Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
21
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 21 SO 138/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Regelsatzes für die Zeit 1.7.2009 bis 30.6.2010.
Die X Klägerin leidet an geistiger Minderbegabung als Folge eines frühkindlichen Hirnschadens (Intelligenztiefstand vom Grad der Debilität). Sie ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt mit der Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung), B (Notwendigkeit ständiger Begleitung), H (Hilflosigkeit) und RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Nach dem Beschluss des Amtsgerichtes Bonn vom 24.11.1987 ist die geistige Behinderung bei der Klägerin so schwerwiegend, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie besitzt nur dürftige Kenntnisse im Rechnen, kann weder lesen noch schreiben, nur wenige Buchstaben nachmalen und kennt zwar Geld, kann aber dessen Wert nicht einschätzen. Es wurde eine gesetzliche Betreuung für die Klägerin eingerichtet, Betreuerin war und ist ihre Stiefmutter, mit der die Klägerin seit langen Jahren in einer Wohnung zusammenlebt. Der Aufgabenkreis der Betreuerin umfasst alle Angelegenheiten der Klägerin, mit Ausnahme der Entscheidung über die Sterilisation. Bei der Klägerin besteht nach Mitteilung der LVA Rheinprovinz volle Erwerbsminderung. Sie bezieht seit Januar 2003 von der Beklagten fortlaufend Grundsicherungsleistungen, zunächst nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG), seit dem 1.1.2005 nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch –Sozialhilfe- (SGB XII), wobei der Regelbedarf für einen Haushaltsangehörigen bewilligt worden ist. Im streitbefangenen Zeitraum lebte die Klägerin mit ihrer Stiefmutter in X wobei die Stiefmutter die Mieterin der Wohnung war. Mit Urteil vom 27.6.2008 hatte das Sozialgericht Köln die Klage der Klägerin auf Gewährung eines höheren Regelsatzes als Haushaltsvorstand abgewiesen (S 27 SO 116/07 SG Köln). Das Gericht hatte im Urteil zur Begründung ausgeführt, die Klägerin und ihre Stiefmutter lebten in einem gemeinsamen Haushalt. Im Rahmen dieses gemeinsamen Haushaltes sei die Klägerin nicht als Haushaltsvorstand, sondern als Haushaltsangehörige zu sehen. Die Generalkosten des Haushaltes würden von der Stiefmutter getragen. Die gegen das Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos (Beschluss des LSG NRW vom 3.12.2008 -L 12 B 56/08 SO NZB-). Mit Bescheid vom 27.6.2009 bewilligte die Beklagte Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.7.2009 bis 30.6.2010 in Höhe von 575,79 Euro unter Anerkennung eines Regelbedarfs für einen Haushaltsangehörigen in Höhe von 287,- Euro, eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 48,75 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 240,- Euro. Die Klägerin erhob Widerspruch und rügte die Höhe des Regelsatzes. Zwischen ihr und ihrer Stiefmutter bestünde keine Einsatzgemeinschaft. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.8.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verweist auf das Urteil des SG Köln vom 27.6.2008 (S 27 SO 116/07 SG Köln).
Die Klägerin hat am 3.9.2009 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und verweist auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.5.2009 (B 8 SO 8/08 R) und 23.3.2010 (B 8 SO 15/08 R). Würde sie einem gesunden Kläger nicht gleichgestellt, käme dies einer Diskriminierung ihrer Person wegen Behinderung gleich.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.8.2009, an sie ab dem 1.7.2009 Regelsatzleistungen in Höhe von 359,- Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, die zitierten Urteile des BSG seien hier nicht anwendbar. Diese behandelten Fälle beim Wechsel aus dem Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II) in den Leistungsbezug nach dem SGB XII bzw. der behinderte Kläger des am 23.3.2010 entschiedenen Rechtsstreits sei in der Lage gewesen, eine Werkstatt für behinderte Menschen aufzusuchen. Der Fall der Klägerin liege anders, sie führe keinen eigenen Haushalt und sei hierzu aufgrund ihrer Behinderung auch nicht in der Lage. Ein selbständiges Wirtschaften bzw. die Übernahme von Pflichten eines Haushaltsvorstandes seien ihr nicht möglich. Auch sei sie nach Aussage der Betreuerin nicht in der Lage, eine Werkstatt für behinderte Menschen zu besuchen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Streitakten, die Gerichtsakten X SG Köln mit dortigem Auszug der Betreuungsakten des Amtsgerichts Bonn und die Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 27.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.8.2009 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und verletzt sie nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung höherer Regelleistungen für die Zeit vom 1.7.2009 bis 30.6.2010, insbesondere kann sie nicht die Gewährung 100 v.H. des Eckregelsatzes in Höhe von 359,- Euro verlangen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind.
Nach § 28 Abs. 1 SGB XII wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 nach Regelsätzen erbracht. Die Regelsätze werden so bemessen, dass der Bedarf nach Absatz 1 dadurch gedeckt werden kann (Abs. 3). Einzelheiten über Inhalt, Bemessung und Aufbau der Regelsätze nach § 28 sowie ihrer Berechnung und Fortschreibung enthält die auf der Grundlage von § 40 SGB XII erlassene Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII –Regelsatzverordnung- (RSV) vom 3.6.2004 (gültig ab 1.1.2005). Nach § 3 Abs. 1 RSV sind die Regelsätze für den Haushaltsvorstand und für sonstige Haushaltsangehörige festzusetzen. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand beträgt 100 v.H.des Eckregelsatzes. Der Regelsatz für Haushaltsangehörige gilt auch für Alleinstehende. Die Regelsätze für sonstige Angehörige ab Beginn des 15. Lebensjahres beträgt 80 v.H. des Regelsatzes (1.7.2009 bis 31.12.2011) (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 RSV). Leben Ehepartner oder Lebenspartner zusammen, beträgt der Regelsatz jeweils 90 v.H. (§ 3 Abs. 3 RSV).
Die Klägerin ist weder Alleinstehende noch Haushaltsvorstand im Sinne von § 3 Abs. 1 RSV, sondern Haushaltsangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 3 RSV. Zur Führung eines eigenen Haushaltes mit den damit einhergehenden Pflichten und Aufgaben ist die schwer geistig behinderte Klägerin, bei der ein GdB von 100 und u.a. das Merkzeichen Hilflosigkeit anerkannt sind, nicht in der Lage, denn sie kann weder lesen noch schreiben, besitzt keine hinreichenden Kenntnisse im Rechnen und kann nicht mit Geld umgehen. Die Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer Stiefmutter in X. Vorstand dieses gemeinsamen Haushaltes war nicht die Klägerin, sondern ihre Stiefmutter. Dies ist bereits mit Urteil des Sozialgerichts vom X rechtskräftig festgestellt worden und wird in diesem Verfahren von der Klägerin auch nicht bestritten. Geltend gemacht wird von ihr, sie bilde mit Stiefmutter keine Einstandsgemeinschaft, was mit Blick auf die Regelungen §§ 43 Abs. 1, 19 Abs. 3 SGB XII zutreffend ist, nicht aber zwingend dazu führt, dass die Klägerin Anspruch auf den Regelsatz für einen Haushaltsvorstand hat (dazu weiter unten).
Als Haushaltsangehörige steht der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 RSV nur ein Regelsatz in Höhe von 80 v.H. des Eckregelsatzes zu, für die Zeit vom 1.7.2009 bis 30.6.2010 belief sich der entsprechende Regelsatz nach § 1 der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe NRW vom 9.6.2009 auf 287,- Euro. Dieser Betrag ist von der Beklagten der Berechnung des Grundsicherungsleistungsanspruchs der Klägerin zutreffend zugrunde gelegt worden.
Ein Anspruch der Klägerin auf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes lässt sich auch unter Berücksichtigung der Urteile des BSG vom 19.5.2009 (B 8 SO 8/08 R) und 23.3.2010 (B 8 SO 15/08 R) nicht begründen. Danach sei die Abgrenzung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im SGB XII aus Gründen der nach Art. 3 Grundgesetz (GG) gebotenen Gleichbehandlung mit Blick auf die Regelungen im SGB II vorzunehmen. Denn die Leistungen beider Regelwerke hätten eine identische sozialrechtliche Funktion, nämlich die Sicherstellung des Existenzminimums. Der Gesetzgeber des SGB II habe die Annahme einer Haushaltsersparnis und Kürzung von Regelleistung aber nicht mehr mit einer individuellen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse der zusammenlebenden Personen verbunden, sondern gehe in § 20 SGB II typisierend von prozentualen Abschlägen von der Regelleistung wegen Hauhaltsersparnis nur bei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft aus. Da es eine Differenzierung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nicht gebe, könnten Ersparnisse durch eine gemeinsame Haushaltsführung entgegen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSGH) und der RSV trotz Übernahme der Differenzierung nach Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen in das SGB XII und trotz der Fortgeltung der RSV nur dann angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft im Sinne von § 19 SGB XII bildeten. Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung vermag die Kammer – jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht zu folgen und schließt sich der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen LSG im Urteil vom 9.12.2009 (-L 9 SO 12/08-) an (ebenso Sozialgericht Augsburg Urteil vom 16.10.2010 -S 15 SO 40/10-; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 26.11.2009 –L 8 SO 169/07-; SG Düsseldorf Beschluss vom 25.2.2011 –S 42 SO 41/11 ER-). Denn der Gesetzgeber hat für den Bereich des SGB XII –der Sozialhilfe- das unter Geltung des BSHG angewandte Regelsatzsystem und damit die in der RSV niedergelegte Haushaltsvorstandslösung übernommen, während er in § 20 SGB II eine davon abweichende Regelung getroffen hat. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) im Sinne einer Benachteiligung der Klägerin gegenüber Leistungsbeziehern nach dem SGB II kann hierin nicht gesehen werden. Zwar würde die volljährige (über 25 Jahre alte) Klägerin, würde sie dem Regelwerk des SGB II unterfallen, den Regelsatz in Höhe von 100 v.H. des Eckregelsatzes erhalten. Es liegen aber sachliche Gründe vor, die eine unterschiedliche Behandlung von Leistungsbezieher nach dem SGB XII einerseits und dem SGB II andererseits rechtfertigen. Hintergrund der Unterscheidung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen ist die Erwägung, dass bei einem Zusammenleben von Personen in einem gemeinsamen Haushalt wegen der Ersparnisse durch die gemeinsame Haushaltsführung bzw. die Synergieeffekte von einem geringen, tatsächlichen Bedarf auszugehen ist, als wenn zwei getrennte, eigenständige Haushalte geführt würden. Diese Erwägung beruht auf empirischen Feststellungen, die auch der Regelsatzbemessung zu Grunde gelegen haben (SG Augsburg, aaO). Entscheidend ist, wann aufgrund der tatsächlichen Umstände oder aufgrund rechtlicher Vorgaben bei einem Zusammenleben von Personen in einem Haushalt die Ersparnisse in der Regelsatzbemessung Niederschlag finden sollen. Zwar sehen sowohl das SGB XII als auch das SGB II insofern Pauschalisierungen vor, als davon ausgegangen wird, dass der Regelbedarf durch die pauschal ermittelten Regelsätze abgedeckt wird. Trotzdem sind die Bedarfslagen nicht vollständig vergleichbar (SG Augsburg, aaO). Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sind in einem erwerbsfähigen Alter und von ihnen wird die Wiederaufnahme einer Erwerbsfähigkeit erwartet, wodurch sich in ihrem Fall andere Bedarfe ergeben können, als bei Leistungsempfängern nach dem SGB XII, die entweder im Rentenalter oder voll erwerbsgemindert aufgrund einer Erkrankung oder einer Behinderung sind. Lebt ein volljähriger Leistungsbezieher nach dem SGB XII -wie die Klägerin- aufgrund seiner Behinderung und Hilflosigkeit noch im Haushalt der Eltern und wird von diesen versorgt und verpflegt, wird bei einem solchen Zusammenleben in einer Art und Weise gewirtschaftet, wie es in einem engen Familienverbund oder in einer Paargemeinschaft, also einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II oder einer Einstandsgemeinschaft nach dem SGB XII üblich ist, wodurch die mit dem gemeinsamen Wirtschaften verbundenen Ersparnisse tatsächlich eintreten. Diese in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung jedenfalls dann, wenn -wie vorliegend- die Zuordnung von Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen aufgrund der tatsächlichen Umstände zweifelsfrei getroffen werden kann (SG Augsburg, aaO). Dass die Klägerin mit ihrer Stiefmutter keine Einstandsgemeinschaft bildet, steht dieser Annahme nicht entgegen, denn bei der Festlegung von Regelsätzen geht es nicht um die Zurechnung von Einkommen oder Vermögen von Mitgliedern der Einstandsgemeinschaft zur Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit des Hilfenachsuchenden, sondern um eine Bedarfsbemessung für den Sozialhilfebedürftigen aufgrund der tatsächlichen Lebensumstände. Durch das gemeinsame Wirtschaften traten im gemeinsamen Haushalt der Klägerin und ihrer Stiefmutter gleichermaßen Ersparnisse auf wie bei einem Ehepaar oder bei Lebenspartnern als Bedarfsgemeinschaft oder Einstandsgemeinschaft. Das Gericht sieht daher keinen sachlichen Grund, der Klägerin und ihre Stiefmutter, die ebenfalls im Leistungsbezug nach dem SGB XII stand und weiterhin steht, als familiäre Haushaltsgemeinschaft insgesamt höhere Regelleistungen zuzusprechen, nämlich in Höhe von 200 v.H. des Eckregelsatzes, als einem Ehepaar oder Lebenspartnern, die Regelsätze in Höhe von lediglich 180 v.H. des Eckregelsatzes sowohl nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII beziehen können. Denn es ist nicht erkennbar, welche weitergehenden Ersparnisse sich im Haushalt eines Ehepaares oder von Lebenspartnern ergeben sollten, die es rechtfertigen könnten, im Vergleich zu den Ersparnissen in dem Familienhaushalt von (Stief-)Kind und (Stief)Mutter die Regelsätze für das Ehepaar bzw. die Lebenspartner um 20 % abzusenken. Wegen des gleichermaßen bestehenden Näheverhältnisses zwischen (Stief)Kind und (Stief)Eltern bestehen keine relevanten Unterschiede zu den Ersparnissen in Haushalten von Ehepaaren oder Lebenspartnern (Schleswig-Holsteinisches LSG, aaO). Wollte man Eheleuten bzw. Lebenspartnern geringe Regelsätze zusprechen, dürfte dies verfassungsrechtlich bedenklich sein mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) (Schleswig-Holsteinisches LSG, aaO) und bezogen auf die Eheleute mit Blick auf den verfassungsrechtlich verbürgten Schutz der Ehe vor Benachteiligung (Art. 6 GG). Auch ergibt sich aus dieser Sichtweise keine Diskriminierung der Klägerin mit Blick auf ihre Behinderung, denn dem behinderungsbedingte Mehrbedarf wird durch den ihr zuerkannten Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII Rechnung getragen. Nach Auffassung der Kammer ist es letztlich Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, die Regelungen der RSV entweder für bestimmte Personenkreise auszuschließen oder auf bestimmte Fallgruppen zu beschränken (SG Augsburg, aaO) bzw. dem Recht des SGB II anzupassen. Der Gesetzgeber will aber offensichtlich die Systematik des SGB II nicht auf den Bereich des SGB XII übertragen sehen, was der am 11.2.2011 im Bundestag beschlossenen Fassung des neuen Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz- RBEG-) entnommen werden kann. Dort bestimmt der Gesetzgeber in § 8 die Regelbedarfsstufen. Die Regelbedarfsstufe 1 mit einem Regelsatz von 364,- Euro (100 v.H. des Eckregelsatzes) erhält die erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt, dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG). Die Regelbedarfsstufe 3 mit einem Regelsatz von 291,- Euro ist für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt, vorgesehen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 RBEG). Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber weiterhin beim Zusammenleben von mehreren volljährigen Personen in einem gemeinsamen Haushalt ungeachtet des Umstandes, ob rechtlich von einer Einstandsgemeinschaft auszugehen ist, die Höhe des Regelsatzes danach differenziert, ob der Leistungsberechtigte den (gemeinsamen) Haushalt führt, also die häuslichen Belange und Angelegenheiten regelt und verwaltet, die Generalkosten des Haushaltes trägt und die weiteren Haushaltsmitglieder versorgt. Der Leistungsberechtigte, der diese Aufgaben nicht bzw. nicht überwiegend übernimmt, führt den Haushalt nicht, sondern gehört ihm lediglich als Haushaltsangehöriger an und erhält daher den abgesenkten Regelsatz.
Nach alledem hat die Beklagte zu Recht die Gewährung eines Regelsatzes in Höhe von 359,- Euro abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Regelsatzes für die Zeit 1.7.2009 bis 30.6.2010.
Die X Klägerin leidet an geistiger Minderbegabung als Folge eines frühkindlichen Hirnschadens (Intelligenztiefstand vom Grad der Debilität). Sie ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt mit der Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung), B (Notwendigkeit ständiger Begleitung), H (Hilflosigkeit) und RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Nach dem Beschluss des Amtsgerichtes Bonn vom 24.11.1987 ist die geistige Behinderung bei der Klägerin so schwerwiegend, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie besitzt nur dürftige Kenntnisse im Rechnen, kann weder lesen noch schreiben, nur wenige Buchstaben nachmalen und kennt zwar Geld, kann aber dessen Wert nicht einschätzen. Es wurde eine gesetzliche Betreuung für die Klägerin eingerichtet, Betreuerin war und ist ihre Stiefmutter, mit der die Klägerin seit langen Jahren in einer Wohnung zusammenlebt. Der Aufgabenkreis der Betreuerin umfasst alle Angelegenheiten der Klägerin, mit Ausnahme der Entscheidung über die Sterilisation. Bei der Klägerin besteht nach Mitteilung der LVA Rheinprovinz volle Erwerbsminderung. Sie bezieht seit Januar 2003 von der Beklagten fortlaufend Grundsicherungsleistungen, zunächst nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG), seit dem 1.1.2005 nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch –Sozialhilfe- (SGB XII), wobei der Regelbedarf für einen Haushaltsangehörigen bewilligt worden ist. Im streitbefangenen Zeitraum lebte die Klägerin mit ihrer Stiefmutter in X wobei die Stiefmutter die Mieterin der Wohnung war. Mit Urteil vom 27.6.2008 hatte das Sozialgericht Köln die Klage der Klägerin auf Gewährung eines höheren Regelsatzes als Haushaltsvorstand abgewiesen (S 27 SO 116/07 SG Köln). Das Gericht hatte im Urteil zur Begründung ausgeführt, die Klägerin und ihre Stiefmutter lebten in einem gemeinsamen Haushalt. Im Rahmen dieses gemeinsamen Haushaltes sei die Klägerin nicht als Haushaltsvorstand, sondern als Haushaltsangehörige zu sehen. Die Generalkosten des Haushaltes würden von der Stiefmutter getragen. Die gegen das Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos (Beschluss des LSG NRW vom 3.12.2008 -L 12 B 56/08 SO NZB-). Mit Bescheid vom 27.6.2009 bewilligte die Beklagte Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.7.2009 bis 30.6.2010 in Höhe von 575,79 Euro unter Anerkennung eines Regelbedarfs für einen Haushaltsangehörigen in Höhe von 287,- Euro, eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 48,75 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 240,- Euro. Die Klägerin erhob Widerspruch und rügte die Höhe des Regelsatzes. Zwischen ihr und ihrer Stiefmutter bestünde keine Einsatzgemeinschaft. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.8.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verweist auf das Urteil des SG Köln vom 27.6.2008 (S 27 SO 116/07 SG Köln).
Die Klägerin hat am 3.9.2009 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und verweist auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.5.2009 (B 8 SO 8/08 R) und 23.3.2010 (B 8 SO 15/08 R). Würde sie einem gesunden Kläger nicht gleichgestellt, käme dies einer Diskriminierung ihrer Person wegen Behinderung gleich.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.8.2009, an sie ab dem 1.7.2009 Regelsatzleistungen in Höhe von 359,- Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, die zitierten Urteile des BSG seien hier nicht anwendbar. Diese behandelten Fälle beim Wechsel aus dem Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II) in den Leistungsbezug nach dem SGB XII bzw. der behinderte Kläger des am 23.3.2010 entschiedenen Rechtsstreits sei in der Lage gewesen, eine Werkstatt für behinderte Menschen aufzusuchen. Der Fall der Klägerin liege anders, sie führe keinen eigenen Haushalt und sei hierzu aufgrund ihrer Behinderung auch nicht in der Lage. Ein selbständiges Wirtschaften bzw. die Übernahme von Pflichten eines Haushaltsvorstandes seien ihr nicht möglich. Auch sei sie nach Aussage der Betreuerin nicht in der Lage, eine Werkstatt für behinderte Menschen zu besuchen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Streitakten, die Gerichtsakten X SG Köln mit dortigem Auszug der Betreuungsakten des Amtsgerichts Bonn und die Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 27.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.8.2009 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und verletzt sie nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung höherer Regelleistungen für die Zeit vom 1.7.2009 bis 30.6.2010, insbesondere kann sie nicht die Gewährung 100 v.H. des Eckregelsatzes in Höhe von 359,- Euro verlangen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind.
Nach § 28 Abs. 1 SGB XII wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 nach Regelsätzen erbracht. Die Regelsätze werden so bemessen, dass der Bedarf nach Absatz 1 dadurch gedeckt werden kann (Abs. 3). Einzelheiten über Inhalt, Bemessung und Aufbau der Regelsätze nach § 28 sowie ihrer Berechnung und Fortschreibung enthält die auf der Grundlage von § 40 SGB XII erlassene Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII –Regelsatzverordnung- (RSV) vom 3.6.2004 (gültig ab 1.1.2005). Nach § 3 Abs. 1 RSV sind die Regelsätze für den Haushaltsvorstand und für sonstige Haushaltsangehörige festzusetzen. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand beträgt 100 v.H.des Eckregelsatzes. Der Regelsatz für Haushaltsangehörige gilt auch für Alleinstehende. Die Regelsätze für sonstige Angehörige ab Beginn des 15. Lebensjahres beträgt 80 v.H. des Regelsatzes (1.7.2009 bis 31.12.2011) (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 RSV). Leben Ehepartner oder Lebenspartner zusammen, beträgt der Regelsatz jeweils 90 v.H. (§ 3 Abs. 3 RSV).
Die Klägerin ist weder Alleinstehende noch Haushaltsvorstand im Sinne von § 3 Abs. 1 RSV, sondern Haushaltsangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 3 RSV. Zur Führung eines eigenen Haushaltes mit den damit einhergehenden Pflichten und Aufgaben ist die schwer geistig behinderte Klägerin, bei der ein GdB von 100 und u.a. das Merkzeichen Hilflosigkeit anerkannt sind, nicht in der Lage, denn sie kann weder lesen noch schreiben, besitzt keine hinreichenden Kenntnisse im Rechnen und kann nicht mit Geld umgehen. Die Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer Stiefmutter in X. Vorstand dieses gemeinsamen Haushaltes war nicht die Klägerin, sondern ihre Stiefmutter. Dies ist bereits mit Urteil des Sozialgerichts vom X rechtskräftig festgestellt worden und wird in diesem Verfahren von der Klägerin auch nicht bestritten. Geltend gemacht wird von ihr, sie bilde mit Stiefmutter keine Einstandsgemeinschaft, was mit Blick auf die Regelungen §§ 43 Abs. 1, 19 Abs. 3 SGB XII zutreffend ist, nicht aber zwingend dazu führt, dass die Klägerin Anspruch auf den Regelsatz für einen Haushaltsvorstand hat (dazu weiter unten).
Als Haushaltsangehörige steht der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 RSV nur ein Regelsatz in Höhe von 80 v.H. des Eckregelsatzes zu, für die Zeit vom 1.7.2009 bis 30.6.2010 belief sich der entsprechende Regelsatz nach § 1 der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe NRW vom 9.6.2009 auf 287,- Euro. Dieser Betrag ist von der Beklagten der Berechnung des Grundsicherungsleistungsanspruchs der Klägerin zutreffend zugrunde gelegt worden.
Ein Anspruch der Klägerin auf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes lässt sich auch unter Berücksichtigung der Urteile des BSG vom 19.5.2009 (B 8 SO 8/08 R) und 23.3.2010 (B 8 SO 15/08 R) nicht begründen. Danach sei die Abgrenzung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im SGB XII aus Gründen der nach Art. 3 Grundgesetz (GG) gebotenen Gleichbehandlung mit Blick auf die Regelungen im SGB II vorzunehmen. Denn die Leistungen beider Regelwerke hätten eine identische sozialrechtliche Funktion, nämlich die Sicherstellung des Existenzminimums. Der Gesetzgeber des SGB II habe die Annahme einer Haushaltsersparnis und Kürzung von Regelleistung aber nicht mehr mit einer individuellen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse der zusammenlebenden Personen verbunden, sondern gehe in § 20 SGB II typisierend von prozentualen Abschlägen von der Regelleistung wegen Hauhaltsersparnis nur bei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft aus. Da es eine Differenzierung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nicht gebe, könnten Ersparnisse durch eine gemeinsame Haushaltsführung entgegen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSGH) und der RSV trotz Übernahme der Differenzierung nach Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen in das SGB XII und trotz der Fortgeltung der RSV nur dann angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft im Sinne von § 19 SGB XII bildeten. Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung vermag die Kammer – jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht zu folgen und schließt sich der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen LSG im Urteil vom 9.12.2009 (-L 9 SO 12/08-) an (ebenso Sozialgericht Augsburg Urteil vom 16.10.2010 -S 15 SO 40/10-; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 26.11.2009 –L 8 SO 169/07-; SG Düsseldorf Beschluss vom 25.2.2011 –S 42 SO 41/11 ER-). Denn der Gesetzgeber hat für den Bereich des SGB XII –der Sozialhilfe- das unter Geltung des BSHG angewandte Regelsatzsystem und damit die in der RSV niedergelegte Haushaltsvorstandslösung übernommen, während er in § 20 SGB II eine davon abweichende Regelung getroffen hat. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) im Sinne einer Benachteiligung der Klägerin gegenüber Leistungsbeziehern nach dem SGB II kann hierin nicht gesehen werden. Zwar würde die volljährige (über 25 Jahre alte) Klägerin, würde sie dem Regelwerk des SGB II unterfallen, den Regelsatz in Höhe von 100 v.H. des Eckregelsatzes erhalten. Es liegen aber sachliche Gründe vor, die eine unterschiedliche Behandlung von Leistungsbezieher nach dem SGB XII einerseits und dem SGB II andererseits rechtfertigen. Hintergrund der Unterscheidung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen ist die Erwägung, dass bei einem Zusammenleben von Personen in einem gemeinsamen Haushalt wegen der Ersparnisse durch die gemeinsame Haushaltsführung bzw. die Synergieeffekte von einem geringen, tatsächlichen Bedarf auszugehen ist, als wenn zwei getrennte, eigenständige Haushalte geführt würden. Diese Erwägung beruht auf empirischen Feststellungen, die auch der Regelsatzbemessung zu Grunde gelegen haben (SG Augsburg, aaO). Entscheidend ist, wann aufgrund der tatsächlichen Umstände oder aufgrund rechtlicher Vorgaben bei einem Zusammenleben von Personen in einem Haushalt die Ersparnisse in der Regelsatzbemessung Niederschlag finden sollen. Zwar sehen sowohl das SGB XII als auch das SGB II insofern Pauschalisierungen vor, als davon ausgegangen wird, dass der Regelbedarf durch die pauschal ermittelten Regelsätze abgedeckt wird. Trotzdem sind die Bedarfslagen nicht vollständig vergleichbar (SG Augsburg, aaO). Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sind in einem erwerbsfähigen Alter und von ihnen wird die Wiederaufnahme einer Erwerbsfähigkeit erwartet, wodurch sich in ihrem Fall andere Bedarfe ergeben können, als bei Leistungsempfängern nach dem SGB XII, die entweder im Rentenalter oder voll erwerbsgemindert aufgrund einer Erkrankung oder einer Behinderung sind. Lebt ein volljähriger Leistungsbezieher nach dem SGB XII -wie die Klägerin- aufgrund seiner Behinderung und Hilflosigkeit noch im Haushalt der Eltern und wird von diesen versorgt und verpflegt, wird bei einem solchen Zusammenleben in einer Art und Weise gewirtschaftet, wie es in einem engen Familienverbund oder in einer Paargemeinschaft, also einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II oder einer Einstandsgemeinschaft nach dem SGB XII üblich ist, wodurch die mit dem gemeinsamen Wirtschaften verbundenen Ersparnisse tatsächlich eintreten. Diese in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung jedenfalls dann, wenn -wie vorliegend- die Zuordnung von Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen aufgrund der tatsächlichen Umstände zweifelsfrei getroffen werden kann (SG Augsburg, aaO). Dass die Klägerin mit ihrer Stiefmutter keine Einstandsgemeinschaft bildet, steht dieser Annahme nicht entgegen, denn bei der Festlegung von Regelsätzen geht es nicht um die Zurechnung von Einkommen oder Vermögen von Mitgliedern der Einstandsgemeinschaft zur Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit des Hilfenachsuchenden, sondern um eine Bedarfsbemessung für den Sozialhilfebedürftigen aufgrund der tatsächlichen Lebensumstände. Durch das gemeinsame Wirtschaften traten im gemeinsamen Haushalt der Klägerin und ihrer Stiefmutter gleichermaßen Ersparnisse auf wie bei einem Ehepaar oder bei Lebenspartnern als Bedarfsgemeinschaft oder Einstandsgemeinschaft. Das Gericht sieht daher keinen sachlichen Grund, der Klägerin und ihre Stiefmutter, die ebenfalls im Leistungsbezug nach dem SGB XII stand und weiterhin steht, als familiäre Haushaltsgemeinschaft insgesamt höhere Regelleistungen zuzusprechen, nämlich in Höhe von 200 v.H. des Eckregelsatzes, als einem Ehepaar oder Lebenspartnern, die Regelsätze in Höhe von lediglich 180 v.H. des Eckregelsatzes sowohl nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII beziehen können. Denn es ist nicht erkennbar, welche weitergehenden Ersparnisse sich im Haushalt eines Ehepaares oder von Lebenspartnern ergeben sollten, die es rechtfertigen könnten, im Vergleich zu den Ersparnissen in dem Familienhaushalt von (Stief-)Kind und (Stief)Mutter die Regelsätze für das Ehepaar bzw. die Lebenspartner um 20 % abzusenken. Wegen des gleichermaßen bestehenden Näheverhältnisses zwischen (Stief)Kind und (Stief)Eltern bestehen keine relevanten Unterschiede zu den Ersparnissen in Haushalten von Ehepaaren oder Lebenspartnern (Schleswig-Holsteinisches LSG, aaO). Wollte man Eheleuten bzw. Lebenspartnern geringe Regelsätze zusprechen, dürfte dies verfassungsrechtlich bedenklich sein mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) (Schleswig-Holsteinisches LSG, aaO) und bezogen auf die Eheleute mit Blick auf den verfassungsrechtlich verbürgten Schutz der Ehe vor Benachteiligung (Art. 6 GG). Auch ergibt sich aus dieser Sichtweise keine Diskriminierung der Klägerin mit Blick auf ihre Behinderung, denn dem behinderungsbedingte Mehrbedarf wird durch den ihr zuerkannten Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII Rechnung getragen. Nach Auffassung der Kammer ist es letztlich Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, die Regelungen der RSV entweder für bestimmte Personenkreise auszuschließen oder auf bestimmte Fallgruppen zu beschränken (SG Augsburg, aaO) bzw. dem Recht des SGB II anzupassen. Der Gesetzgeber will aber offensichtlich die Systematik des SGB II nicht auf den Bereich des SGB XII übertragen sehen, was der am 11.2.2011 im Bundestag beschlossenen Fassung des neuen Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz- RBEG-) entnommen werden kann. Dort bestimmt der Gesetzgeber in § 8 die Regelbedarfsstufen. Die Regelbedarfsstufe 1 mit einem Regelsatz von 364,- Euro (100 v.H. des Eckregelsatzes) erhält die erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt, dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG). Die Regelbedarfsstufe 3 mit einem Regelsatz von 291,- Euro ist für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt, vorgesehen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 RBEG). Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber weiterhin beim Zusammenleben von mehreren volljährigen Personen in einem gemeinsamen Haushalt ungeachtet des Umstandes, ob rechtlich von einer Einstandsgemeinschaft auszugehen ist, die Höhe des Regelsatzes danach differenziert, ob der Leistungsberechtigte den (gemeinsamen) Haushalt führt, also die häuslichen Belange und Angelegenheiten regelt und verwaltet, die Generalkosten des Haushaltes trägt und die weiteren Haushaltsmitglieder versorgt. Der Leistungsberechtigte, der diese Aufgaben nicht bzw. nicht überwiegend übernimmt, führt den Haushalt nicht, sondern gehört ihm lediglich als Haushaltsangehöriger an und erhält daher den abgesenkten Regelsatz.
Nach alledem hat die Beklagte zu Recht die Gewährung eines Regelsatzes in Höhe von 359,- Euro abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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