L 10 AS 2134/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 2646/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 2134/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Kläger betreiben eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel, ein von ihrem Prozessbevollmächtigten gestellter Überprüfungsantrag (§ 44 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X)) solle beschieden werden. Die Beklagte trägt vor, bei ihr sei kein Antrag eingegangen. Die Kläger haben für den Beweis des Zugangs das Zeugnis ihres Prozessbevollmächtigten angeboten. Das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten (§ 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) abgelehnt; die Kläger seien für die Antragstellung beweispflichtig, insbesondere deshalb bestehe in Ansehung der Verhältnisse keine Erfolgsaussicht.

Die Beschwerde war zurückzuweisen, da für die erhobene Untätigkeitsklage Erfolgsaussicht (Bewilligungsvoraussetzung nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 ZPO) nicht gegeben ist.

Der Senat sieht die Begründung dafür allerdings nicht in den Erwägungen des SG, die im Ergebnis eine antizipierte Beweiswürdigung enthalten, die im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwar in sehr engen Grenzen zulässig ist (vgl. Kammergericht Berlin; Beschluss v. 04. August 2008 – 22 W 55/08 = MDR 2009, S 221 mwNachw), hier indes nicht in Betracht kommen dürfte. Beweispflichtig ist der Zugang des Überprüfungsantrages, der gegeben ist, wenn die Beklagte die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte, d.h. der Zugang ist (bereits) bewirkt, wenn der Antrag sich in der Postempfangseinrichtung der Beklagten befindet. Dies kann – je nach Ergebnis der Beweisaufnahme – anzunehmen sein, ohne dass das Gegenindiz, der Umstand, dass der Antrag in den Akten nicht vorhanden ist, durchschlagende Bedeutung haben muss, denn insoweit ist die Möglichkeit einer Unregelmäßigkeit/eines Verlusts in innerbehördlichen Postlauf bzw bei der Zuordnung zur Akte kaum sicher auszuschließen.

Dennoch hat die Untätigkeitsklage iSv § 88 SGG, wie sie hier erhoben wurde, keine Erfolgsaussicht. Eine Klage hat dann hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO, wenn die Möglichkeit, dass sie zulässig und begründet ist, nicht gänzlich fern liegt. Es ist in diesem Sinne unwahrscheinlich, dass die Begründetheit der vorliegenden Klage eintreten wird. Sofern die Beweiswürdigung des SG nach der Durchführung der Beweisaufnahme ergeben sollte, dass von einem Zugang des Antrags auszugehen ist, ist im Weiteren zu fragen, ob die Beklagte mit zureichendem Grund über diesen Antrag nicht entschieden hat. Dies ist hier zunächst solange der Fall wie sich bei der Akte kein Antrag befindet (so ist die tatsächliche Lage) und sich die Beklagte (damit) auf den Standpunkt stellen darf, hier liege kein bescheidungspflichtiger Antrag vor, d.h. bis das SG aus dem (eventuell) positiven Ergebnis der Beweisaufnahme die Konsequenz zieht, der Beklagten gemäß § 88 Abs 1 Satz 2 SGG eine Frist zur Bescheidung des Antrags zu setzen. Mit der entsprechenden Fristsetzung des SG ist die Beklagte dann gehalten, eine Entscheidung durch Verwaltungsakt zutreffen; sie kann dies bei Bedarf unter Aufrechterhaltung ihrer Auffassung in der Weise tun, dass sie eine Überprüfung nach § 44 SGB X mangels eines entsprechenden Antrags ablehnt. Der Senat sieht aber keinen Anlass zu vermuten, dass eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Beklagte, eine Fristsetzung durch das SG vorausgesetzt, weiterhin in der Weise auf ihrem Standpunkt beharrt, dass sie nicht innerhalb der Frist – während deren Lauf weiter ein zureichender Grund besteht – eine Entscheidung durch Verwaltungsakt trifft. Ist aber davon auszugehen, dass in der aufgezeigten Konstellation ein Bescheid ergeht, gibt es keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine nicht nur zulässige, sondern auch begründete Untätigkeitsklage vorliegen wird. Dieser Sichtweise kann nicht entgegengehalten werden, ein ohne zureichenden Grund unbeschiedener Überprüfungsantrag liege jedenfalls seit Erhebung der Untätigkeitsklage vor, denn unbeschadet der Frage, ob der prozessuale Antrag zugleich als (weiterer) Überprüfungsantrag ausgelegt werden kann, löst er keine Handlungspflicht der Beklagten aus, da die Gerichte keine Behörden im Sinne von § 16 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) sind (vgl. dazu Bayrisches LSG, Beschluss vom 23. September 2010 – L 7 AS 651/10 B ER).

Die Besonderheiten der Untätigkeitsklage bedingen damit, dass für den Fall, dass das SG zur Frage des Zugangs eine Beweiswürdigung zugunsten der Kläger vornimmt, für sie eine Kostenerstattung nach § 193 SGG aus Veranlassungsgesichtspunkten nicht ausgeschlossen erscheint, dass ihnen aber dafür, sich in dieser Weise im Klageverfahren durchzusetzen, keine Prozesskostenhilfe zusteht, da es aller Voraussicht nach nicht in ein zusprechendes Urteil mündet, wenn das SG die anspruchsbegründete Behauptung (Zugang des Antrags) teilt.

Es stellt kein Problem dar, dass damit ein Nachsuchen um Rechtsschutz in der von den Klägern bzw. ihrem Bevollmächtigten gewählten Form nicht gefördert wird. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es nach der im Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage geltenden Rechtslage für die Kläger von Nachteil hätte sein können, auf gerichtlichen Rechtsschutz zu verzichten und stattdessen erneut oder wiederholend einen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen. Dies bedeutet zugleich, dass es Erwägungen zur Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung (iSv § 114 Satz 1 ZPO) allein deshalb nicht bedarf, weil das PKH-Gesuch im Ergebnis erfolglos bleibt.

Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Der Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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