.2010), (nur) damals davon ausgegangen zu sein, dass der Versuch, eine behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos gewesen sei, führt das nicht weiter. Zwar reicht es grundsätzlich aus, wenn die Prozessvoraussetzungen jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 20), indessen gilt dies dann nicht, wenn der Rechtsweg beschritten wird, ohne die zuvor gebotene behördliche Entscheidung einzuholen. Anderenfalls würde sowohl gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen als auch das Gerichtsverfahren zu einem Ersatzverwaltungsverfahren denaturiert und damit zweckentfremdet. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mittels des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl I S. 1983) hinlänglich deutlich gemacht, dass auch er davon ausgeht, dass die Prozessvoraussetzung "Durchführung des Widerspruchsverfahrens" vor Klageerhebung vorliegen müsse. Anderenfalls wäre die durch dieses Gesetz eingefügte Regelung des § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG überflüssig. Wird seither die Klage vor Abschluss des Widerspruchsverfahren erhoben, weist das Gericht sie nicht als unzulässig ab, sondern setzt bis zur Widerspruchsentscheidung aus (Keller, a.a.O., § 114 Rdn. 5). Ob und inwieweit allerdings § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG vorliegend anwendbar ist, lässt der Senat offen. Denn eine Aussetzung wäre jedenfalls nicht sachdienlich. Sie würde zu Verzögerungen führen, die der Senat angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG als nicht hinnehmbar erachtet. Sonach ist das Rechtsschutzbedürfnis als (noch) gegeben anzusehen.

2.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine vollumfängliche Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung liegen nicht vor.

a) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird; am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.08.2006 - L 10 B 11/06 KA ER -; Düring in Jansen, a.a.O., § 86b Rdn. 11). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten: In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGG ist maßgebend zu beachten, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG haben Widerspruch und Klage hingegen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Es ist ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich. Nur dann wird (ausnahmsweise) die sofortige Vollziehung angeordnet. Das Gericht hat insbesondere zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 - 1 BvR 2157/07 - und vom 11.02.2005 - 1 BvR 276/05 -; BVerfG, NJW 2003, 3618, 3619; Senat, Beschlüsse vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER - und 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER - und; vgl. auch Düring in Jansen, a.a.O., § 86b Rdn. 14).

b) Ausgehend hiervon ergibt sich: Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet, denn die Klage des Beigeladenen war in der Hauptsache zulässig und begründet. Demzufolge sind die Berufungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin in der Hauptsache (L 11 KA 92/10) nach derzeitiger Einschätzung unbegründet. Das SG hat daher den Antrag der Antragstellerin auf (vollumfängliche) Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids vom 10.11.2008 zu Recht zurückgewiesen, denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse (Senat, Beschluss vom 02.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER -).

aa) Die formalen Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG liegen vor. Der Drittwiderspruch des Beigeladenen hat aufschiebende Wirkung.

(1) Der Beigeladene begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der einem anderen - der Antragstellerin - erteilt und durch den dieser erlaubt wurde, eine Zweigpraxis zu betreiben, also Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und abzurechnen. Der Beigeladene kann durch jenen Verwaltungsakt nur mittelbar bzw. nur durch dessen wirtschaftliche Auswirkungen betroffen sein. Dies reicht im Regelfall für eine rechtliche Betroffenheit und damit für die Annahme einer Anfechtungsbefugnis nicht aus, denn die Rechtsordnung gewährt bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten grundsätzlich keinen Schutz vor Konkurrenz (BVerfG, Beschlüsse vom 23.04.2009 - 1 BvR 3405/08 - und 17.08.2004 - 1 BvR 378/00 -). Demgemäß haben Marktteilnehmer regelmäßig keinen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben (BVerfG, Beschlüsse vom 04.02.2010 - 1 BvR 2514/09 - und 13.06.2006 - 1 BvR 1160/03 -), insbesondere nicht darauf, dass Konkurrenten vom Markt fernbleiben (Senat, Beschlüsse vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER - und 28.10.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -).

Während bei der sog. offensiven Konkurrentenklage, bei der mehrere Bewerber um die Zuerkennung einer nur einmal zu vergebenden Berechtigung streiten, die Anfechtungsbefugnis aus der eigenen Grundrechtsbetroffenheit jeden Bewerbers folgt (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 - 1 BvR 1160/03 -), kann nach Auffassung des BSG bei der sog. defensiven Konkurrentenklage zur Abwehr eines zusätzlichen Konkurrenten eine Anfechtungsbefugnis nicht aus materiellen Grundrechten abgeleitet werden, da hieraus kein Anspruch auf Fernhaltung Dritter folge (Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -). Eine Befugnis zur Abwehr des Konkurrenten kann sich hiernach nur aus einschlägigen einfach-rechtlichen Regelungen ergeben. Dies ist nach Auffassung des BSG lediglich in der besonderen Konstellation der Fall, dass den Bestimmungen, auf die sich die Rechtseinräumung stützt, ein Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen derer zu entnehmen ist, die schon eine Position am Markt innehaben, wenn also die einschlägigen Bestimmungen einen Drittschutz vermitteln (BSG, Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R - m.w.N.). Bei der Auslegung, ob den einschlägigen gesetzlichen Regelungen eine solche drittschützende Wirkung entnommen werden kann, sind die Besonderheiten des jeweils betroffenen Sachbereichs zu berücksichtigen. Diese Auslegungsfrage ist indes nicht der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zuzuordnen. Unzulässig ist ein Rechtsbehelf vielmehr nur dann, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2009 - B 6 KA 38/08 R -; Senat, Beschluss vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER -; Düring, a.a.O., § 86a Rdn. 5). Das ist dann der Fall, wenn sich die Verneinung der Drittanfechtungsbefugnis bzw. -berechtigung klar aus der Rechtsprechung des BSG ergibt. Dagegen ist keine offensichtliche Unzulässigkeit gegeben und demgemäß die aufschiebende Wirkung der Drittanfechtung zu bejahen, wenn die Konstellation der Drittanfechtung noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen ist, so dass man noch ernstlich streiten kann, ob eine Anfechtungsberechtigung besteht (zutreffend Clemens in Festschrift ARGE Medizinrecht im DAV, 2008, S. 334). Die Überprüfung im Einzelnen, ob eine Rechtsnorm drittschützenden Charakter hat, erfolgt erst im Rahmen der Begründetheit (BSG, Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R - m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 17.06.2009 - B 6 KA 25/08 R -; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.10.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -).

(2) Hiernach ergibt sich: Ausweislich der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - kommt § 24 Abs. 3 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) keine drittschützende Wirkung in dem Sinne zu, dass von der Zweigpraxisgenehmigung betroffene Konkurrenten befugt sind, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten. Sonach wäre die Drittanfechtung offensichtlich unzulässig. Indessen greift dieser Ansatz vorliegend zu kurz (vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.10.2010 - L 11 KA 71/10 B ER - ( Willküranfechtung) und Beschluss vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER - (Bestimmungsbescheid nach § 116b Abs. 2 SGB V)), denn der Beigeladene stützt die von ihm reklamierte Anfechtungsbefugnis im Wesentlichen auf das Regelwerk in Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV und meint, dieses räume Konkurrentenschutz ein. Soweit bislang ersichtlich, gibt es derzeit keinerlei Rechtsprechung des BSG zur Frage, ob Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV eine Drittanfechtungsberechtigung begründet. Lediglich soweit es Regelungen zur Qualitätssicherung aufgrund § 135 Abs. 2 SGB V anlangt, hat das BSG eine Anfechtungsberechtigung verneint (Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -: Dialysegenehmigung). Darum geht es hier nicht. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird die Frage unterschiedlich beurteilt, ob der Inhaber einer Dialysegenehmigung die Genehmigung einer Zweigpraxis anfechten kann, in der gleichermaßen Patienten dialysiert werden sollen. Während das SG München dies verneint (Urteil vom 12.12.2006 - S 43 KA 847/05 -), vertreten das LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 09.12.2009 - L 5 KA 2164/08 -), das LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 10.05.2004 - L 4 B 8/04 KA ER -) und dem folgend das SG Düsseldorf (Urteil vom 11.08.2010 - S 2 KA 188/09 -; Berufungsverfahren zum Az. L 11 KA 92/10 vor dem Senat anhängig) die gegenteilige Auffassung, derzufolge einem vorhandenen Leistungserbringer (hier: Dialyseeinrichtung) rechtliche Durchsetzungsmacht im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts eingeräumt ist, um sein (tatsächliches) Interesse an der Abwehr weiterer Leistungserbringer (hier: Dialysezweigpraxis) durchzusetzen. Das wiederum bedeutet: Namentlich vor dem Hintergrund von Art. 12 GG geht der Senat bis zur abschließenden höchstrichterlichen Klärung davon aus, dass eine solche Drittanfechtung jedenfalls nicht offensichtlich unzulässig ist, mithin die Möglichkeit einer Rechtsverletzung zu besorgen ist (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Demzufolge ist der Beigeladene anfechtungsbefugt. Sein Drittwiderspruch hat aufschiebende Wirkung und suspendiert die Genehmigung.

bb) In der Hauptsache werden die Berufungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nach derzeitiger Einschätzung keinen Erfolg haben. (1) Die Klage des Beigeladenen war zulässig. Form- und Frist sind gewahrt. Er ist auch klagebefugt. Dies gilt unabhängig davon, ob ihm eine Drittanfechtungsbefugnis eingeräumt ist oder nicht. Die Frage nach der Drittanfechtungsbefugnis ist rechtlich relevant nur hinsichtlich der Wirkungen des eingelegten Widerspruchs. Fehlt es an einer Anfechtungsbefugnis, ist der Widerspruch unzulässig, er entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Gleichwohl ist der dies mittels Klage angreifende Dritte klagebefugt, denn er wird durch den ihm nachteiligen Bescheid beschwert (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG).

(2) Der Beigeladene ist materiell berechtigt, den Genehmigungsbescheid anzufechten (a)); dieser ist formell (b)) und materiell fehlerhaft (c)).

(a) Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten (sog. defensive Konkurrentenklage), hat das BSG in seinem Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R - im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 17.08.2004 - 1 BvR 378/00 - im Einzelnen dargestellt (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R -). Danach besteht eine Anfechtungsberechtigung eines Vertragsarztes nur dann, wenn

(aa) der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten und

(bb) dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird, sowie

(cc) der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird.

Von den genannten Voraussetzungen erfüllt ist diejenige, dass die Antragstellerin und der mit ihr konkurrierende Beigeladene im selben räumlichen Bereich Leistungen anbieten.

Will ein Arzt eine Dialysezweigpraxis in der Versorgungsregion einer bereits bestehenden Dialysepraxis oder Dialysezweigpraxis eines anderen Arztes betreiben, so bieten die Konkurrenten im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen an, so dass die erste Voraussetzung des BSG für die Anerkennung einer Drittanfechtungsberechtigung erfüllt ist. Zwar sind für den "räumlichen Bereich" in diesem Sinne nicht rechtliche Grenzen (von Planungsbereichen oder Dialyseversorgungsregionen), sondern die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse und deren räumliche Reichweite maßgeblich (BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R -). Im Hinblick auf den Zweck und den daran ausgerichteten Zuschnitt der Dialyseversorgungsregionen (§ 6 Anlage 9.1 BMV/EKV-Ä) bewirkt eine in die Versorgungsregion eindringende "fremde" (Dialyse-)Zweigpraxis jedoch eine für die Berufsfreiheit des vorhandenen Arztes (Art. 12 Abs. 1 GG) grundrechtlich relevante tatsächliche Wettbewerbslage (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2009 - L 5 KA 2164/08 -).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Versorgungsregionen ergeben sich aus § 6 Abs. 1 Satz 6 f. Anlage 9.1. BMV/EKV-Ä durch Bezugnahme auf die Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte (BedarfsplanungsRL-Ä) in der Fassung vom 10.04.2008 (Bundesanzeiger 2008 S. 2 231). Für die Dialysepraxis des Beigeladenen sowie die Zweigpraxis bzw. Hauptbetriebsstätte der Antragstellerin gilt die Raumordnungskategorie 2. Das ergibt sich wie folgt: Nach § 6 BedarfsplanungsRL-Ä werden die Planungsbereiche für die Feststellung der Allgemeinen Verhältniszahlen und die Überversorgung raumordnungsspezifischen Planungskategorien zugeordnet. Hierzu rechnen Agglomerationsräume (Regionstyp 1), verstädterte Räume (Regionstyp 2), ländliche Räume (Regionstyp 3) und Sonderregionen. Nach § 7 Abs. 2 BedarfsplanungsRL-Ä ergibt sich die Einzelzuordnung der Kreise, kreisfreien Städte und der Kreisregionen zu den verschiedenen Planungskategorien - entsprechend auch grundsätzlich die Zuordnung der Planungsbereiche der vertragsärztlichen Versorgung - aus der Zusammenstellung der Kreiszuordnungen nach den Analysen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (Anlage 3.1). Die projektierte Praxis der Antragstellerin (F) und die Praxis des Beigeladenen (I) liegen jeweils im S-Kreis, der als Kreistyp 2 bestimmt ist. Dieser Kreis hat 598.407 Einwohner (Stand 31.12.2009) mit einer Bevölkerungsdichte von 519 Einwohner je km² (http://de.wikipedia.org/wiki/S-Kreis) und ist damit nach § 6 BedarfsplanungsRL-Ä der

Ordnungs-Nr. 2 Hochverdichtete Kreise im Regionstyp 1: Dies sind solche mit einer Dichte von 300 E/qkm und mehr.

zugeordnet. Versorgungsregionen im Planungsbereich der Raumordnungskategorie 2 ist eine Region mit einem Radius von 20 Km (§ 6 Abs. 1 Satz 7 Anlage 9.1. BMV/EKV-Ä). Die Entfernung zwischen der projektierten Zweigpraxis in F und der Praxis des Beigeladenen in I beträgt nach Angaben der Antragstellerin ca. 11 km (Luftlinie).

Allerdings muss für die Anfechtungsberechtigung nicht nur ein räumliches Nähe- sondern auch ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegen, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat. Dementsprechend bedarf es der Überprüfung und Feststellung, dass es in den Leistungsspektren und Einzugsbereichen vom anfechtenden und begünstigten Arzt ins Gewicht fallende Überschneidungen gibt (BSG, Urteil vom 17.06.2009 - B 6 KA 38/08 R -). Dazu ist im Regelfall zunächst die Darlegung des anfechtenden Arztes erforderlich, welche Leistungen er anbietet und wie viele Patienten und welcher prozentuale Anteil seiner Patienten aus dem Einzugsbereich des dem Konkurrenten zugedachten Praxissitzes kommen. Hat er dies substantiiert vorgetragen, so obliegt es der zur Entscheidung berufenen Behörde, ihrerseits tätig zu werden und die erforderlichen weiteren Informationen über das (voraussichtliche) Leistungsspektrum und den (voraussichtlichen) Patientenkreis des Konkurrenten zu erheben. Näherer Darlegungen und Feststellungen zu den Leistungsspektren vom anfechtenden und konkurrierenden Arzt bedarf es indessen dann nicht, wenn das Vorliegen ins Gewicht fallender Überschneidungen ohne Weiteres auf der Hand liegt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Praxen der beiden Ärzte in derselben Stadt gelegen sind - jedenfalls soweit es sich nicht um eine so weitläufige handelt, wie es sehr große Städte sein können - und wenn beide Ärzte in einem eng umgrenzten Fachgebiet tätig sind, wie dies z.B. bei der Augenheilkunde (BSG, Urteil vom 17.06.2009 - B 6 KA 38/08 R -) oder bei Internisten mit demselben Schwerpunkt oder derselben fakultativen Weiterbildung oder besonderer Fachkunde im Sinne von § 24 Satz 1 Buchst. b BedarfsplanungsRL-Ä der Fall ist (BSG, Urteil vom 28.01.2009 - B 6 KA 50/07 R -). Von einem realen Konkurrenzverhältnis in einem für den Wettbewerb wesentlichen Umfang ist dann auszugehen, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die durchschnittliche Zahl der vom Adressaten des Genehmigungsbescheids (mutmaßlich) mit den gleichen Leistungen behandelten Patienten aus dem Einzugsbereich der Vertragsarztpraxis 5 % der durchschnittlichen Gesamtfallzahl dieser Praxis (ggf. Gemeinschaftspraxis) überschreitet (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - betreffend Drittanfechtung einer Ermächtigung). In solchen Konstellationen eines eng umgrenzten Tätigkeitsbereichs sind im Regelfall sowohl nähere Darlegungen des Drittanfechtenden als auch weitere Ermittlungen der zur Entscheidung berufenen Behörde zur Frage gleicher Leistungsspektren der Konkurrenten entbehrlich. So liegt es hier. Die fünf Mitglieder der Antragstellerin sind als Fachärzte für Innere Medizin tätig, davon wiederum drei mit dem Schwerpunkt "Nephrologie". Der Beigeladene ist Facharzt für Innere Medizin. Mögen insoweit die vom BSG a.a.O. aufgestellten Anforderungen deswegen nicht erfüllt sein, weil es sich beim Fachgebiet der "Inneren Medizin" nicht um ein eng umgrenztes Fachgebiet handelt, zudem die Konkurrenten nicht einheitlich die Schwerpunktbezeichnung "Nephrologie" führen, bleibt dies im Ergebnis unschädlich. Es geht nicht um die Konkurrenzsituation im Hinblick auf ein allgemein-internistisches oder auch nur nephrologisches Leistungsangebot, entscheidend ist allein die Konkurrenzsituation hinsichtlich des Angebots an Dialyseleistungen.

Das Vorbringen des Beigeladenen genügt diesen Anforderungen. Er hat glaubhaft gemacht, dass die auf der Grundlage der Genehmigung erbringbaren Leistungen denen entsprechen, die auch er anbietet und mit den gleichen Leistungen behandelte Patienten aus dem Einzugsbereich der Antragstellerin 5 % seiner durchschnittlichen Gesamtfallzahl überschreitet (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R -). Weitere Sachaufklärung ist nötigenfalls im Hauptsacheverfahren durchzuführen.

Die zweite der vom BSG postulierten Voraussetzungen knüpft an die Eröffnung oder Erweiterung der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung an; nicht genügen soll die bloße Genehmigung eines weiteren Leistungsbereichs (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -: Dialysegenehmigung). Damit erstreckt sich der Anwendungsbereich der defensiven Konkurrentenklage in erster Linie auf Statusentscheidungen, wie Zulassungen, auch Sonderbedarfszulassungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 24 BedarfsplanungsRL-Ä) oder Ermächtigungen (§ 116 SGB V). Bei der Genehmigung einer Dialysezweigpraxis steht eine Statusentscheidung im zulassungsrechtlichen Sinn zwar nicht in Rede, denn der zulassungsrechtliche Status des um die Genehmigung nachsuchenden Arztes bleibt unverändert.

Zur rechtlichen Überzeugung des Senats hängt aber die Berechtigung des vorhandenen Leistungserbringers zur Abwehr von Konkurrenten nicht nur von der rechtlichen Qualität und der rechtlichen Wirkung der die Wettbewerbsverhältnisse verändernden Verwaltungsentscheidung ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom. 23.04.2009 - 1 BvR 3405/08 -), vielmehr ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Drittschutz im Vertragsarztrecht ausschlaggebend, ob das der Verwaltungsentscheidung zugrunde liegende, den Markt regulierende und die berufliche Entfaltung der Leistungserbringer dadurch ohnehin einschränkende staatliche Regelwerk einem bereits vorhandenen Leistungserbringer den Vorrang für die Befriedigung des Bedarfs hinsichtlich der auf dem Markt nachgefragten (Behandlungs-)Leistungen zuweist. Ist das der Fall, wird die Berufsfreiheit des vorhandenen Leistungserbringers nicht gleichsam zufällig von den Fernwirkungen einer staatlichen Maßnahme (nur) tatsächlich berührt. Die staatliche Maßnahme hat für ihn vielmehr objektiv berufsregelnde Tendenz und wird zum Eingriff in seine Rechte, den er durch defensive Konkurrentenklage abwehren kann (vgl. Senat, Beschluss vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.12.2009 - L 5 KA 2164/08 -). Hier liegt ein maßgebender Unterschied etwa zur bloßen Abrechnungsgenehmigung (BSG, Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R - Dialysegenehmigung), die nur qualitäts- bzw. qualifikationsbezogen und unabhängig von der Sicherstellung eines Versorgungsbedarfs erteilt wird.

Die Zuweisung eines gesetzlichen Vorrangs für vorhandene Leistungserbringer erfolgt regelmäßig dadurch, dass das Tätigwerden weiterer Leistungserbringer von einer Bedarfsprüfung abhängig gemacht wird. Sie dürfen die gleichen Leistungen im selben räumlichen Bereich nur dann anbieten, wenn der entsprechende Versorgungsbedarf noch nicht durch die bereits vorhandenen und dauerhaft in das Versorgungssystem einbezogenen Leistungserbringer gedeckt ist. Indem dem vorhandenen Leistungserbringer der Vorrang zur Bedarfsdeckung rechtlich zugewiesen wird, erhält sein (tatsächliches) Interesse an der Abwehr weiterer Leistungserbringer rechtliche Durchsetzungsmacht (im Sinne eines subjektivffentlichen Rechts). Davon ist auszugehen, wenn eine Dialysezweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Dialyseeinrichtung genehmigt werden soll. Dann verlangt das den Markt für Dialyseleistungen regulierende spezielle Regelwerk der Anlage 9.1 bzw. des zugehörigen Anhangs 9.5.1 BMV/EKV-Ä, dass die projektierte Zweigpraxis nach einvernehmlicher Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig ist. Demzufolge ist eine Prüfung durchzuführen, ob der Versorgungsbedarf durch die in der Versorgungsregion bereits vorhandene Dialyseeinrichtung gedeckt ist oder nicht. Der daraus folgenden Vorrangigkeit der Bedarfsdeckung durch den bereits vorhandenen Leistungserbringer (die vorhandene Dialyseeinrichtung) korrespondiert der Nachrang des in die Versorgungsregion "eindringenden" Leistungserbringers, wodurch das Recht zur defensiven Konkurrentenklage begründet ist (zutreffend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.12.2009 - L 5 KA 2164/08 -).

Der Drittschutz scheitert ohnehin nicht an etwaigen "Vorrang"-Debatten (Senat, Beschluss vom 09.02.2011 - L11 KA 91/10 B ER -; Pitschas in GesR 2010, 513, 518; vgl. auch Meschke in jurisPR-MedizinR 2/2009 Anm. 5; ders. in Bäune/Meschke/Rothfuß, Zulassungsverordnung für Ärzte, 2008, § 16b Rdn. 40 f.; Barth in MedR 2010, 209 f.). Eine solche Rechtsprechung wird vielerlei Fallgestaltungen nicht gerecht (so im Ergebnis auch LSG Sachsen, Beschluss vom 03.06.2010 - L 1 KR 94/10 B ER -; SG Dresden, Urteil vom 27.10.2010 - S 18 KR 312/10 -; SG Hannover, Beschluss vom 24.08.2010 - S 61 KA 351/10 ER -). Schon die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nach der Rechtsprechung des BSG an sich ausgeschlossene Anfechtungsberechtigung unter Willkürgesichtspunkten ausnahmsweise doch gegeben ist (hierzu BSG. Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -; betreffend Zweigpraxisgenehmigung offengelassen von BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R -), bedarf der rechtlichen Klärung (hierzu Senat, Beschlüsse vom 23.10.2010 - L 11 B 71/10 KA ER -, 17.05.2010 - L 11 B 14/09 KA ER -). Überdies ist vorliegend zu beachten, das dem zugelassenen Dialysearzt nicht nur die ärztliche Tätigkeit seines Fachgebietes ermöglicht wird, sondern dass ihm § 6 Anlage 9 BMV-Ä auch eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur gewährleistet und ihm hierfür ein Auslastungsgrad sowie eine spezielle um seinen Niederlassungsort reichende Versorgungsregion eingeräumt wird. So bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 4 Anlage 1 BMV-Ä, dass die Forderung nach wirtschaftlicher Struktur der projektierten Praxis als dauerhaft erfüllt gilt, wenn sich die Versorgungsregionen der bestehenden und der projektierten Praxen nicht schneiden. Die Genehmigung einer Dialysezweigpraxis kann damit der Genehmigung eines weiteren Leistungsbereichs nicht gleichgesetzt werden. Ihr kommt namentlich unter grundrechtlichem Blickwinkel eine andere Qualität zu. Sie wirkt sich auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des in der jeweiligen Versorgungsregion bereits tätigen (Dialyse-)Arztes in einer Weise aus, die es erforderlich macht, diesem die rechtliche Durchsetzungsmacht seiner Belange zuzubilligen. Bei dem durch die Bestimmungen der Anlage 9.1 bzw. des zugehörigen Anhangs 9.1.5 BMV/EKV-Ä regulierten Markt für Dialyseleistungen bewirkt die Genehmigung einer Dialysezweigpraxis (in einer "fremden" Versorgungsregion) angesichts ihres engen Zusammenhangs mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile für den vorhandenen Leistungserbringer hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.04.2009 - 1 BvR 3405/08 -; Senat, Beschluss vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER - zu Bestimmungsbescheiden nach § 116b Abs. 2 SGB V). Hierzu hat der Beigeladene schlüssig vorgetragen, die Genehmigung der Zweigpraxis habe zur Folge, dass er kurz- bis mittelfristig kaum noch mehr als 22 Dialysepatienten versorgen könne, keine neuen Patienten hinzukämen und sich auf dieser Grundlage eine Dialysepraxis nicht wirtschaftlich führen lasse (Schriftsatz vom 29.10.2010, S. 4 ff.). Weitere Beweiserhebung hierzu ist im Beschwerdeverfahren nicht tunlich.

Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend hat das Hauptsachebegehren des Beigeladenen Erfolg. Seiner Dialysepraxis ist durch das einschlägige Regelwerk der Anlage 9.1 bzw. des zugehörigen Anhangs 9.1.5 BMV-Ä/EKV eine Versorgungsregion zugeordnet. Die ihm erteilte Genehmigung beruht ausweislich des Bescheides vom 22.10.2002 auf § 3 Abs. 3a) der Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV i.d.F. vom 01.07.2002. Danach ist ihm ein besonderer Versorgungsauftrag für die in § 2 definierten Patientengruppen erteilt worden. Voraussetzung der Genehmigung ist u.a., dass eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis gewährleistet ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Anlage 9.1 BMV-Ä i.d.F. vom 01.07.2002). Hierzu ist u.a. der Auslastungsgrad der im Umkreis der beabsichtigten Niederlassung bestehenden Dialysepraxen (Versorgungsregion) zu ermitteln (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV i.d.F. vom 01.07.2002). Die Forderung nach wirtschaftlicher Versorgungsstruktur der projektierten Dialysepraxis gilt als dauerhaft erfüllt, wenn sich die Versorgungsregionen der bestehenden und der projektierten Praxis nicht schneiden (§ 6 Abs. 1 Satz 4 Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV i.d.F. vom 01.07.2002).

Aus diesen Zusammenhängen folgt, dass die infolge der streitbefangenen Dialysezweigpraxisgenehmigung berührten wirtschaftlichen Interessen des Beigeladenen sich zu einem subjektiv-öffentlichen Rechts mit rechtlicher Durchsetzungsmacht verdichten. Er kann deswegen die Genehmigung der Zweigpraxis der Antragstellerin mittels defensiver Konkurrentenklage abwehren.

(b) Der angefochtene Bescheid ist formell fehlerhaft, weil er keine Begründung enthält. Zwar bedarf es einer solchen nicht, wenn die Behörde dem Antrag entspricht, indessen gilt dies dann nicht, wenn in die Rechte eines anderen eingegriffen wird (§ 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X). So liegt es - wie ausgeführt - hier. Einzuräumen ist, dass unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin mangels eines Eingriffs in Drittrechte keine Begründung erforderlich wäre. Indessen kommt es hierauf schon deswegen nicht an, weil mit dieser Erwägung letztlich die Begründungspflicht des § 35 Abs. 1 SGB X unterlaufen würde; die Behörde müsste sich dann, wenn Drittinteressen betroffen sind, nur auf den gegenteiligen Standpunkt stellen, um eine Begründung entbehrlich zu machen.

Die fehlerhafte Begründung macht den Bescheid (formell) rechtswidrig, aber nicht nichtig (vgl. auch Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, 2010, § 35 Rdn. 18 m.w.N.). Der Fehler kann geheilt werden. Ein inhaltlicher Begründungsmangel ist bei gebundenen Verwaltungsakten grundsätzlich entscheidungsunerheblich, weil das Gericht die getroffene Regel unter jedem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt zu überprüfen hat (BSG, Urteil vom 29.06.2000 - B 11 AL 85/99 R - m.w.N.) und die fehlende Begründung ggf. noch im Gerichtsverfahren nachgeholt werden kann (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X sowie § 42 SGB X).

Die Regelungsstruktur des Anhangs 9.1.5. Abs. 1 der Anlage 9.1. BMV-Ä/EKV deutet darauf hin, dass der Genehmigung eine gebundene Entscheidung zugrunde liegt. Hiernach wird die Genehmigung im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene von der KV erteilt, wenn der Arzt nachweist, dass die unter den Ziffern a) bis c) des Absatzes 1 gelisteten Voraussetzungen füllt sind. Ein Ermessensspielraum ist nicht eingeräumt. Allerdings mögen die in den Ziffern a) bis c) genannten unbestimmten Rechtsbegriffe für einen Beurteilungsspielraum sprechen. Dann wäre zu klären, ob der den Beurteilungsspielraum betreffende Begründungsmangel den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die erweiterte Begründungspflicht bei Ermessensentscheidungen unterworfen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X) oder ob vorgenannte Grundsätze zur Anwendung gelangen. Das ist umstritten (vgl. Engelmann, a.a.O., § 35 Rdn. 7 m.w.N.). Werden die Rechtsfolgen eines Beurteilungsmangels den für defizitäre Ermessensentscheidung geltenden Regelungen unterworfen, stellt sich die weitere Frage, ob und inwieweit bei Ermessensentscheidungen Verstöße gegen die Begründungspflicht noch im gerichtlichen Verfahren heilbar sind (§ 41 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG i.d.F. des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I 1983)). Dem ist allerdings nicht weiter nachzugehen, denn § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X ist auf unbestimmte Rechtsbegriffe, bei denen der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, nicht entsprechend anzuwenden (zutreffend Engelmann, a.a.O., § 35 Rdn. 7 m.w.N.). Die Voraussetzungen für eine Analogie sind nicht gegeben. Es fehlt an einer planwidrigen Lücke. Statt dessen ist im Hinblick auf die eingeschränkte Kontrolle behördlicher Entscheidungen, denen - wie hier - eine Beurteilungsermächtigung zu Grunde liegt, eine eingehende Begründung der Entscheidung zu fordern (Engelmann, a.a.O., § 35 Rdn. 7 m.w.N.). Hieraus folgt: Das den Beurteilungsspielraum betreffende Begründungsdefizit ist entweder als fehlende oder als unzureichende Begründung zu werten. Die Rechtsfolgen sind vorliegend identisch. Eine unzureichende Begründung kann mittels Nachschieben von Gründen noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz geheilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.2000 - B 11 AL 85/99 R -; Jung in Jansen, a.a.O., § 54 Rdn. 37). Auch bei Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum können grundsätzlich Erwägungen für die Beurteilung noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeschoben werden. Das Nachschieben setzt aber voraus, dass die nachgebrachten Gründe schon beim Erlass des Bescheides vorgelegen haben, dieser durch sie nicht in seinem Wesen verändert und der Kläger nicht in seiner Rechtsverfolgung beeinträchtigt wird (BSG, Urteil vom 22.05.1984 - 6 RKa 16/83 -: Wirtschaftlichkeitsprüfung; vgl. auch Jung, a.a.O., § 54 Rdn. 37). Die fehlende Begründung (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X) würde den angefochtenen Beschluss zwar nicht nichtig (§ 40 SGB X), jedoch formell fehlerhaft machen. Auch dieser Verfahrensfehler wäre nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X heilbar (vgl. auch Engelmann, a.a.O., § 35 Rdn. 7).

Der Fehler ist allerdings nicht geheilt. Der Widerspruchsbescheid vom 25.08.2009 verhält sich nur zur Frage der Anfechtungsbefugnis. Im Gerichtsverfahren ist die fehlende Begründung bislang nicht nachgeholt worden.

Soweit bei Vornahmeklagen ein Nachschieben von Gründen im Hauptsacheverfahren dann unbeschränkt für möglich gehalten wird, wenn der Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts Entscheidungsspielräume zustehen (vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2009 - B 6 KA 21/08 R -; BSG, Beschluss vom 06.10.1994 - GS 1/91 -, vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.10.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -), lässt der Senat offen, ob dies auch für die vorliegende Fallgestaltung (defensive Konkurrentenklage) gilt. Jedenfalls sind die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Denkbar wäre, dass der Anordnungsbescheid vom 03.08.2009 eine solche Begründung enthält: Bejahendenfalls würde sich die weitergehende Frage danach stellen, ob dies die unzureichende Begründung des eigentlichen Bescheides zu heilen vermag. Das kann dahinstehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist unzureichend begründet worden (dazu unter III.), was nicht ausschließt, dass die Begründung jedenfalls den Anforderungen des § 35 SGB X betreffend den Genehmigungsbescheid vom 10.11.2008 genügt. Das ist zu verneinen, weil die sich auf den Bescheid vom 10.11.2008 beziehende Begründung im Anordnungsbescheid vom 03.08.2009 sich mit der Formulierung

Zunächst ist davon auszugehen, dass die Genehmigung vom 10.11.2008 rechtmäßig ist. Darüber hinaus liegt ein besonderes öffentliches Interesse

darauf beschränkt, den Genehmigungsbescheid mittels eines hohen Abstraktionsniveaus als rechtmäßig zu deklarieren.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist der Mangel nicht geheilt. Das Vorbringen betrifft im Wesentlichen die Frage, ob und inwieweit die sofortige Vollziehung angeordnet werden konnte. Im Hauptsacheverfahren macht die Antragsgegnerin im Wesentlichen geltend, dass die Versorgungsregionen sich nicht überschneiden und eine Drittanfechtungsberechtigung zu verneinen sei.

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG ist nicht sachdienlich. Dies würde dem Charakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht gerecht.

Im Übrigen kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 Satz 1 SGB X). Diese Regelung gilt nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist (§ 42 Satz 2 SGB X). Durch Umkehrschluss ist der Vorschrift des § 42 Satz 2 SGB X zu entnehmen, dass - abgesehen von der unterbliebenen Anhörung - kein Verfahrens- und Formfehler, auch nicht das Unterlassen der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts, allein die Aufhebung rechtfertigt (BSG, Urteil vom 17.04.1991 - 1 RR 2/89 -), solange nur offensichtlich ist, dass die Entscheidung in der Sache nicht betroffen ist; ob dies ohne Ausnahme zu gelten hat, lässt der erkennende Senat mit dem BSG (a.a.O.) offen (vgl. Senat, Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -). Indessen ist nachweislich offensichtlich (vgl. Schütze, a.a.O., § 42 Rdn. 7), dass die Antragsgegnerin ohne den Fehler genauso entschieden hätte. Denn selbst mit hinlänglicher Begründung hätte sie - ausgehend von ihrer Auffassung zur materiellen Rechtslage - die Dialysezweigpraxisgenehmigung erteilt.

(c) Der angefochtene Bescheid ist auch materiell fehlerhaft. Er verstößt gegen Anlage 9.1 Anhang 9.1.5 Abs. 1 Ziff. b) Satz 2 BMV-Ä/EKV i.d.F. vom 01.07.2005 (DÄ 2005, Heft 9, 430). Hiernach gilt:

b) Die projektierte Zweigpraxis oder ausgelagerte Praxisstätte muss in der Versorgungsregion der bestehenden Dialysepraxis liegen. Die Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn die projektierte Zweigpraxis oder ausgelagerte Betriebsstätte nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt, es sei denn die Einrichtung der projektierten Zweigpraxis oder der ausgelagerte Betriebsstätte ist nach einvernehmlicher Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig.

Ausgehend hiervon hätte die Genehmigung nicht erteilt werde dürfen. Die projektierte Zweigpraxis liegt in der dem Beigeladenen zugewiesenen Versorgungsregion (nachfolgend (aa)). Das Einvernehmen war nicht wirksam hergestellt (nachfolgend (bb)).

(aa) Die Voraussetzungen der Anlage 9.1 Anhang 9.1.5 Abs. 1 Ziff. b) Satz 2 Halbs. 1 BMV-Ä/EKV i.d.F. vom 01.07.2005 sind nicht erfüllt. Die projektierte Zweigpraxis und die Praxis des Beigeladenen liegen - wie dargestellt - in einer Versorgungsregion.

(bb) Der Ausnahmetatbestand der Anlage 9.1 Anhang 9.1.5 Abs. 1 Ziff. b) Satz 2 Halbs. 2 BMV-Ä/EKV greift nicht. Ob die Einrichtung der projektierten Zweigpraxis zwingend notwendig ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ist dieser Tatbestand nicht einvernehmlich festgestellt worden. Das Vertragsarztrecht sieht verschiedene Formen der Kooperation von Krankenkassen und KVen bei der Normsetzung vor. Diese reichen von der einseitigen Normsetzung mit Benehmenspflichten (§ 85 Abs. 4 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung) über die einvernehmliche Normsetzung durch Vertrag (§§ 82 Abs. 1, 83 SGB V) bis hin zur Normsetzung durch Mehrheitsbeschluss (§ 92 SGB V). Zum Begriff des Benehmens hat das BSG im Urteil vom 24.08.1994 - 6 RKa 15/93 - ausgeführt, hierdurch werde eine Kooperation angeordnet, die zwar nicht wie bei "Zustimmung" oder "Einvernehmen" eine Willensübereinstimmung zwischen entscheidender und beteiligter Stelle erfordert, sich aber auch nicht in einer bloßen Anhörung erschöpft, die der anzuhörenden Stelle lediglich die Gelegenheit verschafft, ihre Auffassung zu der beabsichtigten Sachentscheidung darzulegen. Hieraus folgt, dass "Einvernehmen" nur dann hergestellt ist, wenn eine Willensübereinstimmung besteht.

Mit Schreiben vom 22.10.2008 hat die Antragsgegnerin den Landesverbänden der Krankenkassen den Antrag zur Durchführung von Dialyseleistungen vom 02.08.2008 mit der Maßgabe zugeleitet, bis zum 07.11.2008 Stellung zu nehmen. Weiter heißt es in diesem Schreiben:

"Sollten wir bis dahin von Ihnen keine Stellungnahme vorliegen haben, setzen wir ihr Einverständnis zu dem vorliegenden Antrag voraus".

Hierauf haben nur die Landwirtschaftliche Krankenkasse NRW und der Landesverband der Betriebskrankenkassen NRW - befürwortend - geantwortet. Aus dem Schweigen der anderen Landesverbände konnte die Antragsgegnerin nach Sachlage entnehmen, dass diese mit dem Vorhaben einverstanden sind. Zwar gilt Schweigen grundsätzlich nicht als Zustimmung (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 15.09.2010 - 3 U 117/09 -), indessen gilt dann etwas anderes, wenn der Zustimmungsberechtigte ausnahmsweise nach Treu und Glauben verpflichtet war, seinen abweichenden Willen zu äußern (Hk-BGB/Dörner, 3. Auflage, 2003, § 182 Rdn. 2). So liegt es hier, denn infolge des oben aufgezeigten Zusatzes konnte die Antragsgegnerin jedenfalls in diesem Fall davon ausgehen, dass die Landesverbände der Krankenkassen eine abweichende Auffassung nötigenfalls formulieren würden. Demzufolge konnte die Antragsgegnerin annehmen, dass mit Fristablauf das Einvernehmen hergestellt war.

Allerdings war das Einvernehmen unwirksam, denn die dem zugrundeliegende konkludente Zustimmung beruhte auf einem unvollständig unterbreiteten Sachverhalt. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schreiben vom 22.10.2008 die Praxis des Beigeladenen verschwiegen und lediglich auf die Mitteilung der KV Rheinland-Pfalz über die Vollauslastung der Dialyse-Praxis in B hingewiesen. Mit einer solchermaßen unvollständigen Sachverhaltsübermittlung konnten die Krankenkassenverbände indes keine sachgerechten Erwägungen über die Dialyseversorgung im Umkreis von F anstellen.

Mangels einvernehmlicher Feststellung des in Anlage 9.1 Anhang 9.1.5 Abs. 1 Ziff. b) Satz 2 Halbs. 2 BMV-Ä formulierten Ausnahmetatbestandes ist die Genehmigung daher fehlerhaft.

Der Mangel ist nicht geheilt. In Anlehnung an § 41 Abs. 1 Nr. 5 SGB X könnte dies zwar erwogen werden. Indessen ist nach Aktenlage die erforderliche "Mitwirkung" bislang nicht nachgeholt worden. Angesichts des inhaltlich unvollständigen Schreibens vom 22.10.2008 reicht (weiteres) Schweigen nicht aus. Es bedarf einer bislang fehlenden ausdrücklichen Zustimmungserklärung der Landesverbände.

3.

Als Rechtsfolge ergibt sich, dass der Genehmigungsbescheid aufhebbar ist. Infolgedessen kann das Begehren der Antragstellerin auf vollumfängliche Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids keinen Erfolg haben.

III.

Die Anschlussbeschwerde ist statthaft (nachfolgend 1.) und im übrigen zulässig (nachfolgend 2.). Sie ist auch begründet (nachfolgend 3.).

1. Die (unselbständige) Anschlussbeschwerde ist statthaft. Sie ist am 03.11.2010 anhängig geworden. Den angefochtenen Beschluss des SG vom 05.08.2010 haben die Bevollmächtigten des Beigeladenen am 09.08.2010 erhalten. Eine (selbständige und unselbständige) Anschlussbeschwerde war bis zum Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes zum 01.01.2002 möglich. Nunmehr ist durch § 567 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ausdrücklich geregelt, dass der Beschwerdegegner sich der Beschwerde anschließen kann, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Das Gesetz sieht nach § 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur noch die unselbständige Anschlussbeschwerde vor.

2. Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.

a) Sie ist nicht eigentlich ein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers an dieses Rechtsmittel anschließt. Sie kann sich deshalb nicht auf einen Teil der Entscheidung beziehen, den das (Haupt-)Rechtmittel selbst nicht erfasst (BSG, Urteil vom 19.06.1996 - 6 RKa 24/95 -) und nur gegen den Beschwerdegegner und nur im Rahmen des (Teil-)Streitgegenstands eingelegt werden (Frehse in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 143 Rdn. 7c m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 6/09 R -). Sie befreit vom Verbot der reformatio in peius (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom. 13.04.2004 - L 4 B 6/03 -).

Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Begehren des Beigeladenen wird vom Streitgegenstand erfasst. Er versucht im Hauptsacheverfahren, die der Antragstellerin erteilte Genehmigung beseitigen zu lassen. Wird lediglich auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren abgestellt, ergibt sich nicht anderes. Mittels der Anschlussbeschwerde soll die der Antragstellerin günstige Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben werden.

b) Der Beigeladene ist beschwerdebefugt. Ihm ist zur Durchsetzung seiner Interessen Rechtsmacht eingeräumt. Zudem ist er durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Anschlussbeschwerde dann unzulässig ist, wenn eine Beschwer nicht vorliegt.

3. Die Anschlussbeschwerde ist begründet.

Die sofortige Vollziehung ist fehlerhaft angeordnet worden. Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG sind nicht dargetan. Danach erfordert die Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass das hieran bestehende besondere Interesse schriftlich begründet wird.

a) An die Begründung sind hohe Anforderungen zu stellen. Sie muss erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug überwiegt und warum dies dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86a Rdn. 21b). Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse ("besonderes Interesse") muss mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes reichen für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus (Senat, Beschluss vom 29.10.2010 - L 11 KA 64/10 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -). Etwas anders mag nur dann gelten, wenn das besondere Vollzugsinteresse schon aus der Eigenart der Regelung folgt (Senat, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -). Der Senat hat im Beschluss vom 17.12.2005 - L 11 B 52/05 KA ER - ausgeführt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 02.04.2009

- L 11 KA 2/09 ER - sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.11.2003 - L 10 B 15/03 KA ER -):

Nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG bedarf die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer schriftlichen Begründung. Die Vollziehungsanordnung ist somit grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung muss erkennen lassen, aus welchen Gründen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall das Interesse des Betroffenen überwiegt. An die Begründung sind im Hinblick auf die mit ihr verbundene Warnfunktion für die Behörde sowie die dadurch bezweckte Transparenz und Rechtsklarheit hohe Anforderungen zu stellen (Keller, a.a.O. Rdn. 21b m.w.N., OVG Brandenburg, Beschluss vom 25.01.2005 - 5 B 163/03 -).

Zwar beziehen sich die Darlegungen des Senats im Beschluss vom 17.12.2005 - L 11 B 52/05 KA ER - auf eine Zulassungsentziehung, sie beanspruchen vorliegend jedoch gleichermaßen Geltung, denn die Anforderungen an die sofortige Vollziehung sind nicht davon abhängig, ob Rechte - wie hier - eingeräumt oder aber entzogen werden, zumal jeweils Dritte betroffen sind (Senat, Beschlüsse vom 02.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER - und 29.10.2010 - L 11 KA 64/10 B ER -).

Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ausreichend begründet. Zur Begründung wird im Bescheid vom 03.08.2009 ausgeführt (Anm.: Nummerierung durch Senat):

(1) Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung ist § 86 a), Abs. 2, Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes. (2) Die Anordnung ist für die betroffene Patientengruppe im öffentlichen Interesse dringend geboten.(3) Zunächst ist davon auszugehen, dass die Genehmigung vom 10.11.2008 rechtmäßig ist. (4) Darüber hinaus liegt ein besonderes öffentliches Interesse, welches das Aussetzungsinteresse des Drittwiderspruchsführers überwiegt, jedenfalls für die Patienten vor, welche bereits vor dem 10.11.2008 in der Hauptbetriebsstätte der BAG in T betreut wurden. (5) Die betroffenen Dialysepatienten sind auf eine möglichst wohnortnahe Versorgung dringend angewiesen, da sie aufgrund ihres Alters und ihres multimorbiden Krankheitsbildes wesentlich weniger mobil sind als andere internistische Patienten. (6) Der Altersdurchschnitt eines Dialysepatienten liegt bei beginnender Dialyse derzeit bei ca. 70 Jahren (siehe Bericht Ober Dialysebehandlungen und Nierentransplantation in Deutschland 2006 / 2007 der QUAS1-Niere GmbH, Seite 37). (7) Ein Großteil der Dialysepatienten leidet zudem an Hypertonie und anderen Erkrankungen wie der schweren generalisierten Gefäßerkrankung der Beine. (8) Allein für die Dialyse sind die betroffenen Patienten gezwungen mindestens dreimal in der Woche in die Praxis zu kommen.(9) Die Entfernung von F nach T in die Hauptbetriebsstätte der BAG beträgt 25 km. (10) Die o, g. Besonderheiten der betroffenen Patienten erfordern es, sofort die mehrmals wöchentlich anfallenden Fahrtzeiten zur Dialysepraxis zu verkürzen und auch die Anreise in ihrer Art und Weise zu erleichtern. (11) Ferner liegt es im besonderen öffentlichen Interesse, dass durch den Wegfall der langen Transportzeiten zu der Hauptbetriebsstätte der BAG den Krankenkassen und damit der Solidargemeinschaft weniger Kosten entstehen. (12) Da mit der hier erteilten Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich eine Behandlung der bereits betreuten Dialysepatienten ermöglicht wird, werden die Interessen des Drittwiderspruchsführers nicht berührt.

Die Sätze 1 und 2 sind lediglich subsumtionsbedürftige rechtliche Obersätze. Satz 3 belegt, dass die Antragsgegnerin davon ausgeht, die Genehmigung sei rechtmäßig. Das trägt den Sofortvollzug nicht, weil eine prospektive Erfolgsabschätzung der sofortigen Vollziehung auf Verwaltungsebene wesensfremd ist; die Verwaltung muss notwendigerweise davon überzeugt sein, dass ihre Regelung rechtmäßig ist, ansonsten diese zu unterbleiben hat (Senat, Beschlüsse vom 19.01.2011 - L 11 KA 106/10 B ER - und 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -). Die Sätze 4 bis 10 versuchen ein besonderes öffentliches Interesse unter Berücksichtigung der spezifischen geographischen Situation und der individuellen physischen Befindlichkeiten der Patienten zu begründen. Indessen ist der Bezugspunkt unvollkommen gewählt. Die Antragsgegnerin hat nur erwogen, dass es den vielfach multimorbiden Patienten nicht zumutbar ist, die Hauptbetriebsstätte der Antragstellerin in T aufzusuchen. Sie hat dabei übersehen, dass der konkurrierende Beigeladene im fraglichen räumlichen Bereich vergleichbare Leistungen anbietet. Erst wenn die Antragsgegnerin infolge weiterführender Ermittlungen ein Versorgungsdefizit festgestellt hätte, könnte die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung spezifischer Patientenbedürfnisse infolge multimorbider Krankheitsbilder erwogen werden. Vorsorglich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass allein ein Versorgungsdefizit nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt (Senat, Beschluss vom 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -). Auch Satz 11 führt nicht weiter. Fiskalische Interessen vermögen i.d.R. die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu zu rechtfertigen (Düring in Jansen, a.a.O., § 86a Rdn. 16 m.w.N.). Dann gilt für Satz 11 nichts anderes. Auch Satz 12 ist nicht geeignet, die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu legitimieren. Selbst wenn die Interessen des Beigeladenen nicht berührt wären, genügt dies nicht, um die sofortige Vollziehung anordnen zu können, denn "Nichtinteressen" sind naturgemäß keine "besonderen öffentlichen Interessen".

Dem Senat ist es verwehrt, eine unzureichende Begründung der Antragsgegnerin nachzubessern. Das folgt schon daraus, dass auch die Antragsgegnerin gehindert ist, eine fehlende Begründung nachzuholen (Senat, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA -; Düring in Jansen, a.a.O., § 86a Rdn. 14) oder eine unzureichende Begründung auszuwechseln, denn gegen eine solche Möglichkeit sprechen die mit § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG bezweckte Warnfunktion (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.08.2006 - L 4 B 269/06 KA ER -) und das Klarstellungsinteresse der Verfahrensbeteiligten (Senat, Beschlüsse vom 03.05.2010 - L 11 B 23/09 KA ER - und 29.10.2010 - L 11 KA 64/10 B ER -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86a Rdn. 21c; vgl. auch Düring a.a.O., § 86a Rdn. 14).

IV.

1. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ist mit 20.000,00 EUR (nachfolgend a)) und für die Anschlussbeschwerde (nachfolgend b)) ebenfalls mit 20.000,00 EUR festzusetzen. Diese Werte sind zusammenzurechnen (nachfolgende c)).

a) Nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Senat, Beschluss vom 15.06.2009 - L 11 B 2/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 26.03.2003 - L 10 B 2/03 KA -, 13.08.2003 - L 10 B 10/03 KA ER -, 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -). In Verfahren auf Genehmigung von Zweigpraxen wendet der Senat allerdings die Regelung des § 52 Abs. 2 GKG an (hierzu Beschluss vom 17.12.2009 - L 11 B 7/09 KA -: Auffangstreitwert). In Anlehnung an die Streitwertfestsetzung in Zulassungsangelegenheiten bemisst der Senat den Streitwert in der Hauptsache grundsätzlich auf 5.000,00 EUR x 12 Quartale = 60.000,00 EUR. In Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist sodann wegen Art. 19 Abs. 4 GG ein Abschlag zu machen. Hierzu hat der Senat im Beschluss vom 15.06.2009 - L 11 B 2/09 KA ER - (vgl. auch Beschlüsse vom 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER - und 12.08.2009 - L 11 KA 102/08 ER -) ausgeführt:

"Soweit es ein Hauptsacheverfahren auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung anlangt, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht mehr von einem Fünf-Jahres-Zeitraum sondern nur noch von einem Drei-Jahres-Zeitraum auszugehen (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B -; Urteil vom 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R -). Geht es - wie hier - um einstweiligen Rechtsschutz in Zulassungssachen, wird teilweise die Auffassung vertreten, dass von dem fiktiven Wert des solchermaßen in zeitlicher Hinsicht fixierten Hauptsacheverfahrens ein Abschlag vorzunehmen ist (vgl. SG Dresden, Beschluss vom 15.07.2004 - S 11 KA 279/04 ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19.11.2003 - L 11 B 28/00 KA -; LSG Thüringen, Beschluss vom 12.03.2004 - L 4 B 15/01 KA -). Der Senat folgt dem nicht. Für die Wertberechnung ist vielmehr ein (fiktives) Hauptsacheverfahren zu Grunde zu legen. Insoweit ist die Länge des Zeitraums zu schätzen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens typischerweise zu erwarten ist (LSG Bayern, Beschlüsse vom 09.12.2004 - L 12 B 202/04 KA - und vom 25.04.2005 - L 12 B 203/04 KA -: zwei Jahre). Ein Abschlag wegen des besonderen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht. Dies beruht darauf, dass der vorläufig zugelassene Arzt und der Arzt, der wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen die Zulassungsentziehung weiter vertragsärztlich tätig sein darf, unter dem Gesichtspunkt der Vergütung ihrer Leistungen keinen anderen Status als "regulär" zugelassene Ärzte haben (vgl. Wenner/Bernard, NZS 2006, 1, 4).

Dieser Ansatz würde dazu führen, dass das wirtschaftliche Interesse des antragstellenden Arztes an einer einstweiligen Regelung seinem wirtschaftlichen Interesse an einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren deckungsgleich ist. Da für ein solches Hauptsacheverfahren - typisierend - grundsätzlich ein Zeitraum von drei Jahren anzusetzen ist (vgl. oben), müsste auch der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu berücksichtigende Zeitfaktor auf drei Jahre bemessen werden. Das damit verbundene Kostenrisiko erachtet der Senat wegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) als nicht mehr vertretbar (vgl. BVerfG NJW 1997, 311). Aus diesem Grunde kann in einstweiligen Rechtsschutzverfahren (einschließlich eines etwaigen Beschwerdeverfahrens) grundsätzlich ein Zeitraum von (insgesamt) zwei Jahren angesetzt werden. Anderes mag dann gelten, wenn eine befristete Teilnahmeform im Streit steht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19.05.2009 - L 11 B 10/09 KA ER - und 27.05.2009 - L 11 KA 2/09 ER -). Darum geht es hier indessen nicht. Zeitlicher Bemessungsfaktor für den Streitwert ist mithin "ein Jahr".

Unter Zugrundelegung des zeitlichen Bemessungsfaktors von einem Jahr ergibt sich mithin ein Streitwert von 20.000,00 EUR für das Beschwerdeverfahren.

b) Das Begehren des Beigeladenen war demgegenüber darauf gerichtet, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zweigpraxisgenehmigung komplett zu beseitigen. Das verfolgte Ziel hat abwehrenden Charakter (vgl. Senat, Beschluss vom 20.05.2009 - L 11 B 5/09 KA ER -). Das wirtschaftliche Interesse ist bei einer defensiven Konkurrentenklage schwerlich zu beziffern. Demzufolge kann auch insoweit auf die Kriterien des § 52 Abs. 2 GKG zurückgegriffen. Da die Bedeutung des Antrags erkennbar über dem Auffangstreitwert liegt, ist dieser angemessen zu erhöhen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2005 - L 10 B 14/05 KA -). Wiederum in Anlehnung an den in Zulassungssachen für die Streitbestimmung zugrunde zu legenden Zeitraum von drei Jahren ergäbe sich im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 12 Quartale x 5.000,00 EUR = 60.000,00 EUR (vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 95/10 B ER -). Angesichts des damit verbundenen Kostenrisikos (vgl. IV 1 a)) ist im Beschwerdeverfahren nur ein Zeitraum von einem Jahr zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 16.06.2009 - L 11 B 3/09 KA -). Hieraus resultiert ein Streitwert von 20.000,00 EUR.

c) Grundsätzlich werden die Werte mehrerer Streitgegenstände in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 39 Abs. 1 GKG). Allerdings betreffen die Beschwerde und die (unselbständige) Anschlussberufung einen (identischen) Streitgegenstand (zur Addition bei identischem Streitgegenstand vgl. LSG Hessen, Urteil vom 29.04.2009 - L 4 KA 76/08 -, LSG Berlin, Beschluss vom 30.01.2004 - L 15 B 41/00 KR ER -). Dennoch verbleibt es bei einer Addition der Werte von Beschwerde und Anschlussbeschwerde, denn wechselseitig eingelegte Rechtsmittel sind zusammenzurechnen, soweit sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden (§ 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GKG). Das gilt auch für den Fall einer Anschlussbeschwerde, wenn sich Beschwerde und Anschließung auf verschiedene Teile desselben Streitgegenstands beziehen und in einem Rechtsmittelverfahren entschieden werden. Auch wenn die Anschlussbeschwerde ihrem Wesen nach kein Rechtsmittel, sondern lediglich einen Antrag innerhalb des vom Beschwerdeführer eingelegten Rechtsmittels darstellt (vgl. oben), ist sie hinsichtlich der Streitwertberechnung wie ein Rechtsmittel zu behandeln (BGH, Beschluss vom 05.10.1978 - GSZ 1.78 -; BFH, Beschluss vom 17.12.2002 - I R 87.00 -; VGH Bayern, Urteil vom 22.07.2010 - 6 B 09.584 -). Der Streitwert ist mithin mit 40.000,00 EUR festzusetzen.

2. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Antragstellerin aus der entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO. Soweit es die Antragsgegnerin anlangt, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, denn er hat erfolgreich Anträge gestellt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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