L 20 AY 46/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (27) AY 7/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 46/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AY 3/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Weigert sich der Ausländer trotz ausländerrechtlich bestandskräftig festgestellter Ausreisepflicht, eine Antrag auf Erteilung eines Passes oder Passersatzpapieres durch das Herkunftsland zu stellen, so liegen regelmäßig die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2 AsylbLG vor. Bestandskräftige asyl- oder aufenthaltsrechtliche Entscheidungen entfalten für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG Tatbestandswirkung und können sozialgerichtlich nicht überprüft werden. Dies gilt auch, wenn ein Asylfolgeverfahren beantragt wurde und um dessen behördlich abgelehnte Durchführung noch verwaltungsgerichtlich gestritten wird.

2. Eine Absenkung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf das unabweisbar gebotene Niveau i.S.v. § 1a AsylbLG erfolgt, sofern die Leistungen in Geld erbracht werden, regelmäßig (allein) durch Streichung des Geldbetrages nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG (sog. Taschengeld).

3. Verfassungsrechtliche Bedenken bei den Leistungen nach § 1a AsylbLG bestehen allein parallel zu denjenigen, die sich angesichts der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ergeben (vgl. Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Senats vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 = BVerfG 1 BvL 10/10 sowie vom 22.11.2010 - L 20 AY AY 1/09 = BVerfG 1 BvL 2/11). Die Streichung des sog. Taschengeldes (s. Leitsatz 2) betrifft allein einen Teil der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG mit Sanktionscharakter; diese Sanktion kann der Betroffene durch Nachholung des von ihm aufenthaltsrechtlich Erwarteten unmittelbar zu einem Ende bringen.

4. Zur konkludenten Aufhebung früherer, weitergehender Leistungsbewilligungen.

5. Das AsylbLG sieht keine Begrenzung der Leistungen für Unterkunft auf ein angemessenes Niveau vor, wie dies in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II oder § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII der Fall ist. Wurde einem nach § 3 oder § 1a AsylbLG Leistungsberechtigten deshalb der Aufenthalt in einer Privatwohnung ohne Einschränkung hinsichtlich der Wohnungskosten gestattet, berechtigt eine spätere Mieterhöhung nicht zu einem Abzug von den sonstigen Geldleistungen unter Rückgriff auf vermeintliche Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunftskosten.
Bemerkung
Revision abgelehnt
2. Revisionsverfahren beim BSG unter B 8 AY 3/11 R
dieses erledigt durch ANERKENNTNIS
1. Rev.-Az. = B 8 AY 2/11 R
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.09.2008 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 22.02.2006 in der Fassung des Bescheides vom 17.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2006 verurteilt, den Klägern für den 01. bis 31.03.2006 über die bereits gewährten Leistungen hinaus jeweils monatlich 10,03 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Beklagte trägt notwendige außergerichtliche Kosten der Kläger zu einem Achtel für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob den Klägern an Stelle der gewährten eingeschränkten Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren sind.

Der 1957 geborene Kläger zu 1 und die 1961 geborene Klägerin zu 2 sind Eheleute. Sie sind Staatsangehörige Weißrusslands. Sie reisten mit ihren beiden Kindern im August 1998 mit Besuchervisum nach Deutschland ein und sodann über Dänemark nach Norwegen. Ihren Angaben zufolge mussten sie ihre weißrussischen Pässe in Norwegen (nach früheren Angaben: in Dänemark) abgeben. Von dort wurden sie nach Dänemark und am 00.11.1998 schließlich wieder nach Deutschland überstellt. Kurz darauf begaben sie sich in die Schweiz und beantragten dort unter Alias-Personalien (Q; Name der Mutter des Klägers zu 1 Asyl. Ohne den endgültigen Ausgang des dortigen (mittlerweile ablehnend abgeschlossenen) Verfahrens abzuwarten, reisten sie am 10.07.2000 erneut nach Deutschland ein und beantragten hier Asyl. Sie wurden dem Kreis X zugewiesen und leben seit Dezember 2000 im Zuständigkeitsbereich der Beklagten.

Seit dem Jahre 2000 bezogen die Kläger zunächst Leistungen nach § 3 AsylbLG. Seit November 2003 erhielten sie Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Der Asylantrag der Kläger wurde (nach Beschreiten des Rechtsweges) ebenso wie eine Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) unanfechtbar abgelehnt und Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht festgestellt. Die Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28.05.2003 trat am 15.11.2005 ein; eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Seit dem 16.12.2005 sind die Kläger daraufhin vollziehbar ausreisepflichtig; sie werden seither geduldet (§ 60a Abs. 2 AufenthG).

Am 18.01.2006 erklärten die Kläger zur Niederschrift bei der Ausländerbehörde, ihnen sei erläutert worden, dass sie vollziehbar zur Ausreise verpflichtet seien, nachdem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei; gleichzeitig seien sie verpflichtet, im Besitz eines gültigen Reisepasses des Heimatlandes zu sein und diesen zu beantragen. Sie seien nicht bereit, einen Antrag auf Ausstellung eines Passes bzw. Passersatzpapieres auszufüllen oder einen solchen Pass oder ein Passersatzpapier bei den Heimatbehörden zu beantragen. Bei einer weiteren Vorsprache am 15.02.2006 erklärten die Kläger zur Niederschrift, sie seien nicht bereit, den Passersatzpapierantrag bezüglich Weißrusslands zu unterschreiben. Ihnen sei bekannt, dass diese Haltung dazu führe, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet werde, und dass die von ihnen bezogenen Leistungen nach dem AsylbLG gekürzt würden. Ferner sei ihnen bekannt, dass die Erwerbstätigkeit künftig nicht gestattet sein werde.

Unter dem 22.07.2005 hatte die Beklagte den Klägern einen "Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab Monat: August 2005, solange und soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind", erteilt. Der Bescheid enthält keinerlei Hinweis dahingehend, dass die Bewilligung entgegen dieser Bezeichnung eine Bewilligung nur für den kommenden Monat August 2005 vornehme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 19.01.2006 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG lägen nicht mehr vor. Die Asylverfahren seien seit dem 15.11.2005 rechtskräftig abgeschlossen, und die Kläger seien seit dem 16.12.2006 vollziehbar ausreisepflichtig. Deshalb seien sie verpflichtet, im Besitz gültiger Nationalpässe zu sein bzw. diese umgehend zu beantragen. Dieser Pflicht seien sie jedoch nicht nachgekommen; sie hätten vielmehr gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, dass sie nicht bereit seien, die Ausstellung von Pässen oder Passersatzpapieren ihres Heimatlandes zu beantragen. Durch dieses Verhalten werde der Aufenthalt in Deutschland verlängert; das stelle einen Rechtsmissbrauch i.S.d. AsylbLG dar. Eine privilegierte Leistungsgewährung sei nicht mehr möglich. Das bedeute, dass nur mehr Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG und Leistungen im Krankheitsfall gemäß § 4 AsylbLG gewährt würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 23.01.2006 "über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab Monat: Februar 2006, solange und soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind", bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1 eine Grundleistung von 224,97 EUR und der Klägerin zu 2 eine Grundleistung von 199,40 EUR (Gesamt-"Regelbedarf": 424,37 EUR). Für "dezentr. Unterbringung" sind Kosten von 452,00 EUR aufgeführt; als "Kürzung der Unterkunftskosten" 42,00 EUR. Unter Ansatz einer "Heizpauschale" von 45,00 EUR und unter Abzug für einen "Anteil Dritter" von 227,50 EUR (die Kläger lebten seinerzeit mit zwei gemeinsamen Kindern in einem Haushalt) benennt der Bescheid als zu berücksichtigende Unterkunftskosten der Kläger 227,50 EUR. Insgesamt betrage die an die Kläger zu zahlende Grundleistung 651,87 EUR. An den Vermieter würden 497,00 EUR ausgezahlt; an die Kläger würden 154,87 EUR überwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 01.02.2006 teilte die Beklagte den Klägern mit, durch das Fehlen bzw. die Nichtbeantragung von Passpapieren werde ihr Aufenthalt in Deutschland verlängert. Dies stelle auch einen "Rechtsmissbrauch im Sinne des § 1a AsybLG" dar. Daher werde ihnen eine Kürzung der Leistungen nach § 3 AsylbLG gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG ab dem 01.03.2006 angedroht. Dies bedeute, dass, sollten sich die Kläger nicht intensiv um die Ausstellung von Nationalpässen bzw. Passersatzpapieren ihres Heimatlandes etwa durch Unterschrift der Antragsunterlagen bei der Ausländerbehörde bemühen, die Grundleistungen um den Barbetrag für persönliche Bedürfnisse, also um jeweils 40,90 EUR monatlich, gekürzt würden. Es bestehe Gelegenheit, bis zum 20.02.2006 den Mitwirkungspflichten nachzukommen.

Die Kläger teilten der Beklagten mit Schreiben vom 17.02.2006 mit, es sei für sie unzumutbar, in ihr Heimatland "als ein Regimeland" zurückzukehren.

Mit Bescheid vom 22.02.2006 kürzte die Beklagte ab dem 01.03.2006 gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG die Grundleistungen um den Barbetrag für persönliche Bedürfnisse, d.h. um jeweils monatlich 40,90 EUR, bis erfolgversprechende Bemühungen um die Ausstellung von Nationalpässen bzw. Passersatzpapieren nachgewiesen würden. Da die Beklagte Leistungen als reine Geldleistungen gewähre, stehe den Klägern auch weiterhin Bargeld zur Verfügung. Die Kläger lehnten es nach wie vor ab, sich intensiv um die Ausstellung von Nationalpässen bzw. Passersatzpapieren ihres Heimatlandes zu bemühen, z.B. durch Unterschrift der Antragsunterlagen bei der Ausländerbehörde. Die Zumutbarkeit der Rückkehr in ihr Heimatland sei bereits im Rahmen der Asylverfahren geprüft und bejaht worden. Die Asylverfahren seien bestandskräftig beendet. Der Aufenthaltszweck in Deutschland sei erfüllt, und der Aufenthalt solle beendet werden; damit bestehe die Verpflichtung, sich um Passersatzpapiere des Heimatlandes zu kümmern.

Mit bereits auf den 17.02.2006 datierten Bescheid "über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylLG) ab Monat: März 2006, solange und soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind", der ausweislich eines Absendevermerks am 01.03.2006 an die Kläger abgesandt wurde, bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1 eine monatliche "Grundleistung" von 224,97 EUR abzgl. einer "Kürzung des Regelsatzes" von 40,90 EUR, der Klägerin zu 2 eine Grundleistung von 199,40 EUR abzgl. einer Kürzung von 40,90 EUR (Gesamt-"Regelbedarf": 342,57 EUR). Die Ausführungen des Bescheides zu den Unterkunftskosten decken sich mit denjenigen im Bescheid vom 23.01.2006. Insgesamt betrage die an die Kläger zu zahlende Grundleistung 570,07 EUR. An den Vermieter würden 497,00 EUR ausgezahlt; an die Kläger würden 73,07 EUR überwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Gegen den Bescheid vom 22.02.2006 legten die Kläger Widerspruch ein. Der Beklagten sei bekannt, dass der Kläger zu 1 seit April 2002 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 schwerbehindert sei. Im Übrigen werde man in den nächsten Tagen ein Ersuchen an die Härtefallkomission richten.

Mit Schreiben vom 21.04.2006 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie beabsichtige, den Widerspruch zurückzuweisen. Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen scheitere am fehlenden Besitz von Nationalpässen bzw. Passersatzpapieren. Der GdB von 60 des Klägers zu 1 sei bekannt. Es sei jedoch nicht ersichtlich, warum dieser Umstand der Beantragung von Passersatzpapieren entgegenstehen solle. Die Kläger müssten dazu weder Behörden in ihrem Heimatland aufsuchen noch eine entsprechende konsularische Vertretung; ausreichend seien Erklärungen bei der Ausländerbehörde. Die Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen sei bislang nicht angerufen worden; diese entscheide im Übrigen selbst, ob sie sich mit einem Fall befasse oder nicht. Auch wenn die Kommission einem Ersuchen der Kläger stattgeben würde, seien diese im Übrigen gleichwohl verpflichtet, sich Nationalpässe zu beschaffen.

Die Kläger wiesen mit Schreiben vom 18.05.2006, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, auf nach ihrer Ansicht bestehende Mängel ihrer Asylverfahren hin. Ihre Nationalpässe hätten sie seinerzeit in Norwegen abgegeben müsse. Beim Kläger zu 1 bestehe eine Nebenschilddrüsenschädigung, welche durch die Operation eines Schilddrüsenkarzinoms entstanden sei. Das Schilddrüsenkarzinom sei durch die Tschernobyler Havarie entstanden, und eine Ausreise nach Weißrussland würde für den Kläger zu 1 den Tod bedeuten. Sie hätten sich am 03.05.2006 an die Härtefallkommission gewandt. Ihre Tochter W sei schwanger.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Ausführungen der Kläger zum Asylverfahren könnten dahinstehen, da hierfür das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig sei. Dessen Entscheidung sei vom Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigt worden. Es sei nicht Aufgabe des Leistungsträgers nach dem AsylbLG, asyl- und ausländerrechtliche Entscheidungen zu überprüfen oder zu kommentieren. Wenn gültige Nationalpässe der Kläger bei norwegischen Behörden vorlägen, sei es Aufgabe der Kläger, sich um deren Aushändigung zu bemühen. Ob die Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen sich mit dem Fall der Kläger befassen wolle, sei nicht bekannt. Das Einreichen eines Ersuchens an die Kommission hemme auch nicht die Vollziehbarkeit der Ausreise. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den den Klägern am 21.06.2006 zugestellten Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Die Kläger haben am 18.07.2006 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben.

Zur Begründung haben sie sich zunächst auf folgende, von ihnen vorgelegte Unterlagen bezogen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird:

- Artikel "Eine weißrussische Odyssee" (Rheinische Post vom 31.01.2006), der sich mit dem Schicksal der Familie der Kläger befasst,
- Schriftsatz der Rechtsanwältin P, Frankfurt am Main, vom 28.06.2006, mit welchem der Ausländerbehörde der Beklagten mitgeteilt wird, dass sich die Kanzlei mit Schreiben vom 03.05.2006 an das Innenministerium Nordrhein-Westfalen - Härtefallkommission - gewandt habe und die Kommission unter dem 10.05.2006 den Eingang bestätigt habe,
- Bescheid des Versorgungsamtes F vom 30.03.2005 an den Kläger zu 1 (GdB 60 ab 08.01.2003),
- Schriftsatz des Rechtsanwalts X, L, vom 19.10.2005 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, mit dem darauf hingewiesen wird, dass der GdB des Klägers zu 1, der seit dem 03.04.2002 vorliege, in das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28.05.2003 keinen Eingang gefunden habe,
- Schreiben des BAMF an den Internationalen Bund X-N, Fachstelle für Zuwanderung, N, vom 01.12.2005, mit welchem der Klägerin zu 2 eine Ausnahmegenehmigung für die Zulassung als Lehrkraft (Integrationskurs Deutsch als Zweitsprache) befristet bis spätestens 31.12.2009 erteilt wurde, mit dem Hinweis auf eine notwendig werdende, vom BAMF vorgegebene Qualifizierung (Nachweis einer verkürzten Zusatzqualifikation bis 31.12.2009),
- Antrag der Klägerin zu 2 an die Beklagte vom 07.11.2006 auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis und Aufhebung des Arbeitsverbots mit dem Hinweis, beim Europäischen Gerichtshof sei seit Mai 2006 eine Beschwerde gegen die "Ausweisung nach C" anhängig,
- Bescheide der Beklagten vom 18.12.2006 an die Kläger über die (erneute) Erteilung einer Duldung, Antrag des Klägers zu 1 vom 07.11.2006 an die Beklagte auf "Aussetzung der Abschiebung nach C aus gesundheitlichen Gründen".

Nach Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten haben sie weiter vorgetragen, beim Europäischen Gerichtshof werde ihre Beschwerde unter dem Az. 000 geführt. Ein vorgelegtes Schreiben des Gerichtshofes vom 25.09.2006 führt insoweit aus, ein vom Innenministerium Nordrhein-Westfalen vorgelegtes Schreiben vom 15.08.2006 stelle keine Änderung der Sachlage dar, welche nach Art. 39 der Verfahrensordnung vom 03.07.2006 eine andere Beurteilung des Antrages der Kläger rechtfertigen dürfte. Die Beschwerde Nr. 22365/06, mit der sich gegen eine Ausweisung nach Weißrussland gewendet werde, sei weiterhin beim Gerichtshof anhängig. Die Kläger haben weiter vorgetragen, das Verfahren vor dem Gerichtshof könnte von Weißrussland aus nicht weiter betrieben werden, da Weißrussland die Charta über die Errichtung eines Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht untergezeichnet habe; Zustellungsaufträge des Gerichtshofes würden in Weißrussland nicht ausgeführt. Sie hätten sich sehr wohl intensiv um die Aushändigung ihrer Originalpässe bemüht. Sie dürften keine Rechtsnachteile dadurch erleiden, dass die Koordinierung der europäischen Asylverfahrensordnung es nicht ermögliche, die entsprechenden Originaldokumente zu bekommen. Die Erkrankungen des Klägers zu 1 seien in Weißrussland nicht ausreichend behandelbar. Zudem müssten sie bei einer Rückführung mit Sicherungsverwahrung rechnen.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2006 und Änderung des Bescheides vom 17.02.2006 sowie aller nachfolgend ergangenen Bewilligungsbescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2006 zu verurteilen, ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG ab 01.03.2006 unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu erbringen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen, die Kläger hätten es selbst in der Hand, durch Beantragung der Ausstellung von Passersatzpapieren bei der Ausländerbehörde oder bei der Botschaft ihres Heimatlandes die Kürzung der Grundleistungen zu vermeiden. Für die Beschaffung der Papiere sei eine "Freiwilligkeitserklärung" der Kläger notwendig; eine Beschaffung der Papiere von Amts wegen sei nur mit einem Abschiebehaftbeschluss möglich. Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof entbinde nicht von der Ausreise- oder Passpflicht; dort sei im Übrigen nicht Weißrussland, sondern Deutschland Beklagter. Zwischenzeitlich lägen Kopien von Auslandsreisepässen der ehemaligen Sowjetunion für die Kläger vor, welche keine Gültigkeit mehr besäßen.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2008 den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Weißrussland des Auswärtigen Amtes (Lagebericht) vom 27.06.2007 der Klägerseite zur Einsichtnahme überreicht. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat die Unterlagen zurückgereicht und erklärt, er habe keine Einsicht genommen, da der Bericht mit dem Vermerk "VS - nur für den Dienstgebrauch" versehen sei.

Mit Urteil vom 29.09.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Streit stünden Leistungen seit dem 01.03.2006 bis zum 29.09.2008. Da die Beklagte Leistungen unbegrenzt bewilligt habe, würden Folgebescheide nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens. Das Verfahren sei auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG um den Barbetrag zu kürzen; nach dem klägerischen Vortrag würden die Regelungen in den Bescheiden im Übrigen nicht beanstandet. Die Kläger seien unanfechtbar zur Ausreise verpflichtet. Sie gehörten damit zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Für ein Vertretenmüssen i.S.v. § 1a Nr. 2 AsylbLG sei erforderlich, aber auch ausreichend, dass die die Vollziehung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme hindernden Gründe in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fielen. Das Verhalten müsse also ursächlich für das Abschiebungshindernis sein, zudem müsse es dem Leistungsberechtigten vorwerfbar in dem Sinne sein, dass es seinem freien Willen unterliege. Bereits die bloß fahrlässig herbeigeführte Verlängerung der Aufenthaltsdauer genüge. Mit der Weigerung, den Antrag auf Passpapiere auszufüllen und zu unterschreiben, hätten die Kläger durch Willensentschluss ihre Abschiebung verhindert; ohne einen solchen Antrag komme eine Ausstellung von Papieren nicht in Betracht. Als abgelehnte Asylbewerber seien die Kläger nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) zur Mitwirkung bei der Beschaffung der für ihre Ausreise notwendigen Dokumente verpflichtet. Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung folgten auch aus § 48 Abs. 3 AufenthG. Die Gesetzesbegründung zu § 1a Nr. 2 AsylbLG nenne zudem ausdrücklich die fehlende Mitwirkung an der Passbeschaffung als einen vom Leistungsberechtigten zu vertretenden Grund. Diese Pflicht umfasse grundsätzlich die Mithilfe bei der Beschaffung aller für die Heimreise notwendigen Dokumente. Den Klägern sei auch bekannt gewesen, dass Ausreisedokumente ohne das Ausfüllen eines Passersatzantrages von den weißrussischen Behörden verweigert würden mit der Folge, dass eine Abschiebung nach Weißrussland verhindert würde. Die Kläger hätten es deshalb zu vertreten, dass ihr Aufenthalt in Deutschland nicht beendet werden könne. Entschuldigungsgründe, welche zu einer Unzumutbarkeit eines Antrags auf Passersatzpapiere führten, lägen nicht vor. Soweit die Kläger darauf hinwiesen, es befänden sich Pässe in Norwegen, die sie trotz Bemühungen nicht zurückerhalten hätten, so sei es ihnen dann zuzumuten, sich um die Ausstellung von Passersatzpapieren zu bemühen. Im Übrigen liege es zwar in der Natur der Sache, dass Asylantragsteller möglichst nicht mit ihren Heimatbehörden in Kontakt kommen wollten. Eine Unzumutbarkeit ergebe sich jedoch allenfalls in Ausnahmefällen, etwa bei erheblicher staatlicher Verfolgung. Auch das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie der Umstand, dass die Kläger nach ihrem Vortrag jenes Verfahren nicht von Weißrussland aus betreiben könnten, führe nicht zur Unzumutbarkeit. Es sei kein Grund ersichtlich, warum es nicht von Weißrussland aus betrieben werden könne. Nach dem Lagebericht vom 27.06.2007 (S. 19) seien Zustellungen an Prozessbevollmächtigte bzw. Dritte ohne Weiteres möglich. Anderenfalls bestehe auch die Möglichkeit, etwa in Deutschland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Soweit die Kläger einwendeten, die medizinische Versorgung des Klägers zu 1 sei in Weißrussland nicht gewährleistet, so führe auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1 seien aus dem weiteren Verfahren S 16 (27) AY 20/05 (= LSG NRW L 20 AY 15/07) bekannt. Die vom Kläger zu 1 wegen seiner Schilddrüsenerkrankung einzunehmenden Hormonpräparate seien auch in Weißrussland erhältlich. Nach dem Lagebericht vom 27.06.2007 erfolge die medizinische Versorgung in erster Linie durch das kostenlose öffentliche Gesundheitssystem, welches aber keine anspruchsvollen Leistungen anbiete. Die medizinische Qualifikation, vor allem aber die technisch-materielle Ausstattung der Krankenhäuser, sei sehr unterschiedlich und in ländlichen Gebieten mitunter schwach entwickelt. Sie sichere aber in der Regel überlebensnotwendige Maßnahmen. In den Apotheken in Minsk und in den Gebietshauptstädten seien die wichtigsten, auch importierten, Medikamente in der Regel in ausreichendem Maße vorhanden. Soweit die Kläger anführten, in Weißrussland drohe ihnen Sicherungsverwahrung und ggf. sogar Strafhaft, werde ein solcher Einwand regelmäßig bereits im Asylverfahren überprüft; er habe nicht zu einem Bleiberecht der Kläger geführt. Darüber hinaus sei nach dem Lagebericht vom 27.06.2007 kein Fall bekannt geworden, in dem ein rückgeführter weißrussischer Staatsangehöriger Repressionen ausgesetzt, festgenommen oder misshandelt worden sei. Die Beklagte sei demnach zur Einschränkung der Leistungen auf das im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotene Maß berechtigt (§ 1a Nr. 2 AsylbLG). Regelmäßig unterschreite die Kürzung der Leistungen um den Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (Barbetrag) i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG nicht das nach § 1a Nr. 2 AsylbLG vorgesehene Mindestmaß der Leistungen, denn dieser Betrag gehöre in der Regel nicht zu der unabweisbar gebotenen Hilfe, welche in der Sicherung des Existenzminimums liege. Diese Geldmittel i.H.v. monatlich 40,90 EUR seien Zusatzleistungen, die ihren Hauptzweck, anders als die von den Klägern weiterhin ungeschmälert bezogenen Grundleistungen (für Verpflegung, Körperpflege, Bekleidung, Unterkunft und Heizung), nicht in der bloßen Existenzsicherung hätten. Soweit die Kläger trotz der Leistungskürzung Anspruch auf einen bestimmten, konkret nachgewiesenen Bedarf hätten, könne dieser in einem hierauf bezogenen Antrag geltend gemacht werden. Solche oder andere besondere Umstände, die ausnahmsweise eine teilweise oder vollständige Weitergewährung des Kürzungsbetrages rechtfertigen könnten, seien aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

Gegen das am 10.10.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz vom 10.11.2008, der mit einem Vermerk über eine Vorabversendung per Telefax überschrieben ist, mit Telefax vom 13.11.2008 (Donnerstag) Berufung eingelegt. Der Senat hat ihnen mit einem im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündeten Beschluss wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kläger tragen vor, das Sozialgericht habe eine unzureichende und verfassungswidrige Sachverhaltsermittlung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht; Gegenbeweisanträgen zu den Lageberichten des Auswärtigen Amtes müsse nachgegangen werden. Sie gälten in Weißrussland als sog. Republikflüchtlinge. Die Klägerin zu 2 gelte wegen ihrer Fremdsprachenausbildung zudem als militärische Geheimnisträgerin und habe durch die Ausreise eine militärische Straftat verwirklicht. Zwar seien die Absolventen der von ihr besuchten Hochschule grundsätzlich vom Militär heranziehbar. Die Klägerin zu 2 sei davon jedoch ausgenommen gewesen, da sie seinerzeit ein kleines Kind gehabt habe; sie sei zu keiner Zeit Mitglied einer militärischen Einrichtung oder der Militärbehörden ihres Heimatlandes gewesen. In Weißrussland hätten sie seinerzeit keine neuen weißrussischen Pässe erhalten, sondern die alten sowjetischen Pässe weiterbenutzt, um das dortige Regime nicht durch einen neuen Passantrag zu unterstützen. In Weißrussland könnten sie beide verhaftet werden. Die Beschaffung von Passersatzpapieren wäre auf jeden Fall mit einer persönlichen Vorsprache in der Botschaft der Republik Weißrussland verbunden, was eine unzumutbare Härte darstelle. Zudem wäre mit einem Passersatzpapier eine Abschiebung unverzüglich möglich, wodurch ihnen jedoch eine unmenschliche und rechtswidrige Behandlung durch die weißrussischen Strafverfolgungsbehörden drohen würde. In Haft wäre jedoch die medizinische Behandlung des Klägers zu 1 nicht gewährleistet, im Übrigen wegen des Einflusses der staatlichen Repressionsorgane auf die staatlich organisierte Krankenversorgung auch nicht bei einem geduldeten Freigang. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte könnte ebenfalls nicht mehr persönlich betrieben werden. Der Lagebericht vom 27.06.2007 sei wegen des Vertraulichkeitsvermerks nicht zugänglich gemacht worden, obwohl er eine entscheidungserhebliche Informationsgrundlage gebildet habe. Ohnehin stünden die Ermittlungen des Auswärtigen Amtes nicht im Einklang mit den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen und seien keine taugliche Grundlage zur Erfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Sie - die Kläger - hätten einen Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich des Asylverfahrens gestellt u.a. deshalb, weil die Ermittlungen im ersten Asylverfahren fehlerhaft gewesen seien. Nach Ablehnung eines solchen weiteren Verfahrens betrieben sie derzeit vor dem Verwaltungsgericht ein Klageverfahren, welchem aufschiebende Wirkung zukomme.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung eine Beschränkung des streitigen Zeitraums auf den Monat März 2006 vereinbart; die Beklagte wird unter unwiderruflichem Verzicht auf die Einrede der Verjährung für Folgezeiträume das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens nach dessen rechtskräftigem Abschluss entsprechend auf die weiter streitigen Zeiträume anwenden.

Im Anschluss daran beantragen die Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.09.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2006 in der Fassung des Bescheides vom 17.02.2006 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2006 zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01. bis 31.03.2006 ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine strafrechtliche oder politische Verfolgung sei bereits im Asylverfahren überprüft worden; die Kläger hätten erfolglos sogar das Bundesverfassungsgericht sowie die Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen angerufen, ohne dass es zu einem Bleiberecht gekommen sei. Damit sei es ihnen zuzumuten, sich um Passersatzpapiere oder Nationalpässe zu kümmern. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entfalte keine aufschiebende Wirkung; es sei nicht nachvollziehbar, im Übrigen aber auch irrelevant, dass bzw. sofern es vom Heimatland aus nicht betrieben werden könne. Ursprünglich sei die Miete der Kläger von der Beklagten als angemessen angesehen worden. Irgendwann sei eine Mieterhöhung erfolgt, die von der Beklagten leistungsmäßig nicht übernommen worden sei, so dass es zu dem Abzug von 40,10 EUR von den Unterkunftskosten (bei vier Kopfteilen) gekommen sei.

Auf Anfrage des Senats haben die Kläger mitgeteilt, ihnen sei nicht bekannt, bei welcher norwegischen Behörde sich ihre Originalpässe derzeit befänden. Es stehe fest, dass die dortigen Polizeibehörden die Pässe beschlagnahmt hätten. Hierzu überreichen die Kläger ein Schreiben des Utlendingsdirektoratet (UDI) Oslo vom 01.09.1998 betreffend den Kläger zu 1; daraus geht hinsichtlich der vorhandenen Reisepapiere lediglich hervor, dass dieser bei Ankunft in Norwegen am 31.08.1998 im Besitz eines Reisedokumentes des Heimatlandes war, jedoch kein Visum für Norwegen besessen hat. Eine ebenfalls überreichte E-Mail vom 02.08.2007 des Head of Section der Asylum Division aus Kopenhagen besagt, dass die dänischen Behörden im Besitz von Fotokopien der Pässe der Kläger sind. In einem Schreiben der Beklagten an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 10.04.2008 ist ausgeführt, das BAMF habe Kopien der weißrussischen Pässe der Kläger übersandt. Die Kläger tragen insoweit weiter vor, der Beklagten lägen amtliche Kopien der Originalpässe vor. Die Kläger legen schließlich Kopien eines Laissez-passer-Papiers des Klägers zu 1 für den Transfer von Dänemark nach Deutschland vom 18.11.1998 vor sowie von Pässen der (ehemaligen) Sowjetunion für den Kläger zu 1 vom 18.05.1995 und für die Klägerin zu 2 vom 11.09.1996. Auf Anfrage des Senats legen sie als letzte ihnen bekannte Äußerung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu ihrem Beschwerdeverfahren ein Schreiben des Gerichtshofes vom 12.03.2008 vor; darin wird auf eine Anfrage vom 04.03.2008 mitgeteilt, trotz sorgfältiger und umfangreicher Nachforschungen habe ein Schreiben der Kläger nebst Anlagen bei dem Gerichtshof nicht gefunden werden können, und es werde um Übersendung von Kopien gebeten. Zum Verfahren vor der Härtefallkommission überreichen sie ein Schreiben des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2006; danach ist das dortige Verfahren abgeschlossen; das Votum sei über die Ausländerbehörde zu erfragen. Die Kläger tragen hierzu vor, die Härtefallkommission habe keine eigene Entscheidung getroffen, sondern das Verfahren an die Ausländerbehörde zurückgegeben.

Der Senat hat den Beteiligten einen weiteren Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.08.2008 zur Kenntnis übersandt. Auf diesen Lagebericht wird Bezug genommen.

Im Erörterungstermin vom 01.12.2010 haben die Beteiligten im Wege des Teilvergleichs vereinbart, dass ein am gleichen Tage im Verfahren des Klägers zu 1 L 20 AY 15/07 geschlossener Teilvergleich für beide Kläger des vorliegenden Verfahrens inhaltsgleich auch für das vorliegende Verfahren geschlossen wird. Der Teilvergleich im Verfahren L 20 AY 15/07 ist mit Rücksicht auf den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Senats nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 erfolgt, mit dem dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt wurde, ob die Leistungen nach § 3 AsylbLG verfassungswidrig bemessen seien, und ob sie überhaupt zureichend seien, ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen (anhängig unter dem Az. 1 BvL 10/10). Der Teilvergleich im Verfahren L 20 AY 15/07 lautet:

"Sollte das Bundesverfassungsgericht die Leistungen nach dem AsylbLG für verfassungswidrig befinden, so erbringt die Beklagte insoweit nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ggf. höhere Leistungen nach, als die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für den streitigen Zeitraum ganz oder teilweise höhere Leistungen vorsieht. Die Beklagte wird sich auch für die Zukunft an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts halten, bis es zu einer entsprechenden gesetzlichen Neuregelung kommt."

Die Klägerin zu 2 hat für die Kläger im Erörterungstermin vom 01.12.2010 erklärt, die Kläger blieben dabei, dass sie bei der weißrussischen Botschaft oder beim dortigen Konsulat keine neuen Passpapiere beantragten. Sie hat für die Kläger jeweils eine Ladung des BAMF vom 04.09.2009 zu einer persönlichen Befragung am 14.09.2009 nach § 71 Abs. 1 AsylVfG im Zusammenhang mit einem Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorgelegt. Das BAMF teilte daraufhin auf Anfrage des Senats mit Schreiben vom 13.01.2011 mit, das Vorbringen der Kläger bei der informatorischen Befragung vom 15.09.2009 sei nicht geeignet, die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens herbeizuführen; das gesamte Vorbringen sei bereits Gegenstand des Asylverfahrens gewesen bzw. hätte zu dessen Gegenstand gemacht werden können. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich an der der ablehnenden Entscheidung zugrundliegenden Einschätzung, insbesondere zur Lage in Weißrussland, seit der letzten Entscheidung etwas geändert habe. So gebe es nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass zurückgeführte weißrussische Staatsangehörige aufgrund ihres Asylgesuchs in Deutschland bei einer Rückkehr Repressionen ausgesetzt wären (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.08.2010). Hinweise auf eine in irgendeiner Weise außergewöhnliche, notwendige medizinische Behandlung lägen nicht vor. Dass die ärztliche Versorgung in Weißrussland nicht gewährleistet sei, sei nach wie vor nicht ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des BAMF Bezug genommen.

Die Kläger hatten insoweit am 17.11.2009 bei der Beklagten beantragt, die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG wegen der am 03.09.2009 gestellten Asylfolgeanträge aufzuheben. Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 04.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 führen sie derzeit im weiteren Verfahren S 16 AY 200/10 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, sie sähen für die Zeiträume, in denen sämtliche Familienmitglieder (Kläger und zwei Kinder) unter das AsylbLG gefallen seien, die erbrachten Leistungen für vier Kopfteile an Wohnkosten als bedarfsdeckend erbracht an mit der Ausnahme, dass ein Abzug wegen überhöhter Unterkunftskosten gemacht worden ist.

Der Senat hat im weiteren Verfahren des Klägers zu 1 (L 20 AY 15/07), in dem dieser um die Gewährung von Leistungen für einen krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf (im Zusammenhang mit seiner Schilddrüsenerkrankung sowie von ihm geltend gemachter Allergien) stritt, mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.07.2007 - S 16 (27) AY 20/05 zurückgewiesen. Auf das sozialgerichtliche Urteil und den Beschluss des Senats wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten (Gerichtsakte SG Duisburg S 16 AY 200/10, Ausländerakten der Beklagten, Verwaltungsakten der Beklagten) Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Gegenstand des Verfahrens sind nach der in der mündlichen Verhandlung im Wege des Teilvergleichs erfolgten Beschränkung des streitigen Zeitraumes auf den Monat März 2006 allein der Bescheid vom 22.02.2006 in Fassung des (erst am 01.03.2006 von der Beklagten abgesandten und deshalb zeitlich nach dem Bescheid vom 22.02.2006 bekanntgegebenen) Bescheides vom 17.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2006.

II. Die zulässige Berufung der Kläger ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; nur insoweit verletzen die angefochtenen Bescheide die Kläger i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Als nach § 60a Abs. 2 AufenthG Geduldete werden die Kläger von § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG erfasst. Grundsätzlich unterfallen sie deshalb dem Leistungsregime des AsylbLG.

2. Die Kläger begehren sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, deren Höhe gesetzlich genau festgelegt ist.

Hierunter fallen neben den Kosten der Unterkunft im Falle einer Gewährung von Geldleistungen anstelle von Sachleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG Leistungen für einen Haushaltsvorstand (Kläger zu 1) von (360,00 DM =) 184,07 EUR und für einen Haushaltsangehörigen (Klägerin zu 2) ab dem achten Lebensjahr von (310,00 DM =) 158,50 EUR. Ferner ist nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Satz 1 AsylbLG bei Leistungsberechtigten ab Beginn des 15. Lebensjahres ein monatlicher Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisses des täglichen Lebens (sog. Taschengeld) i.H.v. (80,00 DM =) 40,90 EUR zu gewähren. Insgesamt betragen diese Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (außerhalb der Leistungen für Unterkunft) deshalb für einen Haushaltsvorstand (184,07 + 40,90 =) 224,97 EUR, für einen Haushaltsangehörigen ab dem achten Lebensjahr (158,50 + 40,90 =) 199,40 EUR.

Die Beklagte hat insoweit bei beiden Klägern von den Grundleistungen das sog. Taschengeld i.H.v. 40,90 EUR (§ 3 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 1 AsylbLG) in Abzug gebracht. Hierzu war sie nach § 1a Nr. 2 AsylbLG berechtigt.

Nach dieser Vorschrift erhalten Leistungsberechtigte, die - wie die Kläger - eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) und bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach dem AsylbLG nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.

a) Bei den Klägern können aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden, da sie sich weigern, Pässe oder Passersatzpapiere ihres Herkunftslandes Weißrussland zu beantragen, und sie deshalb nicht nach dorthin abgeschoben werden können.

aa) Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen sozialgerichtlichen Urteils an und nimmt nach § 153 Abs. 2 SGG darauf Bezug. Ergänzend sei angemerkt, dass die Beklagte von den Klägern nicht einmal eine Vorsprache bei einer weißrussischen Stelle verlangt, sondern bereits die Unterzeichnung eines entsprechenden Antrags bei ihrer eigenen Ausländerbehörde ausreichen lassen würde.

bb) Der Senat folgt dem Sozialgericht auch darin, dass bei Leistungsbezug nach § 1a AsylbLG die Leistungsabsenkung im Vergleich zu § 3 AsylbLG (einzig) um das sog. Taschengeld nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG, im Falle der Kläger also um jeweils 40,90 EUR, erfolgt. Auch insoweit nimmt er nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug.

cc) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG (außerhalb von sozialhilfeentsprechenden, sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG) stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht. Die Beteiligten haben insoweit im Anschluss an den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Senats nach Art. 100 GG vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 durch Teilvergleich im Erörterungstermin vom 01.12.2010 diese Frage durch Unterwerfung unter den Ausgang des verfassungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens aus dem vorliegenden Verfahren ausgeklammert. Auch wenn es in jenem Verfahren um eine verfassungsrechtliche Prüfung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und nicht eigens der abgesenkten Leistungen nach § 1a AsylbLG geht, geht der Senat davon aus, dass es der Einleitung eines eigenen Normenkontrollverfahrens für Fälle des § 1a AsylbLG nicht bedarf. Denn die im Falle von § 1a AsylbLG vorgenommene Kürzung betrifft allein einen bestimmten Leistungsanteil innerhalb der Gesamtleistungen nach § 3 AsylbLG, nämlich den Betrag des sog. Taschengeldes nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG (s.o. bb); die Leistungen nach § 3 AsylbLG werden jedoch insgesamt in dem anhängigen Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG überprüft. Insofern hat der Senat keine Bedenken, selbst für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für verfassungswidrig zu niedrig bemessen befinden sollte und im Anschluss daran (auch für den streitigen Zeitraum) höhere Leistungen zu erbringen sein sollten, ausgehend von den sich dann der Höhe nach neu ergebenden, verfassungsmäßig bemessenen Grundleistungen eine Kürzung um das sog. Taschengeld vorzunehmen.

Denn insoweit ist zu beachten, dass eine Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG nur solange erfolgt, bis das vorwerfbare Verhalten endet (BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R zu Rn. 46). Wie bei einer rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG handelt es sich zwar um eine (ggf. zusätzliche) Sanktionierung einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen wegen Ausreiseverhinderung (vgl. BSG, a.a.O., zu Rn. 38). Doch während im Rahmen von § 2 Abs. 1 AsylbLG der Ausschluss von Analogeistungen solange fortdauert, wie der Betroffene mangels Erwerbs eines gefestigten Aufenthaltsstatus weiterhin dem Leistungsregime des AsylbLG unterfällt, auch wenn er sein Verhalten zur rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland gar nicht mehr fortsetzt (a.a.O., zu Rn. 41), hat es der Leistungsempfänger im Rahmen von § 1a AsylbLG selbst in der Hand, durch Aufgabe seines aufenthaltsrechtlich missbilligten Verhaltens die Sanktion des abgesenkten Leistungsbezuges nach § 1a AsylbLG jederzeit zu beenden und zu Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zurückzukehren. Solange er dies nicht tut, ist eine Leistungsgewährung nach § 1a AsylbLG, obgleich sie wegen der Kürzung um das sog. Taschengeld Mittel unterhalb desjenigen Niveaus zur Verfügung stellt, welches § 3 AsylbLG als soziokulturelles Existenzminimum für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG definiert, unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen, weil überwindbaren Sanktionierung hinzunehmen.

dd) Soweit die Kläger gegen die Absenkung der Leistungen auf das Niveau des § 1a AsylbLG Gründe anführen, die ihnen nach asyl- bzw. aufenthaltsrechtlicher Bewertung eine Ausreise unzumutbar machen, so ist dem Senat eine Überprüfung des Lebenssachverhaltes nach dem Asyl- bzw. Aufenthaltsrecht verwehrt. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nicht zur Entscheidung asyl- oder aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen der Ausländerbehörden berufen; dies fällt vielmehr in die alleinige Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bestandskräftige asyl- oder aufenthaltsrechtliche Entscheidungen, welche den Klägern im streitigen Zeitraum nur zu einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG verholfen und ihnen insbesondere eine Ausreisepflicht auferlegt haben, entfalten für den Senat deshalb sog. Tatbestandswirkung mit der Folge, dass der Senat diese asyl- und aufenthaltsrechtliche Bewertung ohne eigene Kompetenz zur Überprüfung als gegeben hinzunehmen hat. Dies gilt erst recht bei Beachtung des Umstandes, dass die Kläger gegen diese ausländerrechtlichen Entscheidungen ohne Erfolg den verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug beschritten haben und auch mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht keine ihnen günstigere Entscheidung herbeiführen konnten. Einer Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Kläger, ihre Asylverfahren hätten eigentlich zu ihren Gunsten ausgehen müssen, bedarf es daher nicht. Der Senat hat vielmehr für den streitigen Zeitraum davon auszugehen, dass den Klägern kein Asylrecht zukommt und dass sie zur Ausreise nach Weißrussland verpflichtet sind.

ee) Aus gleichem Grund kann auch die nach dem Vortrag der Kläger derzeit vor dem Verwaltungsgericht anhängige Klage gegen die Ablehnung des BAMF, ein weiteres Asylverfahren zu eröffnen, asylbewerberleistungsrechtlich kein günstigeres Ergebnis herbeiführen. Denn einstweilen und insbesondere schon im streitigen Zeitraum liegen (bzw. lagen) bestandskräftige ausländerrechtliche Entscheidungen vor, die den Klägern gerade die Ausreise nach Weißrussland aufgeben. Sollte sich dies aufgrund einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung einmal ändern, so stellte sich erst dann die Frage nach leistungsrechtlichen Auswirkungen zugunsten der Kläger. Wenn die Kläger insoweit der Ansicht sind, ihre verwaltungsgerichtliche Anfechtung der Ablehnung eines Asylfolgeverfahrens entfalte "aufschiebende Wirkung", so mag das hinsichtlich der Ablehnung der Eröffnung eines weiteren Asylverfahrens zutreffen, die ggf. noch nicht bestandskräftig ist. Es ändert jedoch nichts an der vom Senat mit Tatbestandswirkung zugrunde zu legenden, bislang bestandskräftig geltenden Ablehnung ihres ursprünglichen Asylantrages unter Auferlegung der Ausreisepflicht.

b) Den Klägern stehen höhere Leistungen auch nicht etwa deswegen zu, weil ein früherer Leistungsbescheid, der höhere Leistungen als diejenigen nach § 1a AsylbLG bewilligte, noch Regelungswirkung entfalten würde.

aa) Allerdings formulieren die Verfügungssätze des Bescheides vom 27.02.2005 (betreffend Leistungen nach § 2 AsylbLG) und des Bescheides vom 23.01.2006 (betreffend Leistungen nach § 3 AsylbLG) jeweils eine zukunftsoffene Bewilligung ("ab Monat: [ ], solange und soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind"). Selbst wenn die Beklagte insoweit davon ausgegangen sein sollte, nur eine Bewilligung für den konkret benannten Monat verfügt zu haben, konnte wegen des gleichwohl allein maßgeblichen Verfügungsinhalts, wie er sich aus der Perspektive des Bescheidempfängers darstellt (vgl. Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 31 Rn. 26 m.w.N.), nur von einer Dauerleistungsbewilligung ausgegangen werden.

Würden diese früheren Bescheide auch für den streitigen Zeitraum noch Regelungswirkung entfalten, wäre der von den Klägern (allein) geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach § 3 schon wegen einer entsprechend hohen früheren und nach wie vor geltenden Leistungsbewilligung begründet. Das würde auch gelten, wenn insoweit auf den (ältesten) Bescheid vom 27.02.2005 abzustellen sein sollte, welcher Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt hatte. Denn Leistungen nach § 3 bzw. § 2 sind untereinander im "Höhenstreit" zu behandeln; entscheidend für die Charakterisierung als Höhenstreit ist, dass es sich jeweils um Leistungen nach dem AsylbLG handelt, der Kreis der Leistungsberechtigten sich aus § 1 AsylbLG ergibt und die Leistungen identischen Zwecken, nämlich der Deckung der notwendigen Bedarfe, dienen, es sich bei den Grundleistungen gegenüber Analogleistungen also nicht um "andere" Leistungen handelt (BSG, a.a.O., Rn. 14).

Nach Ansicht des Senats haben sich diese ein höheres Leistungsniveau gewährenden Bewilligungsbescheide auch nicht etwa deshalb i.S.v. § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) "auf andere Weise erledigt", weil sie mit den Worten "solange und soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind" wirksam eine auflösende Bedingung verfügt hätten, welche mit dem Wegfall der Voraussetzungen für einen höheren Leistungsanspruch nach § 2 bzw. § 3 AsylbLG ohne Weiteres eingetreten wäre. Denn für die wirksame Verfügung einer auflösenden Bedingung ist der bloße abstrakte Rekurs auf nicht näher benannte Anspruchsvoraussetzungen entgegen § 33 Abs. 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt genug.

bb) Den Klägern ist auch zuzugeben, dass die angefochtenen Bescheide vom 22. und 17.02.2006 die früheren Bewilligungsbescheide vom 27.02.2005 bzw. 23.01.2006 bzw. der Widerspruchsbescheid vom 18.06.2006 jedenfalls nicht ausdrücklich aufheben. Gleichwohl entfalten sie nach Ansicht des Senats nicht etwa deswegen für den streitigen Zeitraum noch Regelungswirkung, weil die mit ihnen zukunftsoffen erfolgte Dauerbewilligung mangels actus contrarius noch fortwirkte.

Denn eine hinreichend bestimmte Aufhebung eines begünstigenden Dauerverwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) kann auch in konkludenter Weise erfolgen, wenn - wie mit der Weigerung der Kläger, Pass- oder Passersatzpapieranträge für Weißrussland zu beantragen - die Voraussetzungen (hier: für Leistungen nach § 2 bzw. § 3 AsylbLG) nicht mehr vorliegen. Für die Auslegung von Verwaltungsakten gelten die gleichen Grundsätze entsprechend, wie sie allgemein für die Auslegung von Willenserklärungen anerkannt sind (Engelmann, a.a.O., § 31 Rn. 25). Entscheidend ist, dass der getroffenen Regelung vollständig, klar und unzweideutig zu entnehmen ist, was die Behörde verfügen will, und dass die Bescheidempfänger dementsprechend ihr Verhalten daran ausrichten können; dabei können zur Auslegung des allein maßgeblichen Verfügungssatzes die Begründung des Verwaltungsaktes sowie andere den Beteiligten zugängliche Unterlagen herangezogen werden (Engelmann, a.a.O., § 33 Rn. 3 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen für eine konkludente Aufhebung früherer, über das Leistungsniveau des § 1a AsylbLG hinausgehender Bewilligungen liegen mit dem Bescheid vom 22.02.2006 vor. Er legt ausführlich die maßgeblichen Umstände dar, die nach (zutreffender) Ansicht der Beklagten eine Leistung ab dem 01.03.2006 nur noch auf dem abgesenkten Niveau des § 1a AsylbLG rechtfertigen. Für einen verständigen Empfänger war damit die Regelungsabsicht des Bescheides eindeutig zu entnehmen: Künftig sollten weder Leistungen nach § 3 AsylbLG noch gar solche nach § 2 AsylbLG mehr erbracht werden, sondern allein die niedrigeren Leistungen nach § 1a AsylbLG (bewirkt durch Leistungen auf dem Niveau des § 3, jedoch unter Streichung des sog. Taschengeldes). Eine Unklarheit, was (mit Wirkung allein für die Zukunft) von der Beklagten gewollt war, verblieb nicht. Dementsprechend waren sich auch die Kläger, die zudem im Vorfeld durch das Schreiben der Beklagten vom 01.02.2006 bereits auf die beabsichtigte Absenkung der Leistungen hingewiesen worden waren, von Anfang an über den Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide im Klaren und gingen nicht etwa davon aus, dass die früheren, günstigeren Leistungsbescheide vom 27.02.2005 bzw. 23.01.2006 noch weiter gelten sollten.

3. Stehen den Klägern im streitigen Zeitraum deshalb nur Leistungen nach § 1a AsylbLG zu, so ist ihre Klage gleichwohl nach den - auch im Verhältnis von § 1a und § 3 AsylbLG geltenden - Grundsätzen des Höhenstreits je Kläger in Höhe von 10,03 EUR (und damit teilweise) begründet.

Denn die Beklagte hat ihnen nicht in vollem Umfang die Leistungen erbracht, die ihnen auch bei Absenkung auf das Niveau des § 1a AsylbLG gesetzlich zustehen.

Die Beklagte, die den Klägern das Wohnen in einer privat angemieteten Wohnung gestattet, hat für diese Wohnung ursprünglich die vollen Mietkosten als Leistungen übernommen. Im Anschluss an eine Mieterhöhung hat sie, da sie die Wohnung hinfort nicht mehr als "angemessen" betrachtete, weiterhin einen Leistungsbedarf in alter Höhe zugrundegelegt. Zwar hat sie die jetzt (für vier "Kopfteile" um insgesamt 40,10 EUR) höhere Miete ohne Abzug an den Vermieter überwiesen. Dies führte jedoch dazu, dass die aus vier Personen bestehende Familie der Kläger und ihrer Kinder insgesamt um 40,10 EUR sonstige Leistungen (außerhalb derjenigen für Unterkunftskosten) zur Verfügung hatte. Hiervon entfallen auf die beiden Kläger jeweils (gerundet) 10,03 EUR.

Zu den nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen i.S.v. § 1a AsylbLG gehören - dies zweifelt die Beklagte auch nicht an - ohne Weiteres die Gewährung einer menschenwürdigen Unterkunft. Solange es die Beklagte den Klägern gestattet, in der konkret bewohnten, privat angemieteten Wohnung zu leben, muss sie deshalb auch die (vollen) Kosten dieser Wohnung übernehmen. Unbeschadet dessen, dass die Beklagte die Kläger ohnehin zu keiner Zeit zu einer Senkung der vormals noch als angemessen, später aber als überhöht angesehenen Unterkunftskosten aufgefordert hat, kennt das AsylbLG von vornherein keine Begrenzung auf ein wie auch immer festzulegendes oberes Angemessenheitsniveau, wie es etwa bei den Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) vorgesehen ist (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Es bedarf einer solchen Begrenzung auch nicht, da das Gesetz selbst bei Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nach dessen Abs. 2 sogar eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft gestattet und ohnehin außerhalb der Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Unterkunft regelmäßig nur eine Sachleistungsgewährung vorsieht (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG); bei solchen Unterbringungen kann der Leistungsträger nach dem AsylbLG die Entstehung von Unterkunftskosten von vornherein der Höhe nach steuern. Ob die Beklagte berechtigt wäre, die Kläger künftig unter Kostengesichtspunkten auf eine billigere andere Wohnung oder gar auf eine Gemeinschaftsunterkunft zu verweisen, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden. Für den streitigen Zeitraum jedenfalls hat sie die tatsächlichen Unterkunftskosten der Kläger in voller Höhe zu tragen. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Leistungsempfänger nach § 1a AsylbLG (mit den Leistungen allein in Höhe des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG) keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, welche nicht nur für die bloße Existenzsicherung, sondern darüber hinaus für frei festzulegende Bedarfe in einer Weise gewährt werden, wie sie in den Regelbeträgen bei der Grundsicherung nach dem SGB II oder SGB XII als Pauschale zur freien Verwendung für beliebige Bedarfe enthalten sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

IV. Der Senat lässt die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
Rechtskraft
Aus
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