Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 217/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 180/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 11. November 2005 bis 13. Januar 2006 ungemindert zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig der Eintritt einer Sperrzeit im Zeitraum vom 22. Oktober 2005 bis 13. Januar 2006.
Der 1964 geborene Kläger war vom 1. November 1999 bis 21. Oktober 2005 bei dem B. in C-Stadt als Disc-Jockey versicherungspflichtig beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung am 21. Oktober 2005 wegen "Kompetenzüberschreitungen, beleidigendem Verhalten, Störung des Betriebsfriedens".
Mit Bescheid vom 2. Januar 2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 22. Oktober 2005 bis 13. Januar 2006 sowie eine Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld um 90 Tage fest. Mit seinem Widerspruch vom 25. Januar 2006 machte der Kläger geltend, er habe nie eine schriftliche oder eine mündliche Abmahnung bekommen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Arbeitgebers (22. Februar 2006) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten. Anlässlich eines Personalgesprächs im September 2005 sei er auch nachdrücklich auf sein bisheriges Fehlverhalten sowie die drohende Konsequenz hingewiesen worden. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar.
Hiergegen hat der Kläger am 16. März 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und vorgetragen, er habe sich nicht geschäftsschädigend verhalten, sei nie krank gewesen und immer nur gelobt worden. Er könne sich die Kündigung bis heute nicht erklären.
Mit Urteil vom 5. August 2009 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und sich in den Entscheidungsgründen auf den Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 bezogen.
Gegen dieses dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 26. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat er am 3. November 2009 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt. Nach seiner Auffassung sind die ihm gegenüber gemachten Vorwürfe haltlos.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 11. November 2005 bis 13. Januar 2006 ungemindert zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2011 Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsleiters des Arbeitgebers, D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Nach § 144 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III ruht der Anspruch (auf Arbeitslosengeld) für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), ...
Nach § 144 Abs. 2 SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt 12 Wochen (§ 144 Abs. 3 S. 1 SGB III).
Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten liegt dann vor, wenn der Arbeitslose gegen Haupt- oder Nebenpflichten verstößt, die er nach dem Arbeitsvertrag, gesetzlichen Bestimmungen, tarifvertraglichen Regelungen oder einer Betriebsvereinbarung einzuhalten hat. Das vertragswidrige Verhalten muss so schwerwiegend sein, dass es gegebenenfalls zusammen mit anderen Umständen - geeignet ist, die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt zu rechtfertigen, zu dem die Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten ist (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 144, Rdnr. 46 m.w.Nw.).
Nach dem Kündigungsschreiben vom 21. Oktober 2005 und der Stellungnahme des Arbeitgebers vom 22. Februar 2006 werden dem Kläger wiederholtes geschäftsschädigendes Verhalten, wiederholte, schwerwiegende Kompetenzüberschreitungen, nicht tolerierbare, schwerwiegende verbale Beleidigungen und Verunglimpfungen anderer Mitarbeiter und die dadurch verursachte Vergiftung des Klimas vorgeworfen. Nach der vorgelegten Aktennotiz vom 28. September 2005 wurde der Kläger wegen seines ungebührlichen und beleidigenden Verhaltens gegenüber Kollegen sowie wegen seines für das Unternehmen schädigenden und das Arbeitsklima störenden Verhaltens mündlich zur Rede gestellt. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass er mit seiner Entlassung rechnen müsse, wenn keine umgehende und nachhaltige Änderung seines Verhaltens feststellbar sein sollte.
Diese Vorwürfe stellen grundsätzlich ein arbeitsvertragswidriges Verhalten dar und können geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses - auch nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist - nicht zumutbar ist. In der mündlichen Verhandlung sind nach Vernehmung des Zeugen D. die Vorwürfe nicht bestätigt worden.
Der Zeuge D. war nicht in der Lage, die im Kündigungsschreiben aufgezählten allgemeinen Vorwürfe - geschäftsschädigendes Verhalten, Kompetenzüberschreitungen, Beleidigung und Verunglimpfung von Mitarbeitern - zu konkretisieren, geschweige denn Tatsachen zu benennen, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen könnten. Anlass der Kündigung war nach seiner Aussage, "dass das Fass übergelaufen war". Auf Nachfrage erinnerte er sich, dass der Kläger eine Tänzerin engagiert hatte, obwohl dies überhaupt nicht zu seinen Aufgabenbereichen zählte. Damit habe dieser eindeutig seine Kompetenzen überschritten. Der Zeuge konnte jedoch nicht erklären, wann das war und ob dieses Engagement zu einer finanziellen Verpflichtung seitens des Arbeitgebers geführt, ob man sie eingestellt oder ob man die Tänzerin einfach nach Hause geschickt hat. Zu dem Vorwurf der Beleidigung von Mitarbeitern konnte sich der Zeuge nur insoweit erinnern, dass ihm mehrfach zugetragen worden sei, dass der Begriff "gammeliger Inder" gefallen sei. Ob dieser Begriff von dem Kläger benutzt worden ist, konnte der Zeuge nicht bestätigen. Letztlich hatte er auch keine Erinnerung daran, weshalb dem Kläger im Kündigungsschreiben wiederholtes geschäftsschädigendes Verhalten vorgeworfen wurde.
Angesichts der Allgemeinheit diese Vorwürfe, fehlt es bereits an dem Erfordernis objektiver Tatsachen, die einen wichtigen Grund darstellen könnten und vermögen daher nicht eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn eine ordentliche Kündigung dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar geworden ist und wenn eine ordentliche Kündigung wirksam ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2001 – 2 AZR 310/00). Hat der Arbeitgeber eine rechtswidrige außerordentliche Kündigung ausgesprochen, ist zu prüfen, ob das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen würde. In diesem Fall tritt die Sperrzeit nicht vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ein (Niesel/Brand, a.a.O., Rdnr. 51, 52).
Bejaht man die Zulässigkeit einer Umdeutung, ist eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen jedoch ebenfalls unwirksam. Auch diese setzt eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten voraus, die der Arbeitgeber im Streitfall darzulegen und zu beweisen hat (Linck in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Auflage, § 133, Rdnr. 3, 10). Als weitere Voraussetzung ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Diese kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. In jedem Fall muss sie jedoch eindeutig und bestimmt sein und dem Arbeitnehmer zugehen bzw. er muss tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Abmahnung erhalten (Linck, a.a.O., § 132, Rdnr. 9 ff.). Unabhängig von der Tatsache, dass der Kläger die Erteilung einer Abmahnung bestreitet, sind die Kündigungsgründe auch für eine ordentliche Kündigung aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht erwiesen. Auch hier fehlt es an nachvollziehbaren konkreten Tatsachen.
Da Gründe für eine wirksame Kündigung nicht vorliegen, fehlt es für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 SGB III bereits an einem arbeitsvertragswidrigen bzw. versicherungswidrigen Verhalten.
Nachdem sich der Kläger am 11. November 2005 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat und auch die weiteren Voraussetzungen - insbesondere Erfüllung der Anwartschaft - (§§ 118,119,123 SGB III) vorliegen, hat er für die Zeit ab 11. November 2005 bis zum Ende der Sperrzeit am 13. Januar 2006 Anspruch auf Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig der Eintritt einer Sperrzeit im Zeitraum vom 22. Oktober 2005 bis 13. Januar 2006.
Der 1964 geborene Kläger war vom 1. November 1999 bis 21. Oktober 2005 bei dem B. in C-Stadt als Disc-Jockey versicherungspflichtig beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung am 21. Oktober 2005 wegen "Kompetenzüberschreitungen, beleidigendem Verhalten, Störung des Betriebsfriedens".
Mit Bescheid vom 2. Januar 2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 22. Oktober 2005 bis 13. Januar 2006 sowie eine Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld um 90 Tage fest. Mit seinem Widerspruch vom 25. Januar 2006 machte der Kläger geltend, er habe nie eine schriftliche oder eine mündliche Abmahnung bekommen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Arbeitgebers (22. Februar 2006) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten. Anlässlich eines Personalgesprächs im September 2005 sei er auch nachdrücklich auf sein bisheriges Fehlverhalten sowie die drohende Konsequenz hingewiesen worden. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar.
Hiergegen hat der Kläger am 16. März 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und vorgetragen, er habe sich nicht geschäftsschädigend verhalten, sei nie krank gewesen und immer nur gelobt worden. Er könne sich die Kündigung bis heute nicht erklären.
Mit Urteil vom 5. August 2009 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und sich in den Entscheidungsgründen auf den Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 bezogen.
Gegen dieses dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 26. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat er am 3. November 2009 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt. Nach seiner Auffassung sind die ihm gegenüber gemachten Vorwürfe haltlos.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 11. November 2005 bis 13. Januar 2006 ungemindert zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2011 Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsleiters des Arbeitgebers, D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Nach § 144 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III ruht der Anspruch (auf Arbeitslosengeld) für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), ...
Nach § 144 Abs. 2 SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt 12 Wochen (§ 144 Abs. 3 S. 1 SGB III).
Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten liegt dann vor, wenn der Arbeitslose gegen Haupt- oder Nebenpflichten verstößt, die er nach dem Arbeitsvertrag, gesetzlichen Bestimmungen, tarifvertraglichen Regelungen oder einer Betriebsvereinbarung einzuhalten hat. Das vertragswidrige Verhalten muss so schwerwiegend sein, dass es gegebenenfalls zusammen mit anderen Umständen - geeignet ist, die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt zu rechtfertigen, zu dem die Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten ist (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 144, Rdnr. 46 m.w.Nw.).
Nach dem Kündigungsschreiben vom 21. Oktober 2005 und der Stellungnahme des Arbeitgebers vom 22. Februar 2006 werden dem Kläger wiederholtes geschäftsschädigendes Verhalten, wiederholte, schwerwiegende Kompetenzüberschreitungen, nicht tolerierbare, schwerwiegende verbale Beleidigungen und Verunglimpfungen anderer Mitarbeiter und die dadurch verursachte Vergiftung des Klimas vorgeworfen. Nach der vorgelegten Aktennotiz vom 28. September 2005 wurde der Kläger wegen seines ungebührlichen und beleidigenden Verhaltens gegenüber Kollegen sowie wegen seines für das Unternehmen schädigenden und das Arbeitsklima störenden Verhaltens mündlich zur Rede gestellt. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass er mit seiner Entlassung rechnen müsse, wenn keine umgehende und nachhaltige Änderung seines Verhaltens feststellbar sein sollte.
Diese Vorwürfe stellen grundsätzlich ein arbeitsvertragswidriges Verhalten dar und können geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses - auch nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist - nicht zumutbar ist. In der mündlichen Verhandlung sind nach Vernehmung des Zeugen D. die Vorwürfe nicht bestätigt worden.
Der Zeuge D. war nicht in der Lage, die im Kündigungsschreiben aufgezählten allgemeinen Vorwürfe - geschäftsschädigendes Verhalten, Kompetenzüberschreitungen, Beleidigung und Verunglimpfung von Mitarbeitern - zu konkretisieren, geschweige denn Tatsachen zu benennen, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen könnten. Anlass der Kündigung war nach seiner Aussage, "dass das Fass übergelaufen war". Auf Nachfrage erinnerte er sich, dass der Kläger eine Tänzerin engagiert hatte, obwohl dies überhaupt nicht zu seinen Aufgabenbereichen zählte. Damit habe dieser eindeutig seine Kompetenzen überschritten. Der Zeuge konnte jedoch nicht erklären, wann das war und ob dieses Engagement zu einer finanziellen Verpflichtung seitens des Arbeitgebers geführt, ob man sie eingestellt oder ob man die Tänzerin einfach nach Hause geschickt hat. Zu dem Vorwurf der Beleidigung von Mitarbeitern konnte sich der Zeuge nur insoweit erinnern, dass ihm mehrfach zugetragen worden sei, dass der Begriff "gammeliger Inder" gefallen sei. Ob dieser Begriff von dem Kläger benutzt worden ist, konnte der Zeuge nicht bestätigen. Letztlich hatte er auch keine Erinnerung daran, weshalb dem Kläger im Kündigungsschreiben wiederholtes geschäftsschädigendes Verhalten vorgeworfen wurde.
Angesichts der Allgemeinheit diese Vorwürfe, fehlt es bereits an dem Erfordernis objektiver Tatsachen, die einen wichtigen Grund darstellen könnten und vermögen daher nicht eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn eine ordentliche Kündigung dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar geworden ist und wenn eine ordentliche Kündigung wirksam ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2001 – 2 AZR 310/00). Hat der Arbeitgeber eine rechtswidrige außerordentliche Kündigung ausgesprochen, ist zu prüfen, ob das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen würde. In diesem Fall tritt die Sperrzeit nicht vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ein (Niesel/Brand, a.a.O., Rdnr. 51, 52).
Bejaht man die Zulässigkeit einer Umdeutung, ist eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen jedoch ebenfalls unwirksam. Auch diese setzt eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten voraus, die der Arbeitgeber im Streitfall darzulegen und zu beweisen hat (Linck in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Auflage, § 133, Rdnr. 3, 10). Als weitere Voraussetzung ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Diese kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. In jedem Fall muss sie jedoch eindeutig und bestimmt sein und dem Arbeitnehmer zugehen bzw. er muss tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Abmahnung erhalten (Linck, a.a.O., § 132, Rdnr. 9 ff.). Unabhängig von der Tatsache, dass der Kläger die Erteilung einer Abmahnung bestreitet, sind die Kündigungsgründe auch für eine ordentliche Kündigung aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht erwiesen. Auch hier fehlt es an nachvollziehbaren konkreten Tatsachen.
Da Gründe für eine wirksame Kündigung nicht vorliegen, fehlt es für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 SGB III bereits an einem arbeitsvertragswidrigen bzw. versicherungswidrigen Verhalten.
Nachdem sich der Kläger am 11. November 2005 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat und auch die weiteren Voraussetzungen - insbesondere Erfüllung der Anwartschaft - (§§ 118,119,123 SGB III) vorliegen, hat er für die Zeit ab 11. November 2005 bis zum Ende der Sperrzeit am 13. Januar 2006 Anspruch auf Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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