L 11 AS 808/10 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AS 387/10 KO
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 808/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eingreifen der Fiktion des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB X nur, wenn Aufgabe des Bescheides zur Post von der Poststelle des Absenders vermerkt ist.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 28.09.2010 wird aufgehoben.

II. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., B-Stadt, beigeordnet.
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Gründe:

I.
Streitig ist die Höhe der für ein abgeschossenes Widerspruchsverfahren an den Kläger zu erstattenden Kosten.

Der Kläger bezog zuletzt aufgrund des Bescheides vom 03.12.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Den diesen Bescheid aufhebenden Bescheid vom 15.12.2009 hob die Beklagte auf.

Mit Bescheid vom 14.12.2009 bewilligte die Beklagte an den Kläger im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau K Alg II vorläufig ab 01.01.2010 Auf den dagegen eingelegten Widerspruch hin hob die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2010 den Bescheid vom 14.12.2009 auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Die Hälfte der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren seien zu erstatten.

Allein gegen die Höhe der zu erstattenden Kosten hat der Kläger am 29.04.2010 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens seien in vollem Umfange zu erstatten. Der Widerspruch sei voll umfänglich erfolgreich gewesen. Der Widerspruchsbescheid selbst sei am 29.09.2010 bekanntgegeben worden, was von Frau A. bezeugt werden könne. Im Übrigen werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt.

Die Beklagte hat mitgeteilt, eine Sendung mit Nr. 020578714321 sei am 25.03.2010 von ihr zur Post gegeben worden und nach Mitteilung der Main-Brief Logistik GmbH sei die "Zustellung" am 26.03.2010.

Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (Beschluss vom 28.09.2010). Hinreichende Erfolgsaussicht bestünde nicht, denn die Klage sei am 29.04.2010 eingegangen und somit nicht fristgemäß erhoben worden. Es bestehe kein Zweifel an einer "Zustellung" am Freitag, den 26.03.2010. Gemäß § 37 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei daher von einem Zugang am 28.03.2010 (Sonntag) auszugehen, sodass die Frist zur Erhebung der Klage am 28.04.2010 abgelaufen sei. Der Kläger bestreite dies nur unsubstanziiert.

Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die 3-Tages-Frist gemäß § 37 Abs 2 SGB X könne nicht an einem Sonntag enden. Der Briefkasten der Kanzlei werde mehrmals täglich geleert. Der Bescheid sei erst am 29.03.2010 darin zu finden gewesen. Der Sendungsnachweis der Main-Brief Logistik GmbH lasse weder den Aussteller der Bescheinigung noch das konkret betroffene Schreiben erkennen. Im Übrigen habe die angebotene Zeugin vernommen werden müssen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben und dem Kläger ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Von einer hinreichenden Erfolgsaussicht ist auszugehen. Diese ist sowohl bezüglich der Zulässigkeit als auch der Begründetheit der Klage gegeben.

Auf dem Widerspruchsbescheid vom 25.03.2010 findet sich kein Absendevermerk der Poststelle der Beklagten. Der Stempel durch den Ersteller des Bescheides, der diesen dann erst zur Poststelle weiterleitet, genügt hierfür nicht. Damit greift die Fiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X nicht ein (vgl. hierzu: BayLSG, Urteil vom 06.05.2009 -
L 20 R 250/06 - veröffentlicht in juris). Tatsächlich bekanntgegeben ist der Bescheid damit am 29.03.2010, wie vom Klägerbevollmächtigten auf dem von ihm im Rahmen des Klageverfahrens übersandten Widerspruchsbescheid vermerkt, denn die Beklagte kann einen früheren Zugang bislang nicht zweifelsfrei nachweisen. Dafür genügt auch der Sendungsnachweis der Main-Brief Logistik GmbH noch nicht; es ist bisher nicht zu erkennen, ob es sich bei dem ausgestellten Sendungsnachweis um den den streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid betreffenden Nachweis handelt, zumal am 25.03.2010 ein weiterer Widerspruchsbescheid an den Klägerbevollmächtigten gesandt wurde und ggf. auch weitere Schreiben der Beklagten an diesen gerichtet waren. Auch wenn für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage in der Regel der sog. Freibeweis gilt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, vor § 51 Rdnr 20), durfte die angebotene Zeugin nicht vom SG unberücksichtigt bleiben, denn es bestehen noch Zweifel am Zugang bzw. an der Bekanntgabe - um eine förmliche Zustellung handelte es sich nicht - des allein streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides.

Hinreichende Erfolgsaussicht besteht auch bezüglich der Höhe der zu tragenden Kosten, denn der Kläger hat im Rahmen des konkreten Widerspruchsverfahrens allein die Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2009 erreichen wollen und dies mit seinem Widerspruch auch voll umfänglich erreicht. Es ist dem Widerspruchsbescheid auch nicht zu entnehmen, welches Widerspruchsbegehren im Übrigen zurückgewiesen worden ist.

Nach alledem war auf die Beschwerde hin der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Dieser bezieht nach telefonischer Auskunft der Beklagten auch z.Z. noch Leistungen nach dem SGB II zumindest als sog. Aufstocker.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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