L 10 U 3784/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3066/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3784/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1315 und Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der am 1948 geborene Kläger war nach einer abgebrochenen Dreherlehre u. a. im Heizungsbau und ab 1974 bei Firmen tätig, die sich auf Bauabdichtungen spezialisiert hatten. Von 1979 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Juli 2005 arbeitete er bei der Firma Z. GmbH bzw. ab dem 01.06.2005 bei der Firma Z. Industrie-Sanierungs-GmbH, Firmen die auf Dächern Polyurethan (PUR)-Dachspritzschäume aufbrachten. Zu seinen Aufgaben als Lkw-Fahrer und Maschinist gehörte es auch, die mobile PUR-Spritzanlage zu betreuen. Er hatte dabei die auf einem Lkw montierte Anlage mit den Komponenten des PUR-Schaumes (einerseits dem Isocyanat Technisches MDI = Methylendiphenyldiisocyanat und andererseits Polyol) zu versorgen. Die Materialtanks wurden durch Umpumpen der Komponenten mit Hilfe einer Fasspumpe aus großen, sich auf den Baustellen befindlichen Containern befüllt. Dies geschah im Durchschnitt alle zwei Tage, bei größeren Aufträgen auch zweimal täglich. Die Arbeiten wurden im Freien durchgeführt, es kam allerdings zu inhalativen Belastungen und Hautkontakten, weil der Kläger die Schutzkleidung nicht immer trug. Gelegentlich wurden Zusatzmittel zur Verbesserung der erforderlichen Eigenschaften des Schaumes zugesetzt (Zusatzmittel ZN 16 und ZN 125). Zur Reinigung der Anlage im Freien wurde Dimethylformamid (DMF) eingesetzt. Zur weiteren Feststellung der vom Kläger zur Herstellung des PUR-Schaumes verwendeten Mittel wird auf die Stellungnahme des Dipl.-Ing. Maus vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten vom März 2006 sowie die in den Verwaltungsakten enthaltenen Sicherheitsdatenblätter Bezug genommen.

Der Kläger raucht seit 1960, ab 1980 ungefähr 60 Zigaretten täglich. Bereits im November 1995 hatte der Internist und Pneumologe Dr. B. eine bronchiale Hyperreaktivität beim Kläger festgestellt und war von einer asthmatischen Komponente bei chronischer Bronchitis und Zigarettenkonsum ausgegangen. Bis 2004 hatte der Kläger allerdings bei seiner beruflichen Tätigkeit keine Beschwerden. Erst ab 2004 bemerkte er bei hoher Exposition gegenüber den PUR-Schaumkomponenten Reizhusten und Luftnot. Im Juli 2004 und im Mai 2005 kam es zu einer Pneumonie. Daraufhin reduzierte der Kläger seinen Zigarettenkonsum auf zehn Zigaretten täglich.

Aus einem Nachschaubericht betreffend einen Arbeitsunfall im Juli 2005 erlangte die Beklagte Kenntnis von möglichen allergischen Reaktionen des Klägers und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit zur Vermeidung weiteren Kontaktes mit Berufsstoffen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen holte die Beklagte Auskünfte der behandelnden Ärzte, so der Hausärztin Dr. H. (chronisches Müdigkeitssyndrom, Exanthem am ganzen Körper) und des Umweltmediziners Dr. B. (schweres Umweltsyndrom, chronisches Müdigkeitssyndrom, Sofortreaktionen auf verschiedene chemische Stoffe und Schimmelpilze) sowie das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Prof. Dr. N. ein. Dieser diagnostizierte eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) bei langjährigem hohen Nikotinkonsum, eine kutane Mastozytose (Anhäufung von Mastzellen in der Haut), eine Wespengiftallergie, einen Verdacht auf eine belastungsinduzierte arterielle Hypertonie, einen Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom und eine Polyposis nasi (Schleimhautveränderungen in den Nasennebenhöhlen); eine Sensibilisierung gegenüber Isocyanaten und Schimmelpilzen ließ sich nicht nachweisen. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, dass die diagnostizierten Gesundheitsstörungen nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden seien. Hinsichtlich der Exposition gegenüber DMF führte er aus, dieser Stoff könne in hohen Konzentrationen, die deutlich über der Geruchsschwelle lägen, zu Reizerscheinungen an den oberen Atemwegen führen. Bei chronischer Exposition träten primär Leberschädigungen auf, welche nach der BK Nr. 1316 anzuerkennen wären. Im Hinblick auf die Atembeschwerden des Klägers führte der Gutachter aus, zu einer definitiven Beweisführung einer möglichen chemisch-irritativen Wirkung von Isocyanaten auf die Atemwege wäre eine spezifische Expositionstestung mit Isocyanaten notwendig. Diese habe jedoch im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Klägers nicht erfolgen können. Bei Betrachtung des chronologischen Krankheitsverlaufes stelle sich die Atemwegserkrankung als reine, berufsunabhängige COPD dar. Hierfür spreche die schleichend zunehmende belastungsabhängige Luftnot, die COPD-typische Fluss-Volumen-Kurve im Rahmen der lungenfunktionsanalytischen Diagnostik, die bereits für 1995 beschriebene chronische Bronchitis bei langjährigem hohen Nikotinkonsum und das Fortbestehen der Beschwerdesymptomatik auch nach Expositionsende. Von einem im Jahr 2004 neu aufgetretenen Asthma bronchiale könne nicht ausgegangen werden. Zwar beschreibe der Kläger arbeitsplatzabhängige Reizsymptome ab diesem Zeitpunkt. Interpretiere man diese Ereignisse als Erstmanifestation eines irritativ-toxischen Asthma bronchiale, hätte bei der lungenfunktionsanalytischen Untersuchung im Jahr 2005 bei Dr. B. und bei der aktuellen gutachterlichen Untersuchung entweder ein lungenfunktionsanalytischer Normalbefund oder eine vollreversible Obstruktion vorliegen müssen. Nur ein langjährig schlecht behandeltes Asthma bronchiale könne mit ähnlichen Funktionswerten, wie sie jetzt gefunden worden seien, einhergehen. Im Ergebnis gelangte Prof. Dr. N. zu der Einschätzung, dass die Atemwegsbeschwerden eindeutig einer COPD bei langjährigem hohem Nikotinkonsum zuzuordnen seien. Eine BK liege nicht vor, auch nicht im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2007 und Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007 die Anerkennung einer BK 4301, 4302 und 1315 der Anlage 1 zur BKV sowie Rentenleistungen und Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation ab.

Das hiergegen am 19.04.2007 mit dem Begehren auf Feststellung der abgelehnten BKen angerufene Sozialgericht Stuttgart hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof. Dr. H. mit ergänzender Stellungnahme eingeholt. Der Sachverständige hat die von Prof. Dr. N. diagnostizierte COPD bestätigt und darüber hinaus einen Zustand nach Isocyanatbelastung, vermehrte Entzündungszeichen, Nikotinabusus, Sinusitis chronica polyposa, chronisch rezidivierende Lumboischialgie, Zustand nach Borrelieninfektion, Serotoninverminderung, differenzialdiagnostisch chronische Borreliose diagnostiziert und die beruflichen Belastungen sowie die Raucherexposition bzw. die körpereigenen Ursachen als gleichrangig bewertet und die Voraussetzungen für eine BK Nr. 4302 sowie 1315 bejaht. In seiner ergänzenden Stellungnahme zu Einwänden der Beklagten hat er bestritten, die außerberufliche Raucher-Exposition gleichrangig mit den Arbeitsstoffen zu sehen, es sei eine additive Belastung anzunehmen. Den Einwand der Beklagten, es sei seit Aufgabe der Tätigkeit zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Funktionswerte im Sinne der Obstruktion gekommen, was eine Bestätigung der fortlaufenden Einwirkung des Zigarettenrauchens sei, hat Prof. Dr. H. nicht gelten lassen wollen. Weder eine fortlaufende Einwirkung des Zigarettenrauchens sei belegt noch eine rasche Progredienz einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Folge des Rauchens. Hierzu hat der Lungenarzt Dr. B. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte darauf hingewiesen, es sei pneumologisches Allgemeinwissen, dass fortgesetztes Zigarettenrauchen bei eingetretener COPD eine Progredienz der Obstruktion bedinge. Im Übrigen gehe Prof. Dr. H. allein auf Grund einer allgemeinen Gesundheitsgefährdung durch Isocyanate von einem kausalen Zusammenhang aus, was nicht zulässig sei.

Mit Urteil vom 29.07.2009 hat das Sozialgericht die in der mündlichen Verhandlung auf die Feststellung der BK Nr. 1315 und 4302 beschränkte Klage abgewiesen und sich der Beurteilung von Prof. Dr. N. angeschlossen. Prof. Dr. H. könne nicht gefolgt werden. Er vermöge die von Prof. Dr. N. beschriebene rasche Progredienz der obstruktiven Atemwegserkrankung nach Aufgabe der Berufstätigkeit nicht zu erklären. Entgegen seiner Auffassung sei es zu einem fortgesetzten Zigarettenrauchen gekommen, was - als pneumologisches Allgemeinwissen (Dr. B. ) - für eine Progredienz der Obstruktion verantwortlich sei. Die potenzielle Gefährlichkeit und Gefährdung durch Arbeitsstoffe begründe als solche keinen kausalen Zusammenhang.

Gegen das ihm am 11.08.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.08.2009 Berufung eingelegt. Er beruft sich weiterhin auf das Gutachten von Prof. Dr. H ...

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2009 und den Bescheid vom 11.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 sowie 1315 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen von Prof. Dr. N. und Dr. B ...

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BKen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung dieser BKen. Dem auf Verurteilung der Beklagten zur behördlichen Anerkennung der BKen gerichteten Antrag kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu, insbesondere nicht i.S. einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).

Gegenstand des Rechtsstreits ist somit allein die vom Kläger begehrte Feststellung seiner Atemwegserkrankung als BKen nach Nr. 4302 und 1315 der Anlage 1 zur BKV. Nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist die Feststellung einer BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV, weil der Kläger die diesbezüglich ursprünglich erhobene Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht mehr aufrecht erhalten hat. Ebenfalls nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche auf konkrete Leistungen. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 11.01.2007 derartige Leistungen ablehnte, hat der Kläger diesen Bescheid nicht angefochten. Im Hinblick auf das erwähnte DMF und das Müdigkeitssyndrom ist die unter dem Aktenzeichen L 10 U 3042/08 mit dem Ziel der Feststellung einer diesbezüglichen BK (Nr. 1316 bzw. Wie-BK) anhängig gewesene Berufung des Klägers im Ergebnis erfolglos geblieben (Beschluss des Senats vom 24.06.2010).

Die Voraussetzungen für die Feststellung der vorliegend streitigen BKen liegen nicht vor.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1315 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren und nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Im Hinblick auf die BK Nr. 1315 ist der Senat in Übereinstimmung mit den Beteiligten und der Beklagten der Auffassung, dass der Kläger den von dieser BK erfassten Listenstoffen ausgesetzt war. Denn er hatte mit dem Technischen MDI bei der Herstellung des PUR-Schaumes Kontakt, also mit einem Isocyanat. Im Hinblick auf die BK 4302 ist festzustellen, dass beim Kläger die von dieser BK erfasste Gesundheitsstörung, nämlich eine obstruktive Atemwegserkrankung vorliegt. Denn beim Kläger besteht eine COPD.

Wie das Sozialgericht und die Beklagte vermag der Senat jedoch einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und der beim Kläger bestehenden Atemwegserkrankung - nur insoweit kommt eine BK in Betracht und nur insoweit hat der Kläger folgerichtig die Feststellung einer BK beantragt - nicht anzunehmen. Auch der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. N. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten an. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargestellt, welche Erwägungen Prof. Dr. N. hier anstellte und sich hierauf gestützt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Im Grunde gelangte Prof. Dr. N. zu dem Ergebnis, dass insbesondere der Krankheitsverlauf einen ursächlichen Zusammenhang mit beruflichen Einwirkungen ausschließt, vielmehr ein Zusammenhang zwischen dem zeitweise schon als exzessiv zu erachtenden Nikotinkonsum des Klägers (Rauchen seit 1960, ab 1980 bis zu 60 Zigaretten am Tag, Reduzierung erst nach den Pneumonien im Jahre 2004 und 2005 auf zuletzt 10 Zigaretten täglich) und seiner Atemwegserkrankung besteht. Damit lässt sich die COPD bereits alleine mit dem chronischen Nikotinkonsum erklären, was zugleich die Annahme eines naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhanges zwischen den schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz durch Isocyanat oder sonstigen chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen und der Atemwegserkrankung zumindest in Zweifel zieht. Diese Zweifel gehen - wie dargelegt - zu Lasten des Klägers.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Gutachten von Prof. Dr. H. bzw. dessen ergänzende Stellungnahme berufen. Der Sachverständige hat schon nicht dargelegt, aus welchen Gründen überhaupt ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der Atemwegserkrankung des Klägers bestehen soll. Vielmehr schließt er - dies haben die Beklagte, Dr. B. und das Sozialgericht zutreffend erkannt - allein aus dem Vorhandensein einer Exposition durch gesundheitsgefährdende Stoffe auf eine tatsächliche Schädigung. Auch insoweit hat das Sozialgericht zutreffend dargestellt, dass und aus welchen Gründen der Beurteilung von Prof. Dr. H. nicht gefolgt werden kann. Auch insoweit nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch und gerade im BKen-Recht, wo angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stellt. Aber auch hier gilt, dass es keinen Automatismus zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs alleine auf Grund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer von der BK erfassten bzw. generell durch solche Einwirkungen hervorrufbaren Erkrankung gibt (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R). Im Übrigen geht Prof. Dr. H. ohnehin von unzutreffenden Tatsachen aus. So nimmt er im Gutachten an, dass erstmalige arbeitsplatzbezogene Beschwerden beim Kläger im Jahre 2000 aufgetreten seien. Eine entsprechende Dokumentation findet sich jedoch nirgends, auch nicht im Rahmen der von ihm selbst durchgeführten Anamnese. Tatsächlich gab der Kläger gegenüber Prof. Dr. N. an, erstmalig im Jahre 2004 arbeitsplatzbezogene Beschwerden gehabt zu haben. In seiner ergänzenden Stellungnahme führt Prof. Dr. H. aus, eine fortlaufende Einwirkung des Zigarettenrauchens sei beim Kläger nicht belegt. Tatsächlich gab der Kläger sowohl gegenüber Prof. Dr. N. wie gegenüber Prof. Dr. H. an, weiterhin Zigaretten zu rauchen (vgl. S. 20 und ausdrücklich im Rahmen der Raucheranamnese S. 28 des Gutachtens von Prof. Dr. H. ). Prof. Dr. H. hat sich auch nicht mit den Überlegungen und der Argumentation von Prof. Dr. N. auseinandergesetzt. Die Abweichung zum Gutachten von Prof. Dr. N. wird lediglich mit der - ohne Begründung aufgestellten - Behauptung einer Gleichrangigkeit des Nikotinkonsums mit der beruflichen Tätigkeit und mit der - wie dargelegt unzutreffenden - Annahme eines arbeitsplatzbezogenen Beschwerdebeginns im Jahre 2000 begründet.

Soweit Prof. Dr. H. zur Begründung einer Sensibilisierung des Klägers auf gesundheitsgefährdende Stoffe des Arbeitsplatzes auf den von ihm veranlassten Lymphozyten-transformationstest (LTT) verweist, treffen seine Ausführungen, wonach es sich um eine anerkannte Untersuchungsmethode handle, nicht zu. Dies hat Dr. B. in seiner Stellungnahme für die Beklagte zutreffend dargestellt. Das Robert-Koch-Institut, auf dessen Anerkennung sich Prof. Dr. H. beruft, hat im Jahre 2002 in einer von Dr. B. vorgelegten Empfehlung darauf hingewiesen, dass der unspezifische LTT nur zum Nachweis schwerer Immundefekte geeignet sei, eine geringgradig eingeschränkte Funktion der Lymphozyten, wie sie möglicherweise durch Umweltstoffe hervorgerufen werde, könne wegen mangelnder Sensitivität nicht erfasst werden. Der spezifische LTT habe einen gesicherten Stellenwert nur in der medikamentös-allergischen Reaktion. Seine Aussagekraft im Bereich von "Umwelterkrankungen" sei nur eingeschränkt und müsse durch Studien belegt werden. Auch die entsprechende Nachfrage beim Robert-Koch-Institut durch Dr. B. (siehe die von ihm vorgelegte E-Mail) hat hierzu keine weiteren Erkenntnisse erbracht. Die diagnostische Relevanz des LTT - so ist dort zu lesen - sei nicht ausreichend aufgezeigt worden. Im Übrigen ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen auch keine nachvollziehbare Relevanz des Ergebnisses dieser Untersuchung für die hier zu beantwortende Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen beruflichen Einwirkungen und der Atemwegserkrankung; insbesondere fehlt diesbezüglich eine konkrete Darstellung.

Im Ergebnis gelangt somit der Senat zu der Überzeugung, dass die Atemwegserkrankung des Klägers in ursächlichem Zusammenhang mit dessen berufsunabhängigen Nikotinkonsum, nicht jedoch mit den schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz steht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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