L 6 U 122/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 U 73/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 122/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Ereignisses vom 5. Dezember 2003 als Arbeitsunfall.

Der 1989 geborene Kläger stürzte laut Unfallanzeige des von ihm besuchten Gymnasiums am 5. Dezember 2003 gegen 14.30 Uhr während des Schulwettkampfs "Hochsprung mit Musik" beim Absprung. Dabei habe er sich das rechte Knie und rechte Schienbein verletzt. Der noch am gleichen Tag aufgesuchte Durchgangsarzt im Klinikum Q. Chefarzt Dr. M. berichtete über den Unfallhergang, der Kläger habe im Sportunterricht einen Hochsprung machen wollen; beim Anlauf habe er plötzlich ein Knacken und Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürt. Er stellte im rechten Kniegelenk eine Schwellung, ein Hämatom sowie einen Ausriss der Tuberositas tibiae fest. Über die stationäre Behandlung des Klägers im Klinikum Q. vom 5. Dezember 2003 bis 16. Dezember 2003 berichtete Dr. M., er habe das rechte Kniegelenk mit einer konfektionierten Schiene ruhiggestellt. Die Röntgenkontrolle habe das Ausrissfragment im Bereich der rechten Tuberositas tibiae bei guter Implantatlage in einer kniegerechten Position gezeigt.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 5. Dezember 2003 als Arbeitsunfall ab. Hiergegen erhob der Kläger am 19. Januar 2004 Widerspruch. Seine Eltern führten in dem Widerspruchsschreiben u. a. zum Unfallhergang aus, beim Absprung sei es zu einem Sturz auf die Stange mit anschließendem großen Schmerzempfinden gekommen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Schulleiter des von dem Kläger besuchten Gymnasiums mit, laut Schilderung des Sportlehrers müsse sich der Kläger die Verletzung bei der Ausführung des Stemmschrittes vor dem Absprung zugezogen haben. Daraufhin sei er gestürzt.

Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. L. vom Institut für ärztliche Begutachtung D. vom 15. März 2004 ein, der ausführte, die Bewegung und Kraftanstrengung des Klägers vor dem Ereignis sei nicht bestimmungswidrig und unphysiologisch abgelaufen. In jedem Falle wäre die versicherte Tätigkeit nicht wesentlich teilursächlich für den Gesundheitsschaden. Allein wesentlich seien die Schadensanlagen anzusehen. Ob es sich dabei um eine Osgood Schlatter´sche Erkrankung handle, sei den Unfallakten nicht zu entnehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit der am 7. Mai 2004 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung des Ereignisses vom 5. Dezember 2003 als Arbeitsunfall weiter verfolgt. In der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 18. Januar 2007 hat er ausgeführt, er habe zum damaligen Zeitpunkt keine Leichtathletiksportart mit Hochsprung ausgeübt. Im Schulunterricht habe er die Technik des Hochsprunges als "Flop" gelernt und seit einem Jahr vor dem Unfall trainiert. Der Wettkampf habe mit einer Erwärmung von circa 30 Minuten begonnen. Danach habe er mindestens schon einen Sprung absolviert gehabt, bevor das schädigende Ereignis eingetreten sei. Bei dem Sprung sei er von der linken Seite – wie auch sonst – in einem Halbkreis Richtung Hochsprunganlage gelaufen. Um über die Latte zu springen, habe er einen Stemmschritt mit dem rechten Bein vollführen und mit diesem die Bewegung des Körpers nach oben über die Stange vornehmen müssen. Dabei habe er ein Knacken im rechten Kniegelenk vernommen. Aufgrund des Knackens habe er den Sprung nicht mehr ausgeführt. Vielmehr sei er rückwärts gegen die Matte der Sprunganlage gefallen. Anschließend sei er auf dem Fußboden zu liegen gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er dann gesehen, dass sein rechtes Kniegelenk deformiert gewesen sei. Auch habe er Schmerzen im Kniegelenk verspürt.

Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. M. mit der Erstattung des Gutachtens vom 6. Juli 2007 beauftragt. Dieser hat ausgeführt, der Kläger habe zum Unfallhergang berichtet, er habe relativ energisch Anlauf genommen, nach einigen Schritten einen starken Schmerz im rechten Kniegelenk gespürt und den Anlauf abgebrochen. Der radiologische Befund vom 5. Dezember 2003 beschreibe zwei Ausrissfiguren aus der Tuberositas tibiae. Eine Veränderung der Tuberositas im Sinne eines Morbus Osgood Schlatter sei ausdrücklich nicht beschrieben. Auch im intraoperativen Befund sei eine Veränderung der Apophyse im Sinne einer Osgood Schlatter´schen Erkrankung nicht vermerkt. Von einer bestehenden Vorschädigung im Bereich der Tuberositas tibiae rechts könne nicht ausgegangen werden. Der Ausriss eines knöchernen Fragmentes und eines Teiles der Apophyse sei durch die dynamische Belastung beim energischen Antritt im Anlauf zum Hochsprung verursacht worden. Die Überschreitung der Höchstbelastbarkeit im Bereich eines Sehnenansatzes sei bei einem untrainierten jugendlichen Sportler mit noch nicht geschlossener Epiphysenfuge bei kleinen gang- oder sprungtechnischen Fehlern möglich und auch experimentell nachgewiesen. Anlagebedingte oder schicksalhafte Gesundheitsstörungen lägen nicht vor. Der noch inkomplette Schluss der Wachstumsfuge sei zum Unfallzeitpunkt altersbedingt normal gewesen und führe zu einer altersbedingten verminderten Belastbarkeit. Die Frage, ob in der Anlaufphase eventuell ein Umknicken, ein falsches Auftreten oder eine Bodenunebenheit zu einer Fehlbelastung geführt hätten, sei nicht zu beantworten. Die versicherte Tätigkeit sei ursächlich für die Gesundheitsstörung.

Mit Urteil vom 11. Oktober 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die versicherte Tätigkeit sei rechtlich nicht die wesentliche (Mit)Ursache für den Ausriss der Tuberositas tibiae. Der Kläger habe den Anlauf zum Hochsprung ohne jede Abweichung von anderen geschildert. Für gang- oder sprungtechnische Fehler, ein Umknicken, falsches Auftreten oder eine Bodenunebenheit mit nachfolgender Fehlbelastung des rechten Kniegelenkes bestehe kein Anhalt. Der Kläger habe seit ca. einem Jahr vor dem Ereignis die Sprungtechnik des Hochsprungs im Unterricht geübt, sei aufgrund der hierbei gezeigten sportlichen Leistungen für den Schulwettkampf ausgewählt worden und könne daher nicht als untrainiert gelten. Am Wettkampftag habe er auch mindestens einen Hochsprung vor dem schädigenden Ereignis absolviert. Eine Überschreitung der altersbedingten Höchstbelastbarkeit im Bereich des Sehnenansatzes der Epiphyse am rechten Kniegelenk erkläre sich daraus nicht. Wenn es anlässlich der Ausführung eines weiteren Hochsprunges im Rahmen eines bewussten physiologisch normalen Bewegungsablaufes zu einem knöchernen Ausriss im Bereich des Sehnenansatzes der Epiphyse gekommen sei, spreche dies für eine spontane Verletzung infolge bereits gelockerter Epiphyse. Auch ohne das angeschuldigte Ereignis hätte es in absehbarer Zeit zur Epiphysenlösung kommen können.

Gegen das am 8. November 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. November 2007 Berufung eingelegt und seinen bisherigen Vortrag vertieft. Er könne sich nicht mehr erinnern, ob er bei dem zur Verletzung führenden Sprung anders gesprungen sei als zuvor. Eine unphysiologische Belastung sei nicht auszuschließen. Die Verletzung sei während des Absprungs eingetreten. Anlagebedingte oder schicksalhafte Gesundheitsstörungen hätten nicht vorgelegen. Den Befunden sei ein (alter) Morbus Osgood Schlatter nicht zu entnehmen. Der vom Landessozialgericht bestellte Sachverständige Dr. S. habe eine Krankheitsanlage nicht vollbeweislich gesichert. Daher sei eine körpereigene Ursache ausgeschlossen. Weil er zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeführt habe, sei allein deshalb die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen. Er sei auch kein im Hochsprung trainierter Sportler. Für den Sportunterricht an Gymnasien seien in der Regel lediglich zwei Wochenstunden á 45 Minuten vorgesehen, wobei die gesamte Bandbreite an Sportarten geübt und benotet werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Oktober 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 5. Dezember 2003 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, nach der Unfallanzeige habe sich der Sturz ohne Fremdeinwirkung ereignet. Ein Fehltritt, ein Umknicken, ein falsches Auftreten oder Bodenunebenheiten seien nicht dokumentiert. Beim Anlauf zum Stemmschritt handle es sich um eine physiologische Bewegung und Kraftanstrengung, bei der nichts Bestimmungswidriges abgelaufen sei. Dieser Umstand spreche für eine spontane Verletzung infolge einer bereits gelockerten Epiphyse. Derartige Verletzungen träten gerade im jugendlichen Alter aufgrund einer noch nicht knöchern fixierten Apophyse auf. Dabei spielten hormonelle Veränderungen eine entscheidende Rolle. Der Gutachter Dr. M. sei in seinem Gutachten lediglich von der Möglichkeit der Überschreitung der Höchstbelastbarkeit im Bereich des Sehnenansatzes bei einem untrainierten jugendlichen Sportler mit noch nicht geschlossener Epiphysenfuge ausgegangen. Die bloße Möglichkeit reiche jedoch nicht aus. Dr. S. habe vielmehr ausgeführt, beim Anlauf zum Hochsprung könne die Tuberositas tibiae nicht ausreißen. Demnach sei das Ereignis vom 5. Dezember 2003 nicht ursächlich für den Schaden.

Das Landessozialgericht hat einen Befundbericht von der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. S. vom 21. Januar 2009 eingeholt, die weitere Berichte beigefügt hat: Vom Facharzt für Orthopädie Dr. S. vom 16. Januar 2007, der Klinik Q. vom 26. Juli 2002 und der Klinik S. vom 5. Dezember 2001. Ferner hat das Landessozialgericht bei der BKK Essanelle einen Ausdruck über die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers eingeholt.

Das Landessozialgericht hat den Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. S. mit der Erstattung des Gutachtens vom 23. Juni 2009 und der ergänzenden Stellungnahme vom 9. September 2009 beauftragt. Dieser hat ausgeführt, der Kläger habe zu dem Unfallhergang berichtet, er habe zum nächsten Hochsprung Anlauf genommen; nach einigen Schritten sei ein heftiger Schmerz im rechten Kniegelenk aufgetreten, so dass er keinen Schritt mehr habe machen können und sich habe hinlegen müssen. Dr. S. hat weiter ausgeführt, es sei sehr schwierig, den ursächlichen Zusammenhang zwischen der geschützten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung herzustellen. Der Kläger habe keinen Unfallmechanismus geschildert. Ein Unfallereignis sei überwiegend ein außergewöhnlich auffallender, eindrucksvoller Vorgang, der meist schlagartig auftrete und an dem Unfallgeschehen keinen Zweifel aufkommen lasse. Ein Unfall in diesem Sinne läge nicht vor. Auch wenn glaubhaft vor dem Unfallereignis keinerlei Beschwerden des rechten Kniegelenkes bestanden hätten, müsse eine Erweichung und dadurch bedingte verminderte Stabilisierung im Bereich des Ansatzes der Kniescheibensehne (Tuberositas tibiae) vorgelegen haben, weil normalerweise bei einem Anlauf zum Hochsprung kein Ausriss der Tuberositas tibiae entstehen könne. Die Erweichung des Ansatzes der Kniescheibensehne als Ursache des Ausrisses der Kniescheibensehne ohne adäquates Trauma halte er für möglich. Diese mögliche Krankheitsanlage könnte so stark gewesen sein, dass es ohne adäquates Trauma zum Ausriss der Sehne gekommen sei, denn bei einem Anlauf zum Sprung sei eigentlich von keinem adäquaten Trauma auszugehen. Allerdings sei diese Vermutung nicht vollbeweislich gesichert. Es fänden sich weder intraoperativ noch radiologisch zum Unfallzeitpunkt eindeutige Zeichen einer Knorpelerweichung. Es gebe keine nachweisbaren Ursachen, die unabhängig von dem Ereignis am 5. Dezember 2003 den Ausriss der Kniescheibensehne bewirkt hätten.

Dem Gericht hat bei der Verhandlung und Entscheidungsfindung ein Aktenauszug aus der Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Aktenzeichen in Ablichtung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 5. Dezember 2003 als Arbeitsunfall. Das Ereignis vom 5. Dezember 2003 ist kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Tätigkeit den Unfall hervorgerufen (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 4. September 2007 - B 2 U 28/06 R - UV-Recht Aktuell 2008, 142; BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - B 2 U 6/02 R - NZS 2003, 268).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar war der Kläger als Schüler während des Schulwettkampfes "Hochsprung mit Musik" Versicherter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII. Auch war das Ereignis vom 5. Dezember 2003 ein Unfall im Sinne des § 8 SGB VII. Denn für ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis bedarf es nicht nur eines besonders ungewöhnlichen Geschehens. Auch bei einem alltäglichen Vorgang, bei dem ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt, handelt es sich um ein Unfallereignis im Sinne des § 8 SGB VII (siehe BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31). In diesem Sinne hat der Hallenboden beim Anlauf des Klägers zum Hochsprung auf diesen von außen eingewirkt. Es fehlt jedoch an einem Gesundheitserstschaden, der durch den Unfall verursacht worden ist.

Als Gesundheitsschaden hatte der Durchgangsarzt Dr. M. eine Schwellung, ein Hämatom und einen Ausriss der Tuberositas tibiae am rechten Kniegelenk festgestellt. Diese Gesundheitsschäden sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.

Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R, a.a.O., RdNr. 12) Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditiosinequanon). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist allerdings zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr. 13 f m.w.N). Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis.

Hiernach ist das Ereignis vom 5. Dezember 2003 in einem naturwissenschaftlichen Sinne für die Schwellung und das Hämatom sowie den Ausriss der Tuberositas tibiae des rechten Kniegelenks ursächlich geworden. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch der zu prüfende Gesundheitsschaden fehlen würde (BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R, a.a.O., RdNr. 12). Erforderlich ist dazu eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der versicherten Verrichtung sind ein Knacken und Schmerzen im rechten Knie aufgetreten, wie der Kläger durchgehend glaubhaft angegeben hat. Weiterhin hat sich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang damit der Funktionsverlust des rechten Kniegelenks gezeigt. Der Kläger konnte ersichtlich sein rechtes Bein nicht mehr unbeeinträchtigt bewegen, denn andernfalls wäre er nicht mit dem RTW in das Krankenhaus eingeliefert worden. Der Kläger konnte bei der Vorstellung beim Durchgangsarzt sein rechtes Knie auch nicht aktiv strecken. Weiterhin spricht für den naturwissenschaftlichen Zusammenhang, dass der Ausriss bei der Belastung des rechten Kniegelenks während der Vorbereitung des Hochsprungs aufgetreten ist. Bereits beim Anlauf wird die an der Tuberositas tibiae ansetzende Sehne beansprucht.

Dabei ist der Senat nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger den Gesundheitsschaden des rechten Kniegelenks erst beim Stemmschritt zum Hochsprung zugezogen hat. Denn diese Version des Hergangs des Ereignisses ist nicht gesichert. Der Kläger hat dies zwar in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 18. Januar 2007 so geschildert. Dieser Version stehen aber die Angaben im Durchgangsarztbericht vom 8. Dezember 2003 und die Schilderungen des Hergangs des Ereignisses nach den Angaben des Klägers in den Gutachten von Dres. S. und M. entgegen. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. M. hat der Kläger beim Anlauf plötzlich ein Knacken und Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürt. In diesem Sinne hat sich der Kläger auch gegenüber Dr. M. bei der Begutachtung am 13. Juni 2007 geäußert. Danach habe er nach dem Anlauf nach einigen Schritten einen starken Schmerz im Bereich des rechten Kniegelenkes gespürt und den Anlauf abgebrochen. Auch anlässlich der Untersuchung durch Dr. S. am 23. Juni 2009 hat der Kläger berichtet, nachdem er Anlauf genommen habe, sei nach einigen Schritten ein heftiger Schmerz eingetreten. Da die Angaben im Durchgangsarztbericht zeitnah zum Ereignis erfolgt sind und der Kläger diese Version des Geschehensablaufs noch zweimal nach dem Termin vor dem Sozialgericht gegenüber den Gutachtern wiederholt hat, ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Kläger den Gesundheitsschaden bereits beim Anlauf zum Hochsprung zugezogen hat und nicht erst beim Stemmschritt. Dem steht auch nicht die Mitteilung der Schulleitung des vom Kläger besuchten Gymnasiums entgegen. Denn diese beinhaltet lediglich eine Vermutung eines Unfallhergangs, indem hier angegeben wird, der Kläger "müsse" sich die Verletzung bei der Ausführung des Stemmschrittes zugezogen haben. Eine Mitteilung von Tatsachen beinhaltet dieses Schreiben nicht.

Der Anlauf zum Hochsprung war nicht wesentliche Ursache des Ausrisses der Tuberositas tibiae. Der Senat lässt offen, ob auch in Fällen wie dem vorliegenden vor der Abwägung, welche Ursache wesentlich den zu prüfenden Schaden herbeigeführt hat, die naturwissenschaftliche Unfallkausalität einer ggf. konkurrierenden Ursache zu prüfen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - a.a.O., RdNr. 13) oder ob es dabei sein Bewenden hat, dass die versicherte naturwissenschaftliche Ursache auch bei fehlender Alternativursache – oder hier konkurrierender Ursache – nicht automatisch eine wesentliche Ursache ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, a.a.O., RdNr. 2). Der Senat kann die Frage offen lassen, weil er auf Grund der gesamten Umstände voll davon überzeugt ist, dass weitere körperliche Umstände, zumindest im Sinne einer Schadensanlage, zum Eintritt des Ausrisses der Tuberositas tibiae unverzichtbar beigetragen haben. Dies setzt nicht voraus, dass diese Umstände auf Grund erhobener Befunde näher bezeichnet werden können, was hier mangels konkreter Hinweise aus dem Beweisergebnis auch nicht möglich ist.

Der Senat ist vom Mitwirken einer Schadensanlage überzeugt, weil die versicherte Einwirkung zur alleinigen Erklärung des Schadenseintritts ungeeignet ist. Auf der Ebene der naturwissenschaftlichen Ursächlichkeit ist dabei nur zu prüfen, ob sich nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand das Vorhandensein weiterer, nicht versicherter Ursachen beweiskräftig aufdrängt. Dies ist hier der Fall, weil der Anlauf zum Hochsprung ohne weitere gefahrerhöhende Umstände, wie Umknicken, ein falsches Auftreten oder eine Bodenunebenheit, ungeeignet ist, den Schadenseintritt allein zu erklären. Der Ausriss der Tuberositas tibiae tritt durch einen physiologischen Bewegungsablauf allein nicht auf. Hierauf haben Dr. L. und der Sachverständige Dr. S. hingewiesen, die als geeignete Einwirkung nur unphysiologische Belastungen des Kniegelenks ansehen. Der Kläger hat besondere gefahrerhöhende Umstände nicht dargelegt. Nach eigenen Angaben hat er den zum Unfall führenden Vorgang in gleicher Weise ausgeführt, wie den Hochsprung zuvor. Dr. L. und Dr. S. sind daher zu Recht von einer physiologischen Bewegung ausgegangen.

Rechtlich ursächlich sind darüber hinaus nur Ereignisse, die sich wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens als wesentliche Ursache darstellen (BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 RdNr. 14). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.). Ist die ursächliche Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage zu vergleichen und abzuwägen, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis oder die eigengesetzliche Entwicklung zu der selben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.). Dem Anlauf des Klägers kommt nicht die Bedeutung eines rechtlich wesentlichen Ereignisses zu, weil er als Alltagsereignis austauschbar und als Ursache zufällig ist. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, den der Kläger am selben Tag vor dem Unfallereignis bereits folgenlos durchgeführt und im Sportunterricht bereits seit einem Jahr trainiert hat. Es handelt sich beim Laufen weiterhin um ein alltägliches Ereignis, dem sich ein Schüler auch in seinem Privatleben immer wieder aussetzt. Dies rechtfertigt die Aussage, es wäre auch ohne das Ereignis vom 5. Dezember 2003 zur etwa gleichen Zeit zu einem Ausriss der Tuberositas tibiae gekommen. Hier folgt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S., der den Bewegungsablauf für einen Ausriss der Tuberositas tibiae für völlig ungeeignet hält und von einer Schadensanlage ausgeht, die überwiegend ansprechbar war. Danach fehlt dem Ereignis die Unersetzlichkeit.

Aus diesen Gründen folgt der Senat dem Gutachten von Dr. M. nicht. Dieser hat es zudem lediglich für möglich gehalten, dass eine Überschreitung der altersbedingten Höchstbelastbarkeit im Sehnenansatz der Epiphyse zum Ausriss der Tuberositas tibiae geführt hat. Anhaltspunkte für eine derartige Überschreitung der altersbedingten Höchstbelastbarkeit bestehen nicht, zumal der Kläger den Hochsprung schon seit längerem geübt, vor dem Unfallereignis bereits mindestens einmal ausgeführt hatte und ein Abweichen von den vorherigen Sprüngen nicht berichtet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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