Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 02579/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 304/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.03.2002 und der Bescheid vom 7.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9.2001 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 16.134,91 DM aufheben durfte und der Kläger diesen Betrag zu erstatten hat.
Der 43 geborene, verheiratete, kinderlose Kläger war 1957 bis 31.12.98 als Techniker bei der Firma J. D. in M. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 416.809,- DM. In den beim Ausscheiden abgerechneten Monaten Januar 1998 bis Dezember 1998 erzielte er Arbeitsentgelt in Höhe von 98.118,00 DM. Am 11.11.1998 meldete er sich beim Arbeitsamt (AA) Mannheim arbeitslos und beantragte Alg. Er legte die Lohnsteuerkarte 1999 mit dem Eintrag der Streuerklasse III vor. Er bestätigte, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Das AA bewilligte nach Ablauf einer Sperrzeit und eines Ruhenszeitraums ab 08.01.2000 Alg nach Leistungsgruppe C in Höhe von zunächst wöchentlich 702,31 DM (wöchentliches Bemessungsentgelt 1910,00 DM; allgemeiner Leistungssatz, Leistungstabelle 2000). In der Folgezeit zahlte das AA Alg wie folgt, wobei es die genannten Bemessungsfaktoren zugrunde legte:
Bescheid vom Zahlbetrag wöchentlich Änderung Änderungsgrund 26.7 2000 732,27 DM Bemessungsentgelt 2010,00 DM Berücksichtigung von Einmalzahlungen Ohne Datum Aufhebung der Bewilligung ab 10.10.2000 Kuraufenthalt 15.12.2000 732,27 DM Wiederbewilligung 26.1.2001 760,27 DM Bemessungsentgelt 2030,00 DM Dynamisierung, Leistungsverordnung 2001
Der Leistungsanspruch auf Alg war ab 07.05.2001 erschöpft.
Im Anschluss beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im April 2001 teilte er dem AA mit, dass er zum 01.06.1999 seine Lohnsteuerkarte von Lohnsteuerklasse III in V habe ändern lassen. Diese Änderung sei auf den Rat seines Steuerberaters erfolgt, da seine Frau seit Mitte 1999 eine Tätigkeit auf 630,- DM-Basis ausgeübt und er im Jahr 1999 keinerlei Einkünfte gehabt habe. Diese Tätigkeit seiner Ehefrau sei im April 2000 dauerhaft aus krankheitsbedingten Gründen beendet worden. In Unkenntnis der Auswirkungen der Steuerklasse auf die Leistungen der Arbeitsverwaltung habe er die erneute Änderung der Steuerklasse unterlassen und erstmals seit Februar 2001 vornehmen lassen. Bei Kenntnis der rechtlichen Situation, die ihm jetzt erstmals dargestellt worden sei, hätte er aus leicht nachvollziehbaren Gründen die Änderungen der Steuerklassen niemals durchführen lassen. Ab 1.2.2001 war auf seiner Steuerkarte 2001 wieder die Steuerklasse III eingetragen.
Mit Bescheid vom 07.08.2001 hob das AA die Bewilligung von Alg vom 08.01.2000 teilweise in Höhe des Differenzbetrags zwischen Leistungsgruppe C und D auf und forderte das zu Unrecht erhaltene Alg in Höhe von 16.659,91 DM zurück. Der Kläger habe die Änderung nicht rechtzeitig mitgeteilt.
Der Kläger erhob Widerspruch: Es sei richtig, dass er die Änderung ab Beginn des Bezugs von Alg im Januar 2000 nicht angezeigt habe. Die Voraussetzungen der Steuerklasse IV seien jedoch nur bis Ende April 2000 gegeben gewesen. Seit dieser Zeit sei seine Ehefrau aufgrund einer schweren Erkrankung dauerhaft nicht mehr arbeitsfähig, sodass seit diesem Zeitpunkt für ihn allein die Steuerklasse III maßgeblich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2001 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als es die Rückforderung auf 16.134,91 DM reduzierte; im Übrigen wies es den Widerspruch zurück. Der Kläger habe dem AA den Steuerklassenwechsel erst am 03.04.2001 mitgeteilt, sodass ab Beginn der Bewilligung Leistungen nach Leistungsgruppe C gezahlt worden seien, obwohl die Leistungen nach Leistungsgruppe D zugestanden hätten. Dem Merkblatt für Arbeitslose sei zu entnehmen, dass jede Änderung der Steuerklasse unverzüglich mitzuteilen sei.
Am 16.10.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben: Aufgrund eines sachlich nicht gerechtfertigten Rats seines Steuerberaters sei ein Wechsel der Steuerklasse im Juli 1999 erfolgt. Seine Ehefrau, die schwer erkrankt sei, habe bereits seit dem 30.04.2000 bis heute überhaupt kein Einkommen mehr. Da er wegen der bösartigen Erkrankung seiner Ehefrau sehr besorgt gewesen sei und diese auch während einer langwierigen Chemotherapie betreut habe, habe er verständlicher Weise in dieser schweren Zeit nicht an die Steuerklasse und deren Änderung gedacht. Es sei eindeutig, dass der vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel nicht tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe. Die Steuerklasse IV sei für einen höherverdienenden Ehegatten bei der Steuerklassenwahl des geringer verdienenden Ehegatten immer unzweckmäßig. Wenn § 137 Abs. 4 Nr. 2 SGB III den Steuerklassenwechsel unbeachtet lasse, falls sich aus der unzutreffenden Steuerklassenwahl ein geringeres Alg ergebe, sei diese Regelung verfassungswidrig, da sie den Eigentumsschutz des Art. 14 GG verletze. Im Übrigen bestehe auch Vertrauensschutz, denn er sei von der Rechtmäßigkeit der Bewilligung ausgegangen und habe die Leistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verbraucht. Schließlich sei er Alleinernährer seit Ende April 2000 gewesen und nur während eines geringen Zeitraums von knapp vier Monaten habe seine Ehefrau ein geringfügiges Einkommen erzielt. Der Kläger hat Nachweise über Einkünfte seiner Ehefrau vorgelegt. Hiernach hat sie in der Zeit vom 1.1.2000 bis 30.4.2000 2395,00 DM erzielt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten: Der Kläger habe in seinem Antrag auf Alg versichert, Änderungen unverzüglich anzuzeigen. Für die unverzügliche Mitteilungspflicht sei er auch über das ihm ausgehändigte Merkblatt informiert worden. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da er unvollständige Angaben gemacht habe.
Mit Urteil vom 15.3.2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von Alg ab 08.01.2000 teilweise zurückgenommen. Die Bewilligung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, dem Kläger hätte die Leistung nach Leistungsgruppe D zugestanden und nicht die höhere Leistung nach Leistungsgruppe C. Der vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel sei wirksam gewesen, weil sich eine geringere Leistung ergeben habe. Der Kläger sei auch vor der Rücknahme nicht geschützt, er habe den Wechsel der Lohnsteuerklasse dem AA pflichtwidrig nicht mitgeteilt. Insoweit sei ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, denn im Merkblatt sei auf diese Verpflichtung hingewiesen worden.
Gegen das ihm am 28.3.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.4.2002 Berufung eingelegt: Der Steuerklassenwechsel sei unzweckmäßig gewesen. Es fehle schon an der Rechtswidrigkeit der Bewilligung. Die Regelung, wonach sich ein Steuerklassenwechsel, aus dem ein niedrigerer Leistungssatz folge, immer wirksam sei, sei verfassungswidrig. Es fehle aber auch an der groben Fahrlässigkeit, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Mitteilungspflicht beim Steuerklassenwechsel ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.3.2002 und den Bescheid vom 07.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9. 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das BSG habe seine Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit beim Steuerklassenwechsel darauf gestützt, das Merkblatt für Arbeitslose verpflichte lediglich zur Meldung eines bereits vollzogenen Steuerklassenwechsels. Im Hinblick auf die Folgen wäre es jedoch erforderlich, den Arbeitslosen darauf aufmerksam zumachen, dass er vor der Änderung um eine Beratung nachsuche. Das Merkblatt, welches der Kläger erhalten habe, enthalte einen entsprechenden Hinweis. Dort heiße es "bitte holen Sie sich deshalb vorher Rat ein". Daher sei dem Kläger auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.3.2002 ist aufzuheben. Der Bescheid vom 07.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9.2001 ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte die Bewilligung von Alg zurückgenommen und Leistungen zurückgefordert.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung von Alg ist § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III. Hiernach ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter anderem dann mit der Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass ein Vertrauensschutz besteht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X) oder wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte und oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Ermessen ist bei dieser Entscheidung nicht auszuüben (§ 330 Abs. 2 SGB III).
Die Bewilligungen von Alg sind bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte bei der Berechnung der Leistung die Leistungsgruppe C statt der Leistungsgruppe D zugrundegelegt hat.
Nach § 129 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose ohne Kinder 60 % des pauschalierten Nettoentgeltes (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Beinessungsentgelt). Leistungsentgelt ist dabei das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmers gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs. 1 SGB III). Entgeltabzüge sind Steuern, die Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie die sonstigen gewöhnlich anfallenden Abzüge, die zu Beginn des Kalenderjahres maßgeblich sind (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Dabei ist zu Grunde zu legen für die Lohnsteuer die Steuer, die sich nach der für den Arbeitslosen maßgeblichen Leistungsgruppe ergibt (§ 136 Abs. 2 Satz Nr. 1 SGB III).
Zuzuordnen sind nach § 137 Abs. 2 SGB III 1. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I oder IV eingetragen ist, der Leistungsgruppe A, 2. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse II eingetragen ist, der Leistungsgruppe B, 3. Arbeitnehmer, a) auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist oder b) die von ihrem im Ausland lebenden und daher nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, wenn sie darlegen und nachweisen, dass der Arbeitslohn des Ehegatten weniger als 40 Prozent des Arbeitslohns beider Ehegatten beträgt, wobei bei der Bewertung des Arbeitslohns des Ehegatten die Einkommensverhältnisse des Wohnsitzstaates zu berücksichtigen sind, der Leistungsgruppe C, 4. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, der Leistungsgruppe D sowie 5. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse VI eingetragen ist, weil sie noch aus einem weiteren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen, der Leistungsgruppe E.
Gewöhnlicher Lohnsteuerabzug ist gem. § 136 Abs. 3 SGB III 1. in Leistungsgruppe A die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse I, 2. in Leistungsgruppe B die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse II, 3. in Leistungsgruppe C die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse III, 4. in Leistungsgruppe D die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse V sowie 5. in Leistungsgruppe E die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse VI.
Die Zuordnung richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Das gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 137 Abs. 3 SGB III).
Haben Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nach § 137 Abs. 4 SGB III von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder 2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer ist, als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht.
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Regelungen ist die ab 1.2.2000 eingetragene Steuerklasse V und damit die Leistungsgruppe D maßgeblich gewesen. Zwar sind die Voraussetzungen des § 137 Abs. 4 Nr. 1 SGB III nicht erfüllt, weil die Ehefrau des Klägers eine Beschäftigung nicht bzw. nur auf 630,00 DM-Basis ausgeübt hat und deshalb die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten nicht entsprochen haben. Die Eintragung der Lohnsteuerklasse III beim Kläger und V bei seiner Ehefrau hätte in Anbetracht des ausgefallenen Arbeitseinkommens des Klägers in Höhe von ca. 8.000,00 DM monatlich zweifellos zum geringsten Steuerabzug geführt. Indessen ergibt sich aufgrund der ab 01.02.2000 gewählten Lohnsteuerklasse V ein niedrigerer Leistungsanspruch des Klägers, sodass die Voraussetzungen von § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III vorliegen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die seit 1.1.1998 geltende Vorschrift des § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III hat der Senat nicht. Die Neuregelung hat der Gesetzgeber damit begründet, dass hierdurch stärker als bisher Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung verhindert werden sollen (vgl. BT-Drs. 13/4941 S. 179 zu § 137). Daneben bezweckt die Vorschrift auch eine Entlastung der Verwaltung. Die Anlehnung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuersystem ist nach gefestigter Rechtsprechung verfassungsrechtlich zulässig und im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion des Alg sachlich gerechtfertigt. Funktion des Alg ist es, dem Arbeitslosen angemessenen Ersatz für den Ausfall zu leisten, den er dadurch erleidet, dass er gegenwärtig keinen bezahlten Arbeitsplatz findet (BVerfGE 51, 115, 125). Es ist deshalb grundsätzlich sachgerecht, bei der Bemessung des Alg an den Nettolohnausfall anzuknüpfen, den der Arbeitslose infolge der Arbeitslosigkeit erleidet. Darüber hinaus erfordert die existenzsichernde Natur des Alg, dass die Feststellung der Leistungshöhe und die Auszahlung beschleunigt erfolgen. Das zwingt schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu einfachen Maßstäben bei der Leistungsberechnung. Die darin liegende Pauschalierung bei der Bemessung von Alg ist dem Gesetzgeber als typisierende Regelung bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich erlaubt (BVerfGE 17, 1, 25; BVerfGE 63, 255, 261ff = SozR 4100 § 111 Nr 6; BVerfG SozR 3-4100 § 111 Nr 2). Die Neuregelung dient auch der Verwaltungsvereinfachung und damit der schnellen Entscheidung über die Leistung, indem sie in einer Vielzahl von Fällen die Arbeitsverwaltung von aufwändigen Ermittlungen und Berechnungen entlastet. Die negativen Folgen eines Steuerklassenwechsel sind zudem leicht zu vermeiden, denn dieser beruht auf einem freiwilligen Entschluss des Leistungsempfängers.
Ab 01.06.1999 ist durch den Wechsel der Lohnsteuerklasse in den Verhältnissen demnach eine Änderung eingetreten, die, weil sie vor Erlass der Bewillungsbescheide eingetreten ist, zu deren Rechtswidrigkeit von Beginn an geführt hat.
Die Bewilligungsentscheidungen beruhten auch auf unvollständigen Angaben. Zwar waren die Angaben hinsichtlich der Lohnsteuerklasse bei Antragstellung zunächst zutreffend und vollständig. Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung ist auf der Steuerkarte die Steuerklasse III eingetragen gewesen. Indessen ist der Kläger verpflichtet gewesen, die Änderung der Steuerklasse gegenüber dem AA mitzuteilen. Er ist nach § 60 SGB I verpflichtet gewesen, sämtliche Änderungen mitzuteilen. Dies gilt nicht nur im laufenden Leistungsbezug, sondern auch für denjenigen, der Leistungen beansprucht. Insbesondere sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I Änderungen gegenüber dem Antrag angegebenen Verhältnissen grundsätzlich mitzuteilen, ohne dass dem Leistungsempfänger klar sein muss, welche Bedeutung die Änderungen haben. Die Änderung der Steuerklasse, zu der er Angaben im Antrag gemacht hat, hat er nicht mitgeteilt. Dadurch sind die Angaben zum Zeitpunkt der Entscheidung unvollständig geworden.
Allerdings ist ihm grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Verletzung der Mitteilungspflichten und damit der Unvollständigkeit der Angaben nicht vorzuwerfen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten. Unter Berücksichtigung dessen erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass er den Inhalt der ihm übergebenen Merkblätter zur Kenntnis nimmt und, abhängig von den Umständen Einzelfalls, im Zweifelsfall bei der Beklagten nachfragt. Im Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger bestätigt hat, ist aufgeführt, dass es im Fall, dass sich die Steuerklasse - aus welchem Grund auch immer - ändert, wichtig ist, dass sofort das AA benachrichtigt wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger persönlich diese Maßstäbe nicht hätte gerecht werden können sind nicht ersichtlich. Solche ergeben sich auch nicht aus der Erkrankung seiner Ehefrau. Nach eigenem Vortrag ist er in der Lage gewesen, den Steuerberater aufzusuchen, um sich beraten zulassen. Dies zeigt, dass er genauso in der Lage gewesen wäre, die Änderung dem AA mitzuteilen.
Allerdings kann für die Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit die Funktion des Steuerklassenwechsels im Steuerrecht nicht unberücksichtigt bleiben (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 29.8.2002 - B 11AL87/01R -): Im Einkommensteuerrecht ist der Lohnsteuerklassenwechsel, der allgemein dazu dient, die aktuelle Lohnsteuerbelastung möglichst nahe an der zu erwartenden Jahreslohnsteuer zu halten, für den Fall, dass bei einem Ehegatten Arbeitslohn völlig entfällt, besonders erleichtert. Denn nach § 38b Satz 2 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG gehören in die Steuerklasse III Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte keinen Arbeitslohn bezieht. Während Ehegatten, die beide in einem Arbeitsverhältnis stehen, eine Änderung der Steuerklasse nur einmal im Laufe des Kalenderjahres beantragen können (§ 39 Abs. 5 Satz 3 EStG), gilt diese Einschränkung nicht, wenn ein Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn mehr bezieht (vgl. auch die Lohnsteuer-Richtlinien 109 Abs. 5 Satz 5). Geht das Steuerrecht somit davon aus, dass dem Ehegatten bei Eintritt von Arbeitslosigkeit ein Wechsel in die zweckmäßige Steuerklassenkombination ermöglicht werden muss, so muss er nicht damit rechnen, dass er deswegen leistungsrechtlich in jedem Falle Nachteile hinzunehmen hat. Für die Gemeinde oder das Finanzamt als die zuständigen Finanzbehörden ist der Lohnsteuerklassenwechsel aus der Sicht des Einkommensteuerrechts geboten.
Angesichts dieser steuerrechtlichen Bewertung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten muss ein Arbeitsloser, der wie der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ein erheblich höheres Arbeitsentgelt als seine Ehefrau erzielt hatte, nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde. Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger ein Merkblatt für Arbeitslose erhalten hat. Die Beklagte verpflichtet darin den Betroffenen lediglich zur Meldung eines bereits vollzogenen Lohnsteuerklassenwechsels. Im Hinblick auf die Folgen des Lohnsteuerklassenwechsels hätte sie aber den Betreffenden darauf aufmerksam machen müssen, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei der Beklagten suchen sollte. Denn nur bei einer Beratung vor dem Lohnsteuerwechsel können die arbeitsförderungsrechtlich schädlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels vermieden werden. Der in den Merkblättern in den seit 1.1.1998 geltenden Fassungen - also auch in den Merkblättern, wie sie der Kläger halten hat - enthaltene allgemeine Hinweis, der Arbeitslose solle sich beraten lassen, genügt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall. Der Kläger hat sich beraten lassen, allerdings durch einen Steuerberater, der hinreichende Aufklärung über die leistungsrechtlichen Konsequenzen bei der Arbeitslosenversicherung offensichtlich nicht hat geben können. Erforderlich wäre insoweit eine Beratung durch das AA. Dem muss der Hinweis entsprechen. Die Meldung nach der Vornahme eines Lohnsteuerklassenwechsels kann angesichts der Regelung in § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr 2 SGB III nur noch dazu dienen, die leistungsrechtlichen Folgerungen aus der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu ziehen. Deshalb genügt der Hinweis im Merkblatt nicht, den Schluss auf die grobfahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht zuzulassen.
Im Übrigen beruhen die Bewilligungsentscheidungen nicht auf den unvollständigen Angaben. Hätte der Kläger pflichtgemäß den Steuerklassenwechsel angezeigt, hätte er im Ergebnis Alg ebenfalls nach Leistungsgruppe C erhalten. Anders als in den vom BSG bisher entschiedenen Fällen ist vorliegend die Steuerklasse nicht im laufenden Leistungsbezug geändert worden, sondern erhebliche Zeit vor Beginn der Zahlung des Alg. Die Rechtsprechung des BSG ist von dem Gedanken getragen, dass die Beklagte durch rechtzeitige Beratung vor Änderung der Steuerklasse den Arbeitslosen vor den möglicherweise schwerwiegenden Folgen für den Leistungsbezug beraten muss. Nichts anderes kann gelten, wenn der Steuerklassenwechsel vor Beginn des Leistungsbezugs erfolgt und eine Korrektur noch möglich ist, bevor die Änderung Auswirkungen auf die Leistungshöhe hat. Hieraus folgt: Hätte der Kläger pflichtgemäß die Änderung der Steuerklasse unverzüglich mitgeteilt, hätte die Beklagte auf die negativen Folgen hinweisen müssen. Bei der gegebenen Sachlage wäre es nicht zweifelhaft gewesen, dass der Kläger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. In diesem Fall hätte er gleichfalls Leistungen nach Leistungsgruppe C erhalten, weil die Steuerklasse III die zweckmäßigere gewesen ist.
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X liegen nach alledem gleichfalls nicht vor. Dem Kläger ist es aus den vorgenannten Gründen nicht als grobfahrlässig vorzuwerfen, dass er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht erkannt hat.
Hat die Beklagte die Bewilligungen nicht zurücknehmen dürfen, liegen die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 SGB X für eine Rückforderung nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 137 Abs. 4 Nr. 2 SGB III, welche der Senat nicht teilt; Auslegung des Urteils des BSG vom 29.8.2002 - B 11 AL 87/01 R - dahingehend, dass der Hinweis auf eine Beratung durch die Beklagte gerichtet sein muss; Fall des § 45 SGB X) hat der Senat die Revision zugelassen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 16.134,91 DM aufheben durfte und der Kläger diesen Betrag zu erstatten hat.
Der 43 geborene, verheiratete, kinderlose Kläger war 1957 bis 31.12.98 als Techniker bei der Firma J. D. in M. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 416.809,- DM. In den beim Ausscheiden abgerechneten Monaten Januar 1998 bis Dezember 1998 erzielte er Arbeitsentgelt in Höhe von 98.118,00 DM. Am 11.11.1998 meldete er sich beim Arbeitsamt (AA) Mannheim arbeitslos und beantragte Alg. Er legte die Lohnsteuerkarte 1999 mit dem Eintrag der Streuerklasse III vor. Er bestätigte, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Das AA bewilligte nach Ablauf einer Sperrzeit und eines Ruhenszeitraums ab 08.01.2000 Alg nach Leistungsgruppe C in Höhe von zunächst wöchentlich 702,31 DM (wöchentliches Bemessungsentgelt 1910,00 DM; allgemeiner Leistungssatz, Leistungstabelle 2000). In der Folgezeit zahlte das AA Alg wie folgt, wobei es die genannten Bemessungsfaktoren zugrunde legte:
Bescheid vom Zahlbetrag wöchentlich Änderung Änderungsgrund 26.7 2000 732,27 DM Bemessungsentgelt 2010,00 DM Berücksichtigung von Einmalzahlungen Ohne Datum Aufhebung der Bewilligung ab 10.10.2000 Kuraufenthalt 15.12.2000 732,27 DM Wiederbewilligung 26.1.2001 760,27 DM Bemessungsentgelt 2030,00 DM Dynamisierung, Leistungsverordnung 2001
Der Leistungsanspruch auf Alg war ab 07.05.2001 erschöpft.
Im Anschluss beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im April 2001 teilte er dem AA mit, dass er zum 01.06.1999 seine Lohnsteuerkarte von Lohnsteuerklasse III in V habe ändern lassen. Diese Änderung sei auf den Rat seines Steuerberaters erfolgt, da seine Frau seit Mitte 1999 eine Tätigkeit auf 630,- DM-Basis ausgeübt und er im Jahr 1999 keinerlei Einkünfte gehabt habe. Diese Tätigkeit seiner Ehefrau sei im April 2000 dauerhaft aus krankheitsbedingten Gründen beendet worden. In Unkenntnis der Auswirkungen der Steuerklasse auf die Leistungen der Arbeitsverwaltung habe er die erneute Änderung der Steuerklasse unterlassen und erstmals seit Februar 2001 vornehmen lassen. Bei Kenntnis der rechtlichen Situation, die ihm jetzt erstmals dargestellt worden sei, hätte er aus leicht nachvollziehbaren Gründen die Änderungen der Steuerklassen niemals durchführen lassen. Ab 1.2.2001 war auf seiner Steuerkarte 2001 wieder die Steuerklasse III eingetragen.
Mit Bescheid vom 07.08.2001 hob das AA die Bewilligung von Alg vom 08.01.2000 teilweise in Höhe des Differenzbetrags zwischen Leistungsgruppe C und D auf und forderte das zu Unrecht erhaltene Alg in Höhe von 16.659,91 DM zurück. Der Kläger habe die Änderung nicht rechtzeitig mitgeteilt.
Der Kläger erhob Widerspruch: Es sei richtig, dass er die Änderung ab Beginn des Bezugs von Alg im Januar 2000 nicht angezeigt habe. Die Voraussetzungen der Steuerklasse IV seien jedoch nur bis Ende April 2000 gegeben gewesen. Seit dieser Zeit sei seine Ehefrau aufgrund einer schweren Erkrankung dauerhaft nicht mehr arbeitsfähig, sodass seit diesem Zeitpunkt für ihn allein die Steuerklasse III maßgeblich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2001 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als es die Rückforderung auf 16.134,91 DM reduzierte; im Übrigen wies es den Widerspruch zurück. Der Kläger habe dem AA den Steuerklassenwechsel erst am 03.04.2001 mitgeteilt, sodass ab Beginn der Bewilligung Leistungen nach Leistungsgruppe C gezahlt worden seien, obwohl die Leistungen nach Leistungsgruppe D zugestanden hätten. Dem Merkblatt für Arbeitslose sei zu entnehmen, dass jede Änderung der Steuerklasse unverzüglich mitzuteilen sei.
Am 16.10.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben: Aufgrund eines sachlich nicht gerechtfertigten Rats seines Steuerberaters sei ein Wechsel der Steuerklasse im Juli 1999 erfolgt. Seine Ehefrau, die schwer erkrankt sei, habe bereits seit dem 30.04.2000 bis heute überhaupt kein Einkommen mehr. Da er wegen der bösartigen Erkrankung seiner Ehefrau sehr besorgt gewesen sei und diese auch während einer langwierigen Chemotherapie betreut habe, habe er verständlicher Weise in dieser schweren Zeit nicht an die Steuerklasse und deren Änderung gedacht. Es sei eindeutig, dass der vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel nicht tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe. Die Steuerklasse IV sei für einen höherverdienenden Ehegatten bei der Steuerklassenwahl des geringer verdienenden Ehegatten immer unzweckmäßig. Wenn § 137 Abs. 4 Nr. 2 SGB III den Steuerklassenwechsel unbeachtet lasse, falls sich aus der unzutreffenden Steuerklassenwahl ein geringeres Alg ergebe, sei diese Regelung verfassungswidrig, da sie den Eigentumsschutz des Art. 14 GG verletze. Im Übrigen bestehe auch Vertrauensschutz, denn er sei von der Rechtmäßigkeit der Bewilligung ausgegangen und habe die Leistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verbraucht. Schließlich sei er Alleinernährer seit Ende April 2000 gewesen und nur während eines geringen Zeitraums von knapp vier Monaten habe seine Ehefrau ein geringfügiges Einkommen erzielt. Der Kläger hat Nachweise über Einkünfte seiner Ehefrau vorgelegt. Hiernach hat sie in der Zeit vom 1.1.2000 bis 30.4.2000 2395,00 DM erzielt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten: Der Kläger habe in seinem Antrag auf Alg versichert, Änderungen unverzüglich anzuzeigen. Für die unverzügliche Mitteilungspflicht sei er auch über das ihm ausgehändigte Merkblatt informiert worden. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da er unvollständige Angaben gemacht habe.
Mit Urteil vom 15.3.2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von Alg ab 08.01.2000 teilweise zurückgenommen. Die Bewilligung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, dem Kläger hätte die Leistung nach Leistungsgruppe D zugestanden und nicht die höhere Leistung nach Leistungsgruppe C. Der vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel sei wirksam gewesen, weil sich eine geringere Leistung ergeben habe. Der Kläger sei auch vor der Rücknahme nicht geschützt, er habe den Wechsel der Lohnsteuerklasse dem AA pflichtwidrig nicht mitgeteilt. Insoweit sei ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, denn im Merkblatt sei auf diese Verpflichtung hingewiesen worden.
Gegen das ihm am 28.3.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.4.2002 Berufung eingelegt: Der Steuerklassenwechsel sei unzweckmäßig gewesen. Es fehle schon an der Rechtswidrigkeit der Bewilligung. Die Regelung, wonach sich ein Steuerklassenwechsel, aus dem ein niedrigerer Leistungssatz folge, immer wirksam sei, sei verfassungswidrig. Es fehle aber auch an der groben Fahrlässigkeit, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Mitteilungspflicht beim Steuerklassenwechsel ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.3.2002 und den Bescheid vom 07.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9. 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das BSG habe seine Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit beim Steuerklassenwechsel darauf gestützt, das Merkblatt für Arbeitslose verpflichte lediglich zur Meldung eines bereits vollzogenen Steuerklassenwechsels. Im Hinblick auf die Folgen wäre es jedoch erforderlich, den Arbeitslosen darauf aufmerksam zumachen, dass er vor der Änderung um eine Beratung nachsuche. Das Merkblatt, welches der Kläger erhalten habe, enthalte einen entsprechenden Hinweis. Dort heiße es "bitte holen Sie sich deshalb vorher Rat ein". Daher sei dem Kläger auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.3.2002 ist aufzuheben. Der Bescheid vom 07.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9.2001 ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte die Bewilligung von Alg zurückgenommen und Leistungen zurückgefordert.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung von Alg ist § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III. Hiernach ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter anderem dann mit der Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass ein Vertrauensschutz besteht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X) oder wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte und oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Ermessen ist bei dieser Entscheidung nicht auszuüben (§ 330 Abs. 2 SGB III).
Die Bewilligungen von Alg sind bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte bei der Berechnung der Leistung die Leistungsgruppe C statt der Leistungsgruppe D zugrundegelegt hat.
Nach § 129 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose ohne Kinder 60 % des pauschalierten Nettoentgeltes (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Beinessungsentgelt). Leistungsentgelt ist dabei das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmers gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs. 1 SGB III). Entgeltabzüge sind Steuern, die Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie die sonstigen gewöhnlich anfallenden Abzüge, die zu Beginn des Kalenderjahres maßgeblich sind (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Dabei ist zu Grunde zu legen für die Lohnsteuer die Steuer, die sich nach der für den Arbeitslosen maßgeblichen Leistungsgruppe ergibt (§ 136 Abs. 2 Satz Nr. 1 SGB III).
Zuzuordnen sind nach § 137 Abs. 2 SGB III 1. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I oder IV eingetragen ist, der Leistungsgruppe A, 2. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse II eingetragen ist, der Leistungsgruppe B, 3. Arbeitnehmer, a) auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist oder b) die von ihrem im Ausland lebenden und daher nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, wenn sie darlegen und nachweisen, dass der Arbeitslohn des Ehegatten weniger als 40 Prozent des Arbeitslohns beider Ehegatten beträgt, wobei bei der Bewertung des Arbeitslohns des Ehegatten die Einkommensverhältnisse des Wohnsitzstaates zu berücksichtigen sind, der Leistungsgruppe C, 4. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, der Leistungsgruppe D sowie 5. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse VI eingetragen ist, weil sie noch aus einem weiteren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen, der Leistungsgruppe E.
Gewöhnlicher Lohnsteuerabzug ist gem. § 136 Abs. 3 SGB III 1. in Leistungsgruppe A die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse I, 2. in Leistungsgruppe B die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse II, 3. in Leistungsgruppe C die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse III, 4. in Leistungsgruppe D die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse V sowie 5. in Leistungsgruppe E die Steuer nach der Lohnsteuertabelle für die Lohnsteuerklasse VI.
Die Zuordnung richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Das gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 137 Abs. 3 SGB III).
Haben Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nach § 137 Abs. 4 SGB III von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder 2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer ist, als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht.
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Regelungen ist die ab 1.2.2000 eingetragene Steuerklasse V und damit die Leistungsgruppe D maßgeblich gewesen. Zwar sind die Voraussetzungen des § 137 Abs. 4 Nr. 1 SGB III nicht erfüllt, weil die Ehefrau des Klägers eine Beschäftigung nicht bzw. nur auf 630,00 DM-Basis ausgeübt hat und deshalb die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten nicht entsprochen haben. Die Eintragung der Lohnsteuerklasse III beim Kläger und V bei seiner Ehefrau hätte in Anbetracht des ausgefallenen Arbeitseinkommens des Klägers in Höhe von ca. 8.000,00 DM monatlich zweifellos zum geringsten Steuerabzug geführt. Indessen ergibt sich aufgrund der ab 01.02.2000 gewählten Lohnsteuerklasse V ein niedrigerer Leistungsanspruch des Klägers, sodass die Voraussetzungen von § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III vorliegen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die seit 1.1.1998 geltende Vorschrift des § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III hat der Senat nicht. Die Neuregelung hat der Gesetzgeber damit begründet, dass hierdurch stärker als bisher Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung verhindert werden sollen (vgl. BT-Drs. 13/4941 S. 179 zu § 137). Daneben bezweckt die Vorschrift auch eine Entlastung der Verwaltung. Die Anlehnung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuersystem ist nach gefestigter Rechtsprechung verfassungsrechtlich zulässig und im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion des Alg sachlich gerechtfertigt. Funktion des Alg ist es, dem Arbeitslosen angemessenen Ersatz für den Ausfall zu leisten, den er dadurch erleidet, dass er gegenwärtig keinen bezahlten Arbeitsplatz findet (BVerfGE 51, 115, 125). Es ist deshalb grundsätzlich sachgerecht, bei der Bemessung des Alg an den Nettolohnausfall anzuknüpfen, den der Arbeitslose infolge der Arbeitslosigkeit erleidet. Darüber hinaus erfordert die existenzsichernde Natur des Alg, dass die Feststellung der Leistungshöhe und die Auszahlung beschleunigt erfolgen. Das zwingt schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu einfachen Maßstäben bei der Leistungsberechnung. Die darin liegende Pauschalierung bei der Bemessung von Alg ist dem Gesetzgeber als typisierende Regelung bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich erlaubt (BVerfGE 17, 1, 25; BVerfGE 63, 255, 261ff = SozR 4100 § 111 Nr 6; BVerfG SozR 3-4100 § 111 Nr 2). Die Neuregelung dient auch der Verwaltungsvereinfachung und damit der schnellen Entscheidung über die Leistung, indem sie in einer Vielzahl von Fällen die Arbeitsverwaltung von aufwändigen Ermittlungen und Berechnungen entlastet. Die negativen Folgen eines Steuerklassenwechsel sind zudem leicht zu vermeiden, denn dieser beruht auf einem freiwilligen Entschluss des Leistungsempfängers.
Ab 01.06.1999 ist durch den Wechsel der Lohnsteuerklasse in den Verhältnissen demnach eine Änderung eingetreten, die, weil sie vor Erlass der Bewillungsbescheide eingetreten ist, zu deren Rechtswidrigkeit von Beginn an geführt hat.
Die Bewilligungsentscheidungen beruhten auch auf unvollständigen Angaben. Zwar waren die Angaben hinsichtlich der Lohnsteuerklasse bei Antragstellung zunächst zutreffend und vollständig. Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung ist auf der Steuerkarte die Steuerklasse III eingetragen gewesen. Indessen ist der Kläger verpflichtet gewesen, die Änderung der Steuerklasse gegenüber dem AA mitzuteilen. Er ist nach § 60 SGB I verpflichtet gewesen, sämtliche Änderungen mitzuteilen. Dies gilt nicht nur im laufenden Leistungsbezug, sondern auch für denjenigen, der Leistungen beansprucht. Insbesondere sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I Änderungen gegenüber dem Antrag angegebenen Verhältnissen grundsätzlich mitzuteilen, ohne dass dem Leistungsempfänger klar sein muss, welche Bedeutung die Änderungen haben. Die Änderung der Steuerklasse, zu der er Angaben im Antrag gemacht hat, hat er nicht mitgeteilt. Dadurch sind die Angaben zum Zeitpunkt der Entscheidung unvollständig geworden.
Allerdings ist ihm grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Verletzung der Mitteilungspflichten und damit der Unvollständigkeit der Angaben nicht vorzuwerfen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten. Unter Berücksichtigung dessen erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass er den Inhalt der ihm übergebenen Merkblätter zur Kenntnis nimmt und, abhängig von den Umständen Einzelfalls, im Zweifelsfall bei der Beklagten nachfragt. Im Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger bestätigt hat, ist aufgeführt, dass es im Fall, dass sich die Steuerklasse - aus welchem Grund auch immer - ändert, wichtig ist, dass sofort das AA benachrichtigt wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger persönlich diese Maßstäbe nicht hätte gerecht werden können sind nicht ersichtlich. Solche ergeben sich auch nicht aus der Erkrankung seiner Ehefrau. Nach eigenem Vortrag ist er in der Lage gewesen, den Steuerberater aufzusuchen, um sich beraten zulassen. Dies zeigt, dass er genauso in der Lage gewesen wäre, die Änderung dem AA mitzuteilen.
Allerdings kann für die Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit die Funktion des Steuerklassenwechsels im Steuerrecht nicht unberücksichtigt bleiben (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 29.8.2002 - B 11AL87/01R -): Im Einkommensteuerrecht ist der Lohnsteuerklassenwechsel, der allgemein dazu dient, die aktuelle Lohnsteuerbelastung möglichst nahe an der zu erwartenden Jahreslohnsteuer zu halten, für den Fall, dass bei einem Ehegatten Arbeitslohn völlig entfällt, besonders erleichtert. Denn nach § 38b Satz 2 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG gehören in die Steuerklasse III Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte keinen Arbeitslohn bezieht. Während Ehegatten, die beide in einem Arbeitsverhältnis stehen, eine Änderung der Steuerklasse nur einmal im Laufe des Kalenderjahres beantragen können (§ 39 Abs. 5 Satz 3 EStG), gilt diese Einschränkung nicht, wenn ein Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn mehr bezieht (vgl. auch die Lohnsteuer-Richtlinien 109 Abs. 5 Satz 5). Geht das Steuerrecht somit davon aus, dass dem Ehegatten bei Eintritt von Arbeitslosigkeit ein Wechsel in die zweckmäßige Steuerklassenkombination ermöglicht werden muss, so muss er nicht damit rechnen, dass er deswegen leistungsrechtlich in jedem Falle Nachteile hinzunehmen hat. Für die Gemeinde oder das Finanzamt als die zuständigen Finanzbehörden ist der Lohnsteuerklassenwechsel aus der Sicht des Einkommensteuerrechts geboten.
Angesichts dieser steuerrechtlichen Bewertung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten muss ein Arbeitsloser, der wie der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ein erheblich höheres Arbeitsentgelt als seine Ehefrau erzielt hatte, nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde. Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger ein Merkblatt für Arbeitslose erhalten hat. Die Beklagte verpflichtet darin den Betroffenen lediglich zur Meldung eines bereits vollzogenen Lohnsteuerklassenwechsels. Im Hinblick auf die Folgen des Lohnsteuerklassenwechsels hätte sie aber den Betreffenden darauf aufmerksam machen müssen, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei der Beklagten suchen sollte. Denn nur bei einer Beratung vor dem Lohnsteuerwechsel können die arbeitsförderungsrechtlich schädlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels vermieden werden. Der in den Merkblättern in den seit 1.1.1998 geltenden Fassungen - also auch in den Merkblättern, wie sie der Kläger halten hat - enthaltene allgemeine Hinweis, der Arbeitslose solle sich beraten lassen, genügt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall. Der Kläger hat sich beraten lassen, allerdings durch einen Steuerberater, der hinreichende Aufklärung über die leistungsrechtlichen Konsequenzen bei der Arbeitslosenversicherung offensichtlich nicht hat geben können. Erforderlich wäre insoweit eine Beratung durch das AA. Dem muss der Hinweis entsprechen. Die Meldung nach der Vornahme eines Lohnsteuerklassenwechsels kann angesichts der Regelung in § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr 2 SGB III nur noch dazu dienen, die leistungsrechtlichen Folgerungen aus der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu ziehen. Deshalb genügt der Hinweis im Merkblatt nicht, den Schluss auf die grobfahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht zuzulassen.
Im Übrigen beruhen die Bewilligungsentscheidungen nicht auf den unvollständigen Angaben. Hätte der Kläger pflichtgemäß den Steuerklassenwechsel angezeigt, hätte er im Ergebnis Alg ebenfalls nach Leistungsgruppe C erhalten. Anders als in den vom BSG bisher entschiedenen Fällen ist vorliegend die Steuerklasse nicht im laufenden Leistungsbezug geändert worden, sondern erhebliche Zeit vor Beginn der Zahlung des Alg. Die Rechtsprechung des BSG ist von dem Gedanken getragen, dass die Beklagte durch rechtzeitige Beratung vor Änderung der Steuerklasse den Arbeitslosen vor den möglicherweise schwerwiegenden Folgen für den Leistungsbezug beraten muss. Nichts anderes kann gelten, wenn der Steuerklassenwechsel vor Beginn des Leistungsbezugs erfolgt und eine Korrektur noch möglich ist, bevor die Änderung Auswirkungen auf die Leistungshöhe hat. Hieraus folgt: Hätte der Kläger pflichtgemäß die Änderung der Steuerklasse unverzüglich mitgeteilt, hätte die Beklagte auf die negativen Folgen hinweisen müssen. Bei der gegebenen Sachlage wäre es nicht zweifelhaft gewesen, dass der Kläger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. In diesem Fall hätte er gleichfalls Leistungen nach Leistungsgruppe C erhalten, weil die Steuerklasse III die zweckmäßigere gewesen ist.
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X liegen nach alledem gleichfalls nicht vor. Dem Kläger ist es aus den vorgenannten Gründen nicht als grobfahrlässig vorzuwerfen, dass er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht erkannt hat.
Hat die Beklagte die Bewilligungen nicht zurücknehmen dürfen, liegen die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 SGB X für eine Rückforderung nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 137 Abs. 4 Nr. 2 SGB III, welche der Senat nicht teilt; Auslegung des Urteils des BSG vom 29.8.2002 - B 11 AL 87/01 R - dahingehend, dass der Hinweis auf eine Beratung durch die Beklagte gerichtet sein muss; Fall des § 45 SGB X) hat der Senat die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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