Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 17 VS 102/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 VU 24/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. Februar 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz – VwRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)/einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 v. H für den Zeitraum ab dem 1. August 2002.
Der 1942 geborene Kläger hat im Beitrittsgebiet am 28. Juni 1967 den akademischen Grad eines Diplom-Landwirts erworben. Nach erfolgreichem Abschluss des postgradualen Studiums "Tierzucht" wurde ihm am 16. Dezember 1983 zur Ergänzung der Berufsbezeichnung die Bezeichnung Tierzuchtleiter verliehen. Von Juli 1997 bis zum 22. November 1988 war er bei dem Volkseigenen Gut (VEG) W beschäftigt, zuletzt als Hauptabteilungsleiter Schweinezucht. Am 15. August 1988 hatte der Kläger von dem Direktor des Volkseigenen Kombinates I B eine Zusage für die Einstellung als Abteilungsleiter Futterwirtschaft erhalten. Tag der Arbeitsaufnahme sollte der 3. Oktober 1988 sein. Der Kläger schloss mit dem VEG W einen Aufhebungsvertrag zum 15. Oktober 1988 und arbeitete seinen Nachfolger ein. Am 5. September 1988 flüchtete der Sohn des Klägers über die damalige Staatsgrenze in das Bundesgebiet. Daraufhin wurde dem Kläger am 4. Oktober 1988 vom Volkseigenen Kombinat IT B auf Weisung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR mitgeteilt, dass seine Einstellung als Mitglied der Kombinatsleitung nicht erfolgen könne. Seine hiergegen gerichtete Klage wies das Kreisgericht Königs-Wusterhausen mit Urteil vom 16. Dezember 1988 ab. Bis zum 15. Januar 1989 war der Kläger ohne Arbeit und begann am 16. Januar 1989 eine Tätigkeit als Projektant bei dem VEB DB.
Mit der Rehabilitierungsbescheinigung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 20. Mai 1998 nach dem Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG –) stellte der Beklagte fest, dass der Kläger Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG sei und die Verfolgungszeit vom 23. November 1988 bis zum 2. Oktober 1990 gedauert habe. Mit der Rehabilitierungsentscheidung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 5. Juli 2002 nach dem VwRehaG stellte der Beklagte fest, dass die Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter nach bereits erfolgter Zusage auf Weisung des MfS durch das Volkseigene Kombinat IT B, MfS der ehemaligen DDR, am 4. Oktober 1988 mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar sei, und erklärte diese Maßnahme für rechtsstaatswidrig. Mit Bescheid vom 16. November 2001 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 2. Oktober 2001 auf der Grundlage eines am 2. Mai 2000 eingetretenen Versicherungsfalls für den Zeitraum ab 14. März 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer.
Im Juli 2002 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Zur Begründung führte er aus: Die Folgen der Flucht seines Sohnes in das Bundesgebiet (Arbeitslosigkeit, Demütigungen, Befragungen durch den Staatssicherheitsdienst, Angst, Geldsorgen) hätten ihn, den Kläger, seelisch extrem belastet. Er sei für das Verhalten seines Sohnes bestraft worden, der ohne sein Wissen gehandelt habe. Es seien psychosomatische Störungen aufgetreten. Auch nach der Wiedervereinigung sei er fortlaufend unterhalb seiner Qualifikation und seinem Leistungsvermögen beschäftigt worden. Sämtliche Zusagen und Versprechungen seiner Vorgesetzten hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung und einer höheren Vergütung seien nicht eingehalten worden. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert.
Der Beklagte zog u. a. einen ärztlichen Entlassungsbericht der Landesklinik vom 1. September 2000 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 20. Juni 2000 bis zum 11. August 2000, einen ärztlichen Entlassungsbericht der BK in S vom 15. März 2001 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 30. Januar 2001 bis zum 13. März 2001 das rentenrechtliche Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. vom 2. Oktober 2001 und von dem Arzt für Allgemeinmedizin Y die bei diesem zu dem Kläger vorhandenen Krankenunterlagen bei. Ferner holte der Beklagte ärztliche Auskünfte des Arztes Y vom 24. Oktober 2002 und der Ärztin für Psychiatrie T vom 13. Januar 2003 ein und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Psychiatrie S. Diese führte nach Untersuchung des Klägers am 15. und 29. September 2003 in ihrem Gutachten vom 17. Dezember 2003 zusammenfassend aus: Bei dem Kläger sei eine depressive Episode und eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung festzustellen, die nicht ursächlich auf das schädigende Ereignis (Willkürmaßnahmen nach der Flucht seines Sohnes) zurückzuführen seien. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege bei dem Kläger nicht vor. Die geltend gemachten Störungen (Angstzustände, Depressionen, Verstimmungen, Antriebsstörungen, Durchschlafstörungen, belastende Träume und somatoforme Störungen wie Magenschmerzen, Herzflattern und Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule) seien auf die affektive Störung und die Persönlichkeitsstörung des Klägers zurückzuführen. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung habe bereits vor dem schädigenden Ereignis bestanden und äußere sich in einer erhöhten Perfektion, Präzisierung und Ordnung im Alltag, einem hohen Pflichtbewusstsein und der Schwierigkeit, Arbeit zu delegieren. Sie führe dazu, dass der Kläger bis hin zur Erschöpfung arbeite, und sei zudem mit einer erheblichen Besorgnis um seine finanziellen Möglichkeiten verbunden.
Hierauf lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Beschädigtenversorgung mit dem Bescheid vom 22. Januar 2004 ab. Zur Begründung des hiergegen gerichteten Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor: Das Gutachten der Ärztin S vermittele ein falsches Bild von ihm und dem Verlauf seiner Krankheit. Vor der Flucht seines Sohnes am 5. September 1988 habe er unter keinen Gesundheitsstörungen wie Antriebslosigkeit, Durchschlafstörungen, Alpträumen und Ängsten gelitten. Ursache für diese Störungen seien die unmenschlichen Forderungen des Staatssicherheitsdienstes, die Verhöre und die großen Ängste um seinen Sohn, seine Familie und seine Zukunft gewesen.
Nachdem die Landesklinik T dem Beklagten eine Stellungnahme der behandelnden Psychologin Dr. vom 19. April 2004 übersandt hatte, holte der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin Dr. W vom 8. Juni 2004 ein, wonach die psychischen Störungen des Klägers bei vorbestehender anankastischer Persönlichkeitsstruktur ursächlich auf die Flucht des Sohnes zurückzuführen und als Schädigungsfolge mit einem Grad der MdE von 20 anzuerkennen seien. Entsprechend dem Vorschlag der Versorgungsärztin stellte der Beklagte hierauf mit dem Bescheid vom 14. Juli 2004 "psychische Störungen mit Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" als Schädigungsfolge fest und sprach dem Kläger für den Zeitraum ab August 2002 einen Anspruch auf Heilbehandlung zu. Die Gewährung einer Beschädigtenversorgung lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass die Gesundheitsstörung keine Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 25 v. H. bedinge. Ferner lehnte der Beklagte die Feststellung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. März 2005 – entsprechend der mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 erteilten Rechtsbehelfsbelehrung – vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder Klage erhoben. Das Sozialgericht Frankfurt/Oder hat sich mit dem Beschluss vom 31. Mai 2005 – S 5 SB 18/05 – für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Cottbus verwiesen.
Zur Begründung der zunächst auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE/einem GdS von "mindestens 30" gerichteten Klage hat der Kläger ergänzend im Wesentlichen vorgetragen: Nachdem sein Sohn die DDR verlassen habe, sei er, der Kläger, in das Visier des MfS geraten. Er habe schriftlich erklären müssen, dass er die Post seines Sohnes dem Volkspolizeikreisamt (VPKA) zukommen lassen werde, er und seine Frau sehr daran interessiert seien, dass ihr Sohn nach Hause zurückkehre, er seinen Sohn zudem schriftlich auffordern werde, sofort wieder zurückzukehren und ihm dabei jegliche Angst vor einer Haftstrafe nehmen werde. Er sei gezwungen gewesen, diese Erklärung zu unterschreiben, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Er habe jedoch die Inhaftierung seines Sohnes unbedingt verhindern wollen. Deshalb habe er lügen müssen und fortan in der Angst gelebt, das MfS könne seine Unwahrheiten entdecken. Durch Verhöre, Bespitzelung, Verletzungen des Briefgeheimnisses und die Forderungen des MfS sei er ständig bedroht gewesen. Sein Sohn habe sich in höchster Gefahr befunden, und er habe ihn weder warnen noch beschützen können. Die Sorge um seinen Sohn und seine Hilflosigkeit hätten ihm zugesetzt. Er habe sich niemandem anvertrauen können und massive Angstgefühle entwickelt, die u. a. zu Schlafstörungen und Panikattacken geführt hätten. Weil das MfS sein Ziel nicht erreicht habe, habe es angeordnet, dass er in keiner leitenden Position mehr habe tätig sein dürfen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des den Kläger in dem Zeitraum von 1982 bis 2000 behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin K vom 1. Oktober 2006 eingeholt sowie einen Handelsregisterauszug der I GmbH vom 10. November 2006 und eine Mitteilung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Potsdam, vom 4. Dezember 2006 nebst Anlagen beigezogen. Ferner hat das Gericht die Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Arzt für Neurologie Dr. L veranlasst.
Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 26. Januar 2006 in seinem Gutachten vom 18. April 2006 ausgeführt: Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG i. V. m. § 1 BVG hervorgerufen oder verschlimmert worden seien, lägen nicht vor. Die psychischen Störungen des Klägers in Form einer Depression und Angst gemischt, einer somatoformen Störung sowie einer akzentuierten Persönlichkeit seien nicht auf die im Zusammenhang mit der Republikflucht des Sohnes erfolgte Einstellungsablehnung auf Weisung des MfS zurückzuführen. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Die von dem Kläger erlittenen Maßnahmen, insbesondere die von ihm beschriebenen Verhöre durch den Staatssicherdienst und die in direktem zeitlichen Zusammenhang erfolgte Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter mit nachfolgender Arbeitslosigkeit und sich daran anschließender jahrelanger unterqualifizierter Beschäftigung, seien nicht so schwerwiegend gewesen, dass sie für den Kläger eine außergewöhnliche Bedrohung bedeutet hätten. Eine intensiv angstbesetzte Situation habe der Kläger nicht beschrieben. Der Kläger habe zudem keine akute Belastungsreaktion im direkten zeitlichen Zusammenhang mit den schädigenden Vorgängen gezeigt. Darüber hinaus lägen bei dem Kläger weder ein wiederholtes aufdringliches Erinnern, wiederholte quälende Träume über diese Ereignisse oder dissoziative Zustände mit aktuellem Wiedererleben der schädigenden Vorgänge noch physiologische Vorgänge auf assoziierte Situationen vor. Sein Verhalten sei auch nicht darauf ausgerichtet, Gedanken oder Situationen zu vermeiden, die an das Trauma erinnerten. Bei den über Jahre andauernden Gesundheitsstörungen des Klägers hätten vielmehr Gefühle einer eingeschränkten Zukunft eine zentrale Rolle eingenommen. Ein zeitweilig auftretendes Leiden sei immer mit diesen Zukunftsängsten verbunden gewesen. Auch die wiederholt aufgetretenen quälenden Träume hätten vorrangig Zukunftsängste beinhaltet. Diese Gefühle bzw. Ängste seien dadurch genährt worden, dass der Kläger auch nach der politischen Wende in seinen beruflichen Möglichkeiten eingeschränkt gewesen sei und wiederholt Zurücksetzung und Kränkung erlebt habe. Im Hinblick auf diese Gesundheitsstörungen rückten konkurrierende Ursachen differentialdiagnostisch in den Vordergrund. Insoweit sei den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere den Krankenunterlagen des behandelnden Arztes Y, zu entnehmen, dass bei dem Kläger schon Jahre vor dem schädigenden Ereignis psychische Gesundheitsstörungen, wahrscheinlich in verminderter Ausprägung, aber ähnlichen Charakters vorgelegen hätten. So seien bei dem Kläger in den Jahren 1984 bis 1987 wiederholt Magenschmerzen besonders bei nervlichen Belastungen aufgetreten. In dieser Zeit seien dem Kläger auch immer wieder Beruhigungsmittel aus der Benzodiazepinreihe verordnet worden. Eine richtungsweisende Verschlechterung dieser Gesundheitsstörungen durch das schädigende Ereignis könne nicht nachgewiesen werden, weil episodisch schwerwiegende Symptome erstmalig Jahre nach dem Ereignis aufgetreten seien. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis habe der Arzt Y im Oktober 1988 lediglich ein Beklemmungsgefühl notiert, ohne dass eine elektrokardiographische Untersuchung einen pathologischen Befund ergeben habe. Für den Zeitraum vom 10. Oktober 1988 bis 16. November 1988 sei eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen körperlicher Funktionsstörungen psychischen Ursprungs dokumentiert. Danach werde erst wieder ab 1993 eine psychische Überlastung dokumentiert und auf psychosomatische Probleme verwiesen. Im November 1995 werde erstmals das Wort "subdepressiv" dokumentiert. Die psychische Störung sei dann offensichtlich erstmals 1996 mit Suizidgedanken, Schlafstörungen und Depressionen kumuliert. Zwanghaft narzisstische Wesenszüge in Verbindung mit situativ verstärkten depressiv-resignierenden Wahrnehmungen und Überzeugungen hätten bei dem Kläger immer wieder, wesentlich befördert durch jeweils aktuelle Belastungssituationen, Ängste, depressive Gestimmtheiten und psychosomatische Störungen ausgelöst. In diesem Zusammenhang sei die Reaktion des Klägers auf das schädigende Ereignis und die damit verbundenen sozialen Benachteiligungen zu sehen. Auch in der Folgezeit, insbesondere nach der politischen Wende, als sich der Kläger wiederum beruflich zurückgesetzt gesehen habe, hätten sich diese Symptome in Abhängigkeit von belastenden Symptomen eingestellt. Im Erleben eines vermeintlich nicht gelungenen Lebensentwurfes habe die Auseinandersetzung des Klägers mit den Ereignissen der Flucht des Sohnes das Ausmaß einer überwertigen Idee in dem Sinne angenommen, dass er sich durch ein repressives politisches System, welches ihm Unrecht zugefügt habe, um seine berechtigten Lebenschancen gebracht sehe. Ähnliche Wahrnehmungen und Überzeugungen habe er aus einer nicht zufrieden stellenden beruflichen Situation nach der politischen Wende entwickelt. Letzteres sei nicht als eine Retraumatisierung zu bezeichnen, da Traumakriterien zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätten.
Nach Auswertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. L nahm der Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 2006 den Bescheid vom 14. Juli 2004 mit Wirkung für die Zukunft zurück, soweit mit diesem "psychische Störungen mit Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" als Schädigungsfolge und darüber hinaus ein Anspruch auf Heilbehandlung festgestellt worden waren. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Bescheid vom 14. Juli 2004 sei insoweit rechtswidrig im Sinne des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gewesen. Das öffentliche Interesse an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes sei höher einzuschätzen als das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Entscheidung. Der Kläger habe im Vertrauen auf den Bestand des Bescheides keinerlei Verfügungen getroffen, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne.
Auf den Antrag des Klägers hat das Sozialgericht seine nochmalige Begutachtung durch den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Psychoanalyse Dr. M veranlasst. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14. August 2007 in seinem Gutachten vom 23. August 2007 ausgeführt: Bei dem Kläger seien mit großer Wahrscheinlichkeit folgende Gesundheitsstörungen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG i. V. m. § 1 BVG hervorgerufen und verschlimmert worden:
- eine nichtorganische Insomnie (Schlafstörung) - Alpträume - somatoforme autonome Funktionsstörungen, vor allem das kardiovasculäre System betreffend auf der Grundlage einer - Dysthymia (depressive Neurose) - bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur.
Die schädigenden Einwirkungen beständen aus zwei verschiedenen psychosozialen Belastungen:
- die Sorge um den Sohn nach seiner Westflucht mit dem Vernehmungsstress (Bedrohungsgefühl, Ohnmachtsgefühl, Ängste, Lügen), Fehlhandlungen (Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll)
- Ungerechtigkeits- und Kränkungserleben durch die vom MfS veranlasste Nichteinstellung bei dem VEB Kombinat ITB und Behinderung im beruflichen Werdegang bis zum 2. Oktober 2010.
Diese Einwirkungen seien für den Kläger schädigend gewesen, weil die nachvollziehbaren Ängste, Sorgen, Bedrohungsgefühle, die Verunsicherung, das Gefühl ausgeliefert zu sein und nicht zu wissen, wie er sich am besten verhalte, um Schaden von sich und seinem Sohn abzuwenden, das Misstrauen mit der Unsicherheit bis Unmöglichkeit, sich wirklich jemandem anvertrauen zu können, und die erlebte Ungerechtigkeit, Kränkung, Demütigung bzw. Abwertung auf einen Menschen getroffen seien, dessen Lebensform und ethische Wertorientierung durch so genannte Sekundärtugenden einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur geprägt worden seien. So seien durch die schädigenden Einwirkungen die den Kläger prägenden Grundeinstellungen zu Gerechtigkeit, Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit, Pflichterfüllung und Ordentlichkeit in spezifischer Weise verletzt und in Frage gestellt worden. Damit seien dem Kläger die wichtigsten psychosozialen Regulierungs- und Stabilisierungsmechanismen genommen worden, um in Belastungssituationen wieder klar zu kommen. Hypothetisch sei anzunehmen, dass auch andere Lebenseinflüsse, die (bei dem Kläger) eine vergleichbare Bedrohung, Ängstigung und Ungerechtigkeit ausgelöst hätten, eine krankheitswertige Symptomatik verursacht haben könnten. Ein anderer Mensch mit einer anderen Persönlichkeitsstruktur müsse in derselben Situation wie der Kläger nicht zwingend krank werden. An sich stelle die zwanghafte Persönlichkeitsstruktur des Klägers noch keine krankheitswertige Störung dar. Nur in Belastungssituationen, die Anpassung, Veränderung und dynamische Flexibilität verlangten, würden die vorgenannten Charaktereigenschaften zur Behinderung und erschwerten die Umstellung und Verarbeitung belastender Erlebnisse. Die Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit werde zur Grübelei, die Infragestellung von Werten wie Ordentlichkeit und Redlichkeit löse Affekte (Empörung, Bedrohungsgefühle ) aus, die nicht bewältigt werden könnten und so zu Schlafstörungen, Alpträumen, Unruhe und psychovegetativen Stress-Symptomen führten. Es gebe keine Hinweise darauf, dass ohne die Republikflucht des Sohnes mit den nachfolgenden Belastungen und die Einstellungsablehnung auf Weisung des MfS vergleichbare psychische Störungen aufgetreten wären. Vielmehr belegten alle Angaben und vorliegenden Befunde deutlich, dass erst die Ereignisse nach der Flucht die krankheitswertige Fehlentwicklung des Klägers ausgelöst hätten. So habe der Kläger bis zu den Ereignissen im Jahr 1988 ohne wesentliche Krisen und Erkrankungen erfolgreich gearbeitet, auch wenn es vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstruktur schon vor dieser Zeit zu psychosomatischen Beschwerden gekommen sei. Der eigentliche Bruch in der Lebenskurve mit folgender psychischer Fehlentwicklung sei nach der Flucht des Sohnes am 5. September 1988 erfolgt. Damit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang habe der Kläger eine akute Phase mit akuter Stresssymptomatik (Ängste, Bedrohungsgefühl, Grübeleien und somatoforme Funktionsstörungen des Herzens) durchlebt. Mit der beruflichen Einstellungsablehnung und Degradierung habe sich die durch Bedrohung, Ängstigung, Kränkung, Demütigung und erlebte Ungerechtigkeit ausgelöste Symptomatik allmählich chronifiziert und mit der schweren psychischen Erkrankung im Jahr 2000 ihre Zuspitzung gefunden. Das psychotische Erleben, durch Versprühen eines Insektizides die Umwelt in hohem Maße geschädigt zu haben, sei psychopathologisch als eine Verschiebung einer innerseelisch ungelösten Schuldproblematik auf ein äußeres Ereignis zu verstehen. Der Kläger habe sich nicht verzeihen können, das Vernehmungsprotokoll vom 8. September 1988 mit der gelogenen Erklärung der Bereitschaft, seinen Sohn zur Rückkehr aufzufordern und ihm dabei jegliche Angst vor einer Haftstrafe zu nehmen zu wollen, unterschrieben zu haben. Die durch zwanghaft geprägte Grübeleien und Vorwürfe angestauten Schuldgefühle hätten sich in einem Schuld-Wahn entladen. Für den hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. August 2002 sei Grad der MdE (noch) mit 30 zu beurteilen. Der Sachverständige Dr. L habe zwar überzeugend darstellen können, dass bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen habe, dieser Einschätzung sei zuzustimmen. Seiner Auffassung, dass eine richtungsweisende Verschlechterung einer (vorbestehenden) Gesundheitsstörung durch das schädigende Ereignis nicht nachzuweisen sei, könne jedoch nicht gefolgt werden. Der Sachverständige berücksichtige und würdige nicht angemessen die bei dem Kläger vorhandenen Brückensymptome. Die zeitliche Entwicklung der psychischen Erkrankung des Klägers habe der Sachverständige wie auch die Ärztin S in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2003 weder ätiopathogenetisch noch psychodynamisch begründet und differenziert. So bleibe unbeantwortet, welche konkreten Ursachen die Krankheitsentwicklung des Klägers erklärten.
Zu dem Gutachten hat der Sachverständige Dr. L in seiner vom Sozialgericht veranlassten Stellungnahme vom 14. Februar 2008 ausgeführt: Mit dem Sachverständigen Dr. M stimme er darin überein, dass bei dem Kläger keine Persönlichkeitsstörung vorliege und seiner zwanghaften Persönlichkeitsstruktur an sich kein Krankheitswert beizumessen sei. Ebenso erkenne er das Wesen der zu beurteilenden psychischen Störung in einer psychoreaktiven (neurotischen) Ätiopathogenese. Kritisch zu würdigen sei jedoch die Einschätzung des Sachverständigen, dass sich durch die Ereignisse nach der Flucht eine relevante qualitative Veränderung/Verschlimmerung der psychischen Störung des Klägers ergeben habe. Diese Annahme beruhe auf hypothetischen und nicht zu beweisenden Schlüssen. Es könne zwar zutreffen, dass sich bei dem Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Ereignisse eine akute psychische Symptomatik im Sinne einer Anpassungsstörung entwickelt habe. Eine Dauer der Anpassungsstörung von mehr als sechs Monaten sei jedoch nicht belegt. Für die Zeiten danach fehlten medizinische Dokumentationen über psychische Gesundheitsstörungen. Hinsichtlich der im späteren Verlauf dokumentierten intermittierend auftretenden psychischen Störungen seien nie Bezüge zu den Fluchtumständen des Sohnes hergestellt worden. Darüber hinaus sei die Bewertung der in Landesklinik T behandelten Depression mit psychotischen Symptomen als schädigungsabhängig spekulativ. Derart schwerwiegende Störungen könnten nicht allein als wesentlich psychoreaktiv entstanden beurteilt werden. Insoweit seien auch – noch nicht vollends erforschte – biologische Parameter zu berücksichtigen. Mit der von ihm angenommenen Kausalitätskette übernehme der Sachverständige das Krankheitsverständnis des Klägers, der in einer überwertigen Idee nahezu alle späteren privaten und beruflichen Konflikte auf die Umstände der Flucht seines Sohnes zurückführe. Soweit der Sachverständige von der hypothetischen Möglichkeit spreche, dass bei der unstrittigen Vorschädigung auch andere belastende Lebensereignisse derartige Störungen hätten auslösen können, beschreibe er die reale Situation des Klägers, der schon vor den Ereignissen auf Belastungen gesundheitlich reagiert und dieses auch später auf der Grundlage seiner Persönlichkeitsstruktur getan habe. Damit könne das Vorliegen von Brückensymptomen nicht festgestellt werden.
Hierauf hat der Sachverständige Dr. M auf Veranlassung des Klägers mit seiner Stellungnahme vom 13. März 2008 wie folgt erwidert: Es sei prinzipiell richtig, dass seine Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen den schädigenden Ereignissen und der psychischen Erkrankung des Klägers teilweise auf Hypothesen und nicht beweisbaren Schlüssen beruhe. Solche Hypothesen seien jedoch notwendig, um das zu beurteilende Geschehen annäherungsweise zu verstehen und in seiner Psychodynamik zu deuten, wobei er vorliegend von einer hohen Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs ausgehe. Dass die schädigenden Ereignisse eine wesentliche Rolle bei der Krankheitsentwicklung des Klägers gespielt hätten, sei hinreichend belegt. Soweit der Sachverständige Dr. L zutreffend auf die Externalisierung der Konfliktkonstellation hinweise, diene dieses neurotische Krankheitsverständnis der psychischen Abwehr und Stabilisierung; die Externalisierung sei deshalb als krankheitswertige Verarbeitung belastender Ereignisse zu deuten.
Mit Urteil vom 24. Februar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe zu Recht die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Versorgung nach dem VwRehaG i. V. m. dem BVG abgelehnt und mit dem Bescheid vom 27. Juni 2006 den Bescheid vom 14. Juli 2005 nach § 45 SGB X für die Zukunft zurückgenommen, soweit mit diesem Schädigungsfolgen festgestellt und dem Kläger ein Anspruch auf Heilbehandlung zuerkannt worden seien. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass die von dem Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folge der rechtsstaatswidrigen Verfolgungsmaßnahmen der Mitarbeiter des MfS nach der Republikflucht des Sohnes seien. Das Gericht folge insoweit den detaillierten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. L in seinem Gutachten vom 18. April 2006, mit denen er das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs zwischen psychischer Störung und schädigendem Ereignis überzeugend verneint habe. Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M vom 23. August 2007 sei hingegen nicht zu folgen. Dieser berücksichtige nicht, dass die psychischen Symptome des Klägers bereits vor den schädigenden Ereignissen im Jahr 1988 bestanden hätten. Zum anderen würdige er nur unzureichend den weiteren beruflichen Werdegang des Klägers und die erst in den 90’er Jahren aufgetretene berufliche Überforderungssituation mit anschließender Rentengewährung. Diese Umstände seien jedoch die entscheidenden Faktoren für die eingetretene Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Klägers gewesen. Unbeachtet lasse der Sachverständige auch den fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen den schädigenden Ereignissen im Jahr 1988 und der erstmals im Oktober 1993 dokumentierten psychischen Überlastung.
Gegen das dem Kläger am 16. März 2009 zugestellte Urteil hat dieser am 9. April 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend vorgetragen: Durch die erzwungene Verpflichtungserklärung zur Denunzierung seines Sohnes sei er in einen extremen angstbesetzten Gewissenskonflikt mit Schuldgefühlen geraten. In Verkennung und Verdrängung seines Schuldkomplexes habe er seine Krankheitssymptome auf eine berufliche Überlastung zurückgeführt. Nach der Flucht seines Sohnes sei er intensiv überwacht, verhört und mit überraschenden Besuchen von Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes konfrontiert worden, ferner mit der vollständigen Überwachung der Briefpost und weiteren Überwachungsmaßnahmen. Die Folgen dieser "Zersetzungsmaßnahmen" auf seine Gesundheit seien bisher nicht ausreichend gewürdigt worden. Schädigungsbedingt bestehe bei ihm eine schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten; dies habe auch der Sachverständige Dr. M nicht zutreffend bewertet. Der Sachverständige Dr. L habe nicht berücksichtigt, dass seelische Folgen politischer Repressalien auch mit jahrelanger Latenz auftreten könnten, sodass den so genannten Brückensymptomen zwischen Traumatisierung und Manifestation der Erkrankung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Bedeutung mehr zukomme.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31. Januar 2005 und unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 2006 zu verurteilen, als Schädigungsfolgen im Sinne des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz das Voll- oder Teilbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, vor allem das kardiovaskuläre System betreffend, einer Dysthymie (depressive Neurose) festzustellen und für den Zeitraum ab 1. August 2002 eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 zu gewähren,
hilfsweise ein neurologisch-psychiatrisches – psychosomatisches – Gutachten von der Ärztin R E, Kstraße W, nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes, weiter hilfsweise nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes, einzuholen mit dem Beweisthema: Der Kläger leidet gemäß dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz unter dem Voll- oder Teilbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, vor allem das kardiovaskuläre System betreffend, einer Dysthymie (depressive Neurose) nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt er sich maßgeblich auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils, welches er für zutreffend hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten (2 Bände), der Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bände) und die von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 übersandten Anlagen (1 Beiheft).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand der Berufung ist das Klagebegehren, soweit dieses (noch) darauf gerichtet ist, das Voll- oder Teilbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, vor allem das kardiovaskuläre System betreffend, einer Dysthymie (depressive Neurose) als Schädigungsfolgen festzustellen und dem Kläger für den Zeitraum ab 1. August 2002 eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE/ einem GdS von 50 zu gewähren. Damit richtet sich die Klage gegen den Bescheid vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31. Januar 2005 sowie gegen den Bescheid vom 27. Juni 2006, der nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.
Soweit die Klage ursprünglich auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem höheren Grad der MdE/ GdS von mindestens 30 v. H. und damit (auch) nach einem höheren Grad der MdE/ GdS als 50 v. H. gerichtet war, hat der Kläger die Berufung mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag beschränkt und damit (teilweise) zurückgenommen. Damit ist das angegriffene Urteil des Sozialgerichts in diesem Umfang rechtskräftig geworden.
Die Klage ist nach §§ 54 Abs. 1, Abs. 4, 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage – soweit noch streitgegenständlich – zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und der Bescheid vom 27. Juni 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Maßnahme nach § 1 VwRehaG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung in entsprechender Anwendung des BVG. Maßnahmen nach § 1 VwRehaG sind hoheitliche Maßnahmen einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalles in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 2. Oktober 1990 (Verwaltungsentscheidung), welche mit tragenden Grundsätzen eines Rechtstaates schlechthin unvereinbar sind und deren Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Ist eine hoheitliche Maßnahme nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, gelten die Vorschriften des VwRehaG entsprechend (§ 1 Abs. 5 VwRehaG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 3 Abs. 5 Satz 1 VwRehaG).
Gemäß § 2 Abs. 1 VwRehaG setzt der Versorgungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG voraus, dass eine Maßnahme nach § 1 VwRehaG aufgehoben oder deren Rechtsstaatswidrigkeit festgestellt worden ist. Diese Entscheidung obliegt der zuständigen Rehabilitierungsbehörde (§ 12 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde sind für die Behörden und Stellen bindend, die über die Folgeansprüche entscheiden (§ 12 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG). Die Rehabilitierungsbehörde trifft insoweit eine abschließende Entscheidung. Dies betrifft insbesondere auch die genaue Bezeichnung der hoheitlichen Maßnahme, die den Anknüpfungspunkt für mögliche Folgeansprüche bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 2003 – 3 C 1/03 –, zitiert nach juris). Die nach dem Bundesversorgungsgesetz erforderlichen Feststellungen treffen die Behörden, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes obliegt (§ 12 Abs. 4 Satz 2 VwRehaG).
Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG sind insoweit erfüllt, als der Kläger Opfer einer Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG geworden ist. Mit der der Rehabilitierungsentscheidung des Ministeriums des Innern vom 5. Juli 2002 hat der Beklagte verbindlich festgestellt, dass die Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter nach bereits erfolgter Zusage auf Weisung des Ministeriums für Staatssicherheit durch das VE K I T Berlin, MfS der ehemaligen DDR, am 4. Oktober 1988 mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und diese Maßnahme für rechtsstaatswidrig erklärt. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers als leitender Mitarbeiter – auch nicht im Zusammenwirken mit weiteren schädigenden Vorgängen im Zusammenhang mit der Republikflucht seines Sohnes – zu einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne einer verbleibenden Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge (vgl. §§ 1 Abs. 1, 30 Abs. 1 BVG) geführt hätte. Insoweit kann offen bleiben, ob bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen schädigendem Ereignis und der festzustellenden Gesundheitsstörung vorliegend nicht nur die gesundheitlichen Auswirkungen der Ablehnung der Einstellung des Klägers als leitender Mitarbeiter zu berücksichtigen sind, sondern auch die gesundheitlichen Auswirkungen der von dem MfS im Zusammenhang mit der Republikflucht ergriffenen weiteren Maßnahmen, die nicht Gegenstand einer Rehabilitierungsentscheidung nach dem VwRehaG geworden sind.
Bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen einem schädigenden Vorgang und einer nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörung sind vorliegend für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. August 2002 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 – AHP 1996 – und nachfolgend – seit Juli 2004 – die "Anhaltpunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 2008 – AHP 2008) zu beachten, die für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 – auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 BVG hinsichtlich der ärztlichen Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht – durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) in ihrer jeweils geltenden Fassung abgelöst worden sind. Die auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft fußenden AHP haben normähnlichen Charakter und sind nach ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen, um eine möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 12. Juni 2003 – B 9 VG 1/02 R –, BSGE 91, 107), weshalb sich der Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 auf die genannten AHP stützt. Für die Zeit ab 1. Januar 2009 ist für die Verwaltung und die Gerichte die Anlage zu § 2 VersMedV maßgeblich, wobei allerdings die Nr. 53 bis Nr. 143 der AHP 2008 für die Kausalitätsbeurteilung im Sozialen Entschädigungsrecht weiterhin zu beachten sind (vgl. Begründung zur VersMedV, Bundesrats-Drucksache 767/08, S. 4).
Danach genügt versorgungsrechtlich für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann als (Mit-)Ursachen zu werten, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache des Versorgungsrechts (vgl. AHP 2008, Nr. 36 Abs. 2, S. 148, Anlage zu § 2 VersMedV, Teil C Nr. 1 b), S. 104). Die angemessene zeitliche Verbindung zwischen schädigendem Vorgang und Gesundheitsstörung ist in der Regel eine Voraussetzung für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. AHP 2008 Nr. 38 Abs. 3, S. 150, Anlage zu § 2 VersMedV Teil C Nr. 3 c), S. 105 f.).
Bei der Beurteilung von durch psychische Traumen bedingten Störungen ist zu berücksichtigen, dass psychische Traumen sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen in Betracht kommen, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfangs der Belastungen ist also nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben. Die Störungen sind nach ihrer Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer verschieden: Sie können kurzfristigen reaktiven Störungen mit krankheitswertigen (häufig depressiven) Beschwerden entsprechen; bei einer Dauer von mehreren Monaten bis zu ein bis zwei Jahren sind sie in der Regel durch typische Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein; sie treten gelegentlich auch nach einer Latenzzeit auf. Anhaltend kann sich eine Chronifizierung der vorgenannten Störungen oder eine Persönlichkeitsänderung mit Misstrauen, Rückzug, Motivationsverlust, Gefühl der Leere und Entfremdung ergeben. Anhaltende Störungen setzen tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und in der Regel langdauernde Belastungen voraus (AHP 2008, Nr. 71 Abs. 1, S. 205). Bei länger anhaltenden Störungen und chronisch verlaufenden (auch "neurotisch" genannten) Entwicklungen ist zu prüfen, ob die Schädigungsfaktoren fortwirken oder schädigungsunabhängige Faktoren für die Chronifizierung verantwortlich sind (AHP 2008, Nr. 71 Abs. 2, S. 205).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann nicht festgestellt werden, dass die von dem Kläger geltend gemachten Schädigungsfolgen ursächlich auf eine gesundheitliche Schädigung zurückzuführen sind, was sich für den Senat insbesondere aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L ergibt. Nach diesem Gutachten, das auf einer eingehenden Untersuchung des Klägers insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet sowie einer umfassenden Auswertung der vorhandenen medizinischen Unterlagen beruht und überzeugend begründet worden ist, hat die von dem Kläger erfahrene Behandlung durch Mitarbeiter des MfS nicht wesentlich zur Entstehung bzw. Verschlimmerung seiner psychischen Störungen beigetragen. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit den insoweit präziseren Formulierungen des Sachverständigen Dr. M die in der Sache keine wesentliche Abweichung gegenüber den vom Sachverständigen Dr. L getroffenen Feststellungen bedeuten, davon aus, dass bei dem Kläger folgende psychische Störungen vorliegen:
- eine nichtorganische Insomnie (Schlafstörung) - Alpträume - somatoforme autonome Funktionsstörungen, vor allem das kardiovasculäre System betreffend auf der Grundlage einer - Dysthymia (depressive Neurose) - bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L sind diese Gesundheitsstörungen in ihrer Entstehung und Entwicklung maßgeblich vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu sehen und nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die von dem Kläger erlebten Ereignisse in Folge der Republikflucht seines Sohnes zurückzuführen. Dagegen spricht zunächst, wie der Sachverständige insbesondere anhand der Krankenunterlagen des Aztes herausgearbeitet hat, dass bei dem Kläger schon Jahre vor dem schädigenden Ereignis psychische Gesundheitsstörungen ähnlichen Charakters bestanden, die jeweils auf aktuelle Belastungssituationen zurückzuführen waren. So haben die zwanghaft narzisstischen Wesenszüge in Verbindung mit situativ verstärkten depressiv-resignierenden Wahrnehmungen und Überzeugungen bei dem Kläger in der Gesamtschau immer wieder, wesentlich befördert durch jeweils aktuelle Belastungssituationen, Ängste, depressive Gestimmtheiten und psychosomatische Störungen ausgelöst. So traten auch die für die Zeit ab 1993 ärztlich dokumentierten psychischen Störungen des Klägers, die erstmals im Jahr 1996 mit Suizidgedanken, Schlafstörungen und Depressionen kulminierten und ihre Zuspitzung in der schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen fanden, jeweils in Abhängigkeit von bestimmten belastenden Situationen auf und zeigten die von dem Sachverständigen benannten Symptome. Die von dem Kläger gezeigte Reaktion auf die Flucht seines Sohnes und die daran anknüpfenden Repressalien des MfS, fügte sich damit nach ihrem Charakter in ein vorbestehendes Muster ein.
Danach kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die Ereignisse nach der Flucht des Sohnes am 5. September 1988 zu einer wesentlichen Verschlimmerung des klägerischen Leidens geführt hätte. Wie der Sachverständige Dr. L dargelegt und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Februar 2008 bekräftigt hat, fehlt es insoweit an Brückensymptomen, um einen solchen Ursachenzusammenhangs zu begründen. Zunächst ist nichts dafür ersichtlich, dass bei dem Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Flucht seines Sohnes und den sich daran anschließenden Ereignissen eine mehr als sechs Monate andauernde psychische Symptomatik aufgetreten war. Auch finden sich keine Anhaltpunkte dafür, dass es in dem Folgezeitraum bis 1993 zu einer relevanten psychischen Symptomatik gekommen war. Zudem finden sich, wie der Sachverständige unter Bezugnahme auf die ärztlichen Entlassungsberichte der Landesklinik T vom 1. September 2000 und der BK S vom 15. März 2001 sowie auf das Gutachten des Arztes Dr. H vom 20. Oktober 2001 herausgestellt hat, hinsichtlich der im späteren Verlauf dokumentierten intermittierend auftretenden psychischen Störungen keine Bezüge zu den Ereignissen im Zusammenhang mit der Flucht seines Sohnes. Vielmehr spielten bei den zeitweilig auftretenden Störungen Gefühle einer eingeschränkten Zukunft verbunden mit Zukunftsängsten eine zentrale Rolle. Auch die wiederholt bei dem Kläger aufgetretenen Alpträume thematisierten vorrangig Zukunftsängste. Dies spricht dafür, dass maßgeblich für die weitere Krankheitsentwicklung des Klägers war, dass der Kläger (auch) nach der politischen Wende trotz seiner bis zur Erschöpfung gehenden Anstrengungen kein seiner Qualifikation entsprechendes und entlohntes Anstellungsverhältnis erreichen konnte und in diesem Zusammenhang wiederholt Zurücksetzung bzw. Kränkung erlebte.
Hiervon ausgehend ist dem Sachverständigen Dr. L schließlich in seiner Einschätzung zu folgen, dass die Auseinandersetzung des Klägers mit den Ereignissen der Flucht seines Sohnes das Ausmaß einer überwertigen Idee in dem Sinne angenommen hat, dass er sich durch ein repressives politisches System, welches ihm Unrecht zugefügt hat, um seine berechtigten Lebenschancen gebracht sieht. Wie der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2008 ausgeführt hat, resultiert diese Idee aus einem neurotischen Krankheitsverständnis, welches beinhaltet, die wesentliche Verantwortung für die Entstehung seiner Störungen an Dritte zu delegieren. Diese maßgeblich auf der Persönlichkeitsstruktur des Klägers fussende Fehleinstellung besteht unabhängig von dem ihm im Jahr 1988 widerfahrenen Unrecht und führt letztlich dazu, dass der Kläger alle späteren privaten und beruflichen Konflikte retrospektiv auf die Umstände der Flucht seines Sohnes zurückführt.
Danach ist den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M insoweit nicht zu folgen, als er einen Ursachenzusammenhang zwischen den Ereignissen im Jahr 1988 und den psychischen Störungen des Klägers in seiner aktuellen Ausprägung mit hoher Wahrscheinlichkeit als gegeben ansieht. Seine Einschätzung, dass die Ereignisse nach der Flucht den eigentlichen Bruch in der Lebenskurve des Klägers mit sich darin anschließender psychischer Fehlentwicklung ausgelöst hätten, lässt sich aus der Gesamtheit der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht hinreichend nachvollziehen. Die Angaben des Klägers zu den von ihm erlebten Belastungen und deren Auswirkungen auf seine psychische Gesundheit, denen persönlichkeitsbedingt ohnehin nur eine bedingte Aussagekraft beizumessen ist, reichen insoweit nicht aus, um eine solche Annahme zu stützen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anerkennung anhaltender Störungen als Schädigungsfolge tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und in der Regel langdauernde Belastungen voraussetzt. Solchen Belastungen war der Kläger zweifellos nicht ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund mag es unter Würdigung der individuell verringerten Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit des Klägers zwar nicht auszuschließen sein, dass die von ihm erlebten Belastungen Ursache für die erst Jahre später aufgetretenen depressiven Störungen waren; überwiegend wahrscheinlich ist dies jedoch – wie bereits oben dargelegt – nicht.
Danach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte mit dem Bescheid vom 27. Juni 2006 den Bescheid vom 14. Juli 2005 nach § 45 SGB X für die Zukunft zurückgenommen hat, soweit mit diesem Schädigungsfolgen festgestellt und dem Kläger ein Anspruch auf Heilbehandlung zuerkannt wurde. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Eine weitere Sachaufklärung war nicht erforderlich. Insbesondere musste der Senat den nach § 106 SGG und § 109 SGG gestellten Beweisanträgen nicht folgen. Dem auf § 106 SGG gestützten Antrag war nicht zu entsprechen, weil der Kläger keine Umstände vorgetragen hat, die angesichts der bereits umfassend durchgeführten Beweisaufnahme die Einholung eines weiteren Gutachtens rechtfertigten. Eine weitere Beweiserhebung "ins Blaue" ist nicht geboten; ein Anspruch auf Einholung eines so genannten Obergutachtens steht dem Kläger nicht zu (vgl. BSG, Beschluss vom 17. November 2003 – B 3 P 23/03 B –, zitiert nach juris). Nach dem Vorstehenden konnte auch der Antrag nach § 109 SGG ohne Erfolg bleiben, weil bei unverändertem Sachverhalt kein neues Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden muss (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Mai 1958 – 10 RV 813/56 –, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Februar 2006 – L 1 U 2572/05 –, jeweils zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz – VwRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)/einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 v. H für den Zeitraum ab dem 1. August 2002.
Der 1942 geborene Kläger hat im Beitrittsgebiet am 28. Juni 1967 den akademischen Grad eines Diplom-Landwirts erworben. Nach erfolgreichem Abschluss des postgradualen Studiums "Tierzucht" wurde ihm am 16. Dezember 1983 zur Ergänzung der Berufsbezeichnung die Bezeichnung Tierzuchtleiter verliehen. Von Juli 1997 bis zum 22. November 1988 war er bei dem Volkseigenen Gut (VEG) W beschäftigt, zuletzt als Hauptabteilungsleiter Schweinezucht. Am 15. August 1988 hatte der Kläger von dem Direktor des Volkseigenen Kombinates I B eine Zusage für die Einstellung als Abteilungsleiter Futterwirtschaft erhalten. Tag der Arbeitsaufnahme sollte der 3. Oktober 1988 sein. Der Kläger schloss mit dem VEG W einen Aufhebungsvertrag zum 15. Oktober 1988 und arbeitete seinen Nachfolger ein. Am 5. September 1988 flüchtete der Sohn des Klägers über die damalige Staatsgrenze in das Bundesgebiet. Daraufhin wurde dem Kläger am 4. Oktober 1988 vom Volkseigenen Kombinat IT B auf Weisung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR mitgeteilt, dass seine Einstellung als Mitglied der Kombinatsleitung nicht erfolgen könne. Seine hiergegen gerichtete Klage wies das Kreisgericht Königs-Wusterhausen mit Urteil vom 16. Dezember 1988 ab. Bis zum 15. Januar 1989 war der Kläger ohne Arbeit und begann am 16. Januar 1989 eine Tätigkeit als Projektant bei dem VEB DB.
Mit der Rehabilitierungsbescheinigung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 20. Mai 1998 nach dem Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG –) stellte der Beklagte fest, dass der Kläger Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG sei und die Verfolgungszeit vom 23. November 1988 bis zum 2. Oktober 1990 gedauert habe. Mit der Rehabilitierungsentscheidung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 5. Juli 2002 nach dem VwRehaG stellte der Beklagte fest, dass die Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter nach bereits erfolgter Zusage auf Weisung des MfS durch das Volkseigene Kombinat IT B, MfS der ehemaligen DDR, am 4. Oktober 1988 mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar sei, und erklärte diese Maßnahme für rechtsstaatswidrig. Mit Bescheid vom 16. November 2001 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 2. Oktober 2001 auf der Grundlage eines am 2. Mai 2000 eingetretenen Versicherungsfalls für den Zeitraum ab 14. März 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer.
Im Juli 2002 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Zur Begründung führte er aus: Die Folgen der Flucht seines Sohnes in das Bundesgebiet (Arbeitslosigkeit, Demütigungen, Befragungen durch den Staatssicherheitsdienst, Angst, Geldsorgen) hätten ihn, den Kläger, seelisch extrem belastet. Er sei für das Verhalten seines Sohnes bestraft worden, der ohne sein Wissen gehandelt habe. Es seien psychosomatische Störungen aufgetreten. Auch nach der Wiedervereinigung sei er fortlaufend unterhalb seiner Qualifikation und seinem Leistungsvermögen beschäftigt worden. Sämtliche Zusagen und Versprechungen seiner Vorgesetzten hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung und einer höheren Vergütung seien nicht eingehalten worden. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert.
Der Beklagte zog u. a. einen ärztlichen Entlassungsbericht der Landesklinik vom 1. September 2000 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 20. Juni 2000 bis zum 11. August 2000, einen ärztlichen Entlassungsbericht der BK in S vom 15. März 2001 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 30. Januar 2001 bis zum 13. März 2001 das rentenrechtliche Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. vom 2. Oktober 2001 und von dem Arzt für Allgemeinmedizin Y die bei diesem zu dem Kläger vorhandenen Krankenunterlagen bei. Ferner holte der Beklagte ärztliche Auskünfte des Arztes Y vom 24. Oktober 2002 und der Ärztin für Psychiatrie T vom 13. Januar 2003 ein und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Psychiatrie S. Diese führte nach Untersuchung des Klägers am 15. und 29. September 2003 in ihrem Gutachten vom 17. Dezember 2003 zusammenfassend aus: Bei dem Kläger sei eine depressive Episode und eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung festzustellen, die nicht ursächlich auf das schädigende Ereignis (Willkürmaßnahmen nach der Flucht seines Sohnes) zurückzuführen seien. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege bei dem Kläger nicht vor. Die geltend gemachten Störungen (Angstzustände, Depressionen, Verstimmungen, Antriebsstörungen, Durchschlafstörungen, belastende Träume und somatoforme Störungen wie Magenschmerzen, Herzflattern und Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule) seien auf die affektive Störung und die Persönlichkeitsstörung des Klägers zurückzuführen. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung habe bereits vor dem schädigenden Ereignis bestanden und äußere sich in einer erhöhten Perfektion, Präzisierung und Ordnung im Alltag, einem hohen Pflichtbewusstsein und der Schwierigkeit, Arbeit zu delegieren. Sie führe dazu, dass der Kläger bis hin zur Erschöpfung arbeite, und sei zudem mit einer erheblichen Besorgnis um seine finanziellen Möglichkeiten verbunden.
Hierauf lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Beschädigtenversorgung mit dem Bescheid vom 22. Januar 2004 ab. Zur Begründung des hiergegen gerichteten Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor: Das Gutachten der Ärztin S vermittele ein falsches Bild von ihm und dem Verlauf seiner Krankheit. Vor der Flucht seines Sohnes am 5. September 1988 habe er unter keinen Gesundheitsstörungen wie Antriebslosigkeit, Durchschlafstörungen, Alpträumen und Ängsten gelitten. Ursache für diese Störungen seien die unmenschlichen Forderungen des Staatssicherheitsdienstes, die Verhöre und die großen Ängste um seinen Sohn, seine Familie und seine Zukunft gewesen.
Nachdem die Landesklinik T dem Beklagten eine Stellungnahme der behandelnden Psychologin Dr. vom 19. April 2004 übersandt hatte, holte der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin Dr. W vom 8. Juni 2004 ein, wonach die psychischen Störungen des Klägers bei vorbestehender anankastischer Persönlichkeitsstruktur ursächlich auf die Flucht des Sohnes zurückzuführen und als Schädigungsfolge mit einem Grad der MdE von 20 anzuerkennen seien. Entsprechend dem Vorschlag der Versorgungsärztin stellte der Beklagte hierauf mit dem Bescheid vom 14. Juli 2004 "psychische Störungen mit Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" als Schädigungsfolge fest und sprach dem Kläger für den Zeitraum ab August 2002 einen Anspruch auf Heilbehandlung zu. Die Gewährung einer Beschädigtenversorgung lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass die Gesundheitsstörung keine Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 25 v. H. bedinge. Ferner lehnte der Beklagte die Feststellung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. März 2005 – entsprechend der mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 erteilten Rechtsbehelfsbelehrung – vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder Klage erhoben. Das Sozialgericht Frankfurt/Oder hat sich mit dem Beschluss vom 31. Mai 2005 – S 5 SB 18/05 – für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Cottbus verwiesen.
Zur Begründung der zunächst auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE/einem GdS von "mindestens 30" gerichteten Klage hat der Kläger ergänzend im Wesentlichen vorgetragen: Nachdem sein Sohn die DDR verlassen habe, sei er, der Kläger, in das Visier des MfS geraten. Er habe schriftlich erklären müssen, dass er die Post seines Sohnes dem Volkspolizeikreisamt (VPKA) zukommen lassen werde, er und seine Frau sehr daran interessiert seien, dass ihr Sohn nach Hause zurückkehre, er seinen Sohn zudem schriftlich auffordern werde, sofort wieder zurückzukehren und ihm dabei jegliche Angst vor einer Haftstrafe nehmen werde. Er sei gezwungen gewesen, diese Erklärung zu unterschreiben, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Er habe jedoch die Inhaftierung seines Sohnes unbedingt verhindern wollen. Deshalb habe er lügen müssen und fortan in der Angst gelebt, das MfS könne seine Unwahrheiten entdecken. Durch Verhöre, Bespitzelung, Verletzungen des Briefgeheimnisses und die Forderungen des MfS sei er ständig bedroht gewesen. Sein Sohn habe sich in höchster Gefahr befunden, und er habe ihn weder warnen noch beschützen können. Die Sorge um seinen Sohn und seine Hilflosigkeit hätten ihm zugesetzt. Er habe sich niemandem anvertrauen können und massive Angstgefühle entwickelt, die u. a. zu Schlafstörungen und Panikattacken geführt hätten. Weil das MfS sein Ziel nicht erreicht habe, habe es angeordnet, dass er in keiner leitenden Position mehr habe tätig sein dürfen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des den Kläger in dem Zeitraum von 1982 bis 2000 behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin K vom 1. Oktober 2006 eingeholt sowie einen Handelsregisterauszug der I GmbH vom 10. November 2006 und eine Mitteilung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Potsdam, vom 4. Dezember 2006 nebst Anlagen beigezogen. Ferner hat das Gericht die Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Arzt für Neurologie Dr. L veranlasst.
Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 26. Januar 2006 in seinem Gutachten vom 18. April 2006 ausgeführt: Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG i. V. m. § 1 BVG hervorgerufen oder verschlimmert worden seien, lägen nicht vor. Die psychischen Störungen des Klägers in Form einer Depression und Angst gemischt, einer somatoformen Störung sowie einer akzentuierten Persönlichkeit seien nicht auf die im Zusammenhang mit der Republikflucht des Sohnes erfolgte Einstellungsablehnung auf Weisung des MfS zurückzuführen. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Die von dem Kläger erlittenen Maßnahmen, insbesondere die von ihm beschriebenen Verhöre durch den Staatssicherdienst und die in direktem zeitlichen Zusammenhang erfolgte Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter mit nachfolgender Arbeitslosigkeit und sich daran anschließender jahrelanger unterqualifizierter Beschäftigung, seien nicht so schwerwiegend gewesen, dass sie für den Kläger eine außergewöhnliche Bedrohung bedeutet hätten. Eine intensiv angstbesetzte Situation habe der Kläger nicht beschrieben. Der Kläger habe zudem keine akute Belastungsreaktion im direkten zeitlichen Zusammenhang mit den schädigenden Vorgängen gezeigt. Darüber hinaus lägen bei dem Kläger weder ein wiederholtes aufdringliches Erinnern, wiederholte quälende Träume über diese Ereignisse oder dissoziative Zustände mit aktuellem Wiedererleben der schädigenden Vorgänge noch physiologische Vorgänge auf assoziierte Situationen vor. Sein Verhalten sei auch nicht darauf ausgerichtet, Gedanken oder Situationen zu vermeiden, die an das Trauma erinnerten. Bei den über Jahre andauernden Gesundheitsstörungen des Klägers hätten vielmehr Gefühle einer eingeschränkten Zukunft eine zentrale Rolle eingenommen. Ein zeitweilig auftretendes Leiden sei immer mit diesen Zukunftsängsten verbunden gewesen. Auch die wiederholt aufgetretenen quälenden Träume hätten vorrangig Zukunftsängste beinhaltet. Diese Gefühle bzw. Ängste seien dadurch genährt worden, dass der Kläger auch nach der politischen Wende in seinen beruflichen Möglichkeiten eingeschränkt gewesen sei und wiederholt Zurücksetzung und Kränkung erlebt habe. Im Hinblick auf diese Gesundheitsstörungen rückten konkurrierende Ursachen differentialdiagnostisch in den Vordergrund. Insoweit sei den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere den Krankenunterlagen des behandelnden Arztes Y, zu entnehmen, dass bei dem Kläger schon Jahre vor dem schädigenden Ereignis psychische Gesundheitsstörungen, wahrscheinlich in verminderter Ausprägung, aber ähnlichen Charakters vorgelegen hätten. So seien bei dem Kläger in den Jahren 1984 bis 1987 wiederholt Magenschmerzen besonders bei nervlichen Belastungen aufgetreten. In dieser Zeit seien dem Kläger auch immer wieder Beruhigungsmittel aus der Benzodiazepinreihe verordnet worden. Eine richtungsweisende Verschlechterung dieser Gesundheitsstörungen durch das schädigende Ereignis könne nicht nachgewiesen werden, weil episodisch schwerwiegende Symptome erstmalig Jahre nach dem Ereignis aufgetreten seien. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis habe der Arzt Y im Oktober 1988 lediglich ein Beklemmungsgefühl notiert, ohne dass eine elektrokardiographische Untersuchung einen pathologischen Befund ergeben habe. Für den Zeitraum vom 10. Oktober 1988 bis 16. November 1988 sei eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen körperlicher Funktionsstörungen psychischen Ursprungs dokumentiert. Danach werde erst wieder ab 1993 eine psychische Überlastung dokumentiert und auf psychosomatische Probleme verwiesen. Im November 1995 werde erstmals das Wort "subdepressiv" dokumentiert. Die psychische Störung sei dann offensichtlich erstmals 1996 mit Suizidgedanken, Schlafstörungen und Depressionen kumuliert. Zwanghaft narzisstische Wesenszüge in Verbindung mit situativ verstärkten depressiv-resignierenden Wahrnehmungen und Überzeugungen hätten bei dem Kläger immer wieder, wesentlich befördert durch jeweils aktuelle Belastungssituationen, Ängste, depressive Gestimmtheiten und psychosomatische Störungen ausgelöst. In diesem Zusammenhang sei die Reaktion des Klägers auf das schädigende Ereignis und die damit verbundenen sozialen Benachteiligungen zu sehen. Auch in der Folgezeit, insbesondere nach der politischen Wende, als sich der Kläger wiederum beruflich zurückgesetzt gesehen habe, hätten sich diese Symptome in Abhängigkeit von belastenden Symptomen eingestellt. Im Erleben eines vermeintlich nicht gelungenen Lebensentwurfes habe die Auseinandersetzung des Klägers mit den Ereignissen der Flucht des Sohnes das Ausmaß einer überwertigen Idee in dem Sinne angenommen, dass er sich durch ein repressives politisches System, welches ihm Unrecht zugefügt habe, um seine berechtigten Lebenschancen gebracht sehe. Ähnliche Wahrnehmungen und Überzeugungen habe er aus einer nicht zufrieden stellenden beruflichen Situation nach der politischen Wende entwickelt. Letzteres sei nicht als eine Retraumatisierung zu bezeichnen, da Traumakriterien zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätten.
Nach Auswertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. L nahm der Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 2006 den Bescheid vom 14. Juli 2004 mit Wirkung für die Zukunft zurück, soweit mit diesem "psychische Störungen mit Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" als Schädigungsfolge und darüber hinaus ein Anspruch auf Heilbehandlung festgestellt worden waren. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Bescheid vom 14. Juli 2004 sei insoweit rechtswidrig im Sinne des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gewesen. Das öffentliche Interesse an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes sei höher einzuschätzen als das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Entscheidung. Der Kläger habe im Vertrauen auf den Bestand des Bescheides keinerlei Verfügungen getroffen, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne.
Auf den Antrag des Klägers hat das Sozialgericht seine nochmalige Begutachtung durch den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Psychoanalyse Dr. M veranlasst. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14. August 2007 in seinem Gutachten vom 23. August 2007 ausgeführt: Bei dem Kläger seien mit großer Wahrscheinlichkeit folgende Gesundheitsstörungen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG i. V. m. § 1 BVG hervorgerufen und verschlimmert worden:
- eine nichtorganische Insomnie (Schlafstörung) - Alpträume - somatoforme autonome Funktionsstörungen, vor allem das kardiovasculäre System betreffend auf der Grundlage einer - Dysthymia (depressive Neurose) - bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur.
Die schädigenden Einwirkungen beständen aus zwei verschiedenen psychosozialen Belastungen:
- die Sorge um den Sohn nach seiner Westflucht mit dem Vernehmungsstress (Bedrohungsgefühl, Ohnmachtsgefühl, Ängste, Lügen), Fehlhandlungen (Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll)
- Ungerechtigkeits- und Kränkungserleben durch die vom MfS veranlasste Nichteinstellung bei dem VEB Kombinat ITB und Behinderung im beruflichen Werdegang bis zum 2. Oktober 2010.
Diese Einwirkungen seien für den Kläger schädigend gewesen, weil die nachvollziehbaren Ängste, Sorgen, Bedrohungsgefühle, die Verunsicherung, das Gefühl ausgeliefert zu sein und nicht zu wissen, wie er sich am besten verhalte, um Schaden von sich und seinem Sohn abzuwenden, das Misstrauen mit der Unsicherheit bis Unmöglichkeit, sich wirklich jemandem anvertrauen zu können, und die erlebte Ungerechtigkeit, Kränkung, Demütigung bzw. Abwertung auf einen Menschen getroffen seien, dessen Lebensform und ethische Wertorientierung durch so genannte Sekundärtugenden einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur geprägt worden seien. So seien durch die schädigenden Einwirkungen die den Kläger prägenden Grundeinstellungen zu Gerechtigkeit, Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit, Pflichterfüllung und Ordentlichkeit in spezifischer Weise verletzt und in Frage gestellt worden. Damit seien dem Kläger die wichtigsten psychosozialen Regulierungs- und Stabilisierungsmechanismen genommen worden, um in Belastungssituationen wieder klar zu kommen. Hypothetisch sei anzunehmen, dass auch andere Lebenseinflüsse, die (bei dem Kläger) eine vergleichbare Bedrohung, Ängstigung und Ungerechtigkeit ausgelöst hätten, eine krankheitswertige Symptomatik verursacht haben könnten. Ein anderer Mensch mit einer anderen Persönlichkeitsstruktur müsse in derselben Situation wie der Kläger nicht zwingend krank werden. An sich stelle die zwanghafte Persönlichkeitsstruktur des Klägers noch keine krankheitswertige Störung dar. Nur in Belastungssituationen, die Anpassung, Veränderung und dynamische Flexibilität verlangten, würden die vorgenannten Charaktereigenschaften zur Behinderung und erschwerten die Umstellung und Verarbeitung belastender Erlebnisse. Die Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit werde zur Grübelei, die Infragestellung von Werten wie Ordentlichkeit und Redlichkeit löse Affekte (Empörung, Bedrohungsgefühle ) aus, die nicht bewältigt werden könnten und so zu Schlafstörungen, Alpträumen, Unruhe und psychovegetativen Stress-Symptomen führten. Es gebe keine Hinweise darauf, dass ohne die Republikflucht des Sohnes mit den nachfolgenden Belastungen und die Einstellungsablehnung auf Weisung des MfS vergleichbare psychische Störungen aufgetreten wären. Vielmehr belegten alle Angaben und vorliegenden Befunde deutlich, dass erst die Ereignisse nach der Flucht die krankheitswertige Fehlentwicklung des Klägers ausgelöst hätten. So habe der Kläger bis zu den Ereignissen im Jahr 1988 ohne wesentliche Krisen und Erkrankungen erfolgreich gearbeitet, auch wenn es vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstruktur schon vor dieser Zeit zu psychosomatischen Beschwerden gekommen sei. Der eigentliche Bruch in der Lebenskurve mit folgender psychischer Fehlentwicklung sei nach der Flucht des Sohnes am 5. September 1988 erfolgt. Damit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang habe der Kläger eine akute Phase mit akuter Stresssymptomatik (Ängste, Bedrohungsgefühl, Grübeleien und somatoforme Funktionsstörungen des Herzens) durchlebt. Mit der beruflichen Einstellungsablehnung und Degradierung habe sich die durch Bedrohung, Ängstigung, Kränkung, Demütigung und erlebte Ungerechtigkeit ausgelöste Symptomatik allmählich chronifiziert und mit der schweren psychischen Erkrankung im Jahr 2000 ihre Zuspitzung gefunden. Das psychotische Erleben, durch Versprühen eines Insektizides die Umwelt in hohem Maße geschädigt zu haben, sei psychopathologisch als eine Verschiebung einer innerseelisch ungelösten Schuldproblematik auf ein äußeres Ereignis zu verstehen. Der Kläger habe sich nicht verzeihen können, das Vernehmungsprotokoll vom 8. September 1988 mit der gelogenen Erklärung der Bereitschaft, seinen Sohn zur Rückkehr aufzufordern und ihm dabei jegliche Angst vor einer Haftstrafe zu nehmen zu wollen, unterschrieben zu haben. Die durch zwanghaft geprägte Grübeleien und Vorwürfe angestauten Schuldgefühle hätten sich in einem Schuld-Wahn entladen. Für den hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. August 2002 sei Grad der MdE (noch) mit 30 zu beurteilen. Der Sachverständige Dr. L habe zwar überzeugend darstellen können, dass bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen habe, dieser Einschätzung sei zuzustimmen. Seiner Auffassung, dass eine richtungsweisende Verschlechterung einer (vorbestehenden) Gesundheitsstörung durch das schädigende Ereignis nicht nachzuweisen sei, könne jedoch nicht gefolgt werden. Der Sachverständige berücksichtige und würdige nicht angemessen die bei dem Kläger vorhandenen Brückensymptome. Die zeitliche Entwicklung der psychischen Erkrankung des Klägers habe der Sachverständige wie auch die Ärztin S in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2003 weder ätiopathogenetisch noch psychodynamisch begründet und differenziert. So bleibe unbeantwortet, welche konkreten Ursachen die Krankheitsentwicklung des Klägers erklärten.
Zu dem Gutachten hat der Sachverständige Dr. L in seiner vom Sozialgericht veranlassten Stellungnahme vom 14. Februar 2008 ausgeführt: Mit dem Sachverständigen Dr. M stimme er darin überein, dass bei dem Kläger keine Persönlichkeitsstörung vorliege und seiner zwanghaften Persönlichkeitsstruktur an sich kein Krankheitswert beizumessen sei. Ebenso erkenne er das Wesen der zu beurteilenden psychischen Störung in einer psychoreaktiven (neurotischen) Ätiopathogenese. Kritisch zu würdigen sei jedoch die Einschätzung des Sachverständigen, dass sich durch die Ereignisse nach der Flucht eine relevante qualitative Veränderung/Verschlimmerung der psychischen Störung des Klägers ergeben habe. Diese Annahme beruhe auf hypothetischen und nicht zu beweisenden Schlüssen. Es könne zwar zutreffen, dass sich bei dem Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Ereignisse eine akute psychische Symptomatik im Sinne einer Anpassungsstörung entwickelt habe. Eine Dauer der Anpassungsstörung von mehr als sechs Monaten sei jedoch nicht belegt. Für die Zeiten danach fehlten medizinische Dokumentationen über psychische Gesundheitsstörungen. Hinsichtlich der im späteren Verlauf dokumentierten intermittierend auftretenden psychischen Störungen seien nie Bezüge zu den Fluchtumständen des Sohnes hergestellt worden. Darüber hinaus sei die Bewertung der in Landesklinik T behandelten Depression mit psychotischen Symptomen als schädigungsabhängig spekulativ. Derart schwerwiegende Störungen könnten nicht allein als wesentlich psychoreaktiv entstanden beurteilt werden. Insoweit seien auch – noch nicht vollends erforschte – biologische Parameter zu berücksichtigen. Mit der von ihm angenommenen Kausalitätskette übernehme der Sachverständige das Krankheitsverständnis des Klägers, der in einer überwertigen Idee nahezu alle späteren privaten und beruflichen Konflikte auf die Umstände der Flucht seines Sohnes zurückführe. Soweit der Sachverständige von der hypothetischen Möglichkeit spreche, dass bei der unstrittigen Vorschädigung auch andere belastende Lebensereignisse derartige Störungen hätten auslösen können, beschreibe er die reale Situation des Klägers, der schon vor den Ereignissen auf Belastungen gesundheitlich reagiert und dieses auch später auf der Grundlage seiner Persönlichkeitsstruktur getan habe. Damit könne das Vorliegen von Brückensymptomen nicht festgestellt werden.
Hierauf hat der Sachverständige Dr. M auf Veranlassung des Klägers mit seiner Stellungnahme vom 13. März 2008 wie folgt erwidert: Es sei prinzipiell richtig, dass seine Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen den schädigenden Ereignissen und der psychischen Erkrankung des Klägers teilweise auf Hypothesen und nicht beweisbaren Schlüssen beruhe. Solche Hypothesen seien jedoch notwendig, um das zu beurteilende Geschehen annäherungsweise zu verstehen und in seiner Psychodynamik zu deuten, wobei er vorliegend von einer hohen Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs ausgehe. Dass die schädigenden Ereignisse eine wesentliche Rolle bei der Krankheitsentwicklung des Klägers gespielt hätten, sei hinreichend belegt. Soweit der Sachverständige Dr. L zutreffend auf die Externalisierung der Konfliktkonstellation hinweise, diene dieses neurotische Krankheitsverständnis der psychischen Abwehr und Stabilisierung; die Externalisierung sei deshalb als krankheitswertige Verarbeitung belastender Ereignisse zu deuten.
Mit Urteil vom 24. Februar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe zu Recht die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Versorgung nach dem VwRehaG i. V. m. dem BVG abgelehnt und mit dem Bescheid vom 27. Juni 2006 den Bescheid vom 14. Juli 2005 nach § 45 SGB X für die Zukunft zurückgenommen, soweit mit diesem Schädigungsfolgen festgestellt und dem Kläger ein Anspruch auf Heilbehandlung zuerkannt worden seien. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass die von dem Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folge der rechtsstaatswidrigen Verfolgungsmaßnahmen der Mitarbeiter des MfS nach der Republikflucht des Sohnes seien. Das Gericht folge insoweit den detaillierten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. L in seinem Gutachten vom 18. April 2006, mit denen er das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs zwischen psychischer Störung und schädigendem Ereignis überzeugend verneint habe. Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M vom 23. August 2007 sei hingegen nicht zu folgen. Dieser berücksichtige nicht, dass die psychischen Symptome des Klägers bereits vor den schädigenden Ereignissen im Jahr 1988 bestanden hätten. Zum anderen würdige er nur unzureichend den weiteren beruflichen Werdegang des Klägers und die erst in den 90’er Jahren aufgetretene berufliche Überforderungssituation mit anschließender Rentengewährung. Diese Umstände seien jedoch die entscheidenden Faktoren für die eingetretene Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Klägers gewesen. Unbeachtet lasse der Sachverständige auch den fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen den schädigenden Ereignissen im Jahr 1988 und der erstmals im Oktober 1993 dokumentierten psychischen Überlastung.
Gegen das dem Kläger am 16. März 2009 zugestellte Urteil hat dieser am 9. April 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend vorgetragen: Durch die erzwungene Verpflichtungserklärung zur Denunzierung seines Sohnes sei er in einen extremen angstbesetzten Gewissenskonflikt mit Schuldgefühlen geraten. In Verkennung und Verdrängung seines Schuldkomplexes habe er seine Krankheitssymptome auf eine berufliche Überlastung zurückgeführt. Nach der Flucht seines Sohnes sei er intensiv überwacht, verhört und mit überraschenden Besuchen von Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes konfrontiert worden, ferner mit der vollständigen Überwachung der Briefpost und weiteren Überwachungsmaßnahmen. Die Folgen dieser "Zersetzungsmaßnahmen" auf seine Gesundheit seien bisher nicht ausreichend gewürdigt worden. Schädigungsbedingt bestehe bei ihm eine schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten; dies habe auch der Sachverständige Dr. M nicht zutreffend bewertet. Der Sachverständige Dr. L habe nicht berücksichtigt, dass seelische Folgen politischer Repressalien auch mit jahrelanger Latenz auftreten könnten, sodass den so genannten Brückensymptomen zwischen Traumatisierung und Manifestation der Erkrankung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Bedeutung mehr zukomme.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31. Januar 2005 und unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 2006 zu verurteilen, als Schädigungsfolgen im Sinne des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz das Voll- oder Teilbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, vor allem das kardiovaskuläre System betreffend, einer Dysthymie (depressive Neurose) festzustellen und für den Zeitraum ab 1. August 2002 eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 zu gewähren,
hilfsweise ein neurologisch-psychiatrisches – psychosomatisches – Gutachten von der Ärztin R E, Kstraße W, nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes, weiter hilfsweise nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes, einzuholen mit dem Beweisthema: Der Kläger leidet gemäß dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz unter dem Voll- oder Teilbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, vor allem das kardiovaskuläre System betreffend, einer Dysthymie (depressive Neurose) nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt er sich maßgeblich auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils, welches er für zutreffend hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten (2 Bände), der Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bände) und die von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 übersandten Anlagen (1 Beiheft).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand der Berufung ist das Klagebegehren, soweit dieses (noch) darauf gerichtet ist, das Voll- oder Teilbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, vor allem das kardiovaskuläre System betreffend, einer Dysthymie (depressive Neurose) als Schädigungsfolgen festzustellen und dem Kläger für den Zeitraum ab 1. August 2002 eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE/ einem GdS von 50 zu gewähren. Damit richtet sich die Klage gegen den Bescheid vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31. Januar 2005 sowie gegen den Bescheid vom 27. Juni 2006, der nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.
Soweit die Klage ursprünglich auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem höheren Grad der MdE/ GdS von mindestens 30 v. H. und damit (auch) nach einem höheren Grad der MdE/ GdS als 50 v. H. gerichtet war, hat der Kläger die Berufung mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag beschränkt und damit (teilweise) zurückgenommen. Damit ist das angegriffene Urteil des Sozialgerichts in diesem Umfang rechtskräftig geworden.
Die Klage ist nach §§ 54 Abs. 1, Abs. 4, 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage – soweit noch streitgegenständlich – zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 14. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und der Bescheid vom 27. Juni 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Maßnahme nach § 1 VwRehaG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung in entsprechender Anwendung des BVG. Maßnahmen nach § 1 VwRehaG sind hoheitliche Maßnahmen einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalles in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 2. Oktober 1990 (Verwaltungsentscheidung), welche mit tragenden Grundsätzen eines Rechtstaates schlechthin unvereinbar sind und deren Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Ist eine hoheitliche Maßnahme nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, gelten die Vorschriften des VwRehaG entsprechend (§ 1 Abs. 5 VwRehaG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 3 Abs. 5 Satz 1 VwRehaG).
Gemäß § 2 Abs. 1 VwRehaG setzt der Versorgungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG voraus, dass eine Maßnahme nach § 1 VwRehaG aufgehoben oder deren Rechtsstaatswidrigkeit festgestellt worden ist. Diese Entscheidung obliegt der zuständigen Rehabilitierungsbehörde (§ 12 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde sind für die Behörden und Stellen bindend, die über die Folgeansprüche entscheiden (§ 12 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG). Die Rehabilitierungsbehörde trifft insoweit eine abschließende Entscheidung. Dies betrifft insbesondere auch die genaue Bezeichnung der hoheitlichen Maßnahme, die den Anknüpfungspunkt für mögliche Folgeansprüche bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 2003 – 3 C 1/03 –, zitiert nach juris). Die nach dem Bundesversorgungsgesetz erforderlichen Feststellungen treffen die Behörden, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes obliegt (§ 12 Abs. 4 Satz 2 VwRehaG).
Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG sind insoweit erfüllt, als der Kläger Opfer einer Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG geworden ist. Mit der der Rehabilitierungsentscheidung des Ministeriums des Innern vom 5. Juli 2002 hat der Beklagte verbindlich festgestellt, dass die Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter nach bereits erfolgter Zusage auf Weisung des Ministeriums für Staatssicherheit durch das VE K I T Berlin, MfS der ehemaligen DDR, am 4. Oktober 1988 mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und diese Maßnahme für rechtsstaatswidrig erklärt. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers als leitender Mitarbeiter – auch nicht im Zusammenwirken mit weiteren schädigenden Vorgängen im Zusammenhang mit der Republikflucht seines Sohnes – zu einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne einer verbleibenden Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge (vgl. §§ 1 Abs. 1, 30 Abs. 1 BVG) geführt hätte. Insoweit kann offen bleiben, ob bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen schädigendem Ereignis und der festzustellenden Gesundheitsstörung vorliegend nicht nur die gesundheitlichen Auswirkungen der Ablehnung der Einstellung des Klägers als leitender Mitarbeiter zu berücksichtigen sind, sondern auch die gesundheitlichen Auswirkungen der von dem MfS im Zusammenhang mit der Republikflucht ergriffenen weiteren Maßnahmen, die nicht Gegenstand einer Rehabilitierungsentscheidung nach dem VwRehaG geworden sind.
Bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen einem schädigenden Vorgang und einer nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörung sind vorliegend für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. August 2002 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 – AHP 1996 – und nachfolgend – seit Juli 2004 – die "Anhaltpunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 2008 – AHP 2008) zu beachten, die für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 – auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 BVG hinsichtlich der ärztlichen Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht – durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) in ihrer jeweils geltenden Fassung abgelöst worden sind. Die auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft fußenden AHP haben normähnlichen Charakter und sind nach ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen, um eine möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 12. Juni 2003 – B 9 VG 1/02 R –, BSGE 91, 107), weshalb sich der Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 auf die genannten AHP stützt. Für die Zeit ab 1. Januar 2009 ist für die Verwaltung und die Gerichte die Anlage zu § 2 VersMedV maßgeblich, wobei allerdings die Nr. 53 bis Nr. 143 der AHP 2008 für die Kausalitätsbeurteilung im Sozialen Entschädigungsrecht weiterhin zu beachten sind (vgl. Begründung zur VersMedV, Bundesrats-Drucksache 767/08, S. 4).
Danach genügt versorgungsrechtlich für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann als (Mit-)Ursachen zu werten, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache des Versorgungsrechts (vgl. AHP 2008, Nr. 36 Abs. 2, S. 148, Anlage zu § 2 VersMedV, Teil C Nr. 1 b), S. 104). Die angemessene zeitliche Verbindung zwischen schädigendem Vorgang und Gesundheitsstörung ist in der Regel eine Voraussetzung für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. AHP 2008 Nr. 38 Abs. 3, S. 150, Anlage zu § 2 VersMedV Teil C Nr. 3 c), S. 105 f.).
Bei der Beurteilung von durch psychische Traumen bedingten Störungen ist zu berücksichtigen, dass psychische Traumen sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen in Betracht kommen, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfangs der Belastungen ist also nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben. Die Störungen sind nach ihrer Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer verschieden: Sie können kurzfristigen reaktiven Störungen mit krankheitswertigen (häufig depressiven) Beschwerden entsprechen; bei einer Dauer von mehreren Monaten bis zu ein bis zwei Jahren sind sie in der Regel durch typische Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein; sie treten gelegentlich auch nach einer Latenzzeit auf. Anhaltend kann sich eine Chronifizierung der vorgenannten Störungen oder eine Persönlichkeitsänderung mit Misstrauen, Rückzug, Motivationsverlust, Gefühl der Leere und Entfremdung ergeben. Anhaltende Störungen setzen tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und in der Regel langdauernde Belastungen voraus (AHP 2008, Nr. 71 Abs. 1, S. 205). Bei länger anhaltenden Störungen und chronisch verlaufenden (auch "neurotisch" genannten) Entwicklungen ist zu prüfen, ob die Schädigungsfaktoren fortwirken oder schädigungsunabhängige Faktoren für die Chronifizierung verantwortlich sind (AHP 2008, Nr. 71 Abs. 2, S. 205).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann nicht festgestellt werden, dass die von dem Kläger geltend gemachten Schädigungsfolgen ursächlich auf eine gesundheitliche Schädigung zurückzuführen sind, was sich für den Senat insbesondere aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L ergibt. Nach diesem Gutachten, das auf einer eingehenden Untersuchung des Klägers insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet sowie einer umfassenden Auswertung der vorhandenen medizinischen Unterlagen beruht und überzeugend begründet worden ist, hat die von dem Kläger erfahrene Behandlung durch Mitarbeiter des MfS nicht wesentlich zur Entstehung bzw. Verschlimmerung seiner psychischen Störungen beigetragen. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit den insoweit präziseren Formulierungen des Sachverständigen Dr. M die in der Sache keine wesentliche Abweichung gegenüber den vom Sachverständigen Dr. L getroffenen Feststellungen bedeuten, davon aus, dass bei dem Kläger folgende psychische Störungen vorliegen:
- eine nichtorganische Insomnie (Schlafstörung) - Alpträume - somatoforme autonome Funktionsstörungen, vor allem das kardiovasculäre System betreffend auf der Grundlage einer - Dysthymia (depressive Neurose) - bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L sind diese Gesundheitsstörungen in ihrer Entstehung und Entwicklung maßgeblich vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu sehen und nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die von dem Kläger erlebten Ereignisse in Folge der Republikflucht seines Sohnes zurückzuführen. Dagegen spricht zunächst, wie der Sachverständige insbesondere anhand der Krankenunterlagen des Aztes herausgearbeitet hat, dass bei dem Kläger schon Jahre vor dem schädigenden Ereignis psychische Gesundheitsstörungen ähnlichen Charakters bestanden, die jeweils auf aktuelle Belastungssituationen zurückzuführen waren. So haben die zwanghaft narzisstischen Wesenszüge in Verbindung mit situativ verstärkten depressiv-resignierenden Wahrnehmungen und Überzeugungen bei dem Kläger in der Gesamtschau immer wieder, wesentlich befördert durch jeweils aktuelle Belastungssituationen, Ängste, depressive Gestimmtheiten und psychosomatische Störungen ausgelöst. So traten auch die für die Zeit ab 1993 ärztlich dokumentierten psychischen Störungen des Klägers, die erstmals im Jahr 1996 mit Suizidgedanken, Schlafstörungen und Depressionen kulminierten und ihre Zuspitzung in der schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen fanden, jeweils in Abhängigkeit von bestimmten belastenden Situationen auf und zeigten die von dem Sachverständigen benannten Symptome. Die von dem Kläger gezeigte Reaktion auf die Flucht seines Sohnes und die daran anknüpfenden Repressalien des MfS, fügte sich damit nach ihrem Charakter in ein vorbestehendes Muster ein.
Danach kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die Ereignisse nach der Flucht des Sohnes am 5. September 1988 zu einer wesentlichen Verschlimmerung des klägerischen Leidens geführt hätte. Wie der Sachverständige Dr. L dargelegt und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Februar 2008 bekräftigt hat, fehlt es insoweit an Brückensymptomen, um einen solchen Ursachenzusammenhangs zu begründen. Zunächst ist nichts dafür ersichtlich, dass bei dem Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Flucht seines Sohnes und den sich daran anschließenden Ereignissen eine mehr als sechs Monate andauernde psychische Symptomatik aufgetreten war. Auch finden sich keine Anhaltpunkte dafür, dass es in dem Folgezeitraum bis 1993 zu einer relevanten psychischen Symptomatik gekommen war. Zudem finden sich, wie der Sachverständige unter Bezugnahme auf die ärztlichen Entlassungsberichte der Landesklinik T vom 1. September 2000 und der BK S vom 15. März 2001 sowie auf das Gutachten des Arztes Dr. H vom 20. Oktober 2001 herausgestellt hat, hinsichtlich der im späteren Verlauf dokumentierten intermittierend auftretenden psychischen Störungen keine Bezüge zu den Ereignissen im Zusammenhang mit der Flucht seines Sohnes. Vielmehr spielten bei den zeitweilig auftretenden Störungen Gefühle einer eingeschränkten Zukunft verbunden mit Zukunftsängsten eine zentrale Rolle. Auch die wiederholt bei dem Kläger aufgetretenen Alpträume thematisierten vorrangig Zukunftsängste. Dies spricht dafür, dass maßgeblich für die weitere Krankheitsentwicklung des Klägers war, dass der Kläger (auch) nach der politischen Wende trotz seiner bis zur Erschöpfung gehenden Anstrengungen kein seiner Qualifikation entsprechendes und entlohntes Anstellungsverhältnis erreichen konnte und in diesem Zusammenhang wiederholt Zurücksetzung bzw. Kränkung erlebte.
Hiervon ausgehend ist dem Sachverständigen Dr. L schließlich in seiner Einschätzung zu folgen, dass die Auseinandersetzung des Klägers mit den Ereignissen der Flucht seines Sohnes das Ausmaß einer überwertigen Idee in dem Sinne angenommen hat, dass er sich durch ein repressives politisches System, welches ihm Unrecht zugefügt hat, um seine berechtigten Lebenschancen gebracht sieht. Wie der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2008 ausgeführt hat, resultiert diese Idee aus einem neurotischen Krankheitsverständnis, welches beinhaltet, die wesentliche Verantwortung für die Entstehung seiner Störungen an Dritte zu delegieren. Diese maßgeblich auf der Persönlichkeitsstruktur des Klägers fussende Fehleinstellung besteht unabhängig von dem ihm im Jahr 1988 widerfahrenen Unrecht und führt letztlich dazu, dass der Kläger alle späteren privaten und beruflichen Konflikte retrospektiv auf die Umstände der Flucht seines Sohnes zurückführt.
Danach ist den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M insoweit nicht zu folgen, als er einen Ursachenzusammenhang zwischen den Ereignissen im Jahr 1988 und den psychischen Störungen des Klägers in seiner aktuellen Ausprägung mit hoher Wahrscheinlichkeit als gegeben ansieht. Seine Einschätzung, dass die Ereignisse nach der Flucht den eigentlichen Bruch in der Lebenskurve des Klägers mit sich darin anschließender psychischer Fehlentwicklung ausgelöst hätten, lässt sich aus der Gesamtheit der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht hinreichend nachvollziehen. Die Angaben des Klägers zu den von ihm erlebten Belastungen und deren Auswirkungen auf seine psychische Gesundheit, denen persönlichkeitsbedingt ohnehin nur eine bedingte Aussagekraft beizumessen ist, reichen insoweit nicht aus, um eine solche Annahme zu stützen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anerkennung anhaltender Störungen als Schädigungsfolge tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und in der Regel langdauernde Belastungen voraussetzt. Solchen Belastungen war der Kläger zweifellos nicht ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund mag es unter Würdigung der individuell verringerten Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit des Klägers zwar nicht auszuschließen sein, dass die von ihm erlebten Belastungen Ursache für die erst Jahre später aufgetretenen depressiven Störungen waren; überwiegend wahrscheinlich ist dies jedoch – wie bereits oben dargelegt – nicht.
Danach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte mit dem Bescheid vom 27. Juni 2006 den Bescheid vom 14. Juli 2005 nach § 45 SGB X für die Zukunft zurückgenommen hat, soweit mit diesem Schädigungsfolgen festgestellt und dem Kläger ein Anspruch auf Heilbehandlung zuerkannt wurde. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Eine weitere Sachaufklärung war nicht erforderlich. Insbesondere musste der Senat den nach § 106 SGG und § 109 SGG gestellten Beweisanträgen nicht folgen. Dem auf § 106 SGG gestützten Antrag war nicht zu entsprechen, weil der Kläger keine Umstände vorgetragen hat, die angesichts der bereits umfassend durchgeführten Beweisaufnahme die Einholung eines weiteren Gutachtens rechtfertigten. Eine weitere Beweiserhebung "ins Blaue" ist nicht geboten; ein Anspruch auf Einholung eines so genannten Obergutachtens steht dem Kläger nicht zu (vgl. BSG, Beschluss vom 17. November 2003 – B 3 P 23/03 B –, zitiert nach juris). Nach dem Vorstehenden konnte auch der Antrag nach § 109 SGG ohne Erfolg bleiben, weil bei unverändertem Sachverhalt kein neues Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden muss (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Mai 1958 – 10 RV 813/56 –, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Februar 2006 – L 1 U 2572/05 –, jeweils zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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