Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 AS 1155/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 453/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende liegt die objektive Beweislast für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit beim Leistungsberechtigten. Verbleiben nach Ausschöpfen der von Amts wegen gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten ersthafte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, so geht dies zu seinen Lasten.
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2009 wird insoweit aufgehoben, als darin unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 17. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 der Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01. Mai 2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger seit dem 01.05.2008 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat, oder ob der Kläger in diesem Zeitraum über Vermögen verfügte, das seine Bedürftigkeit ausschloss und damit einem solchen Anspruch entgegenstand.
Der 1952 geborene Kläger bezog ab dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Am 11.09.2006 bestellte das Amtsgericht D-Stadt für den Kläger einen Betreuer u. a. zum Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Dritten, insbesondere Behörden. Durch Beschluss des Amtsgerichts D-Stadt vom 29.03.2010 wurde diese wieder aufgehoben.
Der Vater des Klägers ist 1996 verstorben. Ausweislich des Schreibens des Amtsgerichts D-Stadt vom 25.04.1996 hatte der Vater des Klägers mit Testament die Mutter des Klägers als Alleinerbin eingesetzt.
Der Kläger bewohnte ab dem 01.03.2007 ein Appartment in S. zu einer monatlichen Warmmiete von 130 EUR. Am 01.10.2009 zog der Kläger wieder in den Haushalt seiner Mutter in A-Stadt zurück. Seitdem zahlt er nach eigenen Angaben monatlich 250 EUR an seine Schwester, der das Haus gehört, in dem seine Mutter lebt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (zuletzt mit Änderungsbescheid vom 23.08.2006 für die Zeit von Juli bis Dezember 2006). Grundlage dieser Bewilligungsentscheidungen waren die Leistungsanträge des Klägers, in denen er zum Vermögen angab, nicht über solches von mehr als 4.800 EUR, insbesondere nicht über Sparkonten, Sparbriefe und Wertpapiere zu verfügen (Antrag vom 30.12.2004) bzw. die Fortzahlungsanträge vom 28.06.2005, 29.12.2005 und vom 28.06.2006, in denen der Kläger zu den Vermögensverhältnissen "keine Änderung" angab.
Aufgrund eines Datenabgleichs nach § 52 SGB II erfuhr die Beklagte am 12.12.2005, dass der Kläger über Zinseinkünfte bei der C-Bank verfügt. Hierzu legte er eine Auskunft der C-Bank vom 23.11.2006 vor, wonach er unter der Konto-Nr ... BLZ ... über ein Tagesgeldkonto mit einem Guthaben von 144,96 EUR sowie einen Depotwert von 67.963,40 EUR verfüge. Er habe das Geld von seiner Mutter zur Aufbewahrung bzw. Anlage erhalten. Die Mutter des Klägers bestätigte am 12.12.2006 gegenüber dessen Betreuer, dass das Geld, das der Kläger auf dem Konto habe, ihr Eigentum sei und der Kläger wegen seiner Sachkenntnis über eine vernünftige Geldanlage beauftragt worden sei, es auf seinem Namen anzulegen.
Mit Schreiben vom 10.08.2007 forderte der Beklagte den Kläger über seinen Betreuer auf, das auf den Namen des Klägers angelegte, angeblich der Mutter gehörende Vermögen wieder auf die Mutter zu übertragen. Am 18.09.2007 legte der Betreuer ein Schreiben der C-Bank vom 03.09.2007 vor, mit dem die Mutter des Klägers als neue Kundin der C-Bank (Konto-Nr ..., BLZ ...) begrüßt wurde. Der Betreuer teilte hierzu mit, dass das Depot nunmehr auf den Namen der Mutter des Klägers laute.
Am 17.04.2008 lehnte der Beklagte den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 04.04.2008 für die Zeit ab 01.05.2008 ab. Das zu berücksichtigende verwertbare Vermögen des Klägers übersteige den maßgebenden Vermögensfreibetrag in Höhe von 9.000 EUR um 58.963,40 EUR. Damit könnten Leistungen nach dem SGB II nicht gewährt werden. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er das Vermögen entsprechend der Aufforderung der Beklagten auf seine Mutter übertragen habe. Das Vermögen sei damit nicht ihm zuzuordnen. Die Widerspruchsstelle des Beklagten wies den Widerspruch am 14.08.2008 als unbegründet zurück. Der Kläger habe einen Rückforderungsanspruch nach § 528 BGB. Dieser sei auch durchsetzbar, da seit der Übertragung keine zehn Jahre verstrichen seien und der Kläger seine Bedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt habe. Dieser Rückforderungsanspruch sei Vermögen im Sinne des § 12 SGB II.
Der Rentenversicherungsträger bewilligte dem Kläger am 09.02.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2008 befristet bis 31.10.2011 in Höhe von 230,15 EUR monatlich, wobei der Anspruch auf die zuerkannte Rente wegen voller Erwerbsminderung als auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig festgestellt wurde.
Am 15.05.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht München (SG) Klage gegen einen Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 erhoben und diese am 10.09.2008 auf den Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 erweitert. Er hat geltend gemacht, das bei der C-Bank angelegte Vermögen habe ständig im Eigentum seiner Mutter gestanden. Zwischenzeitlich sei es auch auf den Namen der Mutter angelegt worden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 16.12.2009 ist die Mutter des Klägers als Zeugin gehört worden.
Mit Urteil vom 16.12.2009 Az. S 32 AS 1155/08 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 24.05.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Weiter hat es den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 01.05.2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dieses Urteil ist dem Beklagten am 11.02.2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Das SG hat seine Entscheidung bezüglich des Zeitraums vom 01.01. bis zum 24.05.2007 damit begründet, dass das unter seinem Namen bei der C-Bank angelegte Guthaben kein verwertbares Vermögen des Klägers dargestellt habe. Er habe nach der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung der Kammer das genannte Vermögen treuhänderisch für seine Mutter gehalten. Zwischen ihm und seiner Mutter sei eine so genannte verdeckte fremdnützige Treuhand vereinbart gewesen. Die von ihm vorgebrachten Gründe, die für die Einrichtung der Treuhand maßgeblich gewesen seien, insbesondere die Unerfahrenheit der Mutter in finanziellen Angelegenheiten, seien nachvollziehbar.
Gegen die vom Beklagten angenommene Schenkung spreche weiter die Überlegung, dass diese zum damaligen Zeitpunkt, das heißt im Laufe des Jahres 1996, mit 100.000 DM über dem für die vorliegende Konstellation geltenden Steuerfreibetrag gelegen habe, der für Kinder zunächst 90.000 DM betragen habe und erst mit dem Jahressteuergesetz 1997 vom 27.12.1996 (BGBl I S. 2049) rückwirkend auf 400.000 DM angehoben worden sei.
Der Treuhandvertrag sei auch in der Folgezeit vereinbarungsgemäß vollzogen worden, insbesondere habe der Kläger das Vermögen seiner Mutter weder mit eigenem Vermögen vermischt noch für eigene Bedarfe genutzt.
Für den zweiten hier streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 01.05.2008 habe kein Vermögen in Form eines Rückforderungsanspruchs des verarmten Schenkers nach § 528 BGB vorgelegen. Mit der Rückübertragung des Vermögens an seine Mutter habe der Kläger seine Verpflichtung aus der Treuhandvereinbarung erfüllt.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 09.03.2010 Berufung eingelegt.
Bereits am 18.01.2010 hatte der Kläger einen Neuantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, den der Beklagte inzwischen bestandskräftig abgelehnt hat.
Am 15.11.2010 hat die D. aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts D-Stadt vom 08.11.2010 die Wohnräume des Klägers durchsucht. Dabei sind sichergestellt worden:
- eine umfangreiche Münzsammlung,
- 37 Ordner mit Briefmarken und
- Bargeld in Höhe von 1.550 EUR.
Nach einem Vermerk von Polizeihauptkommissar L. vom 15.11.2010 sind die Gegenstände vor dem Abtransport in der Küche und im Erdgeschoss zusammengetragen worden. Dabei habe die Mutter des Klägers geäußert, dass es sich um Eigentum ihres Sohnes handele.
Polizeioberkommissar D. hat in einem Vermerk vom 24.08.2011 angegeben, bei der Durchsuchung am 15.11.2011 den Schlafraum des Klägers im ersten Obergeschoss des Hauses durchsucht zu haben. Die beschlagnahmten Münz- beziehungsweise Briefmarkensammlungen hätten sich zum überwiegenden Teil in dem in dem Zimmer befindlichen Schrank befunden. Polizeihauptkommissar L. hat mit Schreiben vom 24.08.2011 ergänzend mitgeteilt, dass er selbst den im Dachgeschoss ausgebauten Raum sowie die angrenzenden Staukammern in den Dachschrägen durchsucht habe. Auch dort hätten sich nur Gegenstände des Klägers befunden, und der Kläger habe die bei der Durchsuchung vorgefundenen Dinge (Münz- und Briefmarkensammlungen) als sein Eigentum bezeichnet.
Das von der Polizei in Auftrag gegebene Gutachten des Münzsachverständigen Dr. H. R. vom 19.11.2011 hat ergeben, dass der im Verkauf der Münzen durch den Kläger an einen Händler liegende Händlerankaufspreis auf 7.946,90 EUR zu schätzen sei. Der Händlerverkaufspreis liege bei rund 14.650 EUR. Die Briefmarkensammlungen hat die Polizei von dem Sachverständigen C. H. bewerten lassen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.12.2010 den gesamten Wert der Sammlungen auf 8.530 EUR bis 9.180 EUR geschätzt.
Der Kläger wurde durch den Senat aufgefordert, die sich aus seinen Kontoauszügen aus den Jahren 2008 bis 2010 ergebenden Einnahmen und Ausgaben darzulegen. Insbesondere hat das Gericht den Kläger um Erklärung gebeten, was es mit den ab dem 17.08.20090 wiederholt verbuchten Einnahmen mit dem Betreff "B. S. EM-Ankauf" auf sich habe. Der Kläger hat darauf nicht geantwortet.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 hat der Senat durch Beschluss unter dem Az. L 16 AS 179/10 die Streitsache abgetrennt, soweit sie den Leistungsanspruch ab dem 01.05.2008 betrifft, und insoweit die Verhandlung vertagt und unter dem Az. L 16 AS 892/10 fortgeführt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 03.08.2011 bestritten, dass der Kläger Bargeld in Höhe von 1550 EUR in seinem Haushalt aufbewahrt habe.
Diesem Schriftsatz lag eine persönliche Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 bei, wonach er das Bargeld in Höhe von 1550 EUR erst nach 2008 erhalten habe. Unter Bezugnahme auf die Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 hat das Gericht mit Schreiben vom 18.08.2011 nachgefragt, wann genau dem Kläger das Bargeld in Höhe von 1550 EUR zugeflossen sei. Dazu hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 28.09.2011 erklärt, der Kläger habe im Juni 2010 einen Betrag von 1300 EUR von seinem Konto abgehoben, die restlichen 250 EUR stammten wohl von dem Geld, das er regelmäßig von seiner Mutter erhalte, damit er hiervon für sie Lebensmitteleinkäufe tätige.
Bezüglich der Münzsammlungen liegt eine Erklärung der Mutter des Klägers, A. A. sen., vom 17.07.2011 vor, wonach ihr die Stahlkassette samt Inhalt gehöre, für die der Gutachter einen Händlerankaufspreis von 3.224 EUR ermittelt hat. Ferner liegt eine Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 vor, wonach er folgende Münzen nach 2008 erworben habe:
"24.04.2009 291,70 EUR
20.12.2009 160,13 EUR
23.12.2009 39,95 EUR
24.12.2009 55,50 EUR
15.04.2010 1 57,22 EUR
1.072,02 EUR"
Bezüglich der Briefmarkensammlungen liegt eine Erklärung der Mutter des Klägers, A. A. sen., vom 17.07.2011 vor, wonach folgende Alben seit 10 Jahren ihr Eigentum seien, wobei sich die Nummern auf die Nummerierung im Gutachten des Sachverständigen H. vom 08.02.2010 beziehen und die Werte aus diesem Gutachten übernommen werden:
"Briefmarken Berlin 1948 - 1990 (Album-Nr. 7) 900 EUR
Briefmarken BRD 1949 - 2009 (Album-Nrn. 3, 4, 5, 9, 11, 12) 800 EUR
Briefmarken Dt. Reich 1872 - 1923 (Album-Nr. 19) 500 EUR
Altdeutschland (Album-Nr. 20) 1800 EUR
Alliierte Besetzung 1945/49 (Album-Nr. 34) 1200 EUR"
Ferner liegt eine Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 vor, wonach er folgende Briefmarken nach 2008 erworben habe:
"20.08.2009 ca. 120 EUR
20.10.2009 74 EUR
03.03.2010 641,22 EUR
21.07.2010 398,23 EUR
02.08.2010 46,95 EUR
04.08.2010 89,50 EUR
07.08.2010 16,12 EUR
09.08.2010 15,50 EUR
09.08.2010 35,20 EUR
1.436,72 EUR"
Der Kläger behauptet, sein verstorbener Vater habe schon immer Briefmarken und Münzen gesammelt und diese Sammlung seiner Frau vermacht.
Weiter behauptet der Kläger, seine Mutter habe die von der Polizei wiedergegebene Äußerung am Rande der Hausdurchsuchung so nicht getätigt. Das Wort "Eigentum" gehöre nicht zum Wortschatz seiner Mutter, die nur bayerisch spreche und sich lediglich in sehr umgangssprachlicher Form äußern könne. Wenn sie überhaupt eine derartige Äußerung gemacht hätte, dann hätte sie sich damit nur auf den Teil der Münz- und Briefmarkensammlungen bezogen, der tatsächlich im Eigentum des Klägers stehe.
Dass die gesamte Münz- und Briefmarkensammlung im Obergeschoss des Hauses gefunden worden sei, stehe der Tatsache nicht entgegen, dass diese teilweise im Eigentum der Mutter des Klägers gestanden habe. Zum einen habe die Mutter in ihren Schränken keinen Platz gehabt; zum anderen habe sie die Sachen aus Angst vor Einbrechern im Speicher aufbewahrt.
Der Beklagte beruft sich unter anderem darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2010 selbst mitgeteilt habe, dass er "seit früh an" Münzen und Briefmarken sammle und durch die Beschlagnahme nun alle Hobbies aufgeben müsse. Weiter habe er kundgetan, dass er die Münzen und die Briefmarken lieber seiner Schwester geben würde, als dass diese an den Staat fielen. Dazu erwidert der Kläger, dass sich diese Äußerung nur auf den Teil der Sammlungen bezogen habe, der in seinem Eigentum stehe.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.12.2009 insoweit aufzuheben, als darin unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 17.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 der Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.05.2008 zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Der im vorliegenden Verfahren anhängige Teil der Berufung betrifft nur noch den Leistungszeitraum ab dem 01.05.2008. Ursprünglich hatte der Kläger gegen den Bescheid vom 29.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 auf Leistungen für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 24.05.2007 geklagt. Mit Schriftsatz vom 08.09.2008, eingegangen am 10.09.2008, hat der Kläger die Klage um den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 17.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.05.2008 zu erbringen, erweitert. Die darin liegende Klageänderung war gemäß § 99 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 SGG zulässig, weil sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 17.12.2008 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, ohne der Änderung zu widersprechen. Im Berufungsverfahren ist mit Beschluss vom 24.11.2010 der Teil der Streitsache, der den Leistungsanspruch ab dem 01.05.2008 betrifft, abgetrennt worden und bildet den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Soweit das SG den Beklagten dazu verurteilt hat, Leistungen für die Zeit ab dem 18.01.2010 zu erbringen, ist die Berufung des Beklagten schon deshalb begründet, weil die Klage auf Leistungen für diesen Zeitraum als unzulässig abzuweisen ist. Am 18.01.2010 hat der Kläger beim Beklagten einen Neuantrag gestellt, der nach den unbestrittenen Aussagen des Beklagten durch bestandskräftigen Bescheid und Widerspruchsbescheid abgelehnt worden ist. Wehrt sich der Hilfebedürftige gegen einen Bescheid, mit dem - wie hier mit dem Ausgangsbescheid vom 17.04.2008 - die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt worden ist, so ist - bei zeitlich unbefristetem Antrag - zunächst zwar die gesamte Zeit bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Stellt der Betroffene zwischenzeitlich jedoch einen neuen Antrag, so erledigt sich der angefochtene Bescheid für den Zeitraum, der von dem darüber ergehenden neuen Bescheid erfasst wird. Der neue Bescheid wird nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 28.10.2009 Az. B 14 AS 62/08 R Rdnr. 17). Die Klage ist somit hinsichtlich des Leistungszeitraums ab dem 18.01.2010 unzulässig, weil die diesbezüglich ergangenen Bescheide in einem eigenen Widerspruchs- und Klageverfahren anzufechten gewesen wären.
Soweit das SG den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger im Zeitraum vom 01.05.2008 bis zum 17.01.2010 Leistungen zu erbringen, ist die Berufung des Beklagten begründet, weil die Klage unbegründet ist. Der Senat hat trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten ernsthafte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers. Bei der Hausdurchsuchung am 15.11.2010 wurden Gegenstände mit folgendem Wert sichergestellt:
- Münzsammlung im Wert von mindestens 7,946,90 EUR
- Briefmarkensammlung mit Schätzwert von 8.530 EUR
- Bargeld im Wert von 1.550 EUR.
Dabei wird zugunsten des Klägers bei den Münzen nur der niedrigere Händlerankaufspreis und nicht der höhere Händlerverkaufspreis von 14.650 EUR angesetzt, obwohl zu vermuten ist, dass der Kläger bei einem Verkauf von privat an privat einen Erlös erzielen könnte, der zwischen beiden Positionen läge. Die Berücksichtigung des Bargelds ist zweifelhaft, da insoweit nicht klar ist, inwieweit das am 15.11.2011 aufgefundene Bargeld tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitraum vorhanden war; es bleibt deshalb bei den folgenden Überlegungen außer Betracht.
Die Vermögensfreibeträge des am 08.11.1952 geborenen Klägers betrugen bis zum 17.01.2010 maximal 57 x 150 EUR = 8.550 EUR nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II zuzüglich 750 EUR nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II, insgesamt 9.300 EUR.
Münzen im Wert von 1.072,02 EUR und Briefmarken im Wert von 1.436,72 EUR wurden vom Kläger erst ab 2009 erworben und standen deshalb nicht während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums vom 01.05.2008 bis zum 17.01.2010 zur Verfügung.
Unterstellt man, dass die übrigen Münzen und Briefmarken vollständig im Eigentum des Klägers standen, so wäre während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums mindestens Vermögen in folgender Höhe vorhanden gewesen:
Händlerankaufswert sichergestellte Münzsammlung 7.946,90 EUR
./. nachträglich angeschaffte Münzen -1.072,02 EUR
Mindestschätzwert Briefmarkensammlung 8.530 EUR
./. angeschaffte Briefmarken -1.436,72
13.968,16
Damit wäre der im streitgegenständlichen Zeitraum maximal ausschöpfbare Vermögensfreibetrag von 9.300 EUR um über 4.600 EUR überschritten worden.
Folgt man dagegen der Aussage der Mutter des Klägers in deren Schreiben vom 17.07.2011, dass ihr die Stahlkassette mit Münzen im Wert von 3.224 EUR sowie Briefmarkensammlungen im Wert von 900 EUR + 800 EUR + 500 EUR + 1.800 EUR + 1.200 EUR = 5.200 gehöre, würde sich der dem Kläger zurechenbare Mindestwert an Vermögen auf 13.968,16 EUR - (3.224 EUR + 5.200 EUR) = 5.544,16 EUR reduzieren und läge unterhalb des Vermögensfreibetrags.
Letztlich kann der Senat nicht zur vollen Überzeugung feststellen, ob tatsächlich alle sichergestellten Münzen und Briefmarken Eigentum des Klägers waren oder ob tatsächlich einzelne Sammlungen noch im Eigentum seiner Mutter standen, die diese von ihrem verstorbenen Ehemann geerbt haben will. Jedenfalls bestehen aber ernsthafte Zweifel an der Behauptung des Klägers, dass ihm lediglich die ab 2009 erworbenen Münzen und Briefmarken gehörten, alle übrigen jedoch seiner Mutter.
Dafür sind für den Senat folgende Überlegungen maßgeblich:
- Die Gegenstände wurden in Räumen gefunden, die sich eindeutig der Sphäre des Klägers zuordnen ließen. Dies ergibt sich aus den Erklärungen von POK D. und PHK L. vom 24.08.2011. Dies gilt sowohl für den Schlafraum des Klägers im Obergeschoss als auch den im Dachgeschoss ausgebauten Raum einschließlich der angrenzenden Staukammer in den Dachschrägen. Auch wurden bei der Hausdurchsuchung weder vom Kläger noch von seiner Mutter Einwände hinsichtlich des Eigentums des Klägers erhoben. Die angeblich im Eigentum der Mutter stehenden Münzen und Briefmarken wurden von den unstreitig dem Kläger gehörenden Münzen und Briefmarken nicht getrennt gelagert, auch ist weder ersichtlich noch vom Kläger vorgebracht, dass die angeblich im Eigentum seiner Mutter stehenden Gegenstände als solche gekennzeichnet waren. Vielmehr hatte der Kläger den gesamten Bestand an Münzen und Briefmarken in seinem Besitz, ohne dass eine Trennung nach seinem eigenen Eigentum und dem seiner Mutter äußerlich erkennbar oder objektiv nachvollziehbar gewesen wäre. Dies spricht dafür, dass die Mutter auch solche Münzen und Briefmarken, die sie von ihrem Mann geerbt hatte, inzwischen ihrem Sohn übereignet hatte. Die Behauptung des Klägers, die Mutter habe die in ihrem Eigentum stehenden Münzen und Briefmarken in den Räumen ihres Sohnes aufbewahrt, weil sie in ihren eigenen Räumen keinen Platz gehabt habe und die Gegenstände im Obergeschoss vor Einbrechern besser geschützt gewesen seien, erscheint nicht überzeugend.
- Die Mutter des Klägers hat nach dem Vermerk von PHK L. bei der Beschlagnahme der Münzen und Briefmarken angesichts der im Erdgeschoss zusammengetragenen Gegenstände diese spontan als das Eigentum ihres Sohnes bezeichnet, das sich dieser im Laufe der Jahre alles erspart habe. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Polizeibeamten über diese Äußerung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass - wie der Kläger geltend macht - die Mutter des Klägers nur bayerische Mundart spricht und das Wort "Eigentum" nicht zu ihrem Wortschatz zählt. Die bayerische Mundart verfügt über vielfältige Möglichkeiten, Eigentumsverhältnisse unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, und der Senat sieht keinen Grund, die Aussage des Polizeibeamten nicht in diesem Sinne zu verstehen.
- In der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 hat der Kläger bezüglich der am 15.11.2010 stattgefundenen Sicherstellung von Münz- und Briefmarkensammlungen noch nicht vorgebracht, dass diese teilweise im Eigentum seiner Mutter stünden, vielmehr auf seine Möglichkeit, diese seiner Schwester zu übergeben, hingewiesen, und geltend gemacht, dass ihm so sein einziges Hobby, nämlich das Sammeln von Münzen und Briefmarken, das er "seit früh an" ausübe, genommen werde. Die Tatsache, dass weder bei der Hausdurchsuchung selbst noch bei der neun Tage später stattfindenden mündlichen Verhandlung auf das Eigentum der Mutter hingewiesen wurde, spricht dafür, dass es sich insoweit um eine Argumentationslinie handelt, die man sich auf Klägerseite im Nachhinein ausgedacht hat, um das Vermögen des Klägers als die Freibeträge nicht überschreitend darzustellen.
Losgelöst von der Frage der Eigentumsverhältnisse an den Münzen und Briefmarken bestehen weitere Gesichtspunkte, die nach Auffassung des Senats die Hilfebedürftigkeit des Klägers generell in Frage stellen, weil sie darauf hindeuten, dass der Kläger über weiteres Vermögen oder Einkommen verfügt, das er bislang nicht angegeben hat, das aber seine Hilfebedürftigkeit ausschließen würde:
- Hier ist zunächst der Umstand zu benennen, dass der Kläger nach seinen Kontoauszügen folgende Einnahmen hatte, jeweils mit dem Betreff "B. S. EM-Ankauf": zweimal 653 EUR am 17.08.2009, 1.338 EUR am 08.09.2009, 1338 EUR am 08.09.2009, 673 EUR am 15.09.2009, 676 EUR am 15.09.2009, 678 EUR am 15.09.2009, 704 EUR am 10.11.2009, 760 EUR am 08.02.2010, insgesamt also 7.473 EUR in 6 Monaten. Auf die Anfrage des Gerichts vom 09.11.2010, was es damit auf sich habe, hat der Kläger mit Schreiben vom 08.11.2011 mitgeteilt, es handle sich um Einnahmen aus dem Verkauf von Goldmünzen. Der Kläger habe jeweils Goldmünzen seiner Mutter, die sie von ihrem Ehemann geerbt habe, in deren Auftrag verkauft. Die Glaubwürdigkeit dieser Erklärung ist gering. Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei einem Verkauf im Auftrag der Mutter die Gutschrift nicht auf ein Konto der Mutter erfolgte. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu in der mündlichen Verhandlung keine weitere Erklärung, der das Gericht hätte nachgehen können, anbieten können.
- Weitere Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers ergeben sich aus der Tatsache, dass der Kläger nach seiner eigenen Erklärung vom 28.07.2011 im Zeitraum von Juli 2009 bis Oktober 2010, also in anderthalb Jahren, einen Betrag von 2.500 EUR für Münzen und Briefmarken ausgegeben hat, obwohl er kein Arbeitslosengeld II bezog und ansonsten angeblich völlig mittellos war. Auf die gerichtliche Anfrage vom 18.08.2011, wie dies zu erklären sei, hat der Kläger mit Schreiben vom 08.11.2011 mitgeteilt, dass diese Mittel von seiner Mutter stammten. Selbst wenn dies zuträfe, würde es zeigen, dass der Kläger generell nicht bereit ist, finanzielle Zuwendungen seiner Mutter, die als Einkommen zu beurteilen sein könnten, gegenüber dem Beklagten und dem Gericht anzugeben. Im Übrigen könnte es sich bei dieser Erklärung, für die keine Beweismittel vorgelegt oder angeboten wurden, um eine reine Schutzbehauptung handeln.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Senat sowohl ernsthafte Zweifel an der Behauptung des Klägers und seiner Mutter hat, die bei ihm vorgefundenen Münzen und Briefmarken hätten zu einem Anteil von 3.224 EUR + 5.200 EUR = 8.424 EUR seiner Mutter gehört, als auch an der Hilfebedürftigkeit, also dem Fehlen weiteren Einkommens und Vermögens, generell. Diese ernsthaften Zweifel haben sich trotz Ausschöpfung aller gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausräumen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz, der sich der Senat für das SGB II anschließt, trägt der Hilfesuchende die objektive Beweislast oder Beweislast im materiellen Sinne für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit; lässt sich nach Ausschöpfen der erreichbaren Erkenntnisquellen nicht feststellen, ob der Hilfesuchende hilfebedürftig ist, so geht dies zu seinen Lasten (vgl. statt aller BVerwGE 67, 163, 171 f. m. w. Nachw.; ebenso Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. A. 2008, § 9 Rdnr. 66). Deshalb ist zu Lasten des Klägers zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des vollständigen Unterliegens des Klägers sind Kosten nicht zu erstatten. Dies gilt sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das Verfahren erster Instanz, für welches nach Abschluss aller im Berufungsverfahren abgetrennten Verfahrensteile feststeht, dass der Kläger auch diesbezüglich in vollem Umfang unterlegen ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger seit dem 01.05.2008 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat, oder ob der Kläger in diesem Zeitraum über Vermögen verfügte, das seine Bedürftigkeit ausschloss und damit einem solchen Anspruch entgegenstand.
Der 1952 geborene Kläger bezog ab dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Am 11.09.2006 bestellte das Amtsgericht D-Stadt für den Kläger einen Betreuer u. a. zum Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Dritten, insbesondere Behörden. Durch Beschluss des Amtsgerichts D-Stadt vom 29.03.2010 wurde diese wieder aufgehoben.
Der Vater des Klägers ist 1996 verstorben. Ausweislich des Schreibens des Amtsgerichts D-Stadt vom 25.04.1996 hatte der Vater des Klägers mit Testament die Mutter des Klägers als Alleinerbin eingesetzt.
Der Kläger bewohnte ab dem 01.03.2007 ein Appartment in S. zu einer monatlichen Warmmiete von 130 EUR. Am 01.10.2009 zog der Kläger wieder in den Haushalt seiner Mutter in A-Stadt zurück. Seitdem zahlt er nach eigenen Angaben monatlich 250 EUR an seine Schwester, der das Haus gehört, in dem seine Mutter lebt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (zuletzt mit Änderungsbescheid vom 23.08.2006 für die Zeit von Juli bis Dezember 2006). Grundlage dieser Bewilligungsentscheidungen waren die Leistungsanträge des Klägers, in denen er zum Vermögen angab, nicht über solches von mehr als 4.800 EUR, insbesondere nicht über Sparkonten, Sparbriefe und Wertpapiere zu verfügen (Antrag vom 30.12.2004) bzw. die Fortzahlungsanträge vom 28.06.2005, 29.12.2005 und vom 28.06.2006, in denen der Kläger zu den Vermögensverhältnissen "keine Änderung" angab.
Aufgrund eines Datenabgleichs nach § 52 SGB II erfuhr die Beklagte am 12.12.2005, dass der Kläger über Zinseinkünfte bei der C-Bank verfügt. Hierzu legte er eine Auskunft der C-Bank vom 23.11.2006 vor, wonach er unter der Konto-Nr ... BLZ ... über ein Tagesgeldkonto mit einem Guthaben von 144,96 EUR sowie einen Depotwert von 67.963,40 EUR verfüge. Er habe das Geld von seiner Mutter zur Aufbewahrung bzw. Anlage erhalten. Die Mutter des Klägers bestätigte am 12.12.2006 gegenüber dessen Betreuer, dass das Geld, das der Kläger auf dem Konto habe, ihr Eigentum sei und der Kläger wegen seiner Sachkenntnis über eine vernünftige Geldanlage beauftragt worden sei, es auf seinem Namen anzulegen.
Mit Schreiben vom 10.08.2007 forderte der Beklagte den Kläger über seinen Betreuer auf, das auf den Namen des Klägers angelegte, angeblich der Mutter gehörende Vermögen wieder auf die Mutter zu übertragen. Am 18.09.2007 legte der Betreuer ein Schreiben der C-Bank vom 03.09.2007 vor, mit dem die Mutter des Klägers als neue Kundin der C-Bank (Konto-Nr ..., BLZ ...) begrüßt wurde. Der Betreuer teilte hierzu mit, dass das Depot nunmehr auf den Namen der Mutter des Klägers laute.
Am 17.04.2008 lehnte der Beklagte den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 04.04.2008 für die Zeit ab 01.05.2008 ab. Das zu berücksichtigende verwertbare Vermögen des Klägers übersteige den maßgebenden Vermögensfreibetrag in Höhe von 9.000 EUR um 58.963,40 EUR. Damit könnten Leistungen nach dem SGB II nicht gewährt werden. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er das Vermögen entsprechend der Aufforderung der Beklagten auf seine Mutter übertragen habe. Das Vermögen sei damit nicht ihm zuzuordnen. Die Widerspruchsstelle des Beklagten wies den Widerspruch am 14.08.2008 als unbegründet zurück. Der Kläger habe einen Rückforderungsanspruch nach § 528 BGB. Dieser sei auch durchsetzbar, da seit der Übertragung keine zehn Jahre verstrichen seien und der Kläger seine Bedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt habe. Dieser Rückforderungsanspruch sei Vermögen im Sinne des § 12 SGB II.
Der Rentenversicherungsträger bewilligte dem Kläger am 09.02.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2008 befristet bis 31.10.2011 in Höhe von 230,15 EUR monatlich, wobei der Anspruch auf die zuerkannte Rente wegen voller Erwerbsminderung als auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig festgestellt wurde.
Am 15.05.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht München (SG) Klage gegen einen Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 erhoben und diese am 10.09.2008 auf den Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 erweitert. Er hat geltend gemacht, das bei der C-Bank angelegte Vermögen habe ständig im Eigentum seiner Mutter gestanden. Zwischenzeitlich sei es auch auf den Namen der Mutter angelegt worden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 16.12.2009 ist die Mutter des Klägers als Zeugin gehört worden.
Mit Urteil vom 16.12.2009 Az. S 32 AS 1155/08 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 24.05.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Weiter hat es den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 01.05.2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dieses Urteil ist dem Beklagten am 11.02.2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Das SG hat seine Entscheidung bezüglich des Zeitraums vom 01.01. bis zum 24.05.2007 damit begründet, dass das unter seinem Namen bei der C-Bank angelegte Guthaben kein verwertbares Vermögen des Klägers dargestellt habe. Er habe nach der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung der Kammer das genannte Vermögen treuhänderisch für seine Mutter gehalten. Zwischen ihm und seiner Mutter sei eine so genannte verdeckte fremdnützige Treuhand vereinbart gewesen. Die von ihm vorgebrachten Gründe, die für die Einrichtung der Treuhand maßgeblich gewesen seien, insbesondere die Unerfahrenheit der Mutter in finanziellen Angelegenheiten, seien nachvollziehbar.
Gegen die vom Beklagten angenommene Schenkung spreche weiter die Überlegung, dass diese zum damaligen Zeitpunkt, das heißt im Laufe des Jahres 1996, mit 100.000 DM über dem für die vorliegende Konstellation geltenden Steuerfreibetrag gelegen habe, der für Kinder zunächst 90.000 DM betragen habe und erst mit dem Jahressteuergesetz 1997 vom 27.12.1996 (BGBl I S. 2049) rückwirkend auf 400.000 DM angehoben worden sei.
Der Treuhandvertrag sei auch in der Folgezeit vereinbarungsgemäß vollzogen worden, insbesondere habe der Kläger das Vermögen seiner Mutter weder mit eigenem Vermögen vermischt noch für eigene Bedarfe genutzt.
Für den zweiten hier streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 01.05.2008 habe kein Vermögen in Form eines Rückforderungsanspruchs des verarmten Schenkers nach § 528 BGB vorgelegen. Mit der Rückübertragung des Vermögens an seine Mutter habe der Kläger seine Verpflichtung aus der Treuhandvereinbarung erfüllt.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 09.03.2010 Berufung eingelegt.
Bereits am 18.01.2010 hatte der Kläger einen Neuantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, den der Beklagte inzwischen bestandskräftig abgelehnt hat.
Am 15.11.2010 hat die D. aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts D-Stadt vom 08.11.2010 die Wohnräume des Klägers durchsucht. Dabei sind sichergestellt worden:
- eine umfangreiche Münzsammlung,
- 37 Ordner mit Briefmarken und
- Bargeld in Höhe von 1.550 EUR.
Nach einem Vermerk von Polizeihauptkommissar L. vom 15.11.2010 sind die Gegenstände vor dem Abtransport in der Küche und im Erdgeschoss zusammengetragen worden. Dabei habe die Mutter des Klägers geäußert, dass es sich um Eigentum ihres Sohnes handele.
Polizeioberkommissar D. hat in einem Vermerk vom 24.08.2011 angegeben, bei der Durchsuchung am 15.11.2011 den Schlafraum des Klägers im ersten Obergeschoss des Hauses durchsucht zu haben. Die beschlagnahmten Münz- beziehungsweise Briefmarkensammlungen hätten sich zum überwiegenden Teil in dem in dem Zimmer befindlichen Schrank befunden. Polizeihauptkommissar L. hat mit Schreiben vom 24.08.2011 ergänzend mitgeteilt, dass er selbst den im Dachgeschoss ausgebauten Raum sowie die angrenzenden Staukammern in den Dachschrägen durchsucht habe. Auch dort hätten sich nur Gegenstände des Klägers befunden, und der Kläger habe die bei der Durchsuchung vorgefundenen Dinge (Münz- und Briefmarkensammlungen) als sein Eigentum bezeichnet.
Das von der Polizei in Auftrag gegebene Gutachten des Münzsachverständigen Dr. H. R. vom 19.11.2011 hat ergeben, dass der im Verkauf der Münzen durch den Kläger an einen Händler liegende Händlerankaufspreis auf 7.946,90 EUR zu schätzen sei. Der Händlerverkaufspreis liege bei rund 14.650 EUR. Die Briefmarkensammlungen hat die Polizei von dem Sachverständigen C. H. bewerten lassen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.12.2010 den gesamten Wert der Sammlungen auf 8.530 EUR bis 9.180 EUR geschätzt.
Der Kläger wurde durch den Senat aufgefordert, die sich aus seinen Kontoauszügen aus den Jahren 2008 bis 2010 ergebenden Einnahmen und Ausgaben darzulegen. Insbesondere hat das Gericht den Kläger um Erklärung gebeten, was es mit den ab dem 17.08.20090 wiederholt verbuchten Einnahmen mit dem Betreff "B. S. EM-Ankauf" auf sich habe. Der Kläger hat darauf nicht geantwortet.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 hat der Senat durch Beschluss unter dem Az. L 16 AS 179/10 die Streitsache abgetrennt, soweit sie den Leistungsanspruch ab dem 01.05.2008 betrifft, und insoweit die Verhandlung vertagt und unter dem Az. L 16 AS 892/10 fortgeführt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 03.08.2011 bestritten, dass der Kläger Bargeld in Höhe von 1550 EUR in seinem Haushalt aufbewahrt habe.
Diesem Schriftsatz lag eine persönliche Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 bei, wonach er das Bargeld in Höhe von 1550 EUR erst nach 2008 erhalten habe. Unter Bezugnahme auf die Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 hat das Gericht mit Schreiben vom 18.08.2011 nachgefragt, wann genau dem Kläger das Bargeld in Höhe von 1550 EUR zugeflossen sei. Dazu hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 28.09.2011 erklärt, der Kläger habe im Juni 2010 einen Betrag von 1300 EUR von seinem Konto abgehoben, die restlichen 250 EUR stammten wohl von dem Geld, das er regelmäßig von seiner Mutter erhalte, damit er hiervon für sie Lebensmitteleinkäufe tätige.
Bezüglich der Münzsammlungen liegt eine Erklärung der Mutter des Klägers, A. A. sen., vom 17.07.2011 vor, wonach ihr die Stahlkassette samt Inhalt gehöre, für die der Gutachter einen Händlerankaufspreis von 3.224 EUR ermittelt hat. Ferner liegt eine Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 vor, wonach er folgende Münzen nach 2008 erworben habe:
"24.04.2009 291,70 EUR
20.12.2009 160,13 EUR
23.12.2009 39,95 EUR
24.12.2009 55,50 EUR
15.04.2010 1 57,22 EUR
1.072,02 EUR"
Bezüglich der Briefmarkensammlungen liegt eine Erklärung der Mutter des Klägers, A. A. sen., vom 17.07.2011 vor, wonach folgende Alben seit 10 Jahren ihr Eigentum seien, wobei sich die Nummern auf die Nummerierung im Gutachten des Sachverständigen H. vom 08.02.2010 beziehen und die Werte aus diesem Gutachten übernommen werden:
"Briefmarken Berlin 1948 - 1990 (Album-Nr. 7) 900 EUR
Briefmarken BRD 1949 - 2009 (Album-Nrn. 3, 4, 5, 9, 11, 12) 800 EUR
Briefmarken Dt. Reich 1872 - 1923 (Album-Nr. 19) 500 EUR
Altdeutschland (Album-Nr. 20) 1800 EUR
Alliierte Besetzung 1945/49 (Album-Nr. 34) 1200 EUR"
Ferner liegt eine Erklärung des Klägers vom 18.07.2011 vor, wonach er folgende Briefmarken nach 2008 erworben habe:
"20.08.2009 ca. 120 EUR
20.10.2009 74 EUR
03.03.2010 641,22 EUR
21.07.2010 398,23 EUR
02.08.2010 46,95 EUR
04.08.2010 89,50 EUR
07.08.2010 16,12 EUR
09.08.2010 15,50 EUR
09.08.2010 35,20 EUR
1.436,72 EUR"
Der Kläger behauptet, sein verstorbener Vater habe schon immer Briefmarken und Münzen gesammelt und diese Sammlung seiner Frau vermacht.
Weiter behauptet der Kläger, seine Mutter habe die von der Polizei wiedergegebene Äußerung am Rande der Hausdurchsuchung so nicht getätigt. Das Wort "Eigentum" gehöre nicht zum Wortschatz seiner Mutter, die nur bayerisch spreche und sich lediglich in sehr umgangssprachlicher Form äußern könne. Wenn sie überhaupt eine derartige Äußerung gemacht hätte, dann hätte sie sich damit nur auf den Teil der Münz- und Briefmarkensammlungen bezogen, der tatsächlich im Eigentum des Klägers stehe.
Dass die gesamte Münz- und Briefmarkensammlung im Obergeschoss des Hauses gefunden worden sei, stehe der Tatsache nicht entgegen, dass diese teilweise im Eigentum der Mutter des Klägers gestanden habe. Zum einen habe die Mutter in ihren Schränken keinen Platz gehabt; zum anderen habe sie die Sachen aus Angst vor Einbrechern im Speicher aufbewahrt.
Der Beklagte beruft sich unter anderem darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2010 selbst mitgeteilt habe, dass er "seit früh an" Münzen und Briefmarken sammle und durch die Beschlagnahme nun alle Hobbies aufgeben müsse. Weiter habe er kundgetan, dass er die Münzen und die Briefmarken lieber seiner Schwester geben würde, als dass diese an den Staat fielen. Dazu erwidert der Kläger, dass sich diese Äußerung nur auf den Teil der Sammlungen bezogen habe, der in seinem Eigentum stehe.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.12.2009 insoweit aufzuheben, als darin unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 17.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 der Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.05.2008 zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Der im vorliegenden Verfahren anhängige Teil der Berufung betrifft nur noch den Leistungszeitraum ab dem 01.05.2008. Ursprünglich hatte der Kläger gegen den Bescheid vom 29.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 auf Leistungen für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 24.05.2007 geklagt. Mit Schriftsatz vom 08.09.2008, eingegangen am 10.09.2008, hat der Kläger die Klage um den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 17.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.05.2008 zu erbringen, erweitert. Die darin liegende Klageänderung war gemäß § 99 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 SGG zulässig, weil sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 17.12.2008 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, ohne der Änderung zu widersprechen. Im Berufungsverfahren ist mit Beschluss vom 24.11.2010 der Teil der Streitsache, der den Leistungsanspruch ab dem 01.05.2008 betrifft, abgetrennt worden und bildet den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Soweit das SG den Beklagten dazu verurteilt hat, Leistungen für die Zeit ab dem 18.01.2010 zu erbringen, ist die Berufung des Beklagten schon deshalb begründet, weil die Klage auf Leistungen für diesen Zeitraum als unzulässig abzuweisen ist. Am 18.01.2010 hat der Kläger beim Beklagten einen Neuantrag gestellt, der nach den unbestrittenen Aussagen des Beklagten durch bestandskräftigen Bescheid und Widerspruchsbescheid abgelehnt worden ist. Wehrt sich der Hilfebedürftige gegen einen Bescheid, mit dem - wie hier mit dem Ausgangsbescheid vom 17.04.2008 - die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt worden ist, so ist - bei zeitlich unbefristetem Antrag - zunächst zwar die gesamte Zeit bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Stellt der Betroffene zwischenzeitlich jedoch einen neuen Antrag, so erledigt sich der angefochtene Bescheid für den Zeitraum, der von dem darüber ergehenden neuen Bescheid erfasst wird. Der neue Bescheid wird nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 28.10.2009 Az. B 14 AS 62/08 R Rdnr. 17). Die Klage ist somit hinsichtlich des Leistungszeitraums ab dem 18.01.2010 unzulässig, weil die diesbezüglich ergangenen Bescheide in einem eigenen Widerspruchs- und Klageverfahren anzufechten gewesen wären.
Soweit das SG den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger im Zeitraum vom 01.05.2008 bis zum 17.01.2010 Leistungen zu erbringen, ist die Berufung des Beklagten begründet, weil die Klage unbegründet ist. Der Senat hat trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten ernsthafte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers. Bei der Hausdurchsuchung am 15.11.2010 wurden Gegenstände mit folgendem Wert sichergestellt:
- Münzsammlung im Wert von mindestens 7,946,90 EUR
- Briefmarkensammlung mit Schätzwert von 8.530 EUR
- Bargeld im Wert von 1.550 EUR.
Dabei wird zugunsten des Klägers bei den Münzen nur der niedrigere Händlerankaufspreis und nicht der höhere Händlerverkaufspreis von 14.650 EUR angesetzt, obwohl zu vermuten ist, dass der Kläger bei einem Verkauf von privat an privat einen Erlös erzielen könnte, der zwischen beiden Positionen läge. Die Berücksichtigung des Bargelds ist zweifelhaft, da insoweit nicht klar ist, inwieweit das am 15.11.2011 aufgefundene Bargeld tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitraum vorhanden war; es bleibt deshalb bei den folgenden Überlegungen außer Betracht.
Die Vermögensfreibeträge des am 08.11.1952 geborenen Klägers betrugen bis zum 17.01.2010 maximal 57 x 150 EUR = 8.550 EUR nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II zuzüglich 750 EUR nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II, insgesamt 9.300 EUR.
Münzen im Wert von 1.072,02 EUR und Briefmarken im Wert von 1.436,72 EUR wurden vom Kläger erst ab 2009 erworben und standen deshalb nicht während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums vom 01.05.2008 bis zum 17.01.2010 zur Verfügung.
Unterstellt man, dass die übrigen Münzen und Briefmarken vollständig im Eigentum des Klägers standen, so wäre während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums mindestens Vermögen in folgender Höhe vorhanden gewesen:
Händlerankaufswert sichergestellte Münzsammlung 7.946,90 EUR
./. nachträglich angeschaffte Münzen -1.072,02 EUR
Mindestschätzwert Briefmarkensammlung 8.530 EUR
./. angeschaffte Briefmarken -1.436,72
13.968,16
Damit wäre der im streitgegenständlichen Zeitraum maximal ausschöpfbare Vermögensfreibetrag von 9.300 EUR um über 4.600 EUR überschritten worden.
Folgt man dagegen der Aussage der Mutter des Klägers in deren Schreiben vom 17.07.2011, dass ihr die Stahlkassette mit Münzen im Wert von 3.224 EUR sowie Briefmarkensammlungen im Wert von 900 EUR + 800 EUR + 500 EUR + 1.800 EUR + 1.200 EUR = 5.200 gehöre, würde sich der dem Kläger zurechenbare Mindestwert an Vermögen auf 13.968,16 EUR - (3.224 EUR + 5.200 EUR) = 5.544,16 EUR reduzieren und läge unterhalb des Vermögensfreibetrags.
Letztlich kann der Senat nicht zur vollen Überzeugung feststellen, ob tatsächlich alle sichergestellten Münzen und Briefmarken Eigentum des Klägers waren oder ob tatsächlich einzelne Sammlungen noch im Eigentum seiner Mutter standen, die diese von ihrem verstorbenen Ehemann geerbt haben will. Jedenfalls bestehen aber ernsthafte Zweifel an der Behauptung des Klägers, dass ihm lediglich die ab 2009 erworbenen Münzen und Briefmarken gehörten, alle übrigen jedoch seiner Mutter.
Dafür sind für den Senat folgende Überlegungen maßgeblich:
- Die Gegenstände wurden in Räumen gefunden, die sich eindeutig der Sphäre des Klägers zuordnen ließen. Dies ergibt sich aus den Erklärungen von POK D. und PHK L. vom 24.08.2011. Dies gilt sowohl für den Schlafraum des Klägers im Obergeschoss als auch den im Dachgeschoss ausgebauten Raum einschließlich der angrenzenden Staukammer in den Dachschrägen. Auch wurden bei der Hausdurchsuchung weder vom Kläger noch von seiner Mutter Einwände hinsichtlich des Eigentums des Klägers erhoben. Die angeblich im Eigentum der Mutter stehenden Münzen und Briefmarken wurden von den unstreitig dem Kläger gehörenden Münzen und Briefmarken nicht getrennt gelagert, auch ist weder ersichtlich noch vom Kläger vorgebracht, dass die angeblich im Eigentum seiner Mutter stehenden Gegenstände als solche gekennzeichnet waren. Vielmehr hatte der Kläger den gesamten Bestand an Münzen und Briefmarken in seinem Besitz, ohne dass eine Trennung nach seinem eigenen Eigentum und dem seiner Mutter äußerlich erkennbar oder objektiv nachvollziehbar gewesen wäre. Dies spricht dafür, dass die Mutter auch solche Münzen und Briefmarken, die sie von ihrem Mann geerbt hatte, inzwischen ihrem Sohn übereignet hatte. Die Behauptung des Klägers, die Mutter habe die in ihrem Eigentum stehenden Münzen und Briefmarken in den Räumen ihres Sohnes aufbewahrt, weil sie in ihren eigenen Räumen keinen Platz gehabt habe und die Gegenstände im Obergeschoss vor Einbrechern besser geschützt gewesen seien, erscheint nicht überzeugend.
- Die Mutter des Klägers hat nach dem Vermerk von PHK L. bei der Beschlagnahme der Münzen und Briefmarken angesichts der im Erdgeschoss zusammengetragenen Gegenstände diese spontan als das Eigentum ihres Sohnes bezeichnet, das sich dieser im Laufe der Jahre alles erspart habe. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Polizeibeamten über diese Äußerung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass - wie der Kläger geltend macht - die Mutter des Klägers nur bayerische Mundart spricht und das Wort "Eigentum" nicht zu ihrem Wortschatz zählt. Die bayerische Mundart verfügt über vielfältige Möglichkeiten, Eigentumsverhältnisse unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, und der Senat sieht keinen Grund, die Aussage des Polizeibeamten nicht in diesem Sinne zu verstehen.
- In der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 hat der Kläger bezüglich der am 15.11.2010 stattgefundenen Sicherstellung von Münz- und Briefmarkensammlungen noch nicht vorgebracht, dass diese teilweise im Eigentum seiner Mutter stünden, vielmehr auf seine Möglichkeit, diese seiner Schwester zu übergeben, hingewiesen, und geltend gemacht, dass ihm so sein einziges Hobby, nämlich das Sammeln von Münzen und Briefmarken, das er "seit früh an" ausübe, genommen werde. Die Tatsache, dass weder bei der Hausdurchsuchung selbst noch bei der neun Tage später stattfindenden mündlichen Verhandlung auf das Eigentum der Mutter hingewiesen wurde, spricht dafür, dass es sich insoweit um eine Argumentationslinie handelt, die man sich auf Klägerseite im Nachhinein ausgedacht hat, um das Vermögen des Klägers als die Freibeträge nicht überschreitend darzustellen.
Losgelöst von der Frage der Eigentumsverhältnisse an den Münzen und Briefmarken bestehen weitere Gesichtspunkte, die nach Auffassung des Senats die Hilfebedürftigkeit des Klägers generell in Frage stellen, weil sie darauf hindeuten, dass der Kläger über weiteres Vermögen oder Einkommen verfügt, das er bislang nicht angegeben hat, das aber seine Hilfebedürftigkeit ausschließen würde:
- Hier ist zunächst der Umstand zu benennen, dass der Kläger nach seinen Kontoauszügen folgende Einnahmen hatte, jeweils mit dem Betreff "B. S. EM-Ankauf": zweimal 653 EUR am 17.08.2009, 1.338 EUR am 08.09.2009, 1338 EUR am 08.09.2009, 673 EUR am 15.09.2009, 676 EUR am 15.09.2009, 678 EUR am 15.09.2009, 704 EUR am 10.11.2009, 760 EUR am 08.02.2010, insgesamt also 7.473 EUR in 6 Monaten. Auf die Anfrage des Gerichts vom 09.11.2010, was es damit auf sich habe, hat der Kläger mit Schreiben vom 08.11.2011 mitgeteilt, es handle sich um Einnahmen aus dem Verkauf von Goldmünzen. Der Kläger habe jeweils Goldmünzen seiner Mutter, die sie von ihrem Ehemann geerbt habe, in deren Auftrag verkauft. Die Glaubwürdigkeit dieser Erklärung ist gering. Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei einem Verkauf im Auftrag der Mutter die Gutschrift nicht auf ein Konto der Mutter erfolgte. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu in der mündlichen Verhandlung keine weitere Erklärung, der das Gericht hätte nachgehen können, anbieten können.
- Weitere Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers ergeben sich aus der Tatsache, dass der Kläger nach seiner eigenen Erklärung vom 28.07.2011 im Zeitraum von Juli 2009 bis Oktober 2010, also in anderthalb Jahren, einen Betrag von 2.500 EUR für Münzen und Briefmarken ausgegeben hat, obwohl er kein Arbeitslosengeld II bezog und ansonsten angeblich völlig mittellos war. Auf die gerichtliche Anfrage vom 18.08.2011, wie dies zu erklären sei, hat der Kläger mit Schreiben vom 08.11.2011 mitgeteilt, dass diese Mittel von seiner Mutter stammten. Selbst wenn dies zuträfe, würde es zeigen, dass der Kläger generell nicht bereit ist, finanzielle Zuwendungen seiner Mutter, die als Einkommen zu beurteilen sein könnten, gegenüber dem Beklagten und dem Gericht anzugeben. Im Übrigen könnte es sich bei dieser Erklärung, für die keine Beweismittel vorgelegt oder angeboten wurden, um eine reine Schutzbehauptung handeln.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Senat sowohl ernsthafte Zweifel an der Behauptung des Klägers und seiner Mutter hat, die bei ihm vorgefundenen Münzen und Briefmarken hätten zu einem Anteil von 3.224 EUR + 5.200 EUR = 8.424 EUR seiner Mutter gehört, als auch an der Hilfebedürftigkeit, also dem Fehlen weiteren Einkommens und Vermögens, generell. Diese ernsthaften Zweifel haben sich trotz Ausschöpfung aller gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausräumen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz, der sich der Senat für das SGB II anschließt, trägt der Hilfesuchende die objektive Beweislast oder Beweislast im materiellen Sinne für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit; lässt sich nach Ausschöpfen der erreichbaren Erkenntnisquellen nicht feststellen, ob der Hilfesuchende hilfebedürftig ist, so geht dies zu seinen Lasten (vgl. statt aller BVerwGE 67, 163, 171 f. m. w. Nachw.; ebenso Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. A. 2008, § 9 Rdnr. 66). Deshalb ist zu Lasten des Klägers zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des vollständigen Unterliegens des Klägers sind Kosten nicht zu erstatten. Dies gilt sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das Verfahren erster Instanz, für welches nach Abschluss aller im Berufungsverfahren abgetrennten Verfahrensteile feststeht, dass der Kläger auch diesbezüglich in vollem Umfang unterlegen ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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