Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 4574/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 259/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. November 2010 wird aufgehoben. Die Bescheide vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 monatlich noch weitere 105,- EUR als Zuschuss zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Im Streit steht noch die Auslegung des am 14. Oktober 2009 vor dem Sozialgericht Heilbronn abgeschlossenen Vergleichs hinsichtlich der Berechnung der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Zwischen den Beteiligten stand im Verfahren S 3 AS 2973/08 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) im Streit, ob dem am 17. Juli 1969 geborenen Kläger unter Berücksichtigung seines Vermögens auf seinen Antrag vom 10. Juni 2008 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zustehen. Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Großmutter eine in seinem Eigentum stehende, 110 qm große Wohnung. Der Antrag war mit Bescheid vom 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2008 zurückgewiesen worden. Dagegen hatte der Kläger Klage zum SG erhoben. In der nichtöffentlichen Sitzung vor dem SG vom 14. Oktober 2009 gab der Kläger umfassend Auskunft zu den derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zum Wert der von ihm bewohnten Eigentumswohnung. Auf Frage, wann etwa der Grundfreibetrag von 6.750,- EUR mit Aktien, Geldern auf Konten und dem Wertpapiersparvertrag unterschritten worden sei, gab der Kläger an, dies müsse etwa August/September 2009 gewesen sein. Nach weiterer Erörterung schlossen die Beteiligten daraufhin den (unwiderruflichen) Vergleich dahin, dass sich die Beklagte bereit erklärte, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II darlehensweise, beginnend ab 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 zu bewilligen. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
Der Vergleich lautete im Wortlaut:
"1. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II darlehensweise beginnend ab dem 1.10.2009 bis 31.3.2010 zu bewilligen. Die Höhe des Anspruchs setzt sich aus der Regelleistung (359,- EUR aktuell) + Kosten der Unterkunft (Zinsen für die Eigentumswohnung + Grundsteuer + Hausgeld abzüglich Lastenzuschuss: 2) zusammen. 2. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt."
Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Mit Fax vom 22. Oktober 2009 übersandte der Kläger die vom Beklagten angeforderten Nachweise über Wertpapierveräußerungen, den Tilgungsplan sowie weitere Unterlagen und wies ergänzend darauf hin, dass die "Grundfreibetragsgrenze von 6.750,- EUR" bereits am 13. Juli 2009 unterschritten worden und auch eine höhere Freibetragsgrenze anzusetzen sei.
Mit Bescheiden vom 29. Oktober 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab 1. Oktober 2009 darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 149,- EUR monatlich sowie Kosten für Unterkunft und Heizung von 328,01 EUR. Der Beklagte berechnete die Leistungen wie folgt: 359,- EUR Grundsicherungsleistung - 210,- EUR Lastenzuschuss = 149,- EUR Grundsicherungsleistung. Kosten der Unterkunft: 5.453,92 EUR jährliche Zinsen: 2 (da dem Kläger wegen des Zusammenwohnens mit seiner Großmutter nur die hälftigen Kosten der Unterkunft zustünden) = 2.726,96 EUR: 12 = 227,24 EUR monatliche Zinsen + Grundsteuer 30,30 EUR + Hausgeld 70,47 EUR = 328,01 EUR Kosten der Unterkunft.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, er habe bereits mitgeteilt, dass er die Vermögensfreibetragsgrenze schon am 13. Juli 2009 und damit vor seinem 40. Geburtstag unterschritten habe. Ihm stünden daher ab Juli 2009 Leistungen zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück unter Verweis auf den abgeschlossenen Prozessvergleich.
Dagegen hat der Kläger am 1. Dezember 2009 Klage zum SG erhoben und ausgeführt, im damaligen Termin habe er nicht aus dem Stehgreif sagen können, wann der Vermögensschonbetrag unterschritten worden sei. Dies habe er mittlerweile aber belegen können. Er verlange die Umwandlung der darlehensweisen Leistungsgewährung in eine endgültige. Im Übrigen habe sein Vermögen infolge der realen Aktienverluste, die ihm niemand erstattet habe, faktisch keinen Wert gehabt. Er weise außerdem auf § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hin. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 hat der Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X abgelehnt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2010 wandelte der Beklagte u.a. das Darlehen in einen Zuschuss um.
Mit Urteil vom 26. November 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der am 14. Oktober 2009 protokollierte Prozessvergleich sei in prozessualer und materiell-rechtlicher Hinsicht wirksam geschlossen worden und könne auch nicht nachträglich mehr in seiner Wirksamkeit eingeschränkt werden. Der Umstand, dass der Kläger nunmehr vortrage, im Zeitpunkt der vergleichsweisen Einigung nicht sicher gewesen zu sein, wann der Vermögensfreibetrag unterschritten worden sei, gehe zu seinen Lasten. Denn ihm sei auch durch den vorangegangenen Hinweis der Vorsitzenden klar gewesen, dass vor dem vereinbarten Zeitpunkt Leistungen nicht gewährt würden. Der Vergleich sei ohne Widerrufsvorbehalt abgeschlossen worden. Auch hätten sich die dem Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse nicht nachträglich geändert. Auch die zur Umsetzung des Vergleichs erlassenen Bescheide seien rechtmäßig.
Gegen das ihm am mit Postzustellungsurkunde vom 21. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Januar 2011 Berufung eingelegt, mit der er zunächst sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Er sei durch den Vergleich unangemessen benachteiligt. Im Übrigen habe der Beklagte die ihm zustehenden Leistungen nicht richtig berechnet. Ihm stünden monatlich 902,08 EUR zu (359,- EUR Regelleistung + 458,08 EUR Kosten der Unterkunft [Zinsen für die Eigentumswohnung + Grundsteuer + Hausgeld - Lastenzuschuss: 2]).
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. November 2010 wird aufgehoben. Die die Bescheide vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 monatlich noch weitere 105,- EUR als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Vorbringen der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist im Umfang des zuletzt gestellten Antrags begründet.
Streitgegenstand sind nur die Bescheide vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009, nicht hingegen der Bescheid vom 28. Dezember 2009, mit dem die Beklagte die Überprüfung aller bis dahin ergangenen Bescheide nach § 44 SGB X abgelehnt hat. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nur um die Frage der richtigen Umsetzung des vergleichsweise Vereinbarten, so dass es sich nicht um einen umfassenden Höhenstreit handelt, der sich mit dem Streitgegenstand des Verfahrens nach § 44 SGB X (teilweise) deckt.
Soweit sich der Kläger gegen den Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide wendet, hat er grundsätzlich ein berechtigtes, rechtlich geschütztes Interesse, in einem (neuen) Klageverfahren im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage klären zu lassen, ob die angefochtenen Bescheide mit dem Vergleich übereinstimmen und ob die dagegen vorgebrachten Einwendungen berechtigt sind.
Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden die vergleichsweise Einigung nicht in vollem Umfang rechtsfehlerfrei umgesetzt.
Gemäß § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift u.a. des Gerichts, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder teilweise zu erledigen, einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein Vergleich liegt vor, wenn eine zwischen den Beteiligten bestehende Ungewissheit durch beiderseitiges Nachgeben beseitigt wird (vgl. § 54 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]).
Der Kläger und der Beklagte haben sich im Streit um den Beginn des Leistungsanspruchs des Klägers vergleichsweise auf den 1. Oktober 2009 geeinigt. Der Vergleich genügt den prozessualen und materiell-rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen an einen gerichtlichen Vergleich (vgl. im Einzelnen Leithterer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 101 Rn. 7b ff), ist insbesondere ordnungsgemäß protokolliert (§ 202 SGG i.V.m. §§ 160, 162 Zivilprozessordnung [ZPO]) und weder anfechtbar, nichtig noch widerruflich. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). Die gegen den Leistungsbeginn und die Höhe des Freibetrags zunächst vorgebrachten Einwände des Klägers sind nicht beachtlich, weshalb er zuletzt auch daran nicht mehr festgehalten hat.
Rechnerisch hat der Beklagte jedoch die vergleichsweise vereinbarte Leistungsgewährung an den Kläger nicht zutreffend umgesetzt.
Vergleichsweise war folgende Berechnung vereinbart:
Regelleistung (359,- EUR aktuell) + Kosten der Unterkunft (Zinsen für die Eigentumswohnung + Grundsteuer + Hausgeld abzüglich Lastenzuschuss: 2)
Der Beklagte hat wie folgt gerechnet:
359,- EUR Grundsicherungsleistung - 210,- EUR Lastenzuschuss = 149,- EUR Grundsicherungsleistung. Kosten der Unterkunft: 5.453,92 EUR jährliche Zinsen: 2 (da dem Kläger wegen des Zusammenwohnens mit seiner Großmutter nur die hälftigen Kosten der Unterkunft zustünden) = 2.726,96 EUR: 12 = 227,24 EUR monatliche Zinsen + Grundsteuer 30,30 EUR + Hausgeld 70,47 EUR = 328,01 EUR Kosten der Unterkunft. = Gesamtanspruch pro Monat: 477,01 EUR
Nach dem Vergleich muss jedoch wie folgt gerechnet werden (Rechenregel: "Punkt vor Strich"):
359,- EUR + Kosten der Unterkunft (227,24 EUR Zinsen + 30,30 EUR Grundsteuer + 70,47 EUR Hausgeld - 210,- EUR: 2) = 359,- EUR + (227,24 EUR + 30,30 EUR + 70,47 EUR) - 210,- EUR: 2 = 359,- + 328,01 - 105,- EUR = Gesamtanspruch pro Monat: 582,01 EUR
Soweit der Beklagte auf Hinweis des Gerichts eingewendet hat, man sei sich mit dem Kläger einig gewesen, dass ihm die Kosten der Unterkunft nur zur Hälfte zustünden und sehe sich deshalb nicht zu einer Neuberechnung veranlasst, stehen diese Argumente der vom Gericht als in Übereinstimmung mit dem Vergleich und damit in diesem Sinne als "richtig" erachteten Berechnung nicht entgegen. Denn ebenso wenig, wie der Kläger mit seinem Einwand hätte gehört werden können, er habe schon zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf SGB II - Leistungen gehabt, kann sich der Beklagte darauf berufen, abweichend von der vergleichsweisen Einigung die Leistungen zu berechnen, mag insoweit eine Einigkeit bestanden haben oder auch nicht.
Dem Senat steht es im vorliegenden Verfahren nicht zu, die inhaltliche Richtigkeit der vergleichsweisen Einigung zu überprüfen. Denn der Vergleich war für beide Seiten unwiderruflich und auch seitens des Beklagten sind keine Gesichtspunkte geltend gemacht worden bzw. ersichtlich, die zur Anfechtung, dem Widerruf berechtigen würden oder einen nachträglichen Wegfall der Vergleichsgrundlage begründen lassen. Bei dem vom Beklagten Vorgebrachten handelt es sich allenfalls um einen hier unbeachtlichen Motivirrtum beim Vergleichsabschluss. An dem Vergleich und damit auch an der darin vereinbarten Berechnungsweise muss er sich jedoch ebenso wie der Kläger festhalten lassen.
Damit stehen dem Kläger monatlich Leistungen in Höhe von 582,01 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 zu, die unter Anrechnung der bereits gewährten 477,01 EUR monatlicher Gesamtleistung zu einer Nachzahlung von 105,- EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Im Streit steht noch die Auslegung des am 14. Oktober 2009 vor dem Sozialgericht Heilbronn abgeschlossenen Vergleichs hinsichtlich der Berechnung der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Zwischen den Beteiligten stand im Verfahren S 3 AS 2973/08 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) im Streit, ob dem am 17. Juli 1969 geborenen Kläger unter Berücksichtigung seines Vermögens auf seinen Antrag vom 10. Juni 2008 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zustehen. Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Großmutter eine in seinem Eigentum stehende, 110 qm große Wohnung. Der Antrag war mit Bescheid vom 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2008 zurückgewiesen worden. Dagegen hatte der Kläger Klage zum SG erhoben. In der nichtöffentlichen Sitzung vor dem SG vom 14. Oktober 2009 gab der Kläger umfassend Auskunft zu den derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zum Wert der von ihm bewohnten Eigentumswohnung. Auf Frage, wann etwa der Grundfreibetrag von 6.750,- EUR mit Aktien, Geldern auf Konten und dem Wertpapiersparvertrag unterschritten worden sei, gab der Kläger an, dies müsse etwa August/September 2009 gewesen sein. Nach weiterer Erörterung schlossen die Beteiligten daraufhin den (unwiderruflichen) Vergleich dahin, dass sich die Beklagte bereit erklärte, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II darlehensweise, beginnend ab 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 zu bewilligen. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
Der Vergleich lautete im Wortlaut:
"1. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II darlehensweise beginnend ab dem 1.10.2009 bis 31.3.2010 zu bewilligen. Die Höhe des Anspruchs setzt sich aus der Regelleistung (359,- EUR aktuell) + Kosten der Unterkunft (Zinsen für die Eigentumswohnung + Grundsteuer + Hausgeld abzüglich Lastenzuschuss: 2) zusammen. 2. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt."
Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Mit Fax vom 22. Oktober 2009 übersandte der Kläger die vom Beklagten angeforderten Nachweise über Wertpapierveräußerungen, den Tilgungsplan sowie weitere Unterlagen und wies ergänzend darauf hin, dass die "Grundfreibetragsgrenze von 6.750,- EUR" bereits am 13. Juli 2009 unterschritten worden und auch eine höhere Freibetragsgrenze anzusetzen sei.
Mit Bescheiden vom 29. Oktober 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab 1. Oktober 2009 darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 149,- EUR monatlich sowie Kosten für Unterkunft und Heizung von 328,01 EUR. Der Beklagte berechnete die Leistungen wie folgt: 359,- EUR Grundsicherungsleistung - 210,- EUR Lastenzuschuss = 149,- EUR Grundsicherungsleistung. Kosten der Unterkunft: 5.453,92 EUR jährliche Zinsen: 2 (da dem Kläger wegen des Zusammenwohnens mit seiner Großmutter nur die hälftigen Kosten der Unterkunft zustünden) = 2.726,96 EUR: 12 = 227,24 EUR monatliche Zinsen + Grundsteuer 30,30 EUR + Hausgeld 70,47 EUR = 328,01 EUR Kosten der Unterkunft.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, er habe bereits mitgeteilt, dass er die Vermögensfreibetragsgrenze schon am 13. Juli 2009 und damit vor seinem 40. Geburtstag unterschritten habe. Ihm stünden daher ab Juli 2009 Leistungen zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück unter Verweis auf den abgeschlossenen Prozessvergleich.
Dagegen hat der Kläger am 1. Dezember 2009 Klage zum SG erhoben und ausgeführt, im damaligen Termin habe er nicht aus dem Stehgreif sagen können, wann der Vermögensschonbetrag unterschritten worden sei. Dies habe er mittlerweile aber belegen können. Er verlange die Umwandlung der darlehensweisen Leistungsgewährung in eine endgültige. Im Übrigen habe sein Vermögen infolge der realen Aktienverluste, die ihm niemand erstattet habe, faktisch keinen Wert gehabt. Er weise außerdem auf § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hin. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 hat der Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X abgelehnt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2010 wandelte der Beklagte u.a. das Darlehen in einen Zuschuss um.
Mit Urteil vom 26. November 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der am 14. Oktober 2009 protokollierte Prozessvergleich sei in prozessualer und materiell-rechtlicher Hinsicht wirksam geschlossen worden und könne auch nicht nachträglich mehr in seiner Wirksamkeit eingeschränkt werden. Der Umstand, dass der Kläger nunmehr vortrage, im Zeitpunkt der vergleichsweisen Einigung nicht sicher gewesen zu sein, wann der Vermögensfreibetrag unterschritten worden sei, gehe zu seinen Lasten. Denn ihm sei auch durch den vorangegangenen Hinweis der Vorsitzenden klar gewesen, dass vor dem vereinbarten Zeitpunkt Leistungen nicht gewährt würden. Der Vergleich sei ohne Widerrufsvorbehalt abgeschlossen worden. Auch hätten sich die dem Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse nicht nachträglich geändert. Auch die zur Umsetzung des Vergleichs erlassenen Bescheide seien rechtmäßig.
Gegen das ihm am mit Postzustellungsurkunde vom 21. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Januar 2011 Berufung eingelegt, mit der er zunächst sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Er sei durch den Vergleich unangemessen benachteiligt. Im Übrigen habe der Beklagte die ihm zustehenden Leistungen nicht richtig berechnet. Ihm stünden monatlich 902,08 EUR zu (359,- EUR Regelleistung + 458,08 EUR Kosten der Unterkunft [Zinsen für die Eigentumswohnung + Grundsteuer + Hausgeld - Lastenzuschuss: 2]).
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. November 2010 wird aufgehoben. Die die Bescheide vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 monatlich noch weitere 105,- EUR als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Vorbringen der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist im Umfang des zuletzt gestellten Antrags begründet.
Streitgegenstand sind nur die Bescheide vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009, nicht hingegen der Bescheid vom 28. Dezember 2009, mit dem die Beklagte die Überprüfung aller bis dahin ergangenen Bescheide nach § 44 SGB X abgelehnt hat. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nur um die Frage der richtigen Umsetzung des vergleichsweise Vereinbarten, so dass es sich nicht um einen umfassenden Höhenstreit handelt, der sich mit dem Streitgegenstand des Verfahrens nach § 44 SGB X (teilweise) deckt.
Soweit sich der Kläger gegen den Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide wendet, hat er grundsätzlich ein berechtigtes, rechtlich geschütztes Interesse, in einem (neuen) Klageverfahren im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage klären zu lassen, ob die angefochtenen Bescheide mit dem Vergleich übereinstimmen und ob die dagegen vorgebrachten Einwendungen berechtigt sind.
Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden die vergleichsweise Einigung nicht in vollem Umfang rechtsfehlerfrei umgesetzt.
Gemäß § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift u.a. des Gerichts, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder teilweise zu erledigen, einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein Vergleich liegt vor, wenn eine zwischen den Beteiligten bestehende Ungewissheit durch beiderseitiges Nachgeben beseitigt wird (vgl. § 54 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]).
Der Kläger und der Beklagte haben sich im Streit um den Beginn des Leistungsanspruchs des Klägers vergleichsweise auf den 1. Oktober 2009 geeinigt. Der Vergleich genügt den prozessualen und materiell-rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen an einen gerichtlichen Vergleich (vgl. im Einzelnen Leithterer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 101 Rn. 7b ff), ist insbesondere ordnungsgemäß protokolliert (§ 202 SGG i.V.m. §§ 160, 162 Zivilprozessordnung [ZPO]) und weder anfechtbar, nichtig noch widerruflich. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). Die gegen den Leistungsbeginn und die Höhe des Freibetrags zunächst vorgebrachten Einwände des Klägers sind nicht beachtlich, weshalb er zuletzt auch daran nicht mehr festgehalten hat.
Rechnerisch hat der Beklagte jedoch die vergleichsweise vereinbarte Leistungsgewährung an den Kläger nicht zutreffend umgesetzt.
Vergleichsweise war folgende Berechnung vereinbart:
Regelleistung (359,- EUR aktuell) + Kosten der Unterkunft (Zinsen für die Eigentumswohnung + Grundsteuer + Hausgeld abzüglich Lastenzuschuss: 2)
Der Beklagte hat wie folgt gerechnet:
359,- EUR Grundsicherungsleistung - 210,- EUR Lastenzuschuss = 149,- EUR Grundsicherungsleistung. Kosten der Unterkunft: 5.453,92 EUR jährliche Zinsen: 2 (da dem Kläger wegen des Zusammenwohnens mit seiner Großmutter nur die hälftigen Kosten der Unterkunft zustünden) = 2.726,96 EUR: 12 = 227,24 EUR monatliche Zinsen + Grundsteuer 30,30 EUR + Hausgeld 70,47 EUR = 328,01 EUR Kosten der Unterkunft. = Gesamtanspruch pro Monat: 477,01 EUR
Nach dem Vergleich muss jedoch wie folgt gerechnet werden (Rechenregel: "Punkt vor Strich"):
359,- EUR + Kosten der Unterkunft (227,24 EUR Zinsen + 30,30 EUR Grundsteuer + 70,47 EUR Hausgeld - 210,- EUR: 2) = 359,- EUR + (227,24 EUR + 30,30 EUR + 70,47 EUR) - 210,- EUR: 2 = 359,- + 328,01 - 105,- EUR = Gesamtanspruch pro Monat: 582,01 EUR
Soweit der Beklagte auf Hinweis des Gerichts eingewendet hat, man sei sich mit dem Kläger einig gewesen, dass ihm die Kosten der Unterkunft nur zur Hälfte zustünden und sehe sich deshalb nicht zu einer Neuberechnung veranlasst, stehen diese Argumente der vom Gericht als in Übereinstimmung mit dem Vergleich und damit in diesem Sinne als "richtig" erachteten Berechnung nicht entgegen. Denn ebenso wenig, wie der Kläger mit seinem Einwand hätte gehört werden können, er habe schon zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf SGB II - Leistungen gehabt, kann sich der Beklagte darauf berufen, abweichend von der vergleichsweisen Einigung die Leistungen zu berechnen, mag insoweit eine Einigkeit bestanden haben oder auch nicht.
Dem Senat steht es im vorliegenden Verfahren nicht zu, die inhaltliche Richtigkeit der vergleichsweisen Einigung zu überprüfen. Denn der Vergleich war für beide Seiten unwiderruflich und auch seitens des Beklagten sind keine Gesichtspunkte geltend gemacht worden bzw. ersichtlich, die zur Anfechtung, dem Widerruf berechtigen würden oder einen nachträglichen Wegfall der Vergleichsgrundlage begründen lassen. Bei dem vom Beklagten Vorgebrachten handelt es sich allenfalls um einen hier unbeachtlichen Motivirrtum beim Vergleichsabschluss. An dem Vergleich und damit auch an der darin vereinbarten Berechnungsweise muss er sich jedoch ebenso wie der Kläger festhalten lassen.
Damit stehen dem Kläger monatlich Leistungen in Höhe von 582,01 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 zu, die unter Anrechnung der bereits gewährten 477,01 EUR monatlicher Gesamtleistung zu einer Nachzahlung von 105,- EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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