Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 4/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Zahnersatzversorgung in Höhe von 1.637,60 EUR, hilfsweise in Höhe von 1.336,20 EUR.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 22.04.2004 wählte sie für alle Vertragsleistungen der Beklagten die Kostenerstattung. Sie erklärte u.a., eine Aufklärung darüber, dass die Kostenerstattung grundsätzlich nur für Vertragsleistungen von Vertragspartnern der Beklagten gilt, erhalten zu haben und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass ihr die Beklagte bei privatärztlich verursachten Kosten den Anteil erstattet, der bei Behandlung durch die Krankenversicherungskarte (Sachleistung) entstanden wäre. Durch ein Schreiben der Beklagten vom 21.04.2004 war die Klägerin zuvor über den Umfang und das Verfahren bei der Kostenerstattung informiert worden; darin heißt es u.a., dass von der Beklagten nur solche Leistungen bezuschusst werden könnten, die sie gesetzlich und satzungsgemäß als Sachleistung zu erbringen gehabt hätte. Das Verfahren der Kostenerstattung ist in § 18 der Satzung der Beklagten geregelt.
Im Januar 2009 führte der Ehemann der Klägerin, der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Zahnarzt Dr. I. T., eine zahnprothetische Behandlung von acht Zähnen der Klägerin im Bereich 14 bis 24 durch: am 06.01.2009 fand eine Beratung, am 08.01.2009 eine Untersuchung und Vorbehandlung statt; am 14.01.2009 wurde an acht Zähnen provisorische Kronen/Brückenglieder, am 27.01.2009 vollkeramische Teilkronen an den acht Zähnen angebracht; am 06.05.2009 fand eine Beratung und Nachbehandlung statt. Wegen des Verdachts auf eine Schwangerschaft wurden vor der Zahnbehandlung keine Röntgenbilder gefertigt.
Erstmals am 16.02.2009 beantragte die Klägerin die Erstattung von Zahnbehandlungskosten unter Vorlage eines Eil- und Kostenplans (HKP) vom 11.02.2009 für die Versorgung von acht Zähnen im Bereich 14 bis 24. Dieser enthält u.a. folgende Eintragungen: I. "Befund/Behandlungsplan": erhaltungswürdiger Zahn mit partiellen Substanzdefekten (pw); vollkeramische Teilkrone (PKM) II. "Festzuschuss": 1.2
III. "Kostenplanung": ZA-Honorar BEMA 111,20 EUR ZA-Honorar GOZ 1.604,08 EUR Material-/Laborkosten 2.006,38 EUR insgesamt 3.721,66 EUR V. "Rechnungsbeträge": ZA-Honorar BEMA 111,20 EUR ZA-Honorar GOZ 1.604,08 EUR Material-/Laborkosten 1.100,03 EUR Gesamtsumme 2.815,31 EUR Festzuschuss Kasse - 1.386,24 EUR Versichertenanteil 1.429,07 EUR
Die Beklagte legte die Antragsunterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) zur Beurteilung vor. Hierüber informiert erklärte Dr. T., er halte dies nicht für vertragsgemäß; es gebe kein Gutachterverfahren, sondern einen pauschalen Abzug zur Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit. Daraufhin teilte die Beklagte dem Zahnarzt mit, dass nach dem Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) festgelegt sei, dass vor Beginn der Behandlung ein HKP vom Vertragsarzt zu erstellen und der Krankenkasse aufgrund der Genehmigungspflicht für Zahnersatz vorzulegen sei. Da eine Genehmigung vor Behandlungsbeginn nicht erfolgt sei, sei eine Kostenübernahme nach Eingliederung des bereits gefertigten Zahnersatzes nicht möglich. Kulanterweise habe die Beklagte jedoch den abgerechneten HKP dem MDK zu Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit vorgelegt; wenn die Klägerin dies nicht wünsche, könne der Auftrag zurückgezogen und ein Bescheid erteilt werden. Daraufhin folgte ein weiterer Schriftwechsel zwischen Dr. T. und der Beklagten über die Anwendbarkeit der Sachleistungsprinzipvoraussetzungen, die Pflicht zur Vorlage und Genehmigung eines HKP im Kostenerstattungsverfahren und die bei der Versorgung von Frontzähnen zu gewährenden Festzuschüsse. Am 15.06.2009 forderte der MDK Behandlungsunterlagen von Dr. T. an; als dieser der Aufforderung nicht nachkam, beendete der MDK am 06.07.2009 den Gutachtenauftrag. Auf Bitten der Beklagten teilte der MDK am 20.08.2009 mit, der im HKP enthaltene Befund "pw" könne nicht bestätigt werden und sei nach Abschluss der Behandlung nicht mehr zu bestätigen; Röntgenaufnahmen seien nicht vorgelegt worden; ein Festzuschuss zur Versorgung der acht Zähne des Oberkiefers mit Teilkronen werde nachträglich nicht befürwortet.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 07.09.2009 den Antrag auf Kostenerstattung ab. Dagegen legte die Klägerin am 12.10.2009 mittels E-mail Widerspruch ein. Diesen Widerspruch begründeten die zwischenzeitlich bevollmächtigten Rechtsanwälte der Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2009. Sie vertraten die Auffassung, durch die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die kassenarztrechtlichen Vorschriften über den HKP und die Begutachtung durch den MDK ausgeschlossen. Die Klägerin habe sich "nach § 13 Abs. 3" die Leistung selbst beschafft, so dass es keiner vorherigen Genehmigung durch Einreichung eines HKP bedurft habe; "nur bei stationären Leistungen nach § 13 Abs. 5" bedürfe es der vorherigen Genehmigung. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Nordrhein habe mit Schreiben vom 28.07.2008 mitgeteilt, dass in Abstimmung mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) nach derzeitiger Auffassung bei vollkeramischen Teilkronen im Frontzahnbereich die Festzuschüsse 1.1 und 1.3 ansetzbar seien; im Befund sei "ww" und "KV" einzutragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2009 sah die Beklagte den Widerspruch zwar als "form- und fristgerecht erhoben" an, wies ihn jedoch als unbegründet zurück. Sie stützte ihre Entscheidung darauf, dass vor Behandlungsbeginn kein HKP vorgelegt und keine Genehmigung der Krankenkasse erteilt worden sei. Im Übrigen sei nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen (Gemeinsames Rundschreiben vom 26.10.2006) der Festzuschuss 1.2 im Frontzahnbereich nicht ansetzbar.
Dagegen hat die Klägerin am 07.01.2010 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Kostenerstattungswahl nach § 13 Abs. 2 SGB V sei eingeführt worden, um potenziell Privatversicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu halten. Der Gesetzgeber habe dabei ganz bewusst durch die Loslösung vom Sachleistungsprinzip den freiwillig Versicherten die Therapiefreiheit des Privatversicherten ermöglicht. Bei der Kostenerstattung handele es sich um eine Privatbehandlung, die nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgerechnet werde. Die vertragszahnärztlichen Vereinbarungen und Vorschriften würden nur im Hinblick auf die Erstattungshöhe, nicht jedoch für das übrige Verfahren gelten. Im Bereich der Kostenerstattung hätten "die Vertragspartner" die vorherige Genehmigung systemaufhebend durch die Vereinbarung von pauschalen Abschlägen für nicht durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ersetzt. Des Weiteren meint die Klägerin, bei vollkeramischen Teilkronen im Frontzahnbereich seien die Festzuschüsse 1.1. und 1.3 ansetzbar; sie verweist hierzu auf eine Stellungnahme der KZV Nordrhein in deren Informationsdienst 6/2008. Hilfsweise begehrt die Klägerin den Festzuschuss 1.2. Als Verwaltungspauschale seien 50,00 EUR abzuziehen. Die Klägerin hat in der Praxis ihres Ehemannes am 13.03.2009 für die Zahnbehandlung 2.800,00 EUR entrichtet.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2009 zu verurteilen, ihr 1.637,60 EUR, hilfsweise 1.336,20 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, durch die gewählte Kostenerstattung werde der Leistungsrahmen der GKV nicht erweitert. Es sei nicht nur die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs auf die Höhe der Vergütung für die entsprechende Sachleistung begrenzt; vielmehr könnten auch nur Leistungen in Anspruch genommen und deren Kosten erstattet werden, die als vertragsmäßige Sachleistungen zugelassen seien; auch seien die Behandlungs-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu berücksichtigen. In der Wahlerklärung vom 22.04.2004 habe die Klägerin durch ihre Unterschrift u.a. bestätigt, hierüber aufgeklärt worden zu sein. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehe auch im Kostenerstattungsverfahren nur, wenn die Leistung medizinisch erforderlich sei und zu den Leistungen gehöre, die die Krankenkasse allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Soweit Dr. T. mitgeteilt habe, im Fall seiner Frau sei das Verfahren der Kostenerstattung für alle Behandlungen seit 2004 ohne vorherige Beantragung und Genehmigung durchgeführt worden, sei dies nur insoweit richtig, als es sich hierbei größtenteils um nicht genehmigungspflichtige Leistungen (konservierend/chirurgisch) gehandelt habe. Auf eine gesonderte Prüfung der medizinischen Notwendigkeit bei einer angefertigten Zahnkrone habe die Beklagte im Jahre 2004 verzichtet, weil hier der Erstattungsbetrag für eine Einzelkrone im Verhältnis zu einem aufwändigen Gutachterverfahren zu geringfügig gewesen sei. Dabei handele es sich aber nicht um eine "Kulanzentscheidung" der Krankenkasse; vielmehr sähen die zahnärztlichen Richtlinien eine Begutachtung im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit einer Versorgung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich erst ab zwei Kronen vor.
Auf Anfrage des Gerichts hat Dr. T. eine Kopie (ein Blatt) aus der Krankenakte der Klägerin vorgelegt. Darüber hinaus hat er - unaufgefordert - wiederholt seine Auffassung zur Sach- und Rechtslage dargelegt. Auf Anfrage des Gerichts hat die KZV Nordrhein am 15.02.2011 zu verschiedenen rechtlichen Fragen Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Allerdings war - entgegen von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung - der Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.09.2009 nicht formgerecht erhoben. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss der Widerspruch schriftlich eingelegt oder zur Niederschrift der Stelle erklärt werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Gem. § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG können auch elektronische Dokumente übermittelt werden, jedoch nur, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist. Für Dokumente, die wie der Widerspruch nach § 84 Abs. 1 SGG einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist zudem eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben oder ein anderes sicheres Verfahren zuzulassen, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt (§ 65a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG). Diesen Erfordernissen entspricht die Einlegung des Widerspruchs durch E-mail vom 12.10.2010 nicht. Die Sicherung der Authentizität ist durch einfache E-mails nicht gewährleistet (vgl. hierzu: Hess. LSG, Beschluss vom 11.07.2007 - L 9 AS 161/07 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.06.2007 - L 8 SO 60/07 ER). Die Formverletzung des Widerspruchs ist jedoch dadurch geheilt, dass die Beklagte über den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid sachlich entschieden und den Widerspruch nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 84 Rn. 7). Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten, die ihr durch die im Januar 2009 durchgeführte Zahnersatzversorgung entstanden sind.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 13 Ab. 2 SGB V. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Von diesem Wahlrecht hat die Klägerin am 22.04.2004 Gebrauch gemacht. Damit steht ihr allerdings kein anderer Leistungskatalog als im Naturalleistungssystem zur Verfügung. Versicherte erhalten im Rahmen der von ihnen gewählten Kostenerstattung Krankenbehandlung in demselben Umfang und in denselben Grenzen, als wenn sie im Sachleistungssystem verblieben wären. In beiden Fällen müssen die Leistungen sowohl den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 SGB V entsprechen als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs.1 SGB V genügen (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 24/99 R; Urteil vom 08.09.2009 - B 1 KR 1/09 R). Für den Kreis der Leistungserbringer und den Umfang der Leistung ergibt sich dies ausdrücklichlich aus § 13 Abs. 2 Satz 6 bis 9 SGB V. Aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistungen" in § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V folgt, dass Kostenerstattung nur beansprucht werden kann, wenn ein Anspruch auf die entsprechende Naturalleistung nach dem SGB V besteht; die im Wege der Kostenerstattung zu zahlende Geldleistung tritt lediglich an die Stelle der Sachleistung. In beiden Fällen hängt der Anspruch grundsätzlich davon ab, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Leistungssystem und dem vertragszahnärztlichen Versorgungssystem des SGB V vorliegen. Der hier streitbefangene Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer Versorgung mit Zahnersatz nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a, 55, 56 SGB V hat u.a. die Prüfung der beabsichtigten Versorgung und deren vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse zur Voraussetzung (so: BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R).
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SGB V umfasst die Krankenbehandlung die Versorgung mit Zahnersatz. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gem. § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. § 87 Abs. 1a Satz 2 ff. SGB V bestimmt, dass im BMV-Z folgende Regelungen zu treffen sind: der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächliche geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (Satz 2). Im HKP sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (Satz 3). Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen (Satz 4). Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (Satz 5). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gem. § 55 Abs. 1 oder 2 entsprechend dem im HKP ausgewiesenen Befund (Satz 6). Diese gesetzlichen Vorgaben des § 87 Abs. 1a SGB V sind in der Anlage 3 zum BMV-Z umgesetzt.
Nach dem dargestellten Regelungskomplex ist die Genehmigung der zahnprothetischen Versorgung vor ihrer Durchführung und nach Prüfung des entsprechenden HKP Voraussetzung des Leistungsanspruchs nach § 55 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 30.06.2009 -B 1 KR 19/08 R). Die in § 87 Abs. 1a SGB V und im BMV-Z (Anlage 3) angesiedelten Vorschriften zum Genehmigungserfordernis regeln nicht nur die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringern, sondern gestalten auch das Leistungsrecht. Dies folgt sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Normen als auch aus Sinn und Zweck der Regelung. Zweck der Aufstellung des HKP und des Genehmigungserfordernisses ist die Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der in der Regel kostenaufwändigen zahnprothetischen Behandlung. Der Krankenkasse soll - anders als bei der ärztlichen Behandlung im Übrigen - Gelegenheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die in Anspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen - auch im Interesse des Versicherten - steuern zu können. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn nicht auch der Leistungsanspruch des Versicherten von der Genehmigung der Behandlung abhängig wäre (BSG a.a.O.).
Die Klägerin hat für die am 06.01.2009 begonnene und im Wesentlichen auch im Januar 2009 durchgeführte und abgeschlossene Behandlung nicht das vorgeschriebene Genehmigungsverfahren durchgeführt. Der HKP des Vertragszahnarztes Dr. T. datiert vom 11.02.2009 und ging erst am 16.02.2009 - zusammen mit dem Kostenerstattungsantrag der Klägerin - bei der Beklagten ein. Eine Prüfung und Genehmigung dieses HKP war demnach vor der Behandlung unmöglich. Da also schon der HKP der Beklagten zu spät vorgelegt worden ist und von der Beklagten die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der Zahnersatzversorgung als Voraussetzung des entsprechenden Sachleistungsanspruchs bzw. des an seine Stelle getretenen Kostenerstattungsanspruchs nicht vor der Behandlung durchgeführt werden konnte, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten.
Das dargestellte - vorliegend nicht eingehaltene - Verfahren der Vorlage und Prüfung des HKP durch die Krankenkasse vor der zahnprothetischen Behandlung gilt nicht nur für den Fall einer im EG-Ausland beschafften Zahnersatzversorgung mit Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V, sondern auch für eine im Inland durchgeführte Zahnersatzbehandlung mit Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R). Wenn der Gesetzgeber grundsätzlich eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse allein für das Kostenerstattungsverfahren bei einer stationären Krankenhausbehandlung im EG-Ausland in § 13 Abs. 5 SGB V vorgeschrieben hat, folgt daraus nicht, dass bei Zahnersatzbehandlung - sei es im Ausland oder im Inland - die Vorlage, Prüfung und Genehmigung der Behandlung anhand eines vor Behandlungsbeginn vorzulegenden HKP entfällt. Die Regelung des § 13 Abs. 5 SGB V schreibt lediglich für stationäre Krankenhausleistungen im Ausland zusätzlich eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse vor, die bei stationärer Krankenhausbehandlung im Inland nicht erforderlich ist. Durch die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nach § 13 Abs. 2 SGB V wird das Wirtschaftlichkeitsgebot und das zu seiner Einhaltung dienende HKP-Prüfungs- und Genehmigungsverfahren nicht ersetzt. Der in § 13 Abs. 2 Satz 11 SGB V vorgesehene Abschlag für Verwaltungskosten sowie nicht stattgefundene Wirtschaftlichkeitsprüfungen (nach § 18 Abs. 5 der Satzung der Beklagten 5 %, jedoch mindestens 5,00 EUR höchstens 50,00 EUR) gleicht nicht jede tatsächliche Unwirtschaftlichkeit aus, sondern nur diejenigen Mehrkosten, die sich daraus ergeben, dass die spezifischen Möglichkeiten der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (routinemäßige statistische Kontrolle der Abrechnungswerte, Erhebung von Stichproben etc.) nicht genutzt werden können. Hingegen spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen in diesen Fällen die Überprüfung zweifelhafter oder unschlüssiger Abrechnungen oder die Geltendmachung dabei zu Tage getretener Verstösse gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verbieten und in Kauf nehmen wollte, dass gegebenenfalls auch nachweisbar das Maß des Notwendigen überschreitende oder sogar insgesamt unnötige Behandlungen bezahlt werden müssen (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 24/99 R).
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Kostenerstattungswahl ganz bewusst den gesetzlich Versicherten die Loslösung vom Sachleistungsprinzip und die (wesentliche) Gleichstellung mit Privatversicherten ermöglichen wollen. Für diese Auffassung findet sich weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien (Gesetzesbegründung) eine Grundlage. Durch die Entscheidung für die Kostenerstattung löst sich der Versicherte nur insoweit aus den öffentlich-rechtlichen Bezügen des Sachleistungssystems, als seine Rechtsbeziehungen zum Leistungserbringer betroffen sind. Er verschafft sich die erforderliche Behandlung als Privatpatient durch Abschluss eines Dienstvertrages, der nicht nur hinsichtlich der Leistungserbringung, sondern auch hinsichtlich der Vergütung der Leistungen rein privatrechtlicher Natur ist. Die mit dem Sachleistungsgrundsatz verbundenen Vorteile, insbesondere das Privileg, sich um die wirtschaftliche Seite der Behandlung nicht kümmern zu müssen, gibt er mit der Wahl der Kostenerstattung auf. Zugleich übernimmt er das Risiko, das die in Anspruch genommenen Leistungen nicht oder nicht in vollem Umfang den Erfordernissen des SGB V entsprechen und die entstandenen Kosten deshalb ganz oder teilweise nicht erstattet werden (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 24/99 R). Dieses Risiko hat sich im Falle der Klägerin anlässlich ihrer Zahnersatzversorgung im Januar 2009 dahingehend realisiert, dass die Beklagte zurecht die Erstattung von Kosten für diese Behandlung abgelehnt hat.
Bestand nach alledem schon im Hinblick auf das nicht eingehaltene HKP-Prüfungs- und Genehmigungsverfahren und die dadurch unmöglich gewordene Wirtschaftlichkeitsprüfung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Behandlung kein Anspruch auf die Sachleistung bzw. die an ihre Stelle getretene Kostenerstattung, so bedurfte es keiner Entscheidung der Kammer, ob der von Dr. T. im HKP angesetzte Festzuschuss 1.2 zurecht geltend gemacht worden ist oder ob ein anderer oder überhaupt kein Festzuschuss für die Versorgung mit vollkeramischen Teilkronen im Bereich der Frontzähne beansprucht werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Zahnersatzversorgung in Höhe von 1.637,60 EUR, hilfsweise in Höhe von 1.336,20 EUR.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 22.04.2004 wählte sie für alle Vertragsleistungen der Beklagten die Kostenerstattung. Sie erklärte u.a., eine Aufklärung darüber, dass die Kostenerstattung grundsätzlich nur für Vertragsleistungen von Vertragspartnern der Beklagten gilt, erhalten zu haben und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass ihr die Beklagte bei privatärztlich verursachten Kosten den Anteil erstattet, der bei Behandlung durch die Krankenversicherungskarte (Sachleistung) entstanden wäre. Durch ein Schreiben der Beklagten vom 21.04.2004 war die Klägerin zuvor über den Umfang und das Verfahren bei der Kostenerstattung informiert worden; darin heißt es u.a., dass von der Beklagten nur solche Leistungen bezuschusst werden könnten, die sie gesetzlich und satzungsgemäß als Sachleistung zu erbringen gehabt hätte. Das Verfahren der Kostenerstattung ist in § 18 der Satzung der Beklagten geregelt.
Im Januar 2009 führte der Ehemann der Klägerin, der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Zahnarzt Dr. I. T., eine zahnprothetische Behandlung von acht Zähnen der Klägerin im Bereich 14 bis 24 durch: am 06.01.2009 fand eine Beratung, am 08.01.2009 eine Untersuchung und Vorbehandlung statt; am 14.01.2009 wurde an acht Zähnen provisorische Kronen/Brückenglieder, am 27.01.2009 vollkeramische Teilkronen an den acht Zähnen angebracht; am 06.05.2009 fand eine Beratung und Nachbehandlung statt. Wegen des Verdachts auf eine Schwangerschaft wurden vor der Zahnbehandlung keine Röntgenbilder gefertigt.
Erstmals am 16.02.2009 beantragte die Klägerin die Erstattung von Zahnbehandlungskosten unter Vorlage eines Eil- und Kostenplans (HKP) vom 11.02.2009 für die Versorgung von acht Zähnen im Bereich 14 bis 24. Dieser enthält u.a. folgende Eintragungen: I. "Befund/Behandlungsplan": erhaltungswürdiger Zahn mit partiellen Substanzdefekten (pw); vollkeramische Teilkrone (PKM) II. "Festzuschuss": 1.2
III. "Kostenplanung": ZA-Honorar BEMA 111,20 EUR ZA-Honorar GOZ 1.604,08 EUR Material-/Laborkosten 2.006,38 EUR insgesamt 3.721,66 EUR V. "Rechnungsbeträge": ZA-Honorar BEMA 111,20 EUR ZA-Honorar GOZ 1.604,08 EUR Material-/Laborkosten 1.100,03 EUR Gesamtsumme 2.815,31 EUR Festzuschuss Kasse - 1.386,24 EUR Versichertenanteil 1.429,07 EUR
Die Beklagte legte die Antragsunterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) zur Beurteilung vor. Hierüber informiert erklärte Dr. T., er halte dies nicht für vertragsgemäß; es gebe kein Gutachterverfahren, sondern einen pauschalen Abzug zur Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit. Daraufhin teilte die Beklagte dem Zahnarzt mit, dass nach dem Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) festgelegt sei, dass vor Beginn der Behandlung ein HKP vom Vertragsarzt zu erstellen und der Krankenkasse aufgrund der Genehmigungspflicht für Zahnersatz vorzulegen sei. Da eine Genehmigung vor Behandlungsbeginn nicht erfolgt sei, sei eine Kostenübernahme nach Eingliederung des bereits gefertigten Zahnersatzes nicht möglich. Kulanterweise habe die Beklagte jedoch den abgerechneten HKP dem MDK zu Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit vorgelegt; wenn die Klägerin dies nicht wünsche, könne der Auftrag zurückgezogen und ein Bescheid erteilt werden. Daraufhin folgte ein weiterer Schriftwechsel zwischen Dr. T. und der Beklagten über die Anwendbarkeit der Sachleistungsprinzipvoraussetzungen, die Pflicht zur Vorlage und Genehmigung eines HKP im Kostenerstattungsverfahren und die bei der Versorgung von Frontzähnen zu gewährenden Festzuschüsse. Am 15.06.2009 forderte der MDK Behandlungsunterlagen von Dr. T. an; als dieser der Aufforderung nicht nachkam, beendete der MDK am 06.07.2009 den Gutachtenauftrag. Auf Bitten der Beklagten teilte der MDK am 20.08.2009 mit, der im HKP enthaltene Befund "pw" könne nicht bestätigt werden und sei nach Abschluss der Behandlung nicht mehr zu bestätigen; Röntgenaufnahmen seien nicht vorgelegt worden; ein Festzuschuss zur Versorgung der acht Zähne des Oberkiefers mit Teilkronen werde nachträglich nicht befürwortet.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 07.09.2009 den Antrag auf Kostenerstattung ab. Dagegen legte die Klägerin am 12.10.2009 mittels E-mail Widerspruch ein. Diesen Widerspruch begründeten die zwischenzeitlich bevollmächtigten Rechtsanwälte der Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2009. Sie vertraten die Auffassung, durch die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die kassenarztrechtlichen Vorschriften über den HKP und die Begutachtung durch den MDK ausgeschlossen. Die Klägerin habe sich "nach § 13 Abs. 3" die Leistung selbst beschafft, so dass es keiner vorherigen Genehmigung durch Einreichung eines HKP bedurft habe; "nur bei stationären Leistungen nach § 13 Abs. 5" bedürfe es der vorherigen Genehmigung. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Nordrhein habe mit Schreiben vom 28.07.2008 mitgeteilt, dass in Abstimmung mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) nach derzeitiger Auffassung bei vollkeramischen Teilkronen im Frontzahnbereich die Festzuschüsse 1.1 und 1.3 ansetzbar seien; im Befund sei "ww" und "KV" einzutragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2009 sah die Beklagte den Widerspruch zwar als "form- und fristgerecht erhoben" an, wies ihn jedoch als unbegründet zurück. Sie stützte ihre Entscheidung darauf, dass vor Behandlungsbeginn kein HKP vorgelegt und keine Genehmigung der Krankenkasse erteilt worden sei. Im Übrigen sei nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen (Gemeinsames Rundschreiben vom 26.10.2006) der Festzuschuss 1.2 im Frontzahnbereich nicht ansetzbar.
Dagegen hat die Klägerin am 07.01.2010 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Kostenerstattungswahl nach § 13 Abs. 2 SGB V sei eingeführt worden, um potenziell Privatversicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu halten. Der Gesetzgeber habe dabei ganz bewusst durch die Loslösung vom Sachleistungsprinzip den freiwillig Versicherten die Therapiefreiheit des Privatversicherten ermöglicht. Bei der Kostenerstattung handele es sich um eine Privatbehandlung, die nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgerechnet werde. Die vertragszahnärztlichen Vereinbarungen und Vorschriften würden nur im Hinblick auf die Erstattungshöhe, nicht jedoch für das übrige Verfahren gelten. Im Bereich der Kostenerstattung hätten "die Vertragspartner" die vorherige Genehmigung systemaufhebend durch die Vereinbarung von pauschalen Abschlägen für nicht durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ersetzt. Des Weiteren meint die Klägerin, bei vollkeramischen Teilkronen im Frontzahnbereich seien die Festzuschüsse 1.1. und 1.3 ansetzbar; sie verweist hierzu auf eine Stellungnahme der KZV Nordrhein in deren Informationsdienst 6/2008. Hilfsweise begehrt die Klägerin den Festzuschuss 1.2. Als Verwaltungspauschale seien 50,00 EUR abzuziehen. Die Klägerin hat in der Praxis ihres Ehemannes am 13.03.2009 für die Zahnbehandlung 2.800,00 EUR entrichtet.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2009 zu verurteilen, ihr 1.637,60 EUR, hilfsweise 1.336,20 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, durch die gewählte Kostenerstattung werde der Leistungsrahmen der GKV nicht erweitert. Es sei nicht nur die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs auf die Höhe der Vergütung für die entsprechende Sachleistung begrenzt; vielmehr könnten auch nur Leistungen in Anspruch genommen und deren Kosten erstattet werden, die als vertragsmäßige Sachleistungen zugelassen seien; auch seien die Behandlungs-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu berücksichtigen. In der Wahlerklärung vom 22.04.2004 habe die Klägerin durch ihre Unterschrift u.a. bestätigt, hierüber aufgeklärt worden zu sein. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehe auch im Kostenerstattungsverfahren nur, wenn die Leistung medizinisch erforderlich sei und zu den Leistungen gehöre, die die Krankenkasse allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Soweit Dr. T. mitgeteilt habe, im Fall seiner Frau sei das Verfahren der Kostenerstattung für alle Behandlungen seit 2004 ohne vorherige Beantragung und Genehmigung durchgeführt worden, sei dies nur insoweit richtig, als es sich hierbei größtenteils um nicht genehmigungspflichtige Leistungen (konservierend/chirurgisch) gehandelt habe. Auf eine gesonderte Prüfung der medizinischen Notwendigkeit bei einer angefertigten Zahnkrone habe die Beklagte im Jahre 2004 verzichtet, weil hier der Erstattungsbetrag für eine Einzelkrone im Verhältnis zu einem aufwändigen Gutachterverfahren zu geringfügig gewesen sei. Dabei handele es sich aber nicht um eine "Kulanzentscheidung" der Krankenkasse; vielmehr sähen die zahnärztlichen Richtlinien eine Begutachtung im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit einer Versorgung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich erst ab zwei Kronen vor.
Auf Anfrage des Gerichts hat Dr. T. eine Kopie (ein Blatt) aus der Krankenakte der Klägerin vorgelegt. Darüber hinaus hat er - unaufgefordert - wiederholt seine Auffassung zur Sach- und Rechtslage dargelegt. Auf Anfrage des Gerichts hat die KZV Nordrhein am 15.02.2011 zu verschiedenen rechtlichen Fragen Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Allerdings war - entgegen von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung - der Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.09.2009 nicht formgerecht erhoben. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss der Widerspruch schriftlich eingelegt oder zur Niederschrift der Stelle erklärt werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Gem. § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG können auch elektronische Dokumente übermittelt werden, jedoch nur, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist. Für Dokumente, die wie der Widerspruch nach § 84 Abs. 1 SGG einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist zudem eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben oder ein anderes sicheres Verfahren zuzulassen, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt (§ 65a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG). Diesen Erfordernissen entspricht die Einlegung des Widerspruchs durch E-mail vom 12.10.2010 nicht. Die Sicherung der Authentizität ist durch einfache E-mails nicht gewährleistet (vgl. hierzu: Hess. LSG, Beschluss vom 11.07.2007 - L 9 AS 161/07 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.06.2007 - L 8 SO 60/07 ER). Die Formverletzung des Widerspruchs ist jedoch dadurch geheilt, dass die Beklagte über den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid sachlich entschieden und den Widerspruch nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 84 Rn. 7). Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten, die ihr durch die im Januar 2009 durchgeführte Zahnersatzversorgung entstanden sind.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 13 Ab. 2 SGB V. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Von diesem Wahlrecht hat die Klägerin am 22.04.2004 Gebrauch gemacht. Damit steht ihr allerdings kein anderer Leistungskatalog als im Naturalleistungssystem zur Verfügung. Versicherte erhalten im Rahmen der von ihnen gewählten Kostenerstattung Krankenbehandlung in demselben Umfang und in denselben Grenzen, als wenn sie im Sachleistungssystem verblieben wären. In beiden Fällen müssen die Leistungen sowohl den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 SGB V entsprechen als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs.1 SGB V genügen (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 24/99 R; Urteil vom 08.09.2009 - B 1 KR 1/09 R). Für den Kreis der Leistungserbringer und den Umfang der Leistung ergibt sich dies ausdrücklichlich aus § 13 Abs. 2 Satz 6 bis 9 SGB V. Aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistungen" in § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V folgt, dass Kostenerstattung nur beansprucht werden kann, wenn ein Anspruch auf die entsprechende Naturalleistung nach dem SGB V besteht; die im Wege der Kostenerstattung zu zahlende Geldleistung tritt lediglich an die Stelle der Sachleistung. In beiden Fällen hängt der Anspruch grundsätzlich davon ab, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Leistungssystem und dem vertragszahnärztlichen Versorgungssystem des SGB V vorliegen. Der hier streitbefangene Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer Versorgung mit Zahnersatz nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a, 55, 56 SGB V hat u.a. die Prüfung der beabsichtigten Versorgung und deren vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse zur Voraussetzung (so: BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R).
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SGB V umfasst die Krankenbehandlung die Versorgung mit Zahnersatz. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gem. § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. § 87 Abs. 1a Satz 2 ff. SGB V bestimmt, dass im BMV-Z folgende Regelungen zu treffen sind: der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächliche geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (Satz 2). Im HKP sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (Satz 3). Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen (Satz 4). Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (Satz 5). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gem. § 55 Abs. 1 oder 2 entsprechend dem im HKP ausgewiesenen Befund (Satz 6). Diese gesetzlichen Vorgaben des § 87 Abs. 1a SGB V sind in der Anlage 3 zum BMV-Z umgesetzt.
Nach dem dargestellten Regelungskomplex ist die Genehmigung der zahnprothetischen Versorgung vor ihrer Durchführung und nach Prüfung des entsprechenden HKP Voraussetzung des Leistungsanspruchs nach § 55 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 30.06.2009 -B 1 KR 19/08 R). Die in § 87 Abs. 1a SGB V und im BMV-Z (Anlage 3) angesiedelten Vorschriften zum Genehmigungserfordernis regeln nicht nur die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringern, sondern gestalten auch das Leistungsrecht. Dies folgt sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Normen als auch aus Sinn und Zweck der Regelung. Zweck der Aufstellung des HKP und des Genehmigungserfordernisses ist die Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der in der Regel kostenaufwändigen zahnprothetischen Behandlung. Der Krankenkasse soll - anders als bei der ärztlichen Behandlung im Übrigen - Gelegenheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die in Anspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen - auch im Interesse des Versicherten - steuern zu können. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn nicht auch der Leistungsanspruch des Versicherten von der Genehmigung der Behandlung abhängig wäre (BSG a.a.O.).
Die Klägerin hat für die am 06.01.2009 begonnene und im Wesentlichen auch im Januar 2009 durchgeführte und abgeschlossene Behandlung nicht das vorgeschriebene Genehmigungsverfahren durchgeführt. Der HKP des Vertragszahnarztes Dr. T. datiert vom 11.02.2009 und ging erst am 16.02.2009 - zusammen mit dem Kostenerstattungsantrag der Klägerin - bei der Beklagten ein. Eine Prüfung und Genehmigung dieses HKP war demnach vor der Behandlung unmöglich. Da also schon der HKP der Beklagten zu spät vorgelegt worden ist und von der Beklagten die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der Zahnersatzversorgung als Voraussetzung des entsprechenden Sachleistungsanspruchs bzw. des an seine Stelle getretenen Kostenerstattungsanspruchs nicht vor der Behandlung durchgeführt werden konnte, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten.
Das dargestellte - vorliegend nicht eingehaltene - Verfahren der Vorlage und Prüfung des HKP durch die Krankenkasse vor der zahnprothetischen Behandlung gilt nicht nur für den Fall einer im EG-Ausland beschafften Zahnersatzversorgung mit Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V, sondern auch für eine im Inland durchgeführte Zahnersatzbehandlung mit Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R). Wenn der Gesetzgeber grundsätzlich eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse allein für das Kostenerstattungsverfahren bei einer stationären Krankenhausbehandlung im EG-Ausland in § 13 Abs. 5 SGB V vorgeschrieben hat, folgt daraus nicht, dass bei Zahnersatzbehandlung - sei es im Ausland oder im Inland - die Vorlage, Prüfung und Genehmigung der Behandlung anhand eines vor Behandlungsbeginn vorzulegenden HKP entfällt. Die Regelung des § 13 Abs. 5 SGB V schreibt lediglich für stationäre Krankenhausleistungen im Ausland zusätzlich eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse vor, die bei stationärer Krankenhausbehandlung im Inland nicht erforderlich ist. Durch die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nach § 13 Abs. 2 SGB V wird das Wirtschaftlichkeitsgebot und das zu seiner Einhaltung dienende HKP-Prüfungs- und Genehmigungsverfahren nicht ersetzt. Der in § 13 Abs. 2 Satz 11 SGB V vorgesehene Abschlag für Verwaltungskosten sowie nicht stattgefundene Wirtschaftlichkeitsprüfungen (nach § 18 Abs. 5 der Satzung der Beklagten 5 %, jedoch mindestens 5,00 EUR höchstens 50,00 EUR) gleicht nicht jede tatsächliche Unwirtschaftlichkeit aus, sondern nur diejenigen Mehrkosten, die sich daraus ergeben, dass die spezifischen Möglichkeiten der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (routinemäßige statistische Kontrolle der Abrechnungswerte, Erhebung von Stichproben etc.) nicht genutzt werden können. Hingegen spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen in diesen Fällen die Überprüfung zweifelhafter oder unschlüssiger Abrechnungen oder die Geltendmachung dabei zu Tage getretener Verstösse gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verbieten und in Kauf nehmen wollte, dass gegebenenfalls auch nachweisbar das Maß des Notwendigen überschreitende oder sogar insgesamt unnötige Behandlungen bezahlt werden müssen (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 24/99 R).
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Kostenerstattungswahl ganz bewusst den gesetzlich Versicherten die Loslösung vom Sachleistungsprinzip und die (wesentliche) Gleichstellung mit Privatversicherten ermöglichen wollen. Für diese Auffassung findet sich weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien (Gesetzesbegründung) eine Grundlage. Durch die Entscheidung für die Kostenerstattung löst sich der Versicherte nur insoweit aus den öffentlich-rechtlichen Bezügen des Sachleistungssystems, als seine Rechtsbeziehungen zum Leistungserbringer betroffen sind. Er verschafft sich die erforderliche Behandlung als Privatpatient durch Abschluss eines Dienstvertrages, der nicht nur hinsichtlich der Leistungserbringung, sondern auch hinsichtlich der Vergütung der Leistungen rein privatrechtlicher Natur ist. Die mit dem Sachleistungsgrundsatz verbundenen Vorteile, insbesondere das Privileg, sich um die wirtschaftliche Seite der Behandlung nicht kümmern zu müssen, gibt er mit der Wahl der Kostenerstattung auf. Zugleich übernimmt er das Risiko, das die in Anspruch genommenen Leistungen nicht oder nicht in vollem Umfang den Erfordernissen des SGB V entsprechen und die entstandenen Kosten deshalb ganz oder teilweise nicht erstattet werden (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 24/99 R). Dieses Risiko hat sich im Falle der Klägerin anlässlich ihrer Zahnersatzversorgung im Januar 2009 dahingehend realisiert, dass die Beklagte zurecht die Erstattung von Kosten für diese Behandlung abgelehnt hat.
Bestand nach alledem schon im Hinblick auf das nicht eingehaltene HKP-Prüfungs- und Genehmigungsverfahren und die dadurch unmöglich gewordene Wirtschaftlichkeitsprüfung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Behandlung kein Anspruch auf die Sachleistung bzw. die an ihre Stelle getretene Kostenerstattung, so bedurfte es keiner Entscheidung der Kammer, ob der von Dr. T. im HKP angesetzte Festzuschuss 1.2 zurecht geltend gemacht worden ist oder ob ein anderer oder überhaupt kein Festzuschuss für die Versorgung mit vollkeramischen Teilkronen im Bereich der Frontzähne beansprucht werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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