L 5 AS 318/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 93/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 318/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung einer Leistungsbewilligung und Rückforderung von erbrachten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. August bis 30. November 2008. Streitig ist insbesondere, ob eine Einkommensteuererstattung als Einkommen anzurechnen ist.

Die am ... 1953 geborene, alleinstehende Klägerin bezog seit 2005 Leistungen nach dem SGB II. Diese wurden im streitigen Zeitraum in getrennter Trägerschaft von der Bundesagentur für Arbeit sowie von dem Altmarkkreis S. erbracht. Die Klägerin war vom 18. Juni bis 14. Dezember 2007 befristet versicherungspflichtig beschäftigt. Das Einkommen führte zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit. Im Anschluss erhielt die Klägerin wieder Leistungen nach dem SGB II.

In Ihren Weiterzahlungsanträgen vom 27. November 2007 und 24. April 2008 gab die Klägerin als sonstiges Vermögen eine erwartete Steuerrückerstattung i.H.v. ca. 1.000,00 EUR an. Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 bewilligte die Agentur für Arbeit G. Leistungen für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2008 i.H.v. 347,00 EUR/Monat für Juni und i.H.v. 351,00 EUR/Monat ab Juli 2008.

Mit Bescheid des Finanzamts S. vom 2. Juli 2008 wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2007 auf Null Euro und eine Lohnsteuererstattung i.H.v. 1.143,40 EUR festgesetzt. Der Betrag wurde am 3. Juli 2008 auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben. Die Klägerin legte am 7. Juli 2008 den Einkommensteuerbescheid der Beklagten vor.

Die Beklagte hörte die Klägerin unter dem 11. November 2008 hinsichtlich der beabsichtigten Berücksichtigung der Steuererstattung als einmaliges Einkommen in den Monaten August bis November 2008 an. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin die Überzahlung verursacht. Daraufhin erwiderte die Klägerin, sie habe den Einkommensteuerbescheid umgehend zugeleitet und die Überzahlung nicht verursacht. Die Beklagte hob mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8. Dezember 2008 die Bewilligung der Leistungen für die Zeit vom 1. August bis 30. November 2008 teilweise i.H.v. 255,85 EUR/Monat auf. Die Klägerin habe einmaliges Einkommen erzielt, das gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zur Minderung des Anspruchs geführt habe. Der Betrag sei gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Aus dem Berechnungsbogen ergibt sich, dass das angerechnete Einkommen i.H.v. 30,00 EUR/Monat bereinigt wurde.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe die Steuererstattung schon in ihrem Antrag am 27. November 2007 als Vermögen deklariert. Zu diesem Zeitpunkt habe sie nicht darüber verfügen können, weil das Geld sich auf einem "Anderkonto" beim Finanzamt befunden habe. Es handele sich um Schonvermögen. Daneben wandte sie sich gegen die Aufteilung des Einkommens. Das Arbeitslosengeld II hätte im August/September komplett und im Oktober teilweise entfallen müssen. Sie sei auch entreichert, da sie das Geld für gesundheitlich bedingte Ausgaben verwendet habe. Zum Beleg hat sie Rechnungen für die Zeit von Januar bis November 2008 für Eigenanteile an der Heilmittelbehandlung sowie für Krankenkassengebühren vorgelegt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2009 als unbegründet zurück. Das Einkommen aus der Steuererstattung sei kein Vermögen und auf den Bedarf der monatlichen Regelleistung anzurechnen. Die einmalige Einnahme sei auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen gewesen. Dabei seien die Auswirkungen einer Beendigung des Leistungsbezugs, insbesondere hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes, zu berücksichtigen gewesen. Von den monatlich anzurechnenden 285,85 EUR sei jeweils die Pauschale i.H.v. 30,00 EUR berücksichtigt worden. Das Einkommen mindere den Gesamtregelbedarf von 351,00 EUR. Die Erzielung von anzurechnendem Einkommen stelle eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen dar, so dass die Leistungsbewilligung in Höhe eines Betrags von 1.023,40 EUR teilweise vom 1. August bis 30. November 2008 aufzuheben sei. Nach § 50 Abs. 1 SGB X seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Dagegen hat die Klägerin am 3. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Stendal erhoben. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen hat sie geltend gemacht, schon am 31. Juli 2007 beim Finanzamt vergebens eine Befreiung von der Steuerzahlungspflicht beantragt zu haben. Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) gegenüber den Leistungsempfängern vor, die ihr Schonvermögen z.B. auf einem Festgeldkonto angelegt hätten. Diese hätten für einen bestimmten Zeitraum auch keinen Zugriff auf ihr Geld, lediglich Zinsgutschriften würden als Einkommen angerechnet. Darüber hinaus liege eine rückwirkende Enteignung ihres unter dem steuerfreien Existenzminimum liegenden Einkommens aus dem Jahr 2007 vor. Ihr Vorbringen im Anhörungs- und im Widerspruchsverfahren sei ignoriert worden.

Ausweislich der Gerichtsakte erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits gemeinsam mit zwei anderen Verfahren gegenüber dem Altmarkkreis S ... In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits ist für die Beklagte deren Sitzungsvertreterin unter Hinweis auf die bei Gericht hinterlegte Generalterminsvollmacht erschienen. Für den Altmarkkreis S. ist ausweislich des Sitzungsprotokolls niemand erschienen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. Juli 2009 die Klage abgewiesen. Die Steuererstattung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Einkommen anzurechnen. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man auf das Entstehen des Anspruchs abstellte. Denn der Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Steuern entstehe erst mit der Steuerfestsetzung. Entscheidend sei jedoch immer der tatsächliche Geldzufluss. Zu Recht habe die Beklagte die Steuererstattung ab dem Folgemonat der Auszahlung berücksichtigt und auf mehrere Monate aufgeteilt. Zu Gunsten der Klägerin sei nicht der höchstmögliche Monatsbetrag angerechnet worden. Da die Steuererstattung einmaliges Einkommen darstelle, wäre die Versicherungspauschale von 30,00 EUR nur einmal und nicht jeden Monat in Abzug zu bringen gewesen. Die Beklagte habe die Leistungsbewilligung jedoch nur i.H.v. 255,85 EUR monatlich aufgehoben. Die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X erfolge verschuldensunabhängig. Die Klägerin habe gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X den Betrag von 1.023,40 EUR zu erstatten. Eine Entreicherung lasse die Rückzahlungspflicht nicht entfallen.

Gegen das ihr am 11. August 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. August 2009 Berufung eingelegt. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen macht sie geltend, der Bescheid vom 8. Dezember 2008 sei erheblich verspätet ergangen. Sie habe daher darauf vertraut, dass die Einkommensteuererstattung, die sie schon im früheren Leistungsantrag als Vermögen ausgewiesen hatte, keine rechtlichen Konsequenzen haben würde. Die Beklagte habe zu ihrem Einwand, die Steuerrückerstattung für gesundheitliche Aufwendungen verbraucht zu haben, nicht Stellung genommen. Die Gesundheitsaufwendungen hätte sie mit dem Arbeitslosengeld II nicht bezahlen können. Die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen sehe sie als willkürlich an. Die Steuerrückerstattung gehöre zum steuerfreien Existenzminimum im Jahr 2007 und könne daher nicht noch einmal Einkommen im Jahr 2008 sein. Das Finanzamt habe durch die Zurückzahlung der Steuern bestätigt, dass die "Bereicherung" unzulässig gewesen sei.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 20. Juli 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des BSG.

Unter dem 12. August 2010 hat der Altmarkkreis S. als "im ersten Rechtszug Beigeladener" Einwendungen gegen die Aufteilung des einmaligen Einkommens gemacht. Auf einen rechtlichen Hinweis, wonach dieser nicht beigeladen worden sei, hat er ergänzend ausgeführt: Er sei zwar nicht beigeladen, jedoch auf richterliche Anordnung geladen worden und habe auch an der Verhandlung teilgenommen; auch die Beklagte gehe von einer Beiladung aus.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 2. Dezember 2009 und die Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.1.

Die Berufung ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.

Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Danach bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst-, oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Hier geht es um die Rückforderung eines Betrags von 1.023,40 EUR.

2.

Der Altmarkkreis S. war nicht gemäß § 75 SGG dem Rechtsstreit beizuladen.

a.

Entgegen der Auffassung des Altmarkkreises ist seine Beiladung im Verfahren vor dem Sozialgericht nicht erfolgt. Gemäß § 75 Abs. 3 SGG ist eine Beiladung durch Beschluss vorzunehmen. Aus dem Umstand, dass der Altmarkkreis S. - offenkundig versehentlich - eine Ladung zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung erhalten hat, folgt keine wirksame Beiladung. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist ausweislich des Sitzungsprotokolls ein solcher Beschluss nicht ergangen.

b.

Ein Fall der notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 SGG liegt hier nicht vor. Weder war der Altmarkkreis S. an dem streitigen Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten derart beteiligt, dass eine Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen konnte (erste Alternative) noch hat sich im Verfahren ergeben, dass bei der Ablehnung des streitigen Anspruchs ein anderer Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende als leistungspflichtig in Betracht kommt (zweite Alternative).

Hier war die Entscheidung über die teilweise Aufhebung und Erstattung bereits bewilligter Leistungen nicht nur einheitlich gegenüber dem Altmarkkreis S. möglich. Aufgrund der getrennten Trägerschaft für die nach dem SGB II zu bewilligende Regelleistung und die Kosten der Unterkunft und Heizung hatte die Leistungsbewilligung durch zwei selbstständige Verwaltungsakte, erlassen durch die jeweils zuständige Behörde, zu erfolgen. Spiegelbildlich ist auch die Aufhebung und Erstattung bereits bewilligter Leistungen von der jeweils zuständigen Behörde vorzunehmen.

Ein Fall des § 75 Abs. 2 Satz 1 zweite Alternative SGG liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich hier nicht um eine Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage handelt. Insbesondere liegt auch kein Fall der unechten notwendigen Beiladung vor. Dies ist nur in Konstellationen denkbar, in denen insgesamt eine höhere Leistung nach dem SGB II beantragt wird und der Klageantrag sich - mangels Beschränkung auf höhere Regelleistungen - auf den Gesamtanspruch der Leistungen bezieht (so BSG, Urteil vom 29. März 2007, B 7b AS 2/06 R (10,18)).

c.

Der Senat hat davon abgesehen, den Altmarkkreis S. gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG einfach beizuladen. Zwar können dessen rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Zu Recht weist der Altmarkkreis S. darauf hin, dass im Fall einer geänderten Aufteilung der einmaligen Einnahme auch gemäß § 19 Satz 3 SGB II der Anspruch auf Geldleistung gegenüber dem kommunalen Träger gemindert werden könnte.

Allerdings stünde dem Altmarkkreis S. insoweit als einfachem Beigeladenem keine Klagebefugnis hinsichtlich einer Abänderung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids und einer Verpflichtung der Beklagten zur Änderung des Anrechnungszeitraums zu. Gemäß § 75 Abs. 4 Satz 1 SGG kann der einfache Beigeladene keine von den Beteiligten abweichenden Sachanträge stellen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 75, Rn. 17e). Die Klägerin begehrt jedoch die Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids und die Beklagte die Zurückweisung der Berufung. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits könnte der Altmarkkreis S. also sein Ziel einer Änderung des Verteilzeitraums nicht erreichen.

Der Senat kann daher offenlassen, ob der Altmarkkreis S. ordnungsgemäß beteiligt i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 86 SGB X worden ist. Aufgrund der getrennten Trägerschaft hatte die Beklagte den Altmarkkreis S. zu beteiligen. Es handelt sich hier um die Frage der - teilweise entfallenen - Hilfebedürftigkeit der Klägerin. Für den Fall eines Streits über die Zuordnung der einmaligen Einkünfte wäre daher die Einigungsstelle gemäß § 44a Abs. 1 Satz 2 SGB II zuständig gewesen.

3.

Der Senat durfte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden.

II.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht ihre Klage abgewiesen. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 21. Mai 2008 für die Zeit vom 1. August bis 30. November 2008 ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 SGB X rechtmäßig erfolgt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Verhältnisse an aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder seinem Erlass Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder Verminderungsanspruch geführt haben würde.

1.

Die Klägerin hat nach Erlass des Bescheids vom 21. Mai 2008 Einnahmen in Form der Einkommensteuererstattung erzielt.

2.a.

Diese ist Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II. Einkommen ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist hingegen das, was er vor der Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist dabei vom tatsächlichen Zufluss, wenn nicht ausdrücklich rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird. Nicht entscheidend ist hingegen das Schicksal der Forderung. Die Einkommensteuererstattung ist der Klägerin am 3. Juli 2008 gutgeschrieben worden, also nach ihrem Weiterzahlungsantrag vom 27. November 2007.

Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum so genannten "Zuflussprinzip" (vgl. BSG, Urteil vom 28.Oktober 2009, B 14 AS 64/08 R (15) mit Hinweisen zur weiteren Rechtsprechung). Es ist obergerichtlich geklärt, dass die Einkommersteuererstattung nicht zu den bereits erlangten Einnahmen gehört, mit denen Vermögen angespart wurde. Sie fließt vielmehr in dem Zeitpunkt zu, in dem sie dem Berechtigten gutgeschrieben wird (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R (18); Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 48/07 R (11); Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 49/08 R (12) und Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O. (16)).

Die Lesart der Klägerin, es habe sich um Vermögen auf einem "Anderkonto" der Finanzamts gehandelt, ist erkennbar anspruchsorientiert geprägt. Hier lag keine vor der Antragstellung fällige Forderung vor, die bewusst nicht geltend gemacht und angespart wurde. Schon nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 108, S. 296,301) war davon auszugehen, dass zuviel entrichtete Steuern nicht freiwillig und zinslos angespart, sondern lediglich nicht zu einem früheren Zeitpunkt erstattet werden.

Keine andere rechtliche Bewertung ergibt sich daraus, dass die Klägerin schon in ihren Anträgen vom 27. November 2007 und 24. April 2008 die von ihr erwartete Steuererstattung als "Vermögen" deklariert hatte. Die rechtliche Einordnung als Einkommen oder Vermögen folgt nicht der Bezeichnung des Leistungsempfängers, sondern den o.g. genannten objektiven Kriterien.

Unerheblich ist auch, dass die Klägerin - aufgrund des insgesamt im Jahr 2007 bezogenen Einkommens - nicht der Einkommensteuerpflicht unterlegen hatte. Ob die Einkommensteuererstattung aufgrund einer geringeren oder einer gänzlich fehlenden Steuerschuld erfolgt, ist für die Bewertung als Einkommen irrelevant.

b.

Auch der Umstand, dass die Klägerin im Jahr 2008 Kosten für Krankenbehandlung aufbringen musste, für die sie nach ihren Angaben die Steuererstattung verwendet hat, ändert nichts an deren rechtlicher Einordnung als Einkommen. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens bestehende Schulden sind nicht vom Einkommen abzusetzen (BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O. (19)). Im Übrigen regelt § 6 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II - Sozialgeld (Alg II-V) in der hier maßgeblichen Fassung vom 17. Dezember 2007, welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind. Dazu gehören Zuzahlungen im Rahmen der Krankenversicherung und die so genannte Praxisgebühr nicht. Diese sind grundsätzlich von der Regelleistung abgedeckt (BSG, Urteil vom 22. April 2008, B 1 KR 10/07; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, B 11b AS 45/06 R (51)).

c.

Die Einkommensteuererstattung ist auch nicht gemäß § 11 Abs. 3 Ziffer 1a SGB II als zweckbestimmte Einnahme berücksichtigungsfrei. Sie hat keine besondere Zweckbestimmung, die bei einer Anrechnung im Rahmen des SGB II verfehlt würde.

d.

Anders als die Klägerin hat der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Anrechnung der Einkommensteuererstattung.

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die Situation eines Arbeitnehmers mit seinem steuerpflichtigen Einkommen, welches ihm nach Jahresende und Steuererklärung (teilweise) erstattet werden, ist nicht mit der eines Sparers zu begleichen, der freiwillig Geldbeträge zur Vermögensmehrung anlegt. Die Einbehaltung der Einkommensteuer durch das Finanzamt ist kein "Sparen" in diesem Sinne. Jedenfalls ist bei allen Bedürftigen nach dem SGB II eine Bedürftigkeitsprüfung unter Einbeziehung des zu berücksichtigenden Einkommens vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O. (24)).

Der Senat sieht auch keinen Eingriff in eine von Artikel 14 GG geschützte Eigentumsposition. Die Steuererstattung ist der Klägerin ungemindert zugeflossen. Der Umstand, dass diese bei der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II berücksichtigt wird, führt nicht zu einer Verletzung eigentumsrechtlicher Positionen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O., (23)).

3.

Die Beklagte hat auch die einmalige Einnahme in nicht zu beanstandender Weise auf die Monate August bis November 2008 verteilt.

a.

Nach § 4 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1, 2 ALG II-V sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Eine Berücksichtigung der Einnahmen ist ab dem Folgemonat des Zuflusses zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind.

Zu Recht hat die Beklagte den Beginn des Anrechnungszeitraums auf den Monat August 2008 gelegt. Denn bei Kenntnisnahme der zugeflossenen Einkommensteuererstattung am 7. Juli 2008 war die Leistungsauszahlung für Juli 2008 bereits erfolgt.

b.

Keine Bedenken hat der Senat hinsichtlich der vorgenommenen Aufteilung für die vier letzten Monate des laufenden Bewilligungsabschnitts. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 Satz 3 ALG II-V).

Die einmalige Einnahme ist auch über den Zuflussmonat hinaus zu berücksichtigendes Einkommen geblieben und hat sich nicht zu Vermögen gewandelt (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O., (25)). Die rechtliche Wirkung des Zuflussprinzips erstreckt sich über den ganzen Verteilzeitraum. Während dieses Zeitraums bleibt die als Einkommen zu qualifizierende Einnahme Einkommen und ist damit zur Deckung des Hilfebedarfs grundsätzlich bis zu ihrem Verbrauch aufzuteilen.

Zweck der Regelung ist, den vollständigen Wegfall der Hilfebedürftigkeit und somit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu vermeiden (BSG, Urteil vom 13. Mai 2009, a.a.O. (16)). Dies hat die Beklagte berücksichtigt, indem sie der Klägerin monatlich einen Restbetrag belassen hat.

Ein Anspruch auf eine Aufteilung für einen längeren Verteilzeitraum bestand nicht. So ist im laufenden Bewilligungsabschnitt schon nicht zu beurteilen, ob die Hilfebedürftigkeit auch im Folgezeitraum vorliegen wird. Zwar könnte eine Streckung der einmaligen Einnahmen auf mehr als vier Kalendermonate zu weiteren einkommensmindernden Freibeträgen führen und den Umfang der zu berücksichtigenden Einnahme insgesamt verringern. Dabei handelte es sich aber nicht um einen sachlichen Grund für die Bestimmung des angemessenen Zeitraums (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 57/07 R (30)). Die Beklagte hat zu Recht von den monatlich berücksichtigten Einnahmen jeweils 30,00 EUR Pauschbetrag abgezogen. Da die einmalige Einnahme auch über den Zuflussmonat hinaus zu berücksichtigendes Einkommen bleibt, ist für die monatliche Anrechnung jeweils der Pauschbetrag gemäß § 6 Abs. 1 Ziffer 1 ALG II-V abzusetzen (so wohl auch BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O.,(26)).

Daher war die Beklagte befugt, die Verteilung der einmaligen Einnahme auf den gesamten Rest des Bewilligungsabschnitts vorzunehmen.

4.

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten begegnet auch keinen formellen Bedenken.

a.

Ein rechtserheblicher Anhörungsmangel liegt nicht vor. Zwar hat die Beklagte in ihrer Anhörung vom 11. November 2008 u.a. ausgeführt, die Klägerin habe die Überzahlung verursacht. Damit hat die Beklagte zumindest angedeutet, auch eine Verschuldensprüfung vornehmen zu wollen. Bei der Frage der Anrechung von nachträglich erzieltem Einkommen ist aber auf Verschulden nicht abzustellen. Dies hat die Beklagte in ihren Bescheiden auch nicht mehr geprüft.

Ein Anhörungsmangel liegt schon deshalb nicht vor, weil von der Anhörung gemäß § 24 Abs. 2 Ziffer 3 SGB X abgesehen werden konnte. Die Beklagte wich nicht von den tatsächlichen Angaben der Klägerin zu deren Ungunsten ab. Wenn aber in solchen Fällen eine Anhörung entbehrlich ist, ist ein Fehler in der dennoch vorgenommenen Anhörung unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008, B 14 AS 2/08 R (23)).

b.

Der Einwand der Klägerin, wegen des langen Zeitraums zwischen Vorlage des Einkommensteuerbescheids und Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids habe sie Vertrauensschutz, geht fehl.

Die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 SGB X erfolgt unabhängig von einem etwaigen Vertrauen des Leistungsempfängers auf das Behaltendürfen der Leistungen.

Der Zeitraum zwischen Bekanntwerden der Lohnsteuererstattung am 7. Juli 2008 und Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids am 8. Dezember 2008 liegt innerhalb der Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.

c.

Der Widerspruchsbescheid der Beklagten enthält entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen Begründungsmangel i.S.v. § 35 Abs. 1 SGB X. Zwar hat die Beklagte nicht auf jedes einzelne Argument der Klägerin in ihrem Widerspruch Bezug genommen. Sie hat jedoch alle für die Aufhebung der Erstattung maßgeblichen Gründe genannt.

5.

Die Beklagte hat zu Recht gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X den Betrag von 1.023,40 EUR zur Erstattung gestellt. Da hier keine Kosten der Unterkunft und Heizung zurückgefordert worden sind, war § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht zu prüfen.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zu zulassen, da kein Revisionsgrund vorlag.
Rechtskraft
Aus
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