L 8 SB 5110/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 2868/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5110/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Bei dem am 1947 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt H. zuletzt mit Abhilfebescheid vom 30.07.2002 den GdB mit 50 fest. Ein Antrag des Klägers auf Erhöhung des GdB blieb unter Berücksichtigung einer Gesichtsnervenlähmung rechts - Facialisparese - (Teil-GdB 10), Bluthochdruck, abgelaufener Herzinfarkt und Stentimplantationen (Teil-GdB 30), einer chronischen Bronchitis (Teil-GdB 10), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), Diabetes mellitus (Teil-GdB 10) sowie Gleichgewichtsstörungen (Teil-GdB 10) ohne Erfolg (Bescheid vom 12.11.2004, Widerspruchsbescheid vom 13.02.2006).

Am 13.02.2008 beantragte der Kläger beim Landratsamt L. - Versorgungsangelegenheiten - (VA) die Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung bestehender bzw. neu aufgetretener Funktionsbeeinträchtigungen. Der Kläger legte medizinische Unterlagen vor (Berichte Dr. K. vom 30.05.2005, Dr. V. vom 18.07.2005, Gemeinschaftspraxis N. und Kollegen vom 05.12.2006, Dr. K.-H. vom 15.03.2007, Dr. Ru. vom 14.06.2007 und Dr. S. vom 11.02.2008). Das VA holte von Dr. Ko. den Befundbericht vom 15.03.2008 ein. Nach ärztlicher Auswertung der zu den Akten gelangten Unterlagen (gutachtliche Stellungnahme Dr. H. vom 01.05.2008, der eine wesentliche Änderung verneinte) entsprach das VA mit Bescheid vom 09.05.2008 dem Antrag auf Neufeststellung des GdB nicht. Eine zu den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen geltend gemachte Sehminderung bedinge keinen GdB von wenigstens 10.

Gegen den Bescheid vom 09.05.2008 legte der Kläger am 04.06.2008 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Funktionsbeeinträchtigungen und Krankheiten, unter denen er leide, fortschreitender Natur seien. Dies gelte für die Herzkrankheit und die chronische Bronchitis. Ferner leide er unter Gleichgewichtsstörungen. Der GdB von 50 sei weit überschritten. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. - Landesversorgungsamt - vom 11.08.2008 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 30.07.2002 zu Grunde lägen, sei eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Die Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen habe gezeigt, dass sich eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertige, nicht feststellen lasse.

Hiergegen erhob der Kläger am 04.09.2008 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Er machte zur Begründung eine schwere Herzerkrankung, eine chronische Bronchitis mit Atemnot, Gleichgewichtsstörungen/Schwindel durch Störungen im Gehirn nach einem Schlaganfall sowie eine Depression, die fortschreitender Natur seien, geltend.

Das SG hörte dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ko. sowie den Kardiologen/Pulmologen/Angiologen/Allergologen Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Ko. teilte in seiner Stellungnahme vom 29.11.2008 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen den Behandlungsverlauf sowie die Diagnosen mit. Er stimmte der ärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 01.05.2008 mit Ausnahme der Bewertung der Facialisparese mit einem Teil-GdB von 10 zu. Im Zusammenhang mit der Facialisparese müsse ein kognitives Defizit mit einer leichten Demenz gesehen werden, weshalb dieser Teil-GdB unterbewertet sei. Dr. S. teilte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 03.11.2008 den Behandlungsverlauf sowie die Diagnosen mit. Mit der Stellungnahme von Dr. H. stimme er weitgehend überein. Jedoch scheine das Ausmaß der Herzerkrankung nicht richtig erfasst. Der GdB sei eher auf 60 anzusetzen.

Das SG holte von Amts wegen das Gutachten des Internisten und Kardiologen Dr. Wi. , Klinikum am P. , vom 25.06.2009 ein. Dr. Wi. diagnostiziert in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers eine koronare 3-Gefäßerkrankung mit global leichtgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, Hypokinese der Herzhinterwand, kompletter Linksschenkelblock, Angina pectoris ab 125 Watt bei Zustand nach Stentimplantationen (Teil-GdB 30), eine arterielle Hypertonie (Teil-GdB 10), Diabetes mellitus Typ 2 ohne Spätkomplikationen (Teil-GdB 10), eine periphere Facialisparese rechts (Teil-GdB 10), ein Lendenwirbelsäulensyndrom, ein Schulter-Arm-Syndrom (anamnestisch), eine Hyperlipidämie, eine geringgradige kombinierte Ventilationsstörung (Teil GdB 20) sowie ein Tinnitus aurium. Den Gesamt-GdB bewertete Dr. Wi. mit 50 seit März 2001.

Der Kläger erhob gegen das Gutachten des Dr. Wi. Einwendungen.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der GdB sei auch weiterhin mit 50 ausreichend und angemessen bewertet, wie aus dem Gutachten von Dr. Wi. folge. Die koronare Herzerkrankung sei mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Die vom Beklagten in Ansatz gebrachten Teil-GdB-Werte von 10 für den Bluthochdruck und den Diabetes mellitus Typ 2 seien nicht zu beanstanden. Nach den vorliegenden augenärztlichen Befunden lägen insoweit auch keine Folgeschädigungen vor. Hinweise auf eine vaskuläre Demenz oder eine bedeutende Einschränkung im kognitiven Bereich habe Dr. Wi. nicht gefunden. Entsprechende Befunde würden auch von den gehörten sachverständigen Zeugen nicht beschrieben oder mitgeteilt, weshalb hierfür ein GdB nicht in Ansatz gebracht werden könne. Gleiches gelte für die Gleichgewichtsstörungen. Der Schwankschwindel bei raschem Lagewechsel sei mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Einschränkungen der Sehfähigkeit mache der Kläger nicht geltend. Die vom Beklagten berücksichtigten Teil-GdB-Werte seien damit auch weiterhin anzusetzen. Eine Verschlimmerung der orthopädischen Leiden sei nicht geltend gemacht worden. Nicht berücksichtigte Einschränkungen lägen beim Kläger nicht vor.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.10.2009 beim SG Berufung eingelegt, die dem Landessozialgericht vorgelegt worden ist. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, eine diabetische Schädigung des Auges sei nicht berücksichtigt worden. Er leide zudem unter Linsentrübungen, die eine Operation beider Augen notwendig gemacht hätten. Er habe auch noch deutliche Hinweise auf die Folgen eines Schlaganfalls. Er leide unter einer sofort auffälligen Gesichtsnervenlähmung. Außerdem bestünden deutliche Hinweise auf eine vaskuläre Demenz.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. September 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit höher als 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat den HNO-Arzt Dr. Kr. , Dr. Ko. und die Augenärzte Dr. Ru. /Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. Kr. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.05.2010 unter Vorlage eines Ton- und Sprachaudiogramms über den Behandlungsverlauf, die Diagnosen (periphere Facialisparese rechts, Ohrgeräusche beidseits, Hörminderung beidseits seit einem Jahr) und die erhobenen Befunde berichtet. Dr. Ru. /Dr. M. haben in ihrer Stellungnahme vom 01.06.2010 unter Vorlage von Operationsberichten vom 04.06.2009 und 24.06.2009 (Implantation einer Hinterkammerlinse linkes und rechtes Auge) den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und Befunde (Visus rechtes und linkes Auge jeweils 1,00) mitgeteilt. Länger als 6 Monate andauernde Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht altersbedingt seien, hätten sich zu keiner Zeit der bisherigen Behandlung gefunden. Dr. Ko. hat in seiner Stellungnahme vom 15.06.2010 unter Vorlage eines Befundberichtes des Dr. S. vom 15.12.2009 den Behandlungsverlauf sowie die Befunde mitgeteilt. Neben dem EKG-Befund hat Dr. Ko. mitgeteilt, dass Defizite der Schlaganfalles vorhanden sein, die den Kläger im Alltag nicht stark einschränkten. Es bestehe ein leichtes organisches Psychosyndrom.

Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 30.09.2010, der unter zusätzlicher Berücksichtigung eingepflanzter Kunstlinsen beidseits mit einem Teil-GdB von 10 den Gesamt GdB weiterhin mit 50 bewertete, der Berufung weiter entgegengetreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Abhilfebescheid vom 30.07.2002 mit einem GdB von 50 bewertete Behinderungszustand.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Hiervon ausgehend ist beim Kläger eine wesentliche Änderung seiner gesundheitlichen Verhältnisse, die einen höheren GdB als 50 rechtfertigen, nicht eingetreten, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll umfänglich an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren ist auszuführen:

Die Herzerkrankung des Klägers mit Bluthochdruck ist nach den hierzu zu den Akten gelangten Befundunterlagen und den vom Gutachter Dr. Wi. bei der Begutachtung des Klägers erhobenen Befunden mit einem GdB von 30 eher großzügig und nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig bewertet. Bei Herz- und Kreislauferkrankungen ist für die Bemessung des GdB weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Nach einem Herzinfarkt ist der GdB von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig (VG Teil B Nr. 9 und Nr. 9.1.3). Bei der Begutachtung durch Dr. Wi. war der Kläger beim Belastungs-EKG bis 125 Watt belastbar, wobei auf der maximalen Belastungsstufe eine diskrete Angina pectoris auftrat. Bei der Echokardiographie bestand lediglich eine leicht eingeschränkte systolische linksventrikuläre Funktion bei Hypokinese der Herzhinterwand. Der arterielle Blutdruck betrug 130/80 mmHg. Nach dem von Dr. Ko. bei seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.06.2010 an den Senat vorgelegten Befundbericht von Dr. S. vom 15.12.2009 war der Kläger sogar bis 150 Watt (40 Sekunden) belastbar, ohne Zeichen einer Angina pectoris. Der Blutdruck betrug (unter Medikation) in Ruhe 120/80 mmHg. Es fanden sich keine Erregungsrückbildungs- oder Rhythmusstörungen. Entsprechende Befunde ergab ein Belastungs-EKG im Februar 2008 (Befundbericht Dr. S. vom 11.02.2008). Auch Dr. Ko. geht in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.06.2010 hinsichtlich der Herzerkrankung des Klägers von einem sehr guten Revaskularisationsergebnis aus. Der Blutdruck des Klägers ist unter medikamentöser Therapie normal, wie Dr. Ko. außerdem mitgeteilt hat. Danach liegt beim Kläger keine Herzleistungsminderung bzw. ein Bluthochdruckleiden vor, die nach den VG einen Teil-GdB von 30 rechtfertigen (vgl. Teil B Nr. 9.1.1), worauf auch Dr. R. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.09.2010 überzeugend hinweist. Der abweichenden Ansicht von Dr. S. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 03.11.2008 kann nicht gefolgt werden. Dr. S. stützt seine Ansicht maßgeblich auf die Art der Erkrankung und die bestehenden Veränderungen und lässt die dadurch bedingte geringe Leistungseinbuße, die bei der Bewertung des Teil-GdB maßgeblich ist, unberücksichtigt.

Auch der Diabetes mellitus des Klägers rechtfertigt die Neufeststellung eines höheren GdB als 50 nicht. Das Vorbringen des Klägers, es liege eine diabetische Schädigung der Augen vor, trifft nicht zu. Dr. Ru. /Dr. M. haben vielmehr in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 01.06.2010 an den Senat retinale Zuckerveränderungen an beiden Augen verneint und damit die Angabe von Dr. Ko. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 29.11.2008 an das SG (diabetische Retinopathie) nicht bestätigt. Weiter ist der Diabetes mellitus des Klägers nach der Mitteilung von Dr. Ko. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.06.2010 stabil und wird nach den Ausführungen von Dr. Wi. in seinem Gutachten vom 25.06.2009 medikamentös mit Metformin behandelt. Die Verabreichung von Insulin ist nicht notwendig. Nach den rechtlichen Vorgaben der VG Teil B Nr. 15.1 (i.d.F. der zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.07.2010, BGBl. 2010, 928) rechtfertigt die Zuckererkrankung des Klägers damit keinen Teil-GdB von 20, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dieser Bewertung hat auch Dr. Ko. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 29.11.2008 zugestimmt.

Auch die Gesichtsnervenlähmung rechts (Facialisparese) rechtfertigt keinen höheren Gesamt-GdB als 50. Diese Gesundheitsstörung ist vielmehr auch zur Überzeugung des Senats mit einem Teil-GdB von 10 angemessen bewertet. Der Senat folgt der Bewertung von Dr. Wi. in seinem Gutachten vom 25.06.2009, der die Auswirkungen der Gesichtsnervenlähmung mit leicht eingestuft hat. Dass die Gesichtsnervenlähmung jedem Beobachter sofort auffällig sei, wie der Kläger im Berufungsverfahren geltend macht, wird von Dr. Wi. in seinem Gutachten nicht bestätigt. Auffälligkeiten durch die Gesichtsnervenlähmung hat Dr. Wi. nicht genannt. Auffälligkeiten lassen sich auch den Angaben der im gerichtlichen Verfahren gehörten sachverständigen Zeugen sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen einer vaskulären Demenz berufen. Nach dem Gutachten von Dr. Wi. vom 25.06.2009 fanden sich bei der Untersuchung des Klägers keine Hinweise auf eine vaskuläre Demenz oder bedeutende Einschränkungen im kognitiven Bereich. Dass diese Bewertung - möglicher weise - auf mangelnde deutsche Sprachkenntnisse des Klägers zurückzuführen ist, wie der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, hält der Senat für äußerst unwahrscheinlich, nachdem die Ehefrau des Klägers während der gesamten Untersuchung als Dolmetscherin tätig war, wie Dr. Wi. in seinem Gutachten mitgeteilt hat. Zwar ist der Kläger nach den Angaben von Dr. Ko. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.06.2010 in seiner kognitiven Leistungsfähigkeit eingeschränkt; außerdem besteht ein leichtes organisches Psychosyndrom. Der Kläger ist jedoch nach Angaben des Dr. Ko. , wenn auch mit Hilfe seiner Frau, gut alltagsfähig und wird durch die verbliebenen Defizite eines Schlaganfalles im Alltag nicht stark eingeschränkt, wie er außerdem mitgeteilt hat. Auch den Angaben des Klägers lassen sich keine konkreten Beeinträchtigungen entnehmen. Danach kann allenfalls von leichteren funktionellen Einschränkungen ausgegangen werden, die nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB den GdB nicht erhöhen. Befunde, die die Annahme einer stärker behindernden Störung mit einem GdB größer als 10 rechtfertigen, werden von Dr. Ko. in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen vom 29.11.2008 und 15.06.2010 nicht mitgeteilt, weshalb seine Ansicht, dieser Teil-GdB sei unterbewertet, nicht plausibel ist.

Dass hinsichtlich der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet bzw. der Atemwege/Lunge beim Kläger eine Verschlimmerung eingetreten ist, ist nach den Angaben der im gerichtlichen Verfahren gehörten sachverständigen Zeugen sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht ersichtlich und wird im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Auch die neu hinzugetretenen Gesundheitsstörungen des Klägers (Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen und eingepflanzte Kunstlinse beidseits) rechtfertigen keine Neufeststellung eines höheren GdB als 50.

Nach den von Dr. Kr. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 24.05.2010 gemachten Angaben und dem von ihm vorgelegten Tonaudiogramm beträgt beim Kläger nach der 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 (vgl. VG Teil B Nr. 5.2.2) der prozentuale Hörverlust rechts 21 % und links 25 %. Dieser Hörverlust bedingt nach den VG (Teil B Nr. 5.2.4) einen Teil-GdB von 10 bis 15. Zusätzlich bestehen beim Kläger Ohrgeräusche die nach den VG Teil B Nr. 5.3 mit einem Teil-GdB von 0-10 zu bewerten sind. Dass wegen der Ohrgeräusche beim Kläger erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen bestehen, die nach den VG einen Teil-GdB von 20 rechtfertigen, lässt sich den Angaben der im gerichtlichen Verfahren gehörten sachverständigen Zeugen sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen und wird im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Damit wird beim Kläger wegen des Hörverlustes und der Ohrgeräusche ein Teil-GdB von 20, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen wäre, nicht erreicht.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Augen des Klägers (Implantation einer Hinterkammerlinse beidseits). Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom Dr. Ru. /Dr. M. vom 01.06.2010 beträgt der Visus (mit Brille) beidseits 1,00. Eine Unverträglichkeit der implantierten Linsen lässt sich den Angaben von Dr. Ru. /Dr. M. nicht entnehmen. Damit ist nach den VG Teil B. Nr. 4.2 (i.d.F. der dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.07.2010, BGBl. 2010, 2124) hinsichtlich der Augen des Klägers von einem Teil-GdB von 10 auszugehen, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen ist. Auch vor der Implantation der Hinterkammerlinsen bestand beim Kläger nach den zu den Akten gelangten Befundunterlagen keine Sehstörung, die nach den VG (bzw. AHP) einen GdB von 10 begründet hat (Befundberichte Dr. Ru. vom 03.11.2008 und 14.06.2007).

Damit ist beim Kläger im Vergleich zu dem im Teilabhilfebescheid vom 30.02.2002 mit einem GdB von 50 bewertete Behinderungszustand eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen (Verschlimmerung), die eine Neufeststellung eines höheren GdB als 50 rechtfertigt, nicht eingetreten.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den Sachverhalt durch die durchgeführten Ermittlungen des SG und des Senates für aufgeklärt. Der Kläger hat im Berufungsverfahren keine Gesichtspunkte aufgezeigt, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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