Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 6 KN 52/06 KR
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 74/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im sozialgerichtlichenVerfahren kann ein Rechtsanwalt mit einem Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden.
Liegt ein gesetzliches Betreuungsverhältnis des Klägers vor und differieren die Wohnorte des Klägers und des Betreuers entfernungsmäßig erheblich, hat sich die Beiordnung regelmäßig zusätzlich auf die Kosten zu erstrecken, die durch die notwendige Beiordnung eines weiteren Anwalts entstehen würden.
Liegt ein gesetzliches Betreuungsverhältnis des Klägers vor und differieren die Wohnorte des Klägers und des Betreuers entfernungsmäßig erheblich, hat sich die Beiordnung regelmäßig zusätzlich auf die Kosten zu erstrecken, die durch die notwendige Beiordnung eines weiteren Anwalts entstehen würden.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichtes Gießen vom 29. Dezember 2010 abgeändert, soweit die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichtes Gießen niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgte.
Er wird wie folgt ergänzt:
Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind aus der Staatskasse bis zu dem Betrag zu erstatten, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wäre.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die 1921 geborene Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren von der Beklagten die Kostenübernahme von Blutzuckermessungen in dem Zeitraum vom 20. Februar bis zum 14. Juli 2006. Die Klägerin lebt im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt in A. und ist u. a. an Demenz erkrankt. Im Mai 2006 wurde ihr Enkel, Herr C., wohnhaft in C-Stadt, als ihr Betreuer bestellt. Seit Mai 2010 wird die Klägerin von Herrn Rechtsanwalt B., B-Stadt, vertreten. Das Sozialgericht Gießen hat auf Antrag mit Beschluss vom 29. Dezember 2010 der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt B. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Gegen diese Einschränkung der Beiordnung wendet sich die Klägerin mit der am 10. Februar 2011 erhobenen Beschwerde. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass seine Beiordnung ohne Einschränkung keine Mehrkosten gegenüber der ansonsten notwendigen Beiordnung eines Verkehrsanwaltes für den Betreuer der Klägerin sowie der anfallenden Reisekosten zu einem Informationsgespräch und zur mündlichen Verhandlung verursache.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß erhoben worden. Gegen die beschränkte Beiordnung eines Rechtsanwaltes durch das Sozialgericht ist die Beschwerde zulässig (Leitherer in: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz - SGG -, Kommentar, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 12 b; Geimer in: Zöller/Philippi, Zivilprozessordnung - ZPO -, Kommentar, 28. Auflage, § 127 Rdnr. 20; Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28. April 2005, 14 WF 35/05; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2005, 3 AZB 65/03 - juris -). Fehlt, wie im vorliegenden Fall, insoweit eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung des Gerichts, ist die Beschwerde innerhalb der Jahresfrist zulässig, § 66 SGG.
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
Eine unbeschränkte Beiordnung des Rechtsanwaltes, der seine Kanzlei in B-Stadt und damit außerhalb des Gerichtsbezirkes des Sozialgerichts Gießen hat, ist nicht möglich.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO wird einem Beteiligten auf seinen Antrag zwar ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann jedoch nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, § 121 Abs. 3 ZPO. Aus diesem Mehrkostenverbot folgt nach der herrschenden Meinung, dass ein Rechtsanwalt mit einem Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden kann (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007, L 20 B 30/07 SO; Beschluss vom 5. September 2007, L 9 B 35/07 SO; Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Februar 2010, L 8 B 195/09 R PKH; vgl. auch: Juris PR-SozR 1/2008, Anm. 5 - juris -; Leitherer in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 73a Rdnr. 9c).
Die Beiordnung erstreckt sich jedoch zusätzlich auf die Kosten, die durch die notwendige Beiordnung eines weiteren Anwaltes entstehen würden.
Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, § 121 Abs. 4 ZPO. Ist die Beiordnung eines zusätzlichen Anwalts, eines sog. Verkehrsanwalts, demnach geboten, hat die Beiordnung so zu erfolgen, dass Mehrkosten bis zu dem Betrag erstattet werden, die bei einer zusätzlichen Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wären (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, a.a.O.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Januar 2007, L 10 R 6432/06 PKH-B; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2005, 3 AZB 65/03; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juni 2004, XII ZB 61/04 - juris -; Leitherer in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 73 a Rdnr. 9c).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Betreuer der dementen Klägerin hätte von seinem Wohnort in C. aus eine mehrstündige Fahrt nach und von Gießen unternehmen müssen, um dort persönlich einen Anwalt zu beauftragen. Es ist einem Rechtsuchenden grundsätzlich nicht zumutbar, einen auswärtigen Anwalt schriftlich oder telefonisch zu beauftragen und zu unterrichten (Bundesgerichtshof, a.a.O.). Im Gegensatz zu den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung und der Finanzgerichtsordnung stellt das Sozialgerichtsgesetz bezüglich der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts insoweit auch primär auf den Wohnsitz des Klägers ab, um diesem die Möglichkeit der Durchsetzung seiner sozialrechtlichen Ansprüche zu erleichtern (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 57 Rdnr. 4). Fehlt es von Anfang an an dieser vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Grundkonstellation, da die Wohnorte der Klägerin und ihres Betreuers entfernungsmäßig erheblich differieren, muss dem im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei der Beiordnung des Rechtsanwaltes Rechnung getragen werden.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten nicht stattfindet (§ 73a SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Er wird wie folgt ergänzt:
Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind aus der Staatskasse bis zu dem Betrag zu erstatten, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wäre.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die 1921 geborene Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren von der Beklagten die Kostenübernahme von Blutzuckermessungen in dem Zeitraum vom 20. Februar bis zum 14. Juli 2006. Die Klägerin lebt im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt in A. und ist u. a. an Demenz erkrankt. Im Mai 2006 wurde ihr Enkel, Herr C., wohnhaft in C-Stadt, als ihr Betreuer bestellt. Seit Mai 2010 wird die Klägerin von Herrn Rechtsanwalt B., B-Stadt, vertreten. Das Sozialgericht Gießen hat auf Antrag mit Beschluss vom 29. Dezember 2010 der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt B. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Gegen diese Einschränkung der Beiordnung wendet sich die Klägerin mit der am 10. Februar 2011 erhobenen Beschwerde. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass seine Beiordnung ohne Einschränkung keine Mehrkosten gegenüber der ansonsten notwendigen Beiordnung eines Verkehrsanwaltes für den Betreuer der Klägerin sowie der anfallenden Reisekosten zu einem Informationsgespräch und zur mündlichen Verhandlung verursache.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß erhoben worden. Gegen die beschränkte Beiordnung eines Rechtsanwaltes durch das Sozialgericht ist die Beschwerde zulässig (Leitherer in: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz - SGG -, Kommentar, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 12 b; Geimer in: Zöller/Philippi, Zivilprozessordnung - ZPO -, Kommentar, 28. Auflage, § 127 Rdnr. 20; Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28. April 2005, 14 WF 35/05; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2005, 3 AZB 65/03 - juris -). Fehlt, wie im vorliegenden Fall, insoweit eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung des Gerichts, ist die Beschwerde innerhalb der Jahresfrist zulässig, § 66 SGG.
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
Eine unbeschränkte Beiordnung des Rechtsanwaltes, der seine Kanzlei in B-Stadt und damit außerhalb des Gerichtsbezirkes des Sozialgerichts Gießen hat, ist nicht möglich.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO wird einem Beteiligten auf seinen Antrag zwar ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann jedoch nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, § 121 Abs. 3 ZPO. Aus diesem Mehrkostenverbot folgt nach der herrschenden Meinung, dass ein Rechtsanwalt mit einem Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden kann (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007, L 20 B 30/07 SO; Beschluss vom 5. September 2007, L 9 B 35/07 SO; Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Februar 2010, L 8 B 195/09 R PKH; vgl. auch: Juris PR-SozR 1/2008, Anm. 5 - juris -; Leitherer in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 73a Rdnr. 9c).
Die Beiordnung erstreckt sich jedoch zusätzlich auf die Kosten, die durch die notwendige Beiordnung eines weiteren Anwaltes entstehen würden.
Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, § 121 Abs. 4 ZPO. Ist die Beiordnung eines zusätzlichen Anwalts, eines sog. Verkehrsanwalts, demnach geboten, hat die Beiordnung so zu erfolgen, dass Mehrkosten bis zu dem Betrag erstattet werden, die bei einer zusätzlichen Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wären (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, a.a.O.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Januar 2007, L 10 R 6432/06 PKH-B; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2005, 3 AZB 65/03; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juni 2004, XII ZB 61/04 - juris -; Leitherer in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 73 a Rdnr. 9c).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Betreuer der dementen Klägerin hätte von seinem Wohnort in C. aus eine mehrstündige Fahrt nach und von Gießen unternehmen müssen, um dort persönlich einen Anwalt zu beauftragen. Es ist einem Rechtsuchenden grundsätzlich nicht zumutbar, einen auswärtigen Anwalt schriftlich oder telefonisch zu beauftragen und zu unterrichten (Bundesgerichtshof, a.a.O.). Im Gegensatz zu den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung und der Finanzgerichtsordnung stellt das Sozialgerichtsgesetz bezüglich der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts insoweit auch primär auf den Wohnsitz des Klägers ab, um diesem die Möglichkeit der Durchsetzung seiner sozialrechtlichen Ansprüche zu erleichtern (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 57 Rdnr. 4). Fehlt es von Anfang an an dieser vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Grundkonstellation, da die Wohnorte der Klägerin und ihres Betreuers entfernungsmäßig erheblich differieren, muss dem im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei der Beiordnung des Rechtsanwaltes Rechnung getragen werden.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten nicht stattfindet (§ 73a SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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