L 10 U 3300/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 10057/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3300/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.06.2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob das Ereignis vom 14.03.2002 ein Arbeitsunfall war.

Der Kläger ist Facharzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin und war am 14.03.2002 ausschließlich als Betriebsarzt bei der Firma DC AG im Angestelltenverhältnis tätig. Seine Tätigkeit übte er in Räumen seines Arbeitgebers in der Konzernzentrale in M. aus. Die (vom Senat) Beigeladene war damals ebenfalls als Angestellte bei dieser Firma tätig und mit Verwaltungsaufgaben betraut. Am Morgen des 14.03.2002 verspürte die Beigeladene - so ihre Angaben gegenüber der Beklagten - bereits auf dem Weg zur Arbeit Rückenbeschwerden. Diese nahmen im Verlauf des Vormittags zu, sodass die Beigeladene ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sah, vor allem auch im Hinblick auf an diesem Tag stattfindende betriebsinterne Wahlen, an deren Organisation bzw. Durchführung - neben anderen Beschäftigten - sie beteiligt war, was eine Verlängerung der Arbeitszeit bedeutete. Sie wandte sich deshalb an den Kläger, der sie in der Werksambulanz untersuchte, allerdings - so seine Angaben - keine eindeutige Diagnose stellen konnte und ihr zur Linderung bzw. Behebung der Schmerzzustände eine Injektion in die rechte Gesäßhälfte verabreichte. Danach traten bei der Beigeladenen - so ihre Angaben - im Bereich der rechten Gesäßhälfte Schmerzzustände auf, die zu massiven Beeinträchtigungen mit längerer Arbeitsunfähigkeit und weiteren Gesundheitsstörungen führten. Aus diesem Grunde verklagte die Beigeladene den Kläger auf Schadensersatz (rd. 57.000 EUR) und Schmerzensgeld (wenigstens 40.000 EUR); dieses Verfahren ist vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt worden (Beschluss vom 07.10.2005, 7 Sa 48/05).

Auf den Antrag des Klägers auf Feststellung, dass es sich bei der durchgeführten Behandlung und dadurch möglicherweise verursachten Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beigeladenen um einen Arbeitsunfall handle, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.02.2006 gegenüber der Beigeladenen die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Ereignisses vom 14.03.2002 mit der Begründung ab, die Behandlung sei dem unversicherten persönlichen Lebensbereich der Beigeladenen zuzuordnen. Nachdem ihm dieser Bescheid bekanntgegeben worden war, legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2006 zurückwies.

Das hiergegen vom Kläger am 28.12.2006 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat die Klage mit Urteil vom 05.06.2008 abgewiesen. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit seien grundsätzlich dem unversicherten privaten Lebensbereich zuzuordnen, auch wenn sie zugleich der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft dienten. Nur ausnahmsweise, wenn die Fortsetzung der Arbeit gesichert werden solle, werde Versicherungsschutz bejaht, jedoch auch in diesem Fall nur auf dem Weg zur, nicht jedoch bei der Behandlung selbst. Desweiteren bestehe bei Maßnahmen Versicherungsschutz, die unmittelbar aus betrieblichen Gründen durchgeführt würden, wie beispielsweise Impfungen aus besonderem betrieblichen Anlass, etwa wegen eines Auslandsaufenthaltes. Damit scheitere die Anerkennung des Arbeitsunfalles am erforderlichen inneren Zurechnungszusammenhang zwischen der unfallbringenden Handlung und der versicherten Tätigkeit. Für die am 14.03.2002 angesetzten Wahlen sei der Verletzten kein derart herausgehobenes Amt übertragen worden sei, dass ohne ihre Anwesenheit die Wahlen nicht hätten stattfinden können oder in ihrer Durchführung erheblich behindert worden wären.

Gegen das ihm am 12.06.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2008 Berufung eingelegt. Er meint, die Gabe des Schmerzmittels sei ausschließlich deshalb erfolgt, um der Beigeladenen die Weiterarbeit im betrieblichen Interesse zu ermöglichen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.06.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 14.03.2002 für die Beigeladene ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Beigeladene auf Nachfrage im Verwaltungsverfahren angegeben habe, ihre Schmerzen hätten sich erst nach der Injektion dramatisch verschlechtert und sie gehe davon aus, dass sie ihre Arbeit ohne die verabreichte Injektion bis zum Feierabend hätte durchführen können. Im Übrigen hält sie das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren, sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts, des Senats und die vom Senat beigezogenen arbeitsgerichtlichen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung entschieden, dass die Beigeladene bei Verabreichung der Injektion nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der Kläger begehrt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen an die Beigeladene pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, die gegenüber dem Kläger zugleich als Ablehnung seines an die Beklagte gerichteten Feststellungsantrages auszulegen sind, sowie - weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Arbeitsunfall eingetreten sei - die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalles. Die Feststellungsklage ist nach § 109 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zulässig. Danach kann eine Person, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist - also hier der Kläger als im Betrieb tätige Person (§ 105 SGB VII) - die Feststellung nach § 108 SGB VII beantragen und ein entsprechendes Verfahren nach dem SGG betreiben.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Bei dem Ereignis vom 14.03.2002 handelte es sich nicht um einen von der gesetzlichen Unfallversicherung erfassten Versicherungsfall.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist erforderlich (hierzu und zum Nachfolgenden BSG Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N.), dass das Verhalten des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versi-cherten.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Dies gilt auch für den inneren Zusammenhang und damit die Handlungstendenz (BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 24/84 in SozR 2200 § 548 Nr. 70). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Nach diesen Grundsätzen war die Beigeladene bei dem Ereignis vom 14.03.2002 nicht gesetzlich unfallversichert. Wie das Sozialgericht und die Beklagte kommt auch der Senat zu dem Ergebnis, dass die von der Beigeladenen erfahrene medizinische Behandlung dem unversicherten, eigenwirtschaftlichen Bereich der Beigeladenen zuzurechnen ist. Insbesondere lag kein besonderes Interesse des Arbeitgebers an dieser Behandlung vor, das einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit begründen könnte.

Auf Grund der Angaben der Beigeladenen im Verwaltungsverfahren, deren Richtigkeit von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen wird, steht fest, dass die Beigeladene am Morgen des 14.03.2002 schon auf dem Weg zur Arbeit unter Rückenschmerzen litt, die sich im Verlauf des Vormittags verstärkten und sie deshalb, und weil wegen der betriebsinternen Wahlen ein verlängerter Arbeitstag anstand, den Kläger aufsuchte. Dieser verabreichte der Beigeladenen - so der übereinstimmende Vortrag des Klägers und der Beigeladenen, den der Senat seinen Feststellungen zu Grunde legt - nach Untersuchung eine Injektion zum Zweck der Schmerzlinderung.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig - vom Kläger gegenüber der Beklagten sogar ausdrücklich schriftlich so dargelegt - und auch der Senat gelangt zu der Überzeugung, dass die Rückenbeschwerden, die die Behandlung am 14.03.2002 auslösten, nicht mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang standen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Rückenbeschwerden durch einen Vorgang oder Einwirkungen im Rahmen betrieblicher oder sonst versicherter Tätigkeit ausgelöst worden wären. Damit scheidet § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII - Gesundheitsschäden durch eine Heilbehandlung als mittelbare Folgen eines Versicherungsfalles - als Anknüpfungspunkt eines Versicherungsschutzes aus.

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ansonsten grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind und nicht schon deshalb bei ihrer Durchführung Versicherungsschutz anzuerkennen ist, weil sie zugleich der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft und damit auch den Interessen des Unternehmens dienen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27.10.1965, 2 RU 108/63 in SozR Nr. 1 zu § 548 RVO; Urteil vom 28.10.1966, 2 RU 2/62 in SozR Nr. 75 zu § 542 a.F. RVO; Urteil vom 31.01.1974, 2 RU 277/73 in SozR 2200 § 548 Nr. 2; Urteil vom 26.05.1977, 2 RU 97/76 in SozR 2200 § 548 Nr. 31 und - soweit ersichtlich zuletzt - Urteil vom 26.06.2001, B 2 U 30/00 R in SozR 3-2200 § 548 Nr. 43). Dies gilt auch dann, wenn dabei betriebliche Sozialeinrichtungen, wie eine Werksambulanz in Anspruch genommen werden (BSG, Urteil vom 28.10.1966, a.a.O., vom 31.01.1974, a.a.O. und Urteil vom 26.05.1977, a.a.O.).

Jedoch kann schon ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit der Arbeitszeit eine andere Beurteilung erfordern. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die in einer Werksambulanz verabreichten Hilfeleistungen einerseits zwar den rein persönlichen Belangen des Beschäftigten zu Gute kommen - vorliegend also der Linderung oder Beseitigung von Schmerzzuständen -, andererseits aber der durch eine solche Betriebseinrichtung erzielte Erfolg verhindert, dass die Beschäftigten, wegen ihrer Unpässlichkeit oder Schmerzen ihre Arbeit nicht länger vollwertig verrichten können oder sogar vorzeitig abbrechen müssen, vielmehr mit Hilfe der Werksambulanz in die Lage gesetzt werden, ihre Gesundheitsstörungen zu überwinden und sogleich weiter zu arbeiten, ohne erst - durch Aufsuchen außerhalb des Betriebsgeländes befindlicher Stellen - mehr oder minder viel Zeit von der Arbeitsschicht zu versäumen (BSG, Urteil vom 28.10.1966, a.a.O.; Urteil vom 31.01.1974, a.a.O.; Urteil vom 26.05.1977, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Gerade so liegt der Fall hier. Nach dem übereinstimmenden Vortrag des Klägers und der Beigeladenen, insbesondere im Schadensersatz- und Schmerzensgeldprozess, suchte die Beigeladene den Kläger wegen schon vor Arbeitsbeginn akut aufgetretener Schmerzzustände im Lendenwirbelsäulenbereich auf. Sie fürchtete, ihre an diesem Tag abverlangte, wegen der anstehenden Wahlen erhöhte Arbeitsleistung nicht in vollem Umfang erbringen zu können. Damit sind die aufgezeigten allgemeinen Vorteile, die das Unternehmen aus dem Besuch der Werksambulanz, insbesondere also die Zeitersparnis beim Aufsuchen des Klägers im Verhältnis zur Inanspruchnahme von Hilfe außerhalb des Betriebes (z.B. Hausarzt, Krankenhausambulanz), zog, an sich als ausreichend für die Herstellung eines wesentlichen betrieblichen Zusammenhangs zu erachten (BSG, Urteil vom 28.10.1966, a.a.O.; Urteil vom 26.05.1977, a.a.O.).

Indessen hilft dies dem Kläger nicht weiter. Denn diese Erwägungen (dass durch das Aufsuchen der Werksambulanz mit einem größeren Verlust an Arbeitszeit verbundene Wege erspart werden) beziehen sich - so das Bundessozialgericht ausdrücklich (Urteil vom 28.10.1966, a.a.O. und Urteil vom 26.05.1977, a.a.O.) - ausschließlich auf den Versicherungsschutz für das Zurücklegen von Wegen während der Arbeitszeit. Hier erlitt die Beigeladene jedoch die behauptete Schädigung nicht auf dem Wege zu oder nach der vom Kläger durchgeführten Behandlung, sondern im Rahmen der Behandlung selbst.

Die ärztliche Behandlung als solche ist auch in derartigen Fallgestaltungen dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1966, a.a.O., für den Fall der Verabreichung von Medikamenten durch die Werksambulanz; Urteil vom 31.01.1974, a.a.O. zur allgemeinen Grippeschutzimpfung). Insoweit ist also zwischen dem Interesse des Unternehmens an der Durchführung einer der Gesundheit des Beschäftigten dienenden Maßnahme und dem Interesse an der Gesundheitsmaßnahme selbst zu unterscheiden (BSG, Urteil vom 31.01.1974, a.a.O.). Eine Unfallversicherungsschutz begründende besondere innere Verknüpfung zwischen der medizinischen Behandlung und der versicherten Tätigkeit würde voraussetzen, dass die Behandlung selbst mit dem Beschäftigungsverhältnis im ursächlichen Zusammenhang steht (BSG, Urteil vom 31.01.1974, a.a.O.). Hierzu genügt es nicht, dass der Versicherte sich von der Werksambulanz behandeln lässt, anstatt diese Behandlung außerhalb des Betriebes zu suchen (BSG, Urteil vom 28.10.1966, a.a.O.). Denn dies würde wiederum - wie dargelegt - nur unter dem Aspekt der Zeitersparnis Versicherungsschutz für die Wege zu und von der Werksambulanz begründen, nicht jedoch für die dort erfolgte Behandlung.

Ein innerer Zusammenhang zwischen einer derartigen Behandlung und betrieblichen Interessen wäre daher nur dann anzunehmen, wenn gerade diese Behandlung aus betrieblichen Interessen gefordert oder gar unverzichtbar ist, wie etwa bei medizinischen Maßnahmen auf Grund der spezifischen Tätigkeit und gesetzlichen Vorgaben, auf Grund betrieblicher Anordnung oder wegen betrieblicher Gefährdungen (vgl. hierzu Ricke, Kasseler Kommentar § 8 SGB VII Rdnr. 80 mit weiteren Nachweisen). Solche besonderen Umstände lagen hier am 14.03.2002 nicht vor. Insbesondere der Umstand, dass die Beigeladene an diesem Tag bei der Organisation und Durchführung von Wahlen eingeteilt war, rechtfertigt nicht die Annahme eines rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhangs zwischen ihrer Tätigkeit und der erfolgten Injektion. Es bestand kein besonderes betriebliches Interesse, das ausnahmsweise die ärztliche Behandlung gerade durch den Kläger zwingend erforderlich gemacht hätte. Nach eigener Darstellung des Klägers gegenüber dem Sozialgericht (Schriftsatz vom 04.10.2007) wäre es der Beigeladenen aus seiner Sicht möglich gewesen, auch einen anderen Arzt aufzusuchen und ihre Schmerzzustände behandeln zu lassen. Dies sieht der Senat genauso. Insoweit spielte für die von ihm durchgeführte Behandlung - was betriebliche Interessen anbelangt - allenfalls der Aspekt der Zeitersparnis eine Rolle, der - wie dargelegt - jedoch lediglich Versicherungsschutz auf dem Weg zu und von der Werksambulanz begründen kann. Auch war der Beigeladenen - worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - kein derart herausgehobenes Amt übertragen, dass ohne ihre Anwesenheit die Wahlen nicht hätten stattfinden können oder in ihrer Durchführung erheblich behindert worden wären. Die Beigeladene hat hierzu in der Klageschrift vom 16.07.2004 betreffend den Schadensersatz- und Schmerzensgeldprozess vorgetragen, sie sei mit den Wahlen "mit betraut" gewesen und habe die übrigen Mitarbeiter nicht "hängen" lassen wollen. Dies zeigt, dass weitere Mitarbeiter bei der Durchführung der Wahlen vorhanden waren, sodass selbst bei krankheitsbedingtem Ausfall der Beigeladenen die Wahlen hätten stattfinden können.

Im Übrigen hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass nach eigener Einschätzung der Beigeladenen die von ihr verspürten Beschwerden nicht so ausgeprägt waren, dass an diesem Tag - unbehandelt - Arbeitsunfähigkeit eingetreten wäre. Auf ausdrückliche Anfrage der Beklagten hatte die Beigeladene im Verwaltungsverfahren mitgeteilt, die Schmerzen hätten sich erst nach der Behandlung durch den Kläger dramatisch verschlechtert und ihrer Auffassung nach hätte sie ihre Arbeit bis zum Feierabend ausüben können; erst die Folgen der Injektion hätten zur Arbeitseinstellung an diesem Tag geführt, nicht die zuvor bestandenen Schmerzen. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat ohnehin noch nicht einmal festzustellen, dass die vom Kläger durchgeführte Behandlungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit der Beigeladenen erforderlich war. Dies schließt jegliches betriebliche Interesse von vornherein aus. Auf die Handlungstendenz des Klägers - er meint, er habe wegen der aus seiner Sicht unverzichtbaren Arbeitsleistung der Beigeladenen behandelt - kommt es insoweit nicht an. Denn für den Unfallversicherungsschutz maßgebend ist die Handlungstendenz des Verletzten, hier also der Beigeladenen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Ein Fall der Kostenfreiheit nach § 183 SGG liegt nicht vor. Denn der Kläger tritt insbesondere nicht "als Versicherter" (§ 183 Satz 1 SGG) auf; er macht gar nicht geltend, dass ihm Versicherungsleistungen zustünden, sondern er behauptet dies - weil er eine Haftungsbefreiung nach § 105 SGB VII festgestellt wissen will - für die Beigeladene. Der Senat kann insoweit auch die - nach §§ 193, 183 SGG ergangene - Kostenentscheidung des Sozialgerichts ändern (BSG, Urteil vom 05.10.2006, B 10 LW 5/05 R in SozR 4-1500 § 183 Nr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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