S 15 (21) KR 103/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 (21) KR 103/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 238/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 559,27 EUR festgesetzt. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zahlung von 559,27 EUR.

Die Klägerin führt ambulante Operationen nach § 115 b SGB V durch und stellte der Beklagten in den Jahren 2006 und 2007 u.a. Leistungen nach EBM-Ziffer 32001 in Rech-nung. Die Beklagte kürzte die für die ambulanten Operationen erstellten Rechnungen für die Zeit von September 2006 bis Juli 2007 um diese Leistungen in einem Gesamtumfang von 559,27 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Ziffer 32001 des neuen EBM entspreche der Ziffer 3452 des alten EBM. Hierbei handele es sich nicht um eine Vergütung, sondern um einen Wirtschaftlichkeitsbonus, den die Kassenärztliche Vereinigung den Ärzten zahle, wenn sie eine festgelegte Menge von Untersuchungen nicht überschritten hätten. Werde die festgelegte Menge überschritten, so verfalle der Bonus. Hierzu sei Voraussetzung, dass sämtliche Laborleistungen, die der Arzt für die weitere Behandlung benötige, in Gänze der Kassenärztlichen Vereinigung vorgelegt würden. Eine Abrechnung in vergleich-barer Form werde von den Krankenhäusern in keinem Fall durchgeführt. Wegen der fehlenden Gesamterfassung von Laborleistungen eines Krankenhauses sei die Regelung der Ziffer 32001 technisch nicht anwendbar und eine gleiche Vergütungsart und -höhe nicht herstellbar. Das Krankenhaus sei auch von einer solchen Abwertung befreit, da eine vollständige Leistungserfassung nicht vereinbart worden sei. Entsprechend sei das Krankenhaus auch vom Wirtschaftlichkeitsbonus ausgenommen.

Am 24.12.2007 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren, an sie einen Betrag von 559,27 EUR zu zahlen. Sie vertritt die Auffassung, es handele sich hierbei um Ordina-tions- und Konsultationsgebühren, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialge-richts (BSG), wonach Krankenhäuser berechtigt seien, die Ordinations- und Konsulta-tionsgebühr nach der einschlägigen Facharztgruppe abzurechnen, zu zahlen seien. Dies ergebe sich aus der Zielsetzung des Gesetzgebers, gleiche Wettbewerbsbedingungen bei ambulanten Operationen zu schaffen. Durch die Öffnung der Krankenhäuser für ambu-lante Operationen solle diesen die Möglichkeit gegeben werden, kostenaufwändige statio-näre Behandlungen zu vermeiden. Die gesetzliche Vorgabe einheitlicher Vergütungen solle bewirken, dass es für die Kostenträger ohne Bedeutung sei, ob eine bestimmte ambulante Operation in der Arztpraxis oder im Krankenhaus durchgeführt werde. Der vom BSG bestätigte Gleichheitssatz bedeute, dass die Krankenhäuser die Ordinationsgebühr wie bei Vertragsärzten und damit für alle an den ambulanten Operationen zwingend beteiligten Ärzte, insbesondere die Operateure und Anästhesisten berechnen könnten. Da nach den einschlägigen Bestimmungen des EBM pro Behandlungsfall der Laborwirtschaft-lichkeitsbonus nach Nr. 32001 zu vergüten sei, gelte dies auch im Rahmen ambulanter Operationen nach § 115 b SGB V. Der Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Wirt-schaftlichkeitsbonus und Laborbudget komme nicht zum Tragen, da Laborleistungen im Rahmen ambulanter oder belegärztlicher Operationen mit der Kennziffer 32016 EBM gekennzeichnet würden und damit von der Anrechnung auf das Laborbudget befreit seien. In der Anmerkung zur EBM-Ziffer 32001 würden die Krankenhäuser ausdrücklich genannt, was keinen Sinn machte, wenn diese Ziffer nicht abrechenbar wäre.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 559,27 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die EBM-Ziffer 32001 die Abrechnung für die wirtschaftliche Erbringung von Laborleistungen beinhalte. Die Vergütungsregelung der ambulant durch-geführten Operationen und stationsersetzenden Maßnahmen ergebe sich aus § 7 Abs. 4 des Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und stationsersetzen-de Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag). Hiernach seien die Krankenhäuser bei der Vergütung ambulanter Leistungen wie niedergelassene Fachärzte der entsprechenden Fachrichtung einzustufen. Für die präoperativen Leistungen, zu denen auch die Labor-leistungen zählten, besage § 4 Abs. 1 AOP-Vertrag, dass zur Vermeidung von Doppelleis-tungen durch den überweisenden Arzt dem den Eingriff nach § 115 b SGB V durchführenden Arzt die in Zusammenhang mit dem vorgesehenen Eingriff gemäß § 115 b SGB V bedeutsamen Unterlagen zur Verfügung zu stellen seien. Diese Unterlagen seien durch den Operateur bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Nach der Rechtspre-chung des BSG solle eine Gleichbehandlung von Krankenhausärzten und niederge-lassenen Fachärzten bezüglich der Abrechnung erbrachter Leistungen sichergestellt werden. Dies sei jedoch technisch aufgrund der fehlenden Gesamterfassung von Labor-leistungen seitens des Krankenhauses nicht zu leisten. Aufgrund der Regelung, die EBM-Ziffer 32001 nur bei tatsächlich erfolgten Laborleistungen anzusetzen, könne keine ver-gleichbare Vergütungshöhe hergestellt werden. In den Abrechnungsbestimmungen zur EBM-Ziffer 32001 seien auch Krankenhäuser aufgeführt, weil diese nach wie vor ambulante labormedizinische Leistungen außerhalb der ambulanten Operationen erbräch-ten und demzufolge auch eine Abrechnungsmöglichkeit gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung haben müssten.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die von der Klägerin vorgelegten streitgegenständlichen Rechnungen und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren, soweit von Bedeutung, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet.

Die Klägerin macht den Anspruch auf Zahlung der Vergütung für ambulante Operationen gegen die Beklagte zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers wie der Klägerin auf Zahlung der Vergütung gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3; BSG, Urteil vom 10.04.2008 – B 3 KR 19/05 R in SozR 4-2500 § 39 Nr. 12 m.w.N.). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch – mit 559,27 EUR – beziffert (zur Not-wendigkeit der Bezifferung einer Vergütungsklage vgl. BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin, der sich unmittelbar gegen die beklagte Krankenkasse richtet (§ 115 b Abs. 2 Satz 4 SGB V), ist § 115 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 7 AOP-Vertrag. Danach sind Krankenhäuser bei der Vergütung am-bulanter Leistungen wie niedergelassene Fachärzte der entsprechenden Fachrichtung ein-zustufen (§ 7 Abs. 4 Satz 1 AOP-Vertrag). Die im Katalog nach § 3 aufgeführten ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe und die nach den §§ 4, 5 und 6 erbrachten Leistungen des Krankenhauses und der Vertragsärzte werden auf der Grundlage des EBM, seiner Abrechnungsbestimmungen und ggf. des BMÄ und der E-GO nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamt-vergütungen vergütet (§ 7 Abs. 1 AOP-Vertrag). Aus § 4 Abs. 1 AOP-Vertrag folgt, dass präoperative Leistungen, zu denen auch die Laborleistungen zählen, regelhaft durch den überweisenden Arzt durchzuführen und die Ergebnisse dem Operateur zur Verfügung zu stellen sind. Lediglich wenn bereits durchgeführte Untersuchungen nochmals veranlasst werden, sind diese in der Abrechnung zu kennzeichnen und in medizinisch begründeten Fällen von den Kostenträgern zu vergüten.

Die hier streitige EBM-Ziffer 32001, die identisch mit der Vorgängerregelung EBM-Ä Ziffer 3452 ist und die "wirtschaftliche Erbringung und/oder Veranlassung von Leistungen des Kapitels 32 (u.a. Laboratoriumsmedizin)" je kurativ-ambulanten Arztfall mit Ausnahme von Überweisungsfällen mit Auftragsleistungen regelt, beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG den sogenannten Wirtschaftlichkeitsbonus (vgl. zur Ziffer 3452 EBM-Ä Urteil des 6.Senats des BSG vom 23.02.2005 – BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 9), den die Kassen-ärztliche Vereinigung den Ärzten zahlt, wenn sie eine festgelegte Menge von Untersu-chungen nicht überschritten haben (vgl. auch Präambel zu Kapitel 32.2 Nummer 5 und zu Kapitel 32.3 Nr. 4). Hierzu ist – wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat – jedoch Vor-aussetzung, dass sämtliche Laborleistungen, die der Arzt für die weitere Behandlung benötigt, in Gänze der Kassenärztlichen Vereinigung vorgelegt werden, was bei Kranken-häusern unstrittig nicht der Fall ist. Entsprechend bezieht sich die Bonus-Malus-Regelung – auch nach den Formulierungen des EBM – ausschließlich auf den vertragsärztlichen Bereich. Folglich sind die Krankenhäuser im Anwendungsbereich des AOP-Vertrages von der Auszahlung des Wirtschaftlichkeitsbonus ausgenommen, so dass die Klägerin nach Auffassung der Kammer keinen Anspruch auf Abrechnung der hier streitigen Gebühren-positionen hat. Dem steht nicht entgegen, dass in den Abrechnungsbestimmungen zur EBM-Ziffer 32001 auch Krankenhäuser aufgeführt werden; denn Krankenhäuser, die außerhalb von ambulanten Operationen labormedizinische Leistungen erbringen, müssen hierfür eine Abrechnungsmöglichkeit gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung haben.

Diese Auslegung widerspricht auch nicht der Entscheidung des BSG vom 11.04.2002 (B 3 KR 25/01 R). In dieser Entscheidung hat das BSG zwar grundsätzlich gefordert, dass die ambulant operierenden Krankenhäuser in jeder Hinsicht bei der Vergütung mit den niedergelassenen Ärzten gleichzustellen seien, um gleiche Wettbewerbsbedingungen bei ambulanten Operationen zu schaffen; es hat jedoch konzediert, dass Abweichungen hier-von hinzunehmen seien, wenn sie systembedingt unvermeidbar seien. Da Krankenhäuser ihre Laborleistungen größtenteils selbst durchführen und nur teilweise über die Kassen-ärztliche Vereinigung abrechnen, der niedergelassene Facharzt hingegen seine gesamten Laborleistungen über die Kassenärztliche Vereinigung regelt, ist kein vergleichbarer Wert ermittelbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 47, § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer hat die gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossene Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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