Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 KR 117/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Beschluss:
I. Der Antrag vom 30.03.2011 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die 1926 geborene Antragstellerin hatte als Mitglied der Antragsgegnerin von der Option zur Teilnahme an der von dieser gemäß § 73 b SGB V angebotenen Versorgungsform der hausarztzentrierten Versorgung Gebrauch gemacht. Durch die sich für die Antragstellerin hierdurch ergebende Verpflichtung, nur bestimmte, an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende vertragsärztliche Leistungserbringer im Rahmen der primären Krankenbehandlung in Anspruch zu nehmen und der Einschränkung der freien Arztwahl (§ 76 Abs. 1 SGB V) war im Rahmen dieses Wahltarifs gemäß § 53 Abs. 3 SGB V eine satzungsrechtliche Ausgestaltung eröffnet, die Zuzahlungsermäßigungen ermöglichte. Die Antragsgegnerin sah entsprechend in § 19c Abs. 6 ihrer Satzung eine entsprechende Ermäßigung der (quartalsweisen) Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V vor auf einen Zahlbetrag von 10,0 EUR für 4 Quartale, beginnend mit dem Bestätigungsschreiben. Der Antragstellerin war bis 31.3.2011 eine entsprechende Befreiungsbescheinigung für die Dauer ihrer Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ausgestellt worden. Der dem Wahltarif zu Grunde liegende, zwischen der Antragsgegnerin und den Leistungserbringern (Bayerischer Hausärzteverband e.V.) vereinbarte Hausärztevertrag wurde vorfristig zum 31.12.2010 gekündigt. Mit Bescheid vom 17.1.2011 wurde die Antragstellerin hierüber informiert und ihr mitgeteilt, dass ab Januar 2011 für sie die freie Arztwahl erneut zulässig sei sowie die gesetzliche Zahlungspflicht zur Erbringung der quartalsweisen Praxisgebühr greife. Mit Schreiben vom 20.2.2011 erhob die Antragstellerin Widerspruch "gegen die einseitige Kündigung ihrer Teilnahme am Hausarztmodell" und begehrte die Erstattung der von ihr am 12.1.2011 bei ihrer Hausärztin Dr. Espenschied-Raps eingezogenen Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 4 SGB V in Höhe von 10 EUR. Mit gleichfalls noch widerspruchsbefangenem Bescheid vom 22.2.2011 lehnte die Antragsgegnerin des Erstattungsbehren ab.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem am 30.3.2011 ohne konkreten Antrag eingegangenen Klageschriftsatz vom 28.3.2011 "wegen Vertragsbruchs einschließlich Eilantrags wegen fehlendem Widerspruch bei Quartalsende".
II. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache - auch vor Rechtshängigkeit einer Klage - eine einstweilige Regelungsanordnung erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn der Antragstellerin ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfGE 46, 166/179). Voraussetzung einer gerichtlichen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches (das ist der materiellrechtlichen rechtliche Anspruch, auf den die Antragstellerin ihr Begehren stützt). Die Angaben zu Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind im Verfahren von der Antragstellerin glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Soweit das auslegungsbedürftige Antragsbegehren der Antragstellerin darauf gerichtet ist, die erforderliche Krankenbehandlung unter den bisherigen Bedingungen ihrer Teilnahmeerklärung einschließlich der satzungsrechtlichen Zuzahlungsermäßigung weiterhin durchzuführen, besteht weder ein Anordnungsgrund noch ein entsprechender Anordnungsanspruch.
Es ist bereits nicht erkennbar, inwieweit der Antragstellerin wegen der quartalsweise anfallenden Verpflichtung zur Entrichtung der gesetzlichen Praxisgebühr ab dem 2. Quartal 2011 ein Abwarten des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens nicht zumutbar ist (wobei gemäß § 88 Abs. 2 SGG eine Untätigkeitsklage erst nach Ablauf einer Sperrfrist von 3 Monaten nach Erhebung des Widerspruchs zulässig ist) oder durch die Zahlungsverpflichtung nicht reversible unzumutbare Nachteile entstehen könnten. Diese sind weder aufgrund einer finanziellen Überforderung glaubhaft gemacht noch ergeben sie sich hinsichtlich einer gesundheitlichen Gefährdung, da die Antragstellerin gemäß § 27, § 2 Abs. 2 SGB V zur Beschaffung der erforderlichen Krankenbehandlungsmaßnahmen alle vertragsärztlichen Leistungserbringer kostenfrei in Anspruch nehmen kann.
Die Verpflichtung zur Entrichtung der Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V ist bei der Antragstellerin für den dem Rechtsschutzbegehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegenden Zeitraum ab dem 2. Quartal 2011 nicht entfallen. Ein subjektives Recht von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung auf freiwillige Teilnahme an modifizierten Versorgungssystemen setzt voraus, dass den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 72 b Abs. 2 und Abs. 5 SGB V entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den zur vertragsärztlichen Versorgung berufenen Ärztevertretungen existieren. Wird - wie im vorliegenden Fall - die Grundlage des besonderen Versorgungsangebots durch rechtmäßige Kündigung vorzeitig beendet (wie hier zum 31.12.2010), kann den Versicherten diese Versorgungsform nicht weiter angeboten werden. Die entsprechenden, das Leistungsangebot hausarztzentrierte Versorgung ausgestaltenden, satzungsrechtlichen (§ 53 Abs. 3 SGB V) Bestimmungen, denen sich die Versicherten durch Beitrittserklärung unterworfen haben und im übrigen von der Antragsgegnerin einseitig modifiziert werden können (wie es durch die Neufassung der satzungsrechtlichen Bestimmung § 19 c ab 1.4.2011 erfolgt ist), verlieren für die Zukunft aufgrund wesentlicher Änderung der Verhältnisse gleichfalls ihre Rechtswirkung.
Soweit mit dem Antrag lediglich ein Anspruch auf Erstattung der am 12.1.2011 an die (bislang auch im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung tätige) ärztliche Behandlerin zu sehen sein sollte, den die Antragstellerin im Hinblick auf ihr bis 31.3.2011 erteilte Praxis-gebührbefreiung unter Vertrauensschutzgesichtspunkten zur Rückerstattung begehrt, fehlt es gleichfalls an einem Anordnungsgrund für eine gerichtliche Anordnung, da hierüber im Rahmen der anhängigen Widerspruchsverfahren unter Berücksichtigung der satzungsrechtlichen Regelungen (§ 19 c Abs. 13) zu entscheiden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
I. Der Antrag vom 30.03.2011 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die 1926 geborene Antragstellerin hatte als Mitglied der Antragsgegnerin von der Option zur Teilnahme an der von dieser gemäß § 73 b SGB V angebotenen Versorgungsform der hausarztzentrierten Versorgung Gebrauch gemacht. Durch die sich für die Antragstellerin hierdurch ergebende Verpflichtung, nur bestimmte, an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende vertragsärztliche Leistungserbringer im Rahmen der primären Krankenbehandlung in Anspruch zu nehmen und der Einschränkung der freien Arztwahl (§ 76 Abs. 1 SGB V) war im Rahmen dieses Wahltarifs gemäß § 53 Abs. 3 SGB V eine satzungsrechtliche Ausgestaltung eröffnet, die Zuzahlungsermäßigungen ermöglichte. Die Antragsgegnerin sah entsprechend in § 19c Abs. 6 ihrer Satzung eine entsprechende Ermäßigung der (quartalsweisen) Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V vor auf einen Zahlbetrag von 10,0 EUR für 4 Quartale, beginnend mit dem Bestätigungsschreiben. Der Antragstellerin war bis 31.3.2011 eine entsprechende Befreiungsbescheinigung für die Dauer ihrer Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ausgestellt worden. Der dem Wahltarif zu Grunde liegende, zwischen der Antragsgegnerin und den Leistungserbringern (Bayerischer Hausärzteverband e.V.) vereinbarte Hausärztevertrag wurde vorfristig zum 31.12.2010 gekündigt. Mit Bescheid vom 17.1.2011 wurde die Antragstellerin hierüber informiert und ihr mitgeteilt, dass ab Januar 2011 für sie die freie Arztwahl erneut zulässig sei sowie die gesetzliche Zahlungspflicht zur Erbringung der quartalsweisen Praxisgebühr greife. Mit Schreiben vom 20.2.2011 erhob die Antragstellerin Widerspruch "gegen die einseitige Kündigung ihrer Teilnahme am Hausarztmodell" und begehrte die Erstattung der von ihr am 12.1.2011 bei ihrer Hausärztin Dr. Espenschied-Raps eingezogenen Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 4 SGB V in Höhe von 10 EUR. Mit gleichfalls noch widerspruchsbefangenem Bescheid vom 22.2.2011 lehnte die Antragsgegnerin des Erstattungsbehren ab.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem am 30.3.2011 ohne konkreten Antrag eingegangenen Klageschriftsatz vom 28.3.2011 "wegen Vertragsbruchs einschließlich Eilantrags wegen fehlendem Widerspruch bei Quartalsende".
II. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache - auch vor Rechtshängigkeit einer Klage - eine einstweilige Regelungsanordnung erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn der Antragstellerin ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfGE 46, 166/179). Voraussetzung einer gerichtlichen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches (das ist der materiellrechtlichen rechtliche Anspruch, auf den die Antragstellerin ihr Begehren stützt). Die Angaben zu Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind im Verfahren von der Antragstellerin glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Soweit das auslegungsbedürftige Antragsbegehren der Antragstellerin darauf gerichtet ist, die erforderliche Krankenbehandlung unter den bisherigen Bedingungen ihrer Teilnahmeerklärung einschließlich der satzungsrechtlichen Zuzahlungsermäßigung weiterhin durchzuführen, besteht weder ein Anordnungsgrund noch ein entsprechender Anordnungsanspruch.
Es ist bereits nicht erkennbar, inwieweit der Antragstellerin wegen der quartalsweise anfallenden Verpflichtung zur Entrichtung der gesetzlichen Praxisgebühr ab dem 2. Quartal 2011 ein Abwarten des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens nicht zumutbar ist (wobei gemäß § 88 Abs. 2 SGG eine Untätigkeitsklage erst nach Ablauf einer Sperrfrist von 3 Monaten nach Erhebung des Widerspruchs zulässig ist) oder durch die Zahlungsverpflichtung nicht reversible unzumutbare Nachteile entstehen könnten. Diese sind weder aufgrund einer finanziellen Überforderung glaubhaft gemacht noch ergeben sie sich hinsichtlich einer gesundheitlichen Gefährdung, da die Antragstellerin gemäß § 27, § 2 Abs. 2 SGB V zur Beschaffung der erforderlichen Krankenbehandlungsmaßnahmen alle vertragsärztlichen Leistungserbringer kostenfrei in Anspruch nehmen kann.
Die Verpflichtung zur Entrichtung der Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V ist bei der Antragstellerin für den dem Rechtsschutzbegehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegenden Zeitraum ab dem 2. Quartal 2011 nicht entfallen. Ein subjektives Recht von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung auf freiwillige Teilnahme an modifizierten Versorgungssystemen setzt voraus, dass den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 72 b Abs. 2 und Abs. 5 SGB V entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den zur vertragsärztlichen Versorgung berufenen Ärztevertretungen existieren. Wird - wie im vorliegenden Fall - die Grundlage des besonderen Versorgungsangebots durch rechtmäßige Kündigung vorzeitig beendet (wie hier zum 31.12.2010), kann den Versicherten diese Versorgungsform nicht weiter angeboten werden. Die entsprechenden, das Leistungsangebot hausarztzentrierte Versorgung ausgestaltenden, satzungsrechtlichen (§ 53 Abs. 3 SGB V) Bestimmungen, denen sich die Versicherten durch Beitrittserklärung unterworfen haben und im übrigen von der Antragsgegnerin einseitig modifiziert werden können (wie es durch die Neufassung der satzungsrechtlichen Bestimmung § 19 c ab 1.4.2011 erfolgt ist), verlieren für die Zukunft aufgrund wesentlicher Änderung der Verhältnisse gleichfalls ihre Rechtswirkung.
Soweit mit dem Antrag lediglich ein Anspruch auf Erstattung der am 12.1.2011 an die (bislang auch im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung tätige) ärztliche Behandlerin zu sehen sein sollte, den die Antragstellerin im Hinblick auf ihr bis 31.3.2011 erteilte Praxis-gebührbefreiung unter Vertrauensschutzgesichtspunkten zur Rückerstattung begehrt, fehlt es gleichfalls an einem Anordnungsgrund für eine gerichtliche Anordnung, da hierüber im Rahmen der anhängigen Widerspruchsverfahren unter Berücksichtigung der satzungsrechtlichen Regelungen (§ 19 c Abs. 13) zu entscheiden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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