L 11 KR 2055/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 4234/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2055/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) vom 31. März bis 30. Juni 2009 streitig.

Die am 31. März 1957 geborene Klägerin war bis zum 31. März 2009 versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der Beklagten. Seit dem 30. September 2008 ist sie (mit Unterbrechungen) arbeitsunfähig erkrankt (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. und des Facharztes für Orthopädie Dr. S.). Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers zum 31. März 2009. Bereits zuvor hatte sich die Klägerin am 10. Dezember 2008 bei der Agentur für Arbeit (AA) L. telefonisch arbeitsuchend gemeldet. Ihr Antrag auf Arbeitslosengeld ab dem 1. April 2009 wurde abgelehnt, da sie seit dem 16. März 2009 arbeitsunfähig sei und der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe, sodass Arbeitslosigkeit nicht vorliege (Bescheid der AA L. vom 21. Januar 2010). Seit dem 1. Juli 2009 ist die Klägerin wieder versicherungspflichtig beschäftigt.

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie R. bescheinigte der Klägerin ab 16. März 2009 bis voraussichtlich 21. März 2009 Arbeitsunfähigkeit (Erstbescheinigung vom 16. März 2009). Nachdem Dr. R. in der Woche ab dem 23. März 2009 an einem Ärztestreik teilnahm, suchte die Klägerin die Dres. R., H., W., L. und B. (Fachärzte für Neurologie/Psychiatrie) als Vertretung auf. Am 23. März 2009 bescheinigten diese Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 31. März 2009 (Dienstag). Am 3. April 2009 (Freitag) stellte sodann Dr. R. eine Erstbescheinigung aus, wonach Arbeitsunfähigkeit wegen einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD 10: F 32.1), einer Anpassungsstörung (ICD 10: F 43.2) und einer akuten Belastungsreaktion (ICD 10: F 43.0) bis voraussichtlich 17. April 2009 bestehe. Wegen derselben Diagnosen stellte er am 20. April 2009 eine Folgebescheinigung aus, wonach Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 4. Mai 2009 vorliege.

Unter dem 30. April 2009 gab er im Rahmen einer Erstbescheinigung an, rückwirkend sei festzustellen, dass die Klägerin wegen der bereits genannten Diagnosen auch am 1. und 2. April 2009 arbeitsunfähig gewesen sei. In der Folgezeit attestierte er Arbeitsunfähigkeit vom 6. bis 29. Mai 2009 (Folgebescheinigung und Auszahlschein vom 6. Mai 2009 sowie vom 26. Mai 2009), ab dem 2. Juni 2009 und 6. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2009 (Auszahlscheine vom 2. Juni und 6. Juli 2009).

Die Beklagte holte zunächst den Befundbericht des Dr. R. vom 6. Mai 2009 ein, wonach die Klägerin wegen der bereits genannten Diagnosen bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei. Er empfahl eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme und gab an, Mitbehandler sei der Hausarzt der Klägerin. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin am 11. Mai 2009 per E-Mail mit, dass die Erkrankung erst ab dem 3. April 2009 anerkannt werden könne, da eine rückwirkende Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. April 2009 nicht möglich sei. Eine rückwirkende Ausstellung einer Krankmeldung sei nur drei Tage nach dem eigentlichen Arbeitsunfähigkeitsbeginn möglich. Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bis zum 31. März 2009 versichert gewesen sei. Da ihr Arzt erst am 3. April 2009 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe, sei der 4. April 2009 ausschlaggebend für den Anspruch auf Krg. Zu diesem Zeitpunkt sei sie jedoch nicht mehr bei ihr versichert gewesen. Das bedeute, dass ab dem 3. April 2009 kein Krg ausgezahlt werden könne.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2009 teilte die Beklagte mit, man habe den Anspruch auf Krankengeld noch einmal überprüft. Ein Anspruch bestehe nur dann, wenn ein entsprechendes Versicherungsverhältnis zum Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung bestehe. Nach der Krankschreibung bis zum 31. März 2009 sei eine erneute Arbeitsunfähigkeit erst am 3. April 2009 durch Dr. R. ärztlich festgestellt worden. Da das Beschäftigungsverhältnis bereits am 31. Mai 2009 geendet habe, habe am 3. April 2009 kein Versicherungsverhältnis mit einem Anspruch auf Krankengeld bestanden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20. Juli 2009 Widerspruch. Zur Begründung gab sie an, die Krankmeldung ab dem 3. April 2009 (Freitag) sei von Dr. R. lediglich versehentlich ausgestellt worden. Sie habe nämlich am 1. April 2009 (Mittwoch) keinen Termin bekommen, da die Praxis wegen des vorherigen Ärztestreiks (während des Streiks sei sie bei der Vertretung gewesen) überfüllt gewesen sei. Am 2. April 2009 (Donnerstag) sei sie wieder bei Dr. R. gewesen, sie sei jedoch nach Hause geschickt worden. Zur weiteren Begründung legte sie das ärztliche Attest des Dr. R. vom 6. Juli 2009 vor, wonach die Klägerin durchgehend vom 16. März bis 30. Juni 2009 wegen eines schweren depressiven Verstimmungszustandes krankgeschrieben worden sei. Die zwei fehlenden Tage (1. und 2. April 2009) seien im Zusammenhang mit den politischen Streikbewegungen in den Praxen zu erklären. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2009). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund des beendeten Beschäftigungsverhältnisses zum 31. März 2009 bestehe kein Anspruch auf Krg für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. April 2009. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit sei in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig. Arbeitsunfähigkeit sei am 3. April 2009 ab diesem Tag als Erstbescheinigung von Dr. R. bestätigt worden. Die Arbeitsunfähigkeitsmeldung, die am 30. April 2009 als Erstbescheinigung zum 1. April 2009 ausgestellt worden sei, habe keine Gültigkeit. Es bestünden keine Hinweise darauf, dass die Klägerin gehindert gewesen sei, alles in ihrem Verantwortungsbereich Mögliche zu unternehmen, um vor Ablauf des Arbeitsunfähigkeitszeitraumes eine rechtzeitige Verlängerung ihrer Arbeitsunfähigkeitsfeststellung über den 31. März 2009 hinaus zu erlangen. Der Ärztestreik habe am 1. April 2009 stattgefunden. Der Klägerin sei es daher auch möglich gewesen, bereits ab dem 30. März 2009 (Montag) eine erneute Arbeitsunfähigkeitsmeldung zu erhalten. Auch lägen die Voraussetzungen des § 192 Abs 1 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für den Erhalt der Mitgliedschaft nicht vor, da die Klägerin am 1. April 2009 weder Krg bezogen habe, noch habe sie hierauf einen Anspruch gehabt. Zum Zeitpunkt des Entstehens des vermeintlichen Krg-Anspruches am 4. April "2008" (gemeint 2009) habe mithin keine Mitgliedschaft bestanden, sodass eine Krg-Zahlung nicht in Betracht komme.

Hiergegen hat die Klägerin am 27. November 2009 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, sie sei durchgehend vom 16. März bis 30. Juni 2009 arbeitsunfähig gewesen. Der Ärztestreik sei nicht am 1. April, sondern in der Woche ab dem 23. März 2009 gewesen. Deshalb sei sie auch zur Vertretung von Dr. R. geschickt worden. Am 1. April 2009 habe sie bei Dr. R. keinen Termin mehr bekommen, da die Praxis wegen des vorangegangenen Streiks überfüllt gewesen sei. Am 2. April 2009 sei sie nach zweistündiger Wartezeit mit allen anderen Patienten nach Hause geschickt worden, da Dr. R. zu einem Notfall gerufen worden sei. Sie habe am nächsten Tag wiederkommen sollen. Deshalb sei sie am 3. April 2009 wieder bei Dr. R. gewesen. Dass dieser die Arbeitsunfähigkeit nicht bereits ab dem 1. April 2009 bescheinigt habe, sei ein Versehen gewesen. Die Beklagte habe sie von Anfang an verunsichert, da ihr von einem Sachbearbeiter geraten worden sei, sie solle sich auf keinen Fall nach dem 31. März 2009 krankschreiben lassen. Diese Krankmeldung würde dann nicht anerkannt werden. Sie habe sich bei der AA arbeitslos melden sollen. Die AA würde ihr zwar etwas anderes sagen, sie solle aber auf ihn hören, da sie ansonsten weder Krg noch Arbeitslosengeld bekommen würde. Die AA habe ihr dann gesagt, dass sie sich nicht arbeitslos melden müsse, solange sie krank sei. Sie solle erst wieder kommen, wenn sie gesund sei und damit vermittelbar wäre. Sie sei zudem schon vorher von ihrem Hausarzt Dr. M. krankgeschrieben worden. Die Beklagte selbst habe gewollt, dass sie sich in psychologische Behandlung begebe.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. März 2010 hat das SG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Krg über den 31. März 2009 hinaus bis zum 30. Juni 2009. Die Mitgliedschaft nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V habe mit Ablauf des 31. März 2009 geendet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V. Denn die Klägerin habe über den 31. März 2009 hinaus keinen Anspruch auf Krg gehabt. Der Krg-Anspruch habe frühestens am Folgetag der Feststellung beginnen können, also am 4. April 2009. Es seien auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es gerechtfertigt erschienen ließen, ausnahmsweise die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rückwirkend zuzulassen. Unabhängig davon, ob der Ärztestreit am 1. April 2009 oder in der Woche ab dem 23. März 2009 stattgefunden habe, begründe dies keinen Ausnahmefall, um die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rückwirkend zuzulassen. Die Arbeitsunfähigkeit könne durch alle Ärzte festgestellt werden. Es müsse sich nicht notwendig um den behandelnden Arzt oder um einen Vertragsarzt handeln. Der Klägerin sei es daher möglich gewesen, die Arbeitsunfähigkeit durch einen anderen, nicht am Ärztestreik beteiligten Arzt feststellen zu lassen. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass sie wegen des Ärztestreiks zur Vertretung geschickt worden sei und Frau L. sie bis zum 31. März 2009 krankgeschrieben habe. Schließlich ergebe sich auch aus § 6 Abs 2 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien, wonach eine rückwirkende Bescheinigung für die Krg-Zahlung möglich sei, nichts anderes. Denn dem Bundesausschuss fehle die Kompetenz, die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs zu modifizieren. Die am 30. April 2009 rückwirkend festgestellte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin durch Dr. R. seit dem 1. April 2009 führe daher nicht zu einem Anspruch auf Krg über den 31. März 2009 hinaus. Die Klägerin sei ab dem 1. April 2009 allerdings ohne Krg-Anspruch nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V pflichtversichert gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 29. April 2010 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, mit der diese geltend macht, der Ärztestreik habe bereits in der Woche ab dem 23. März 2009 stattgefunden. Ansonsten hätte Dr. R. am 3. April 2009 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen können. Sie habe bereits am 30. März 2009 versucht, einen Arzttermin zu vereinbaren. Sie habe jedoch weder bei Dr. R. noch bei der Gemeinschaftspraxis Dres. R., H., W., L. und B. einen Termin bekommen. Die Beklagte habe ihr bei einem Beratungsgespräch eine Liste mit Arztadressen (Psychologen und Psychotherapeuten) gegeben. Bei all denjenigen Ärzten, die sie angerufen habe, habe sie für den 30./31. März 2009 keinen Termin vereinbaren können. Aufgrund des Ärztestreikes seien die Telefone ständig belegt gewesen oder die Praxen hätten keinen Termin mehr anbieten können. Bei einigen sei auch der Anrufbeantworter geschaltet gewesen, mit dem Hinweis, dass sie zurückgerufen werde. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Teilweise sei auch darauf hingewiesen worden, dass Termine erst wieder im Sommer frei seien. Sie wisse auch nicht, weshalb sie sich an ihren Hausarzt Dr. M. hätte wenden sollen, nachdem dieser ihr zuvor gesagt habe, dass er nichts mehr für sie tun könne und sie sich mit der Beklagten in Verbindung setzen solle, um künftig von einem Psychotherapeuten weiterbehandelt zu werden. Genau zu ihrem 52. Geburtstag, dem 31. März 2009, sei ihr gekündigt worden. Auch ihr Privatleben habe einem Scheiterhaufen geglichen. Sie bitte diese Ausnahmesituation anzuerkennen. Sie hat zur weiteren Begründung eine Liste von Psychologischen Psychotherapeuten/Psychoanalytikern mit handschriftlichen Anmerkungen sowie mehrere Schreiben der Agentur für Arbeit L. vorgelegt (Bl 29 bis 39 der LSG-Akte).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 31. März 2009 bis 30. Juni 2009 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, dass die Ausführungen der Klägerin widersprüchlich bzw nicht glaubhaft seien. Weder im Widerspruchsverfahren noch im Sozialgerichtsverfahren sei von ihr ausgeführt worden, dass sie genau am 30. März 2009 versucht habe, einen Arzttermin zu bekommen. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe versucht, bei einem Psychotherapeuten einen Termin zu erhalten, werde darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend nicht um die Durchführung einer Psychotherapie gehandelt habe, sondern um die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit. Nicht nachvollziehbar sei, warum sich die Klägerin - nachdem Dr. R. nicht erreicht werden konnte - nicht an die Vertretung (Dres. R., H., W., L. und B.) gewandt habe. Darüber hinaus sei es durchaus möglich gewesen, einen Termin beim Hausarzt oder bei dessen Vertretung zu erhalten. Aus ihrer Sicht seien die Anrufe, sollten diese auch tatsächlich an den angegebenen Tagen getätigt worden sein, nicht für die Beurteilung einer weiteren Arbeitsunfähigkeit gedacht gewesen, sondern die Motivation habe darin bestanden, einen Therapieplatz zu bekommen.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe am 27./28. März sowie am 30. März 2009 bei den Ärzten/Therapeuten angerufen. Zwischendurch habe sie auch immer wieder in der Praxis des Dr. R. angerufen, jedoch niemanden erreicht. Selbst am Samstag habe sie einen Therapeuten angerufen, in der Hoffnung, vielleicht samstags jemanden zu erreichen. Als Laie sei sie davon ausgegangen, dass das Attest von Dr. R. als Nachweis für die durchgehende Arbeitsunfähigkeit vom 16. März bis 30. Juni 2009 ausreiche.

Der Berichterstatter des Senats hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 4. Februar 2011 erörtert. Die Beteiligten haben hierbei ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Bl 69/70 der LSG-Akte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 SGG entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid vom 23. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2009 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg für den Zeitraum vom 31. März bis 30. Juni 2009, da sie in dieser Zeit nicht mit Anspruch auf Krg versichert war.

Das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (stRspr, vgl nur BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 8/07 R = SozR 4-2500 § 44 Nr 12 Rdnr 13 mwN; Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 19/06 R Rdnr 9). Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben "Versicherte" Anspruch auf Krg, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Dabei ist für den geltend gemachten Krg-Anspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen, hier also an § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V für die nach § 5 Abs 1 Nr 1 bzw Nr 2 SGB V Versicherten. Nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGBV entsteht der Anspruch auf Krg - abgesehen von dem Fall der Krankenhausbehandlung - von dem Tag an, der auf die ärztliche Feststellung folgt. Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs (also auch die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach § 46 Satz1 Nr 2 SGB V) müssen bei zeitlich befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (stRspr, vgl nur BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 1 KR 20/08 R = SozR 4-2500 §192 Nr 4 Rdnr 20 mwN).

Vorliegend war die Klägerin nur bis zum 31. März 2009 mit Anspruch auf Krg versichert. Sie gehörte zwar ursprünglich in ihrer Eigenschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V zum Kreis der Versicherungspflichtigen mit Anspruch auf Krg. Dieser Versicherungsschutz endete aber mit dem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis am 31. März 2009 (vgl § 190 Abs 2 SGB V).

Ein Krg-Anspruch der Klägerin lässt sich ab dem 1. April 2009 nicht aus § 44 Abs 1 SGB V iVm §§ 5 Abs 1 Nr 2, 47b SGB V herleiten (Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Arbeitslosen [KVdA]). Das Krg für Versicherte nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V wird in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes oder des Unterhaltsgeldes gewährt, den der Versicherte zuletzt bezogen hat. Das Krg wird vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt. § 47b SGB V setzt mithin ebenso wie § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V den tatsächlichen Bezug von Leistungen voraus; das Bestehen eines Anspruchs ist insoweit nicht erforderlich, aber auch nicht ausreichend (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 1 KR 20/08 R = SozR 4-2500 §192 Nr4 Rdnr 11 mwN; Peters in Kasseler Kommentar, § 5 SGB V Rdnr 40, Stand Januar 2009). Vorliegend hat die Klägerin weder ab dem 1. April 2009 noch zu einem späteren Zeitpunkt im hier streitigen Zeitraum Arbeitslosen oder Unterhaltsgeld bezogen. Dies ergibt sich dem Bescheid der AA L. vom 21. Januar 2010. Eine Pflichtversicherung in der KVdA nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V ist daher nicht begründet worden.

Die aufgrund des früheren Beschäftigungsverhältnis basierende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten bestand auch nicht nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V über den 31. März 2009 hinaus fort, weil es an einem Tatbestand fehlt, der die Mitgliedschaft verlängerte.

Nach § 192 Abs1 Nr 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange ein Anspruch auf Krg besteht oder diese Leistung in Anspruch genommen wird. Die Klägerin bezog aber weder ab dem 1. April 2009 Krg, noch hatte sie für diesen Tag Anspruch hierauf. Ihre Arbeitsunfähigkeit war entsprechend der Bescheinigung der Dres. R., H., W., L. und B. vom 23. März 2009 bis zum 31. März 2009 befristet. Erst am 3. April 2009 stellte Dr. R. erneut Arbeitsunfähigkeit fest (Erstbescheinigung vom 3. April 2009). Die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs müssen aber - wie bereits dargelegt - bei zeitlich befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Für den neuen Abschnitt ab dem 1. April 2009 fehlt es jedoch an einer unmittelbar anschließenden ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und mithin an der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft. Der rückwirkenden Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für den 1. und 2. April 2009 durch Dr. R. (Erstbescheinigung vom 30. April 2009) kommt - wie das SG zutreffend dargelegt hat - keine Bedeutung zu (vgl zur Unerheblichkeit rückwirkender Attestierung für das Entstehen eines Krg-Anspruchs BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R - Rdnr 15 mwN; BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 8/07 R = SozR 4-2500 § 44 Nr 12 Rdnr 16). Die von Dr. R. am 3. April 2009 festgestellte Arbeitsunfähigkeit hätte nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V mithin frühestens ab dem 4. April 2009 einen Krg-Anspruch auslösen können.

Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise - rückwirkend - nachgeholt werden kann (vgl dazu BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, jeweils Rdnr 18 ff), liegt nicht vor. Die Rechtsprechung hat bisher in engen Grenzen Ausnahmen anerkannt, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. So kann sich beispielsweise die Kasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 1 = SozR 2200 § 216 Nr 5). In einem Fall, in dem der Versicherte von seinem behandelnden Arzt auf Grund einer Fehldiagnose irrtümlich "gesundgeschrieben" worden war, hat das BSG ausgeführt, der Versicherte müsse eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinnehmen, sondern könne ihre Unrichtigkeit - ggf auch durch die ex-post-Beurteilung eines anderen ärztlichen Gutachters - nachweisen (BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84 ). Die dem Versicherten vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen (§ 46 Abs 1 Nr 2 SGB V), erfülle er, wenn er alles in seiner Macht Stehende tue, um die ärztliche Feststellung zu erhalten. Er habe dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Er könne aber den Arzt nicht zwingen, eine vollständige Befunderhebung durchzuführen und eine zutreffende Beurteilung abzugeben. Unterbleibe die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die den Verantwortungsbereich des Kassen-(jetzt: Vertrags-)Arztes oder der sonstigen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen berufenen Personen oder Einrichtungen zuzuordnen seien, so dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken.

Vor diesem Hintergrund gibt es - auch im Hinblick auf die Auswirkungen des Ärztestreiks in der Woche ab dem 23. März 2009 bzw am 1. April 2009 - keinen Grund, vorliegend einen Ausnahmefall anzuerkennen. Denn es gibt keine Hinweise darauf, dass die Klägerin daran gehindert gewesen wäre, alles in ihrem Verantwortungsbereich Mögliche zu unternehmen, um vor Ablauf des Arbeitsunfähigkeitszeitraums eine rechtzeitige Verlängerung ihrer Arbeitsunfähigkeitsfeststellung über den 31. März 2009 hinaus zu erlangen.

Zum einen hat die Klägerin ihren Vortrag im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren immer wieder neu angepasst. So hat sie im Verwaltungsverfahren angegeben, sie habe sich bemüht, am 1. April 2009 bei Dr. R. einen Termin zu bekommen und am 2.April 2009 sei sie zwar bei ihm gewesen, jedoch nach Hause geschickt worden. Erst im Berufungsverfahren hat sie angegeben, bereits am 27. (Freitag), 28. (Samstag) und 30. März 2009 (Montag) versucht zu haben, bei Ärzten bzw Psychologischen Psychotherapeuten einen Termin zu erlangen. Diesbezüglich hat sie zwar die Liste von Psychologischen Psychotherapeuten/Psychoanalytikern (Bl 29/31 der LSG-Akte) vorgelegt. Aus den handschriftlichen Anmerkungen auf dieser Liste ist aber weder ersichtlich, wann die Klägerin versucht hat, die dort genannten zu erreichen (ein Datum der versuchten Kontaktaufnahme ist in der Liste nicht vermerkt), noch wurde der Grund des Anrufs vermerkt (Kontaktaufnahme wegen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit oder ggf wegen des Erhalts eines Therapieplatzes). Unabhängig davon hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, dass sie am 31. März 2009 (Dienstag) keinen Termin bei den Dres. R., H., W., L. und B. bekommen hat, bei denen sie zuvor (in Vertretung von Dr. R.) in Behandlung war.

Darüber hinaus wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, ihren Hausarzt Dr. M., der sie bereits seit September 2008 krankgeschrieben hatte, zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit spätestens am 31. März 2009 aufzusuchen. Dies hat die Klägerin jedoch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht getan. Ein solches Verhalten wäre ihr jedoch auch in Anbetracht dessen, dass Dr. M. sie gebeten hatte, einen Psychotherapeuten zur Weiterbehandlung aufzusuchen, zumutbar gewesen. Denn auch ihr Hausarzt Dr. M. wäre in der Lage gewesen, am 30. oder 31. März 2009 festzustellen, ob die Klägerin arbeitsunfähig war. Bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit geht es nicht um eine psychotherapeutische Behandlung, für die der Hausarzt der Klägerin - nach eigenem Vortrag der Klägerin - sich nicht in der Lage sah, sondern allein um die Frage, ob die Klägerin wegen Krankheit nicht mehr in der Lage war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Diese Feststellung kann jedoch auch der behandelnde Hausarzt treffen. Schließlich war er nach den Angaben des Dr. R. in seinem Befundbericht vom 6. Mai 2009 auch Mitbehandler.

Des Weiteren bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin an der Verlängerung ihrer Arbeitsunfähigkeitsfeststellung über den 31. März 2009 hinaus wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit gehindert gewesen war (vgl dazu allgemein BSGE 25, 76, 77 f).

Die Klägerin war mithin seit dem 1. April 2009 als Mitglied der Beklagten gemäß § 5 Abs 1 Nr 13a SGB V ohne Anspruch auf Krg versichert. Aus diesem Grund hat die Klägerin auch keinen nachgehenden Krg-Anspruch begrenzt auf die Dauer eines Monats nach dem 31. März 2009. Denn die Versicherung nach § 5 Nr 13a SGB V geht dem nachwirkenden Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V vor. Dies ergibt auch aus § 5 Abs 8a Satz 4 SGB V. Danach gilt der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs 2 SGB V nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall bestand bei der Klägerin jedoch erst wieder ab Aufnahme des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses am 1. Juli 2009.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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