Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 45 AS 396/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 215/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bei ungenehmigtem Auslandsaufenthalt
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides über 2.309,56 EUR für den Zeitraum vom 12.06.2007 bis 10.09.2007 streitig.
Die 1955 geborene Klägerin sowie ihr Ehemann bezogen ab 01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Antrag vom 23.11.2004 gab die Klägerin an, die Belehrung u.a. über die Mitteilungspflicht bei vorübergehender Ortsabwesenheit in deutscher Sprache verstanden zu haben, zusätzlich enthielt der Antrag den Vermerk, dass die Belehrung auch in die Muttersprache der Klägerin übersetzt wurde. Ab November 2006 erhielt nur noch die Klägerin Arbeitslosengeld II, ihr Ehemann bezog aufgrund seines Alters ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Mit Fortzahlungsanträgen im November 2006 und 21.05.2007, in denen sie jeweils angab, dass sich die Verhältnisse nicht geändert hätten, beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II, welche mit Bescheiden vom 23.11.2006 für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2007 und vom 20.06.2007 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2007 bewilligt wurden. Bis 30.06.2007 betrug die Leistungshöhe 777,71 EUR monatlich und ab 01.07.2007 778,71 EUR monatlich. Die Summe setzte sich zusammen aus der Regelleistung von 311,00 bzw. 312,00 EUR, einem ernährungsbedingten Mehrbedarf von 51,13 EUR sowie Unterkunfts- und Heizkosten (KdU) von 415,58 EUR. Die Bescheide enthielten jeweils den in deutscher Sprache abgefassten Hinweis: "Sie müssen immer unter der von ihnen benannten Adresse erreichbar sein. Sollten sie eine Ortsabwesenheit planen, sind sie verpflichtet, den Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit mit ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit kann zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen".
Die Beklagte lud die Klägerin zu einem Termin bei der Arbeitsvermittlung am 05.09.2007 ein. Laut einer Aktennotiz teilte der "Sohn der Klägerin" am 04.09.2007 telefonisch mit, die Klägerin könne den Termin nicht wahrnehmen, weil sie krank sei. Auf Bitte, die entsprechenden Unterlagen bezüglich der Krankheit vorzulegen, räumte der Anrufer ein, dass sich die Klägerin nicht in A-Stadt aufhalte, sie sei zu Verwandten innerhalb Deutschlands verreist. Dies sei nicht mit der Beklagten abgestimmt. Mit Schreiben vom 04.09.2007 hörte die Beklagte die Klägerin zu diesem Sachverhalt an und kündigte eine teilweise Rückforderung des gewährten Arbeitslosengeldes II wegen nicht genehmigter Ortsabwesenheit an.
Mit Schreiben vom 17.09.2007 wies die Klägerin darauf hin, sie sei vom 12.06.2007 bis 10.09.2007 in Aserbaidschan gewesen. Der Gesundheitszustand ihrer herzkranken Schwester in Aserbaidschan habe sich dramatisch verschlechtert, so dass sie so schnell es ginge zu ihr geflogen sei. Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass man eine Ortsabwesenheit unter drei Monaten mitzuteilen habe.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.10.2007 hob die Beklagte die Entscheidungen vom 23.11.2006 und 20.06.2007 für die Zeit vom 12.06.2007 bis 10.09.2007 auf und forderte gemäß §§ 7 Abs. 4 a SGB II, 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 50 SGB X insgesamt 2.309,56 EUR zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 06.11.2007 Widerspruch. Bei dem Auslandsaufenthalt habe es sich um eine Notsituation gehandelt; an eine Abmeldung bei der Beklagten habe sie daher nicht gedacht bzw. ihr sei nicht bewusst gewesen, dass man sich abmelden müsse. Den Hinweis im Bescheid habe sie mangels ausreichender Sprachkenntnis nicht hinreichend verstanden. Zudem sei sie ja über ihren Ehemann unter der benannten Adresse erreichbar gewesen. Sollte eine Aufhebung nicht möglich sein, bitte sie um eine maximal 30 %ige Kürzung der Regelleistung und des Mehrbedarfs. Ergänzt wurde der Widerspruch durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2007. Die Abwesenheit sei nicht geplant gewesen, sondern hätte sich aufgrund einer Notsituation ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 15.02.2008 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Dabei hat sie neben dem erneuten Hinweis auf eine Notsituation vorgetragen, wegen der erstmaligen Ortsabwesenheit käme üblicherweise lediglich eine 30 %ige Kürzung der Regelleistung in Betracht, nicht eine vollständige Aufhebung. Auch sei eine Aufhebung der KdU rechtswidrig, weil die Klägerin mit ihrem Ehemann in Bedarfsgemeinschaft wohne und es sich bei der KdU damit um "Sowieso-Kosten" handle. Außerdem habe die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.02.2010 abgewiesen. Die Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2006 bemesse sich nach § 48 SGB X, während sich die Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2007 nach § 45 SGB X richte. Der Aufenthalt der Klägerin in Aserbaidschan stelle eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Eine Absenkung von nur 30 % basiere auf einer früheren Rechtslage. Die Nichtmitteilung der Ortsabwesenheit stelle eine grob fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflichten gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I dar. Hinsichtlich des zweiten Bewilligungsabschnitts sei der Bescheid anfänglich rechtswidrig gewesen, auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie die falschen Angaben grob fahrlässig selbst gemacht habe. Auch die Höhe der Rückforderung sei korrekt ermittelt worden.
Hiergegen hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 16.03.2010 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und Prozesskostenhilfe beantragt. Die Klägerin genieße Vertrauensschutz, was bei einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei. Bei den §§ 45 und 48 SGB X bedürfe es stets einer Ermessensentscheidung. Die Klägerin sei aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage, den geforderten Betrag von 2.309,56 EUR zurückzuzahlen. Außerdem könnten die Kosten der Unterkunft, die den Ehemann betreffen, keinesfalls zurückgefordert werden. Zudem seien die Kosten für Unterkunft und Heizung bereits an den Vermieter gezahlt und damit verbraucht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9.Februar 2010 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2010 hat das LSG die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren und die Beiordnung von RA B. abgelehnt.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige und gem. § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.02.2010, mit dem die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008 abgewiesen wurde, ist nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Verfahrens im Sinne von § 95 SGG ist der Bescheid vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008. Zulässige Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2006 (1. Bewilligungsabschnitt 01.01. bis 30.06.2007) ist § 48 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, während sich die Rücknahme des Bescheides vom 20.06.2007 (2. Bewilligungsabschnitt 01.07. bis 31.12.2007) nach § 45 SGB X richtet.
1. Die Beklagte hat den Bescheid vom 23.11.2006 hinsichtlich des Bewilligungsabschnitt vom 12. bis 30.06.2007 zu Recht nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aufgehoben.
Die Voraussetzungen liegen vor. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt.
Bei dem Bewilligungsbescheid vom 23.11.2006 (Bewilligungsabschnitt 01.01. bis 30.06.2007) handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der bei Erlass im November 2006 - damit anfänglich - rechtmäßig war.
Der Aufenthalt der Klägerin in Aserbaidschan stellt jedoch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Denn nach § 7 Abs. 4 a 1. HS SGB II in der Fassung ab 01.08.2006 erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997, geändert durch die Anordnung vom 10.11.2001 - definierten zeit- und ortsnahen Bereich aufhält. Die Übergangsvorschrift (vgl. § 69 SGB II) kommt insoweit der Klägerin nicht zugute. Das Gesetz trat sofort am 01.08.2006 in Kraft (vgl. Art. 16 Abs. 1). Der durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (FortentwG, BGBl I 2006, 1706) eingeführte neue Ausschlusstatbestand des
§ 7 Abs. 4a SGB II sollte die Sanktion bezüglich der bis dahin lediglich über § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II sanktionierten Ortsabwesenheit (zunächst Absenkung der Regelleistung um 30 %) verschärfen. Ortsabwesende Hilfebedürftige sollten mit dieser Verschärfung zu einer Rückkehr und zur aktiven Mitwirkung an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt bewegt werden; insbesondere ging es dabei um Auslandsaufenthalte bei aufrechterhaltenem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (vgl. BT-Drs 16/1696 S. 26). Zum Nahbereich nach der EAO gehören danach alle Orte, in der Umgebung der Agentur für Arbeit, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, die Agentur für Arbeit täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen (§ 2 Nr. 3 S. 2 EAO). Entfernt sich der Hilfebedürftige aus diesem Bereich, bleibt der Leistungsanspruch nur dann erhalten, wenn die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners vorliegt. Der Aufenthalt in Aserbaidschan war seitens des persönlichen Ansprechpartners der Klägerin nicht vorher genehmigt worden, er umfasste auch weit mehr als sechs Wochen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 4 der EAO). Ausreichend ist auch nicht, dass der Ehemann der Klägerin die Verbindung zu dieser hätte herstellen können. Denn die Klägerin hätte persönlich an jedem Werktag in ihrem Wohnsitz unter der von ihr benannten Anschrift durch Briefpost erreichbar sein müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO). Schließlich muss die Klägerin als arbeitslose erwerbstätige Hilfebedürftige im damaligen Alter von 52 Jahren gemäß § 2
SGB II auch zeitlich und räumlich im Stande sein, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer möglichen Erwerbstätigkeit zu beenden. Sie war weder Sozialgeldempfängerin und erwerbsunfähig, noch konnte sie bei ihrem Lebensalter ihre Verfügbarkeit begrenzen
(§ 65 Abs. 4 Satz 1 SGB II). Demnach war die Klägerin in der Zeit vom 12.06. bis 10.09.2007 wegen Ortsabwesenheit vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen.
Die Klägerin ist ihren Mitteilungspflichten gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I grob fahrlässig nicht nachgekommen, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 45 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Auf die Pflicht zur Mitteilung von Ortsabwesenheiten jeglicher Dauer war die Klägerin jeweils schriftlich in den Anträgen und mit den Bewilligungsbescheiden hingewiesen worden. Der Einwand, die Klägerin habe von der ihr obliegenden Mitteilungspflicht nichts gewusst, überzeugt den Senat nicht. Die Klägerin war bereits in ihrem 1. Antrag auf SGB II-Leistungen unter "III. Belehrungen" darauf hingewiesen worden, dass sie jede vorübergehende Abwesenheit (z.B. Urlaub) dem Amt für soziale Sicherheit/Sozialbürger- haus/ARGE unverzüglich und unaufgefordert mitteilen muss. Sie hat durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie diese Belehrung sowohl in deutscher Sprache verstanden hat als auch eine Übersetzung der Belehrung in ihre Muttersprache erfolgte. Diese Erkenntnis ergibt sich aus dem Antrag vom 23.04.2004, der den Verwaltungsakten beilag. Die Klägerin hatte demnach positive Kenntnis von ihrer Verpflichtung, jede vorübergehende Ortsabwesenheit unverzüglich mitzuteilen.
Dass auf diese Verpflichtung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr im Antragsformular hingewiesen wurde, sondern den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2006 und 20.06.2007 ein in deutscher Sprache gehaltener Hinweises ("Sie müssen immer unter der von ihnen benannten Adresse erreichbar sein. Sollten sie eine Ortsabwesenheit planen, sind sie verpflichtet, den Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit mit ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit kann zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen") beigefügt war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr machte es der Klägerin deutlich, dass die Mitteilungsverpflichtung hinsichtlich der Ortsabwesenheit weiterhin galt. Das Verhalten des Sohnes der Klägerin, der im Telefonat mit der Beklagten wahrheitswidrig zunächst auf eine Erkrankung seiner Mutter und dann auf eine Abwesenheit innerhalb Deutschlands verwies, bestätigt die positive Kenntnis von der Verpflichtung zur Mitteilung der Ortsabwesenheit. Ein solches Verhalten eines nahen Angehörigen, falsche Angaben zum Aufenthaltsort der Mutter zu machen, ist nur dann erklärbar, wenn der Angehörige, von der Verpflichtung zur Mitteilung positiv Kenntnis hatte. Dies konnte dieser wiederum von der Klägerin wissen oder deren Ehemann, dessen Kenntnis derselben aus früherer Antragstellung zuzurechnen ist (vgl. § 38 SGB II).
Die Behauptung, die Klägerin habe mangels ausreichender Sprachkenntnisse den Hinweis auf die Verpflichtung zur Mitteilung der Ortsabwesenheit in den Bewilligungsschreiben nicht verstanden, ist nicht glaubhaft. Zum einen hat die Klägerin in ihrem ersten Antrag auf SGB II-Leistungen im November 2004 durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie die Belehrung in Deutsch verstanden hat, aber auch zusätzlich eine Übersetzung in ihre Muttersprache erhielt. Sie hatte dadurch positive Kenntnis von ihrer Mitteilungsverpflichtung hinsichtlich jeglicher Ortsabwesenheit. Die Klägerin hätte sich - wenn sie nachfolgende an sie gerichtete Schreiben nicht versteht, über den Inhalt Klarheit verschaffen müssen, beispielsweise durch Bitte um ein Aufklärungs- oder Beratungsgespräch oder durch eine andere Person, die der deutschen Sprache in ausreichendem Maße mächtig ist (vgl. BayLSG, Urteil vom 27.02.2007, L 8 AL 219/06). Denn Amtssprache die ist deutsch, § 19 SGB X. Eine möglicherweise falsche Interpretation der Obliegenheitspflichten seitens der Klägerin ändert daran nichts, weil es nicht darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger die jeweilige Tatsache rechtlich einzuordnen weiß. Vielmehr geht - ebenso wie das SG - der Senat davon aus, dass die Klägerin ungeachtet der Hinweise in den Bescheiden nach Aserbaidschan gereist ist und zu keinem Zeitpunkt vorhatte, die Beklagte hierüber zu informieren. Dies wird verstärkt durch die insoweit getätigte Angabe der Klägerin, sie habe gedacht, dass eine Ortsabwesenheit unter drei Monaten unbeachtlich sei. Allein der zufällig für den 05.09.2007 anberaumte Termin brachte den Sachverhalt zu Tage. Auch der Hinweis, es handle sich bei dem Grund für die Reise um einen Notfall (Erkrankung der Schwester) führt zu keinem anderen Ergebnis. Zur Vorbereitung der Reise, die am 12.06.2007 angetreten wurde, war entweder die Buchung eines Fluges, eines Zuges oder eines Busses notwendig. In dieser Zeit wäre es auch möglich gewesen, die kurzfristige Einholung der Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners einzuholen. Demnach stellt der Senat fest, dass die Klägerin die ihr obliegenden Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt hat. Sie hat ihr Verhalten der Beklagen nicht zur Prüfung gestellt und damit in Kauf genommen, eine Obliegenheit zu verletzen. Diese Unsicherheit hätte sie um ein Leichtes beseitigen können. Ein Anruf bei der Beklagten nach dem Reiseentschluss der Klägerin hätte den Erlass des Bescheids verhindert und im Übrigen die Klägerin von der Rückforderung verschont.
Die Klägerin kann sich damit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Auf die Verpflichtung, jede Ortsabwesenheit vorab mit dem persönlichen Ansprechpartner abzustimmen und auf die entsprechenden Rechtsfolgen bei Verstoß gegen diese Verpflichtung wurde die Klägerin jeweils in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2006 und 20.06.2007 ausdrücklich schriftlich hingewiesen. Die Klägerin musste bzw. hätte daher wissen müssen, dass eine unerlaubte Abwesenheit zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen kann. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf beziehen, dass sie die entsprechenden Hinweise nicht verstanden hat, denn gemäß § 19 SGB X ist die Amtssprache deutsch. Sofern sie den Erklärungsinhalt der entsprechenden Bescheide aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstanden hat, wäre sie verpflichtet gewesen, sich um eine Übersetzung zu bemühen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die dem Bescheid zugrunde liegenden Hinweise in der Heimatsprache der Klägerin aufzunehmen.
Es besteht auch keine Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bezüglich eines Ermessensnichtgebrauchs. Denn eine Ermessensentscheidung ist ausgeschlossen. Nach § 40 Abs. 1 Ziff. 1 SGB II gilt § 330 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III entsprechend. § 330 Abs. 2 SGB III enthält aufgrund der Verweisung in § 40 SGB II eine von § 45 SGB X abweichende Sonderregelung, die die Behörde bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X davon entbindet, ihr Ermessen auszuüben. Gleiches gilt nach § 330 Abs. 3 SGB III auch für die Aufhebung nach § 48 SGB X. Daher sind die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten hinsichtlich der Ermessensfehler der Beklagten unbeachtlich.
Auch der Hinweis, die Klägerin könne die zurückgeforderte Summe nicht begleichen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides, sondern nur zu möglichen Schwierigkeiten bei dessen Vollzug.
Hinsichtlich der zurückgeforderten Leistungen der KdU wurde nur der Teil zurückgefordert, der der Klägerin bewilligt wurde, nicht jedoch der Teil, der auf den Ehemann der Klägerin entfällt. Der Einwand des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, bei den Kosten der KdU handle es sich um "Sowieso-Kosten", die nicht zurückgefordert werden könnten, geht ins Leere. Denn nach § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II kann in den Fällen des § 45 Abs. 2
Satz 3 SGB X und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X abweichend von § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch die bewilligten KdU nach § 28 SGB II vollständig zurückgefordert werden. Die damit möglicherweise einhergehenden Schwierigkeiten des Ehemannes der Klägerin, die KdU für den streitgegenständlichen Zeitraum allein zu tragen, sind unbeachtlich. Die Klägerin hat ihre Entscheidung, sich länger als 6 Wochen von ihrem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten, selbst getroffen. Diese Entscheidung eines Hilfebedürftigen kann die Beklagte nicht verpflichten, gegenüber dem anderen Mitbewohner Leistungen der KdU zu erbringen, zumal dieser wegen des Bezugs von SGB XII-Leistungen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II).
Die Rückforderung in Höhe von 2309,56 EUR wurde korrekt ermittelt und rechtmäßig auf
§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt. Der Betrag von 2309,56 EUR ergibt sich aus den an die Klägerin erbrachten Leistungen in Höhe von 771,71 EUR: 30 Tage - 19 Tage (Juni 07) zuzügl. 2 Monate a 778,71 EUR (Juli u. Aug. 07) zuzügl. 778,71 EUR: 30 Tage - 10 Tage (Sept. 07).
Sofern der Prozessbevollmächtigte vorträgt, dass höchstens eine Absenkung um 30 % der Regelleistung in Betracht käme, bezieht sich dies auf die frühere Rechtslage vor Einführung des § 7 Abs. 4 a SGB II mit Wirkung vom 01.08.2006. Auf die Übergangsvorschrift des § 69 SGB II sowie die Bestimmung über das In-Kraft-Treten (Art. 16 Abs. 1 FortentwG) wird nochmals hingewiesen.
Die Beklagte hat demnach den Bescheid vom 23.11.2006 zu Recht zwingend für die Zeit vom 12. bis 30.06.2007 aufgehoben.
2. Für den Bewilligungsabschnitt vom 01.07. bis 10.09.2007 liegen die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Nr. 2, § 40 Abs. 2 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 1, 2
Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 SGB X vor. Danach ist ein anfänglich rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Begünstigte sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Auf Vertrauen kann sich die Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Der Bewilligungsbescheid vom 20.06.2007 war anfänglich rechtswidrig, da die Klägerin wegen der nicht genehmigten Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4 a SGB II zwar nicht im Zeitpunkt der Antragstellung, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, § 39 Abs. 1 SGB X, keinen Anspruch auf die Leistung hatte (vg. Urteil des BSG vom 01.06.2006, Az.: B 7a AL 76/05 R). Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten.
Unerheblich ist, dass die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2007 auf
§ 48 und nicht auf § 45 SGB X gestützt hat. Denn die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides umfasst auch die Anwendung einer anderen Rechtsnorm, etwa die des
§ 48 SGB X statt des § 45 SGB X bzw. umgekehrt (Urteil des BSG vom 20.10.2005,
Az.: B 7a AL 18/05 R). Durch die neue Begründung wird der Verwaltungsakt nicht nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkung wesentlich verändert und nicht die Rechtverteidigung des Betroffenen beeinträchtigt oder erschwert. Dies insbesondere deshalb, weil es sich in beiden Fällen um gebundene Entscheidungen handelt (vgl. § 330 SGB III; Eicher/ Spellbrink, SGB II Kommentar, 2. Aufl., § 40 Rn. 114)
Wie bereits unter 1. festgestellt, oblag der Klägerin die Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 SGB I, welche sie grob fahrlässig verletzt hat. Die Klägerin hatte zwar bei Beantragung der Leistung am 21.05.2007 noch korrekte Angaben gemacht, da sie sich zu diesem Zeitpunkt noch im Nahbereich der EAO aufhielt; die Angaben wurden erst nach Beantragung, aber vor Erlass des Verwaltungsaktes unrichtig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anwendung des § 45 SGB X in Abgrenzung zu § 48 SGB X ist die Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes. Erlassen in diesem Sinne ist ein Verwaltungsakt gemäß § 39 Abs. 1 SGB X mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, d.h. in der Regel mit dessen Bekanntgabe (Schütze in von Wulffen, SGB X-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdnr. 31), hier demnach am 23.06.2007. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin bereits in Aserbeidschan, so dass der Bescheid zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war. Aber auch diese Konstellation betrifft § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Die Anzeigepflicht von Änderungen gilt zwar in erster Linie bei laufendem Leistungsbezug, erfasst aber auch Änderungen während des laufenden Verwaltungsverfahrens vor der Entscheidung über die einmalige oder laufende Leistung. Ist der Berechtigte im Zweifel, ob die Änderung für die Leistung erheblich ist, wird er die Änderung mitteilen oder sich um Klärung bemühen müssen (Waschull in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 70. Ergänzungslieferung 2010, § 60 Rdnr. 16). Die Beklagte hat demnach den Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Recht zurückgenommen.
Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine diesbezüglichen Gründe ersichtlich sind, § 160 Abs. 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides über 2.309,56 EUR für den Zeitraum vom 12.06.2007 bis 10.09.2007 streitig.
Die 1955 geborene Klägerin sowie ihr Ehemann bezogen ab 01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Antrag vom 23.11.2004 gab die Klägerin an, die Belehrung u.a. über die Mitteilungspflicht bei vorübergehender Ortsabwesenheit in deutscher Sprache verstanden zu haben, zusätzlich enthielt der Antrag den Vermerk, dass die Belehrung auch in die Muttersprache der Klägerin übersetzt wurde. Ab November 2006 erhielt nur noch die Klägerin Arbeitslosengeld II, ihr Ehemann bezog aufgrund seines Alters ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Mit Fortzahlungsanträgen im November 2006 und 21.05.2007, in denen sie jeweils angab, dass sich die Verhältnisse nicht geändert hätten, beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II, welche mit Bescheiden vom 23.11.2006 für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2007 und vom 20.06.2007 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2007 bewilligt wurden. Bis 30.06.2007 betrug die Leistungshöhe 777,71 EUR monatlich und ab 01.07.2007 778,71 EUR monatlich. Die Summe setzte sich zusammen aus der Regelleistung von 311,00 bzw. 312,00 EUR, einem ernährungsbedingten Mehrbedarf von 51,13 EUR sowie Unterkunfts- und Heizkosten (KdU) von 415,58 EUR. Die Bescheide enthielten jeweils den in deutscher Sprache abgefassten Hinweis: "Sie müssen immer unter der von ihnen benannten Adresse erreichbar sein. Sollten sie eine Ortsabwesenheit planen, sind sie verpflichtet, den Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit mit ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit kann zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen".
Die Beklagte lud die Klägerin zu einem Termin bei der Arbeitsvermittlung am 05.09.2007 ein. Laut einer Aktennotiz teilte der "Sohn der Klägerin" am 04.09.2007 telefonisch mit, die Klägerin könne den Termin nicht wahrnehmen, weil sie krank sei. Auf Bitte, die entsprechenden Unterlagen bezüglich der Krankheit vorzulegen, räumte der Anrufer ein, dass sich die Klägerin nicht in A-Stadt aufhalte, sie sei zu Verwandten innerhalb Deutschlands verreist. Dies sei nicht mit der Beklagten abgestimmt. Mit Schreiben vom 04.09.2007 hörte die Beklagte die Klägerin zu diesem Sachverhalt an und kündigte eine teilweise Rückforderung des gewährten Arbeitslosengeldes II wegen nicht genehmigter Ortsabwesenheit an.
Mit Schreiben vom 17.09.2007 wies die Klägerin darauf hin, sie sei vom 12.06.2007 bis 10.09.2007 in Aserbaidschan gewesen. Der Gesundheitszustand ihrer herzkranken Schwester in Aserbaidschan habe sich dramatisch verschlechtert, so dass sie so schnell es ginge zu ihr geflogen sei. Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass man eine Ortsabwesenheit unter drei Monaten mitzuteilen habe.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.10.2007 hob die Beklagte die Entscheidungen vom 23.11.2006 und 20.06.2007 für die Zeit vom 12.06.2007 bis 10.09.2007 auf und forderte gemäß §§ 7 Abs. 4 a SGB II, 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 50 SGB X insgesamt 2.309,56 EUR zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 06.11.2007 Widerspruch. Bei dem Auslandsaufenthalt habe es sich um eine Notsituation gehandelt; an eine Abmeldung bei der Beklagten habe sie daher nicht gedacht bzw. ihr sei nicht bewusst gewesen, dass man sich abmelden müsse. Den Hinweis im Bescheid habe sie mangels ausreichender Sprachkenntnis nicht hinreichend verstanden. Zudem sei sie ja über ihren Ehemann unter der benannten Adresse erreichbar gewesen. Sollte eine Aufhebung nicht möglich sein, bitte sie um eine maximal 30 %ige Kürzung der Regelleistung und des Mehrbedarfs. Ergänzt wurde der Widerspruch durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2007. Die Abwesenheit sei nicht geplant gewesen, sondern hätte sich aufgrund einer Notsituation ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 15.02.2008 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Dabei hat sie neben dem erneuten Hinweis auf eine Notsituation vorgetragen, wegen der erstmaligen Ortsabwesenheit käme üblicherweise lediglich eine 30 %ige Kürzung der Regelleistung in Betracht, nicht eine vollständige Aufhebung. Auch sei eine Aufhebung der KdU rechtswidrig, weil die Klägerin mit ihrem Ehemann in Bedarfsgemeinschaft wohne und es sich bei der KdU damit um "Sowieso-Kosten" handle. Außerdem habe die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.02.2010 abgewiesen. Die Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2006 bemesse sich nach § 48 SGB X, während sich die Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2007 nach § 45 SGB X richte. Der Aufenthalt der Klägerin in Aserbaidschan stelle eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Eine Absenkung von nur 30 % basiere auf einer früheren Rechtslage. Die Nichtmitteilung der Ortsabwesenheit stelle eine grob fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflichten gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I dar. Hinsichtlich des zweiten Bewilligungsabschnitts sei der Bescheid anfänglich rechtswidrig gewesen, auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie die falschen Angaben grob fahrlässig selbst gemacht habe. Auch die Höhe der Rückforderung sei korrekt ermittelt worden.
Hiergegen hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 16.03.2010 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und Prozesskostenhilfe beantragt. Die Klägerin genieße Vertrauensschutz, was bei einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei. Bei den §§ 45 und 48 SGB X bedürfe es stets einer Ermessensentscheidung. Die Klägerin sei aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage, den geforderten Betrag von 2.309,56 EUR zurückzuzahlen. Außerdem könnten die Kosten der Unterkunft, die den Ehemann betreffen, keinesfalls zurückgefordert werden. Zudem seien die Kosten für Unterkunft und Heizung bereits an den Vermieter gezahlt und damit verbraucht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9.Februar 2010 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2010 hat das LSG die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren und die Beiordnung von RA B. abgelehnt.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige und gem. § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.02.2010, mit dem die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008 abgewiesen wurde, ist nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Verfahrens im Sinne von § 95 SGG ist der Bescheid vom 09.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008. Zulässige Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2006 (1. Bewilligungsabschnitt 01.01. bis 30.06.2007) ist § 48 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, während sich die Rücknahme des Bescheides vom 20.06.2007 (2. Bewilligungsabschnitt 01.07. bis 31.12.2007) nach § 45 SGB X richtet.
1. Die Beklagte hat den Bescheid vom 23.11.2006 hinsichtlich des Bewilligungsabschnitt vom 12. bis 30.06.2007 zu Recht nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aufgehoben.
Die Voraussetzungen liegen vor. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt.
Bei dem Bewilligungsbescheid vom 23.11.2006 (Bewilligungsabschnitt 01.01. bis 30.06.2007) handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der bei Erlass im November 2006 - damit anfänglich - rechtmäßig war.
Der Aufenthalt der Klägerin in Aserbaidschan stellt jedoch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Denn nach § 7 Abs. 4 a 1. HS SGB II in der Fassung ab 01.08.2006 erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997, geändert durch die Anordnung vom 10.11.2001 - definierten zeit- und ortsnahen Bereich aufhält. Die Übergangsvorschrift (vgl. § 69 SGB II) kommt insoweit der Klägerin nicht zugute. Das Gesetz trat sofort am 01.08.2006 in Kraft (vgl. Art. 16 Abs. 1). Der durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (FortentwG, BGBl I 2006, 1706) eingeführte neue Ausschlusstatbestand des
§ 7 Abs. 4a SGB II sollte die Sanktion bezüglich der bis dahin lediglich über § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II sanktionierten Ortsabwesenheit (zunächst Absenkung der Regelleistung um 30 %) verschärfen. Ortsabwesende Hilfebedürftige sollten mit dieser Verschärfung zu einer Rückkehr und zur aktiven Mitwirkung an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt bewegt werden; insbesondere ging es dabei um Auslandsaufenthalte bei aufrechterhaltenem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (vgl. BT-Drs 16/1696 S. 26). Zum Nahbereich nach der EAO gehören danach alle Orte, in der Umgebung der Agentur für Arbeit, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, die Agentur für Arbeit täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen (§ 2 Nr. 3 S. 2 EAO). Entfernt sich der Hilfebedürftige aus diesem Bereich, bleibt der Leistungsanspruch nur dann erhalten, wenn die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners vorliegt. Der Aufenthalt in Aserbaidschan war seitens des persönlichen Ansprechpartners der Klägerin nicht vorher genehmigt worden, er umfasste auch weit mehr als sechs Wochen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 4 der EAO). Ausreichend ist auch nicht, dass der Ehemann der Klägerin die Verbindung zu dieser hätte herstellen können. Denn die Klägerin hätte persönlich an jedem Werktag in ihrem Wohnsitz unter der von ihr benannten Anschrift durch Briefpost erreichbar sein müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO). Schließlich muss die Klägerin als arbeitslose erwerbstätige Hilfebedürftige im damaligen Alter von 52 Jahren gemäß § 2
SGB II auch zeitlich und räumlich im Stande sein, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer möglichen Erwerbstätigkeit zu beenden. Sie war weder Sozialgeldempfängerin und erwerbsunfähig, noch konnte sie bei ihrem Lebensalter ihre Verfügbarkeit begrenzen
(§ 65 Abs. 4 Satz 1 SGB II). Demnach war die Klägerin in der Zeit vom 12.06. bis 10.09.2007 wegen Ortsabwesenheit vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen.
Die Klägerin ist ihren Mitteilungspflichten gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I grob fahrlässig nicht nachgekommen, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 45 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Auf die Pflicht zur Mitteilung von Ortsabwesenheiten jeglicher Dauer war die Klägerin jeweils schriftlich in den Anträgen und mit den Bewilligungsbescheiden hingewiesen worden. Der Einwand, die Klägerin habe von der ihr obliegenden Mitteilungspflicht nichts gewusst, überzeugt den Senat nicht. Die Klägerin war bereits in ihrem 1. Antrag auf SGB II-Leistungen unter "III. Belehrungen" darauf hingewiesen worden, dass sie jede vorübergehende Abwesenheit (z.B. Urlaub) dem Amt für soziale Sicherheit/Sozialbürger- haus/ARGE unverzüglich und unaufgefordert mitteilen muss. Sie hat durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie diese Belehrung sowohl in deutscher Sprache verstanden hat als auch eine Übersetzung der Belehrung in ihre Muttersprache erfolgte. Diese Erkenntnis ergibt sich aus dem Antrag vom 23.04.2004, der den Verwaltungsakten beilag. Die Klägerin hatte demnach positive Kenntnis von ihrer Verpflichtung, jede vorübergehende Ortsabwesenheit unverzüglich mitzuteilen.
Dass auf diese Verpflichtung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr im Antragsformular hingewiesen wurde, sondern den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2006 und 20.06.2007 ein in deutscher Sprache gehaltener Hinweises ("Sie müssen immer unter der von ihnen benannten Adresse erreichbar sein. Sollten sie eine Ortsabwesenheit planen, sind sie verpflichtet, den Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit mit ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit kann zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen") beigefügt war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr machte es der Klägerin deutlich, dass die Mitteilungsverpflichtung hinsichtlich der Ortsabwesenheit weiterhin galt. Das Verhalten des Sohnes der Klägerin, der im Telefonat mit der Beklagten wahrheitswidrig zunächst auf eine Erkrankung seiner Mutter und dann auf eine Abwesenheit innerhalb Deutschlands verwies, bestätigt die positive Kenntnis von der Verpflichtung zur Mitteilung der Ortsabwesenheit. Ein solches Verhalten eines nahen Angehörigen, falsche Angaben zum Aufenthaltsort der Mutter zu machen, ist nur dann erklärbar, wenn der Angehörige, von der Verpflichtung zur Mitteilung positiv Kenntnis hatte. Dies konnte dieser wiederum von der Klägerin wissen oder deren Ehemann, dessen Kenntnis derselben aus früherer Antragstellung zuzurechnen ist (vgl. § 38 SGB II).
Die Behauptung, die Klägerin habe mangels ausreichender Sprachkenntnisse den Hinweis auf die Verpflichtung zur Mitteilung der Ortsabwesenheit in den Bewilligungsschreiben nicht verstanden, ist nicht glaubhaft. Zum einen hat die Klägerin in ihrem ersten Antrag auf SGB II-Leistungen im November 2004 durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie die Belehrung in Deutsch verstanden hat, aber auch zusätzlich eine Übersetzung in ihre Muttersprache erhielt. Sie hatte dadurch positive Kenntnis von ihrer Mitteilungsverpflichtung hinsichtlich jeglicher Ortsabwesenheit. Die Klägerin hätte sich - wenn sie nachfolgende an sie gerichtete Schreiben nicht versteht, über den Inhalt Klarheit verschaffen müssen, beispielsweise durch Bitte um ein Aufklärungs- oder Beratungsgespräch oder durch eine andere Person, die der deutschen Sprache in ausreichendem Maße mächtig ist (vgl. BayLSG, Urteil vom 27.02.2007, L 8 AL 219/06). Denn Amtssprache die ist deutsch, § 19 SGB X. Eine möglicherweise falsche Interpretation der Obliegenheitspflichten seitens der Klägerin ändert daran nichts, weil es nicht darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger die jeweilige Tatsache rechtlich einzuordnen weiß. Vielmehr geht - ebenso wie das SG - der Senat davon aus, dass die Klägerin ungeachtet der Hinweise in den Bescheiden nach Aserbaidschan gereist ist und zu keinem Zeitpunkt vorhatte, die Beklagte hierüber zu informieren. Dies wird verstärkt durch die insoweit getätigte Angabe der Klägerin, sie habe gedacht, dass eine Ortsabwesenheit unter drei Monaten unbeachtlich sei. Allein der zufällig für den 05.09.2007 anberaumte Termin brachte den Sachverhalt zu Tage. Auch der Hinweis, es handle sich bei dem Grund für die Reise um einen Notfall (Erkrankung der Schwester) führt zu keinem anderen Ergebnis. Zur Vorbereitung der Reise, die am 12.06.2007 angetreten wurde, war entweder die Buchung eines Fluges, eines Zuges oder eines Busses notwendig. In dieser Zeit wäre es auch möglich gewesen, die kurzfristige Einholung der Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners einzuholen. Demnach stellt der Senat fest, dass die Klägerin die ihr obliegenden Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt hat. Sie hat ihr Verhalten der Beklagen nicht zur Prüfung gestellt und damit in Kauf genommen, eine Obliegenheit zu verletzen. Diese Unsicherheit hätte sie um ein Leichtes beseitigen können. Ein Anruf bei der Beklagten nach dem Reiseentschluss der Klägerin hätte den Erlass des Bescheids verhindert und im Übrigen die Klägerin von der Rückforderung verschont.
Die Klägerin kann sich damit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Auf die Verpflichtung, jede Ortsabwesenheit vorab mit dem persönlichen Ansprechpartner abzustimmen und auf die entsprechenden Rechtsfolgen bei Verstoß gegen diese Verpflichtung wurde die Klägerin jeweils in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2006 und 20.06.2007 ausdrücklich schriftlich hingewiesen. Die Klägerin musste bzw. hätte daher wissen müssen, dass eine unerlaubte Abwesenheit zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen kann. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf beziehen, dass sie die entsprechenden Hinweise nicht verstanden hat, denn gemäß § 19 SGB X ist die Amtssprache deutsch. Sofern sie den Erklärungsinhalt der entsprechenden Bescheide aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstanden hat, wäre sie verpflichtet gewesen, sich um eine Übersetzung zu bemühen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die dem Bescheid zugrunde liegenden Hinweise in der Heimatsprache der Klägerin aufzunehmen.
Es besteht auch keine Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bezüglich eines Ermessensnichtgebrauchs. Denn eine Ermessensentscheidung ist ausgeschlossen. Nach § 40 Abs. 1 Ziff. 1 SGB II gilt § 330 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III entsprechend. § 330 Abs. 2 SGB III enthält aufgrund der Verweisung in § 40 SGB II eine von § 45 SGB X abweichende Sonderregelung, die die Behörde bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X davon entbindet, ihr Ermessen auszuüben. Gleiches gilt nach § 330 Abs. 3 SGB III auch für die Aufhebung nach § 48 SGB X. Daher sind die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten hinsichtlich der Ermessensfehler der Beklagten unbeachtlich.
Auch der Hinweis, die Klägerin könne die zurückgeforderte Summe nicht begleichen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides, sondern nur zu möglichen Schwierigkeiten bei dessen Vollzug.
Hinsichtlich der zurückgeforderten Leistungen der KdU wurde nur der Teil zurückgefordert, der der Klägerin bewilligt wurde, nicht jedoch der Teil, der auf den Ehemann der Klägerin entfällt. Der Einwand des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, bei den Kosten der KdU handle es sich um "Sowieso-Kosten", die nicht zurückgefordert werden könnten, geht ins Leere. Denn nach § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II kann in den Fällen des § 45 Abs. 2
Satz 3 SGB X und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X abweichend von § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch die bewilligten KdU nach § 28 SGB II vollständig zurückgefordert werden. Die damit möglicherweise einhergehenden Schwierigkeiten des Ehemannes der Klägerin, die KdU für den streitgegenständlichen Zeitraum allein zu tragen, sind unbeachtlich. Die Klägerin hat ihre Entscheidung, sich länger als 6 Wochen von ihrem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten, selbst getroffen. Diese Entscheidung eines Hilfebedürftigen kann die Beklagte nicht verpflichten, gegenüber dem anderen Mitbewohner Leistungen der KdU zu erbringen, zumal dieser wegen des Bezugs von SGB XII-Leistungen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II).
Die Rückforderung in Höhe von 2309,56 EUR wurde korrekt ermittelt und rechtmäßig auf
§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt. Der Betrag von 2309,56 EUR ergibt sich aus den an die Klägerin erbrachten Leistungen in Höhe von 771,71 EUR: 30 Tage - 19 Tage (Juni 07) zuzügl. 2 Monate a 778,71 EUR (Juli u. Aug. 07) zuzügl. 778,71 EUR: 30 Tage - 10 Tage (Sept. 07).
Sofern der Prozessbevollmächtigte vorträgt, dass höchstens eine Absenkung um 30 % der Regelleistung in Betracht käme, bezieht sich dies auf die frühere Rechtslage vor Einführung des § 7 Abs. 4 a SGB II mit Wirkung vom 01.08.2006. Auf die Übergangsvorschrift des § 69 SGB II sowie die Bestimmung über das In-Kraft-Treten (Art. 16 Abs. 1 FortentwG) wird nochmals hingewiesen.
Die Beklagte hat demnach den Bescheid vom 23.11.2006 zu Recht zwingend für die Zeit vom 12. bis 30.06.2007 aufgehoben.
2. Für den Bewilligungsabschnitt vom 01.07. bis 10.09.2007 liegen die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Nr. 2, § 40 Abs. 2 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 1, 2
Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 SGB X vor. Danach ist ein anfänglich rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Begünstigte sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Auf Vertrauen kann sich die Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Der Bewilligungsbescheid vom 20.06.2007 war anfänglich rechtswidrig, da die Klägerin wegen der nicht genehmigten Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4 a SGB II zwar nicht im Zeitpunkt der Antragstellung, aber im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, § 39 Abs. 1 SGB X, keinen Anspruch auf die Leistung hatte (vg. Urteil des BSG vom 01.06.2006, Az.: B 7a AL 76/05 R). Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten.
Unerheblich ist, dass die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2007 auf
§ 48 und nicht auf § 45 SGB X gestützt hat. Denn die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides umfasst auch die Anwendung einer anderen Rechtsnorm, etwa die des
§ 48 SGB X statt des § 45 SGB X bzw. umgekehrt (Urteil des BSG vom 20.10.2005,
Az.: B 7a AL 18/05 R). Durch die neue Begründung wird der Verwaltungsakt nicht nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkung wesentlich verändert und nicht die Rechtverteidigung des Betroffenen beeinträchtigt oder erschwert. Dies insbesondere deshalb, weil es sich in beiden Fällen um gebundene Entscheidungen handelt (vgl. § 330 SGB III; Eicher/ Spellbrink, SGB II Kommentar, 2. Aufl., § 40 Rn. 114)
Wie bereits unter 1. festgestellt, oblag der Klägerin die Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 SGB I, welche sie grob fahrlässig verletzt hat. Die Klägerin hatte zwar bei Beantragung der Leistung am 21.05.2007 noch korrekte Angaben gemacht, da sie sich zu diesem Zeitpunkt noch im Nahbereich der EAO aufhielt; die Angaben wurden erst nach Beantragung, aber vor Erlass des Verwaltungsaktes unrichtig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anwendung des § 45 SGB X in Abgrenzung zu § 48 SGB X ist die Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes. Erlassen in diesem Sinne ist ein Verwaltungsakt gemäß § 39 Abs. 1 SGB X mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, d.h. in der Regel mit dessen Bekanntgabe (Schütze in von Wulffen, SGB X-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdnr. 31), hier demnach am 23.06.2007. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin bereits in Aserbeidschan, so dass der Bescheid zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war. Aber auch diese Konstellation betrifft § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Die Anzeigepflicht von Änderungen gilt zwar in erster Linie bei laufendem Leistungsbezug, erfasst aber auch Änderungen während des laufenden Verwaltungsverfahrens vor der Entscheidung über die einmalige oder laufende Leistung. Ist der Berechtigte im Zweifel, ob die Änderung für die Leistung erheblich ist, wird er die Änderung mitteilen oder sich um Klärung bemühen müssen (Waschull in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 70. Ergänzungslieferung 2010, § 60 Rdnr. 16). Die Beklagte hat demnach den Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Recht zurückgenommen.
Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine diesbezüglichen Gründe ersichtlich sind, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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