L 2 SO 843/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 4245/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 843/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht Grundsicherungsleistungen wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.

Der 1966 geborene Kläger leidet an einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung (schizoide Persönlichkeitsstörung, nach ICD10: F 60.1). Ab Oktober 2001 erhielt er von der Beklagten laufend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bis 31.12.2004. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 05.07.2004 mit, dass er statt Sozialhilfe ab 01.08.2004 Leistungen der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten werde. Um eine reibungslose Umstellung seines Anspruchs gewährleisten zu können, wurde der Kläger aufgefordert den beigefügten Antrag bis 23.07.2004 nebst weiteren Unterlagen an die Beklagte zurückzusenden. Dieser ging am 24.08.2004 mit ärztlichem Attest über seine psychische Erkrankung bei der Beklagten ein. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren wegen Erwerbsunfähigkeit ein, das zum Jahresende 2004 noch nicht abgeschlossen war; eine Entscheidung über den Antrag erging nicht. Mit Bescheid vom 01.12.2004 wurde der Kläger darüber informiert, dass die nach BSHG gewährte Hilfe zum 31.12.2004 eingestellt werde. Ab dem 01.01.2005 habe der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auf Grundsicherung für Arbeitssuchende. Der Kläger wurde zur Antragstellung bei der Bundesagentur für Arbeit aufgefordert. Dort stellte er am 30.12.2004 lediglich einen formlosen Antrag. Nachdem er sich nicht mehr gemeldet hatte, wurden dem Kläger keine Leistungen nach dem SGB II gewährt. In der Folge erhielt der Kläger keine staatlichen Leistungen, sondern wurde von seinen Eltern finanziell unterstützt (Beiträge zur Krankenversicherung, Zimmermiete, Lebensunterhalt).

Am 15.07.2005 ging bei der Beklagten die Feststellung des Rentenversicherungsträgers über dauerhafte Erwerbsunfähigkeit ein, die bereits vor 2003 bestanden habe. Der Widerspruch des Klägers vom 02.05.2005 gegen die "Einstellung der bis Dezember 2004 gezahlten Grundsicherung" (Schreiben vom 15.04.2005) blieb in allen Instanzen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.09.2005, Klage Sozialgericht Freiburg - SG - S 8 SO 4356/06, Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.06.2007 - L 7 SO 3903/06). Die von der Beklagten zum Nachweis von Bedürftigkeit geforderten Unterlagen (Schreiben vom 26.08.2005 und vom 14.09.2005) legte der Kläger unter Hinweis auf seinen Gesundheitszustand nie vor.

Zwischenzeitlich hatte der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 29.09.2005 einen Antrag auf Grundsicherung bei der Beklagten gestellt. Den Formantrag und die Nachweise reichte er nicht ein, weshalb die Beklagte die Leistungen mit Bescheid vom 24.01.2006 versagte (Widerspruchsbescheid vom 14.03.2006). Den Bescheid hob die Beklagte am 06.09.2006 im Rahmen des hiergegen angestrengten Klageverfahrens vor dem SG (S 9 SO 1764/06) auf. Die dennoch fortgeführte Klage blieb erfolglos, die Berufung nahm der vorübergehende Betreuer des Klägers zurück (L 7 SO 1894/09).

Eine Unterstützung des Klägers durch den psychosozialen Dienst der Beklagten konnte nicht erfolgen, da der Kläger die angebotenen Gesprächstermine nicht wahrnahm. Mit Schreiben vom 08.03.2007 und 21.03.2007 forderte die Beklagte den Kläger unter Fristverlängerung bis 11.04.2007 nochmals detailliert auf, zu seinem Antrag vom 29.09.2005 den beiliegenden Formantrag, Kontoauszüge, Mietvertrag, Nachweise über die Finanzierung des Lebensunterhalts und über den Krankenversicherungsschutz, über Vermögen sowie den Personalausweis vorzulegen. Nachdem der Kläger sich nicht gemeldet hatte, versagte die Beklagte erneut mit Bescheid vom 19.04.2007 die Leistung. Der Widerspruch des Klägers vom 13.05.2007, den er mit seiner Krankheit und der Vielzahl der von ihm geforderten Unterlagen begründete, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2007 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger erneut Klage zum SG erhoben und auf die zugesprochene Zahlung der ausstehenden Grundsicherungsleistungen (Anm.: vom 05.07.2004) verwiesen.

Während des Klageverfahrens hat der Betreuer des Klägers am 20.03.2008 erneut bei der Beklagten einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gestellt, die nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen und Einstellung der Unterstützung durch die Eltern mit Bescheid vom 06.06.2008 ab 01.04.2008 bewilligt wurde.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat dargelegt, dass es nur um die Überprüfung der Versagung der Leistung aber nicht um die Gewährung der Leistung gehe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Leistungsversagung gem. § 66 SGB I rechtmäßig gewesen sei. Der Kläger sei als Antragsteller von Sozialhilfeleistungen nach § 60 Abs. 1 SGB I u.a. verpflichtet, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und insbesondere auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Die Beklagte habe mit den Schreiben vom 08.03.2007 und vom 21.03.2007 die Vorlage von genau bezeichneten Unterlagen vom Kläger gefordert und ihn auf die Möglichkeit der Versagung hingewiesen. Der Kläger habe keine Unterlagen vorgelegt, sich nicht gemeldet und sei erst auf den Ablehnungsbescheid bzw. dann wieder auf den Widerspruchsbescheid hin tätig geworden. Auch im Hinblick auf die Grenzen der Mitwirkungspflichten nach § 65 SGB I sei die Versagungsentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden. Auf einen wichtigen Grund könne sich der Kläger nicht berufen. Da er in der Lage gewesen sei, Widerspruch und Klage zu erheben, sei nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht zugleich oder im Anschluss daran auch die erforderlichen Mitwirkungshandlungen habe vornehmen können, wie es dann im Klageverfahren erfolgt sei und zur Leistungsgewährung ab dem 01.04.2008 geführt habe.

Gegen den seinem bevollmächtigten Bruder am 08.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.02.2010 beim SG Berufung eingelegt, die nicht begründet worden ist. Auf Nachfrage teilte der Betreuer mit, dass das Amtsgericht Freiburg mit Beschluss vom 26.02.2010 die Betreuung wieder aufgehoben habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Dezember 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.06.2010 hat der Kläger zur Begründung seiner fehlenden Mitwirkungshandlungen gesundheitliche Gründe angeführt. Er sei 7 mal im Zentrum für Psychiatrie E.gewesen. Er hat eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht und einen vorläufigen Arztbrief vom Zentrum für Psychiatrie E.vom 01.04.2008 übergeben. Weiter hat er den Mietvertrag, eine Kopie des Personalausweises sowie Erklärungen seiner Mutter und seines Bruders vorgelegt.

Der Senat hat daraufhin Arztanfragen an Dr. H., Oberarzt im Zentrum für Psychiatrie E.und Dr. P., Arzt für Allgemeinmedizin gerichtet. Dr. H. hat mit Schreiben vom 20.07.2010 berichtet, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum vom 29.09.2005 bis 11.06.2007 einmalig dort notfallmäßig nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit seinem Zwillingsbruder nachts am 10.03.2007 von 1 Uhr bis 15.10 Uhr aufgenommen worden sei. Es sei die Verdachtsdiagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und anankastischen Anteilen (ICD-10:F61.0) gestellt worden. Dabei habe es sich um die Erstbehandlung gehandelt, der fünf weitere Aufenthalte außerhalb des fraglichen Zeitraums in den Jahren 2007 und 2008 gefolgt seien. Zur Frage, ob der Kläger zur Mitwirkung im Verwaltungsverfahren in der Lage gewesen sei, könne auf Grund des nur mehrstündigen Aufenthalts keine Aussage getroffen werden. Die Beantwortung der Fragen durch Dr. P. kam nicht zustande, weil der Kläger seine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht widerrufen hat. Ein angekündigtes Attest von Prof. Dr. W., Universitätsklinikum F. bzw. eine darauf bezogene Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht hat der Kläger nicht vorgelegt. Am 30.03.2011 hat der Kläger dem Senat die fachärztliche Bescheinigung von Dr. W.-B., Oberärztin in der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik am Universitätsklinikum F. vom 14.02.2011 zugeleitet. Danach hat er sich dort am 10.08.2007 sowie am 22.11.2007 ambulant vorgestellt. Im November 2007 habe ein dramatisches Krankheitsbild bestanden, so dass eine zeitnahe Behandlung in einer psychiatrischen Klinik erwogen worden sei.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2011 erneut die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Band) sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) beim SG eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die beantragten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu Recht versagt. Der Bescheid vom 19.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 19.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2007, mit dem die Beklagte allein eine Entscheidung über den Antrag des Klägers vom 29.09.2005 getroffen hat. Davor liegende Zeiträume, in denen der Kläger ohne Leistungen geblieben ist, sind nicht von der vorliegenden Klage mitumfasst. Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG kommt daneben nicht in Betracht. Neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes kann mit der Klage gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagensbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R über Juris Rnr. 12; BSG SozR 1200 § 66 Nr 13; BSG SozR 4-1200 § 66 Nr 1). Streitgegenstand des Verfahrens ist damit nicht der materielle Anspruch des Antragstellers, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2004 - B 1 KR 4/02 R -, SozR 4-1200 § 66 Nr. 1 m.w.N.; Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R -). Auch wenn die Beklagte den Bescheid vom 19.04.2007 als "Bescheid über die Ablehnung" überschrieben und die Leistung "abgelehnt" hat, geht doch unabhängig vom gewählten Wortlaut aus der Begründung klar hervor, dass sie die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorläufig ab 29.09.2005 wegen fehlender Mitwirkung bei der Vorlage von Unterlagen gem. § 66 SGB I versagt hat.

Die vom Kläger begehrten Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sind an einen Antrag geknüpft (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Diesen Antrag hat der Kläger am 29.09.2005 bei seiner persönlichen Vorsprache gestellt. Damit hat der Kläger ein Verwaltungsverfahren (§§ 8 ff SGB X) eingeleitet, in dessen Rahmen sowohl die Behörde als auch den Antragsteller bestimmte Pflichten treffen, die im Einzelnen im SGB I und SGB X normiert sind. So muss der Grundsicherungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I darauf hinwirken, dass der Antragsteller unverzüglich klare und sachdienliche Anträge stellt und unvollständige Angaben ergänzt. Weiterhin treffen den Grundsicherungsträger gemäß §§ 14 ff SGB I weitgehende Beratungs- und Aufklärungspflichten. Dem korrespondiert die Verpflichtung des Klägers, im Verwaltungsverfahren mitzuwirken. So kann nach § 60 SGB I von dem Antragsteller verlangt werden, bestimmte Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I; vgl. zur Vorlagepflicht von Kontounterlagen BSG, Urteil v. 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 2). Dementsprechend hat die Beklagte hier gemäß § 60 Abs. 2 SGB I vom Kläger verlangen können, bestimmte Vordrucke - wie etwa das Antragsformular - zu benutzen und dieses ausgefüllt vorzulegen. § 66 SGB I sieht bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Mitwirkung die Sanktion der Leistungsversagung vor, wenn die dort genannten formalen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist der Fall.

Nach § 66 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung ganz oder teilweise versagen, wenn ein Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erschwert wird. Mit der Aufforderung vom 08.03.2007 und 31.03.2007 zur Vorlage des Formularantrags, Kontoauszügen, Mietvertrags u.a. Unterlagen hat die Beklagte einen zulässigen Zweck verfolgt. Sie benötigte diese Unterlagen, um die Entscheidung im Leistungsverfahren vorzubereiten und die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 41 ff SGB XII zu prüfen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Aufforderung unverhältnismäßig gewesen ist (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), dem Kläger die Vorlage der Unterlagen aus wichtigem Grund unzumutbar gewesen ist (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) oder sich die Beklagte durch einen geringen Aufwand die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen konnte (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I). Insbesondere hat der Kläger nicht durch Vorlage eines ärztlichen Attestes belegt, dass er sowohl nach der Aufforderung am 08.03.2007 als auch am 21.03.2007 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, die angeforderten Unterlagen vorzulegen. Der Kläger leidet zwar nachgewiesener Maßen an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung. Dagegen, dass diese ihn an der Mitwirkungshandlung gehindert hat, spricht aber, dass er jeweils fristgerecht auch im Rahmen der Vorgängerverfahren in der Lage war, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidungen der Beklagten oder das Urteil des SG einzulegen, hierzu z.T. persönlich beim SG vorzusprechen - so bei der Klageerhebung zu S 9 SO 1764/06 - und in teilweise mehrseitigen Schreiben mit ausführlicher nachvollziehbarer Begründung seine Interessen vertreten hat. Warum er dann nicht die Energie aufbringen können sollte, die sich in seiner privaten Sphäre befindlichen Unterlagen vorzulegen, erschließt sich nicht. Selbst wenn es sich aus seiner Sicht um eine Vielzahl von Unterlagen handelte, hätte er zumindest zunächst einen Teil davon vorlegen können oder bei der Beklagten um Hilfe beim Ausfüllen des Antrags nachsuchen können. Die angebotene Hilfestellung bei der Antragstellung in Gesprächen mit dem sozialen Dienst der Beklagten hat der Kläger nicht wahr genommen. Auch die vom Senat in dieser Hinsicht noch angestellten Ermittlungen durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte haben eine Verhinderung des Klägers aus gesundheitlichen Gründen nicht belegen können. So war der Kläger entgegen seinen Angaben während des Verwaltungsverfahrens bis zum Ende am 11.06.2007 (Erlass des Widerspruchsbescheids) nur einmal notfallmäßig für einige Stunden im Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen. Aus der vorgelegten Bescheinigung von Dr. W.-B. ergeben sich keine ambulanten Vorstellungen im hier maßgeblichen Zeitraum während des Verwaltungsverfahrens bis zu seinem Abschluss am 11.06.2007, sondern erst danach ab 10.08.2007. Auch wird der Gesundheitszustand erst ab November 2007 als dramatisch beschrieben. Einen plausiblen Beleg für die Unfähigkeit des Klägers an der Mitwirkung über den langen Zeitraum des Verwaltungsverfahrens liefert das Attest bei der andererseits vom Kläger aufgebrachten erheblichen Energie zur Durchsetzung seiner Ziele in Rechtsstreitigkeiten nicht. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen hat er durch den Widerruf der Entbindungserklärung und die Verweigerung einer neuen Erklärung verhindert. Deshalb ist nicht nachgewiesen, dass dem Kläger ein wichtiger Grund zur Nichtvorlage der Unterlagen zur Seite stand.

Die Beklagte konnte sich die Unterlagen auch nicht mit geringem Aufwand selbst beschaffen. Seit dem Ende des Leistungsbezugs am 31.12.2004 war bis zur erneuten Antragstellung am 29.09.2005 und gar bis zur erneuten Entscheidung nach der zuvor erfolgten, aber aufgehobenen Versagung im Jahr 2007 ein so langer Zeitraum verstrichen, dass die Bedürftigkeit des Klägers auf jeden Fall eines aktuellen Nachweises bedurfte. Die Vorschrift des § 65 SGB I greift zu Gunsten des Klägers nicht ein.

Damit ist der Kläger seinen Mitwirkungspflichten i.S.v. § 60 SGB I nicht nachgekommen und hat hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erschwert. Mit Schreiben vom 08.03.2007 hat die Beklagte schriftlich den Kläger auf mögliche Rechtsfolgen der Mitwirkungsverweigerung hingewiesen. Das Schreiben genügt den Anforderungen des § 66 Abs. 3 SGB I an ein Hinweisschreiben (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, § 66 SGB I Rn. 12 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Die Beklagte hat dem Kläger in den Schreiben unmissverständlich und klar mitgeteilt, dass sie die Leistung ganz versagen wird, wenn der Kläger die Mitwirkungshandlung - Vorlage der Unterlagen - nicht nachholen wird, und eine ausreichende Frist zur Nachholung der Mitwirkungshandlung - Vorlage der Unterlagen bis 21.03.2007, auf Wunsch verlängert bis 11.04.2007 - gesetzt. Nachdem der Kläger sich daraufhin nicht gemeldet hat, bedurfte es im Bescheid vom 19.04.2007 keiner ins Detail gehenden Erwägungen. Des weiteren hat sie sich mit den von dem Kläger erst im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Weigerungsgründen - Krankheit, Vielzahl von Unterlagen - auseinandergesetzt, indem sie im Widerspruchsbescheid festgestellt hat, dass der Kläger die Unmöglichkeit nicht mit einem Attest belegt und die Unterlagen auch nicht teilweise vorgelegt hat. Die Beklagte hat Ermessen ausgeübt. Ermessenfehler sind nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2011 erneut gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war aus den oben genannten Gründen mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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