Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 15 P 207/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 (6) P 108/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 10/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungsansprüche aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II bei vollstationärer Pflege ab dem 01.03.2006.
Die 1923 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet insbesondere an einer mittelgradigen Demenz mit halluzinatorischer Symptomatik. Zudem ist ihre Sehkraft stark eingeschränkt. Sie lebt seit 2006 im Pflegeheim N, Ev Seniorenzentrum F. Die Beklagte gewährt Sachleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I, nachdem eine Begutachtung der Klägerin durch den MdK Nordrhein ergab, dass bei ihr unter Zugrundelegung der pflegebegründenden Diagnose "dementielle Entwicklung mit eingeschränkter Alltagskompetenz" ein Grundpflegebedarf von 67 Minuten pro Tag (Körperpflege 37 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 26 Minuten) - Feststellungen des Gutachtens von Dr. X vom 09.02.2006 - bestehe.
Einen Höherstufungsantrag vom 01.03.2006 lehnte die Beklagte nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 09.06.2006 (Pflegefachkraft S) ab, nachdem die Sachverständige aufgrund der bekannten pflegebegründenden Diagnose sowie eines Glaukoms beidseits mit erheblicher Sehschwäche einen Grundpflegebedarf von 60 Minuten pro Tag (Körperpflegebedarf 33, Ernährung 6, Mobilität 27 Minuten) annahm - Bescheid vom 16.06.2006 -.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei wegen der bei ihr vorliegenden Demenz, die zu einem erheblichen Anleitungs- und Hilfebedarf führe, nicht nachzuvollzlehen, dass die Zeitwerte des MDK-Gutachtens weit unter den Korridoren einer Vollübernahme lägen. Angemessen sei vielmehr ein Zeitaufwand im Grundpflegebereich von 186 Minuten täglich.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch die Pflegefachkraft L untersuchen, die im Gutachten vom 24.08.2006 u.a. ausführte, vom Pflegepersonal des Heims würden starke Umsetzungsstörungen beschrieben, die bei der Begutachtung nicht hätten eruiert werden können. Es sei nicht auszuschließen, dass diese phasenweise auftreten. Die Sachverständige hat einen Grundpflegebedarf von 85 Minuten täglich (Körperpflege 43, Ernährung 16, Mobilität 26 Minuten) angenommen. Gestützt auf diese Feststellungen wies die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2006 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.10.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben, zu deren Begründung sie im wesentlichen ausgeführt hat, ihr Hilfebedarf sei wesentlich höher.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2006 zu verurteilen, ihr ab dem 01.03.2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und sodann über den Gesundheitszustand sowie den Pflegebedarf der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens sowie einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin I, die einen Grundpflegebedarf von insgesamt 100 Minuten täglich im Wochendurchschnitt festgestellt hat. Hierbei hat die Sachverständige im Bereich der Körperpflege einen Bedarf von 55 Minuten täglich, im Bereich der Ernährung von 24 Minuten und im Bereich der Mobilität von 30 Minuten angenommen. Im Bereich Mobilität wird bzgl. der Verrichtung "Gehen" ein Hilfebedarf von 13 Minuten täglich zugrundegelegt, der sich aus 25 - 27 Mal täglich zurückzulegenden Wegstrecken, insbesondere zur Toilette und retour, zusammensetzt. Insoweit hat die Sachverständige ausgeführt, der Klägerin müsse verrichtungsbezogen eine orientierungsgebende Begleitung auf allen Wegen durch die Hilfsperson gegeben werden, denn die Klägerin finde sich ohne diese Hilfe nicht zurecht und habe Probleme beispielsweise ihr Zimmer oder die Toilette zu finden. Da nach den Begutachtungsrichtlinien bei Begutachtungen von Menschen, die in einer vollstationären Pflegeeinrichtung lebten, von einer durchschnittlichen häuslichen Wohnsituation mit einer Wegstrecke von 8 m als Maß für die Gehstrecke ausgegangen werden müsse, sei unter Berücksichtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin ein Zeitaufwand von einer halben Minute pro Weg anzunehmen.
Das SG hat mit Urteil vom 20.11.2007 die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab dem 01.03.2006 Leistungen nach derPflegestufe II zu gewähren:
Bei der Klägerin bestehe unter Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 122 Minuten täglich, so dass Schwerpflegebedürftigkeit vorliege. Die gerichtliche Sachverständige habe einen Hilfebedarf in der Grundpflege von insgesamt 109 Minuten täglich seitdem 01.03.2006 ermittelt. Diesen Feststellungen sei im Wesentlichen zu folgen. Für die Verrichtungen des Aufstehens und Zubettgehens sowie des Gehens seien jedoch höhere Zeitwerte anzunehmen, denn die Sachverständige habe insoweit den Hilfebedarf nicht richtlinienkonform berechnet. Sie habe bei der Ermittlung der Zeitwerte für die Durchführung der Verrichtung jeweils )2 Minute pro Einzelverrichtung zugrundegelegt. Dies entspreche nicht den Maßgaben der "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches" (Richtlinien), wonach der Wert bei den Verrichtungen mit mindestens 1 Minute zu berücksichtigen sei. Damit seien für das Aufstehen und Zubettgehen eine weitere Minute und für das Gehen 13 weitere Minuten zu berücksichtigen, so dass sich der Hilfebedarf in der Grundpflege von 109 auf 123 Minuten erhöhe.
Diese Entscheidung greift die Beklagte fristgerecht mit der Berufung an. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die vom SG angenommene Vorgabe der Richtlinien sei diesen so nicht zu entnehmen. Diese meinten mit der Vorgabe, wonach für jede Verrichtung der Hilfebedarf stets in vollen Minutenwerten anzugeben sei, eindeutig den pro Tag anfallenden Hilfebedarf, nicht die jeweilige "Einzelverrichtung". Eine andere Sichtweise würde die Definition unterschiedlicher Hilfeformen (Teilübernahme, Vollübernahme, etc.) obsolet machen. Zudem sei bzgl. der Verrichtung des Gehens kein Zeitorientierungswert vorgegeben, sodass für diese Verrichtung auch kein Mindestwert von 1 Minute existiere.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteils jedenfalls im Ergebnis für zutreffend. Die Richtlinien seien so auszulegen, wie das SG dies getan habe. Hierfür spreche auch, dass der Richtliniengeber im Bereich der Mobilität beispielsweise für die Verrichtung des Stehens (Transfer) vorgegeben habe, dass jeder Transfer einzeln zu berücksichtigen und mit mindestens 1 Minute anzunehmen sei. Bei der Klägerin bestehe im Bereich der Grundpflege zumindest der vom SG angenommene Hilfebedarf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Sachleistungen der Pflegestufe II in vollstationären Einrichtungen gemäß § 43 des XI. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Hiernach besteht der geltend gemachte Sachleistungsanspruch, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des einzelnen Falles nicht In Betracht kommt und Pflegebedürftigkeit nach der Stufe II besteht. Die Beklagte hat bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.04.2006 festgestellt, dass die Klägerin pflegebedürftig im Sinne der einschlägigen Vorschrift des § 14 SGB XI ist, wonach pflegebedürftig im Sinne dieses Buches Personen sind, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen (Abs. 1 der Vorschrift).
Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, welcher Pflegestufe im Sinne des § 15 SGB XI die Klägerin zuzuordnen ist. Diese ist nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht der Pflegestufe II, sondern nur der Pflegestufe I zuzuordnen.
Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftige Personen (§ 14) für die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) zuzuordnen, wenn die pflegebedürftige Person bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind die pflegebedürftigen Personen zuzuordnen, wenn sie bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. § 15 Abs. 3 S. 1 SGB XI bestimmt, dass der Zeltaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen muss, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen und in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen muss, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Die Klägerin bedarf zwar der Hilfe in dem vom Gesetz genannten Umfang im Bereich der Grundpflege mit einem Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten wöchentlich im Tagesdurchschnitt. Ihr Hilfebedarf ist jedoch noch nicht so hoch, dass er im Bereich der Grundpflege mindestens 2 Stunden wöchentlich im Tagesdurchschnitt beträgt. Dies folgt insbesondere aus dem Ergebnis der im Klageverfahren durchgeführten Beweiserhebung und wird bestätigt durch die im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erfolgten Feststellungen des MDK Nordrhein. Die vom SG gehörte Sachverständige I hat schlüssig und wiederspruchsfrei dargelegt, dass der Grundpflegebedarf der Klägerin nicht mindestens 2 Stunden täglich beträgt. Gegen diese Feststellungen sind im Tatsächlichen auch keine begründeten Einwendungen erhoben worden. Der Senat legt die Feststellungen der Sachverständigen seiner Entscheidung zugrunde.
Entgegen der Meinung der Vorinstanz sowie der Klägerin hat die Sachverständige den Hilfebedarf der Klägerin auch im Bereich der Mobilität richtlinienkonform berechnet. Der Senat deutet die Vorgabe des Richtliniengebers entsprechend der Auslegung der Beklagten, die im Übrigen der bisherigen ständigen Handhabung des MDK Nordrhein entspricht. Hiernach kommt es für die Vorgabe des vollen Minutenwerts nur auf die gemäß § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen und nicht auf irgendwelche Einzelverrichtungen bzw. Einzeltätigkeiten an. Damit ist es nach den Richtlinien nur nicht erlaubt, für die Verrichtung beispielsweise des Gehens Minutenwerte von etwa 30,5 oder 2,8 anzunehmen. Diese Vorgabe hat die Sachverständige beachtet.
Welcher Zeitrahmen im Normalfall für die der Grundpflege zuzuordnenden Verrichtungen zugrunde zu legen sind, hat der Gesetzgeber nicht selbst definiert, sondern dies den - hier streitigen - Richtlinien überlassen. Diese werden zur näheren Abgrenzung der in § 14 SGB XI genannten Merkmale der Pflegebedürftigkeit der Pflegestufen nach § 15 SGB XI und zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB XI von den Spitzenverbänden der Pflegekassen gemeinsam und einheitlich unter Beteiligung des medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen beschlossen. Diese haben zum 21.03.1997 entsprechende Begutachtungsrichtlinien geschaffen und zuletzt in der vorliegenden Fassung vom 11.05.2006 ergänzt. Bzgl. der Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB XI genannten Verrichtungen der Grundpflege sind in den Richtlinien unter Punkt F Orientierungswerte festgelegt. Diese bestimmen zwar, worauf die Klägerin und das SG zu Recht hingewiesen haben, dass der Hilfebedarf für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minuten anzugeben ist. Diese Vorgabe der Richtlinien bedeutet jedoch nicht, dass für jeden einzelnen Weg, welchen die Klägerin nach den Ausführungen der Sachverständigen I täglich zurücklegen muss, ein Zeitwert von mindestens 1 Minute anzunehmen ist. Vorgegeben ist lediglich, dass für jede Verrichtung ein voller Minutenwert anzugeben ist.
Verrichtung im Sinne der Richtlinien ist nicht die Einzeltätigkeit, hier der einzelne von der Pflegebedürftigen zurückzulegende Weg. Das SG setzt den Begriff der Verrichtung mit dem einzelnen jeweils vom Pflegebedürftigen zugrunde zu legenden Weg gleich, indem es den missverständlichen Begriff der "Einzelverrichtung" zugrundegelegt. Die vom Pflegebedürftigen im Einzelnen zurückzulegenden Wege sind jedoch gerade keine Verrichtungen, auch keine "Einzelverrichtungen" im Sinne des Gesetzes und auch der Richtlinien, sondern vielmehr Einzeltätigkeiten.
Was Verrichtung ist, wird durch die vorrangige gesetzliche Vorschrift des § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend bestimmt. Hiernach sind gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Etwas anderes wird auch nicht durch die Richtlinien bestimmt. Berücksichtigt man, dass nach § 15 Abs. 3 SGB XI der Zeitaufwand, der für die erforderlichen Leistungen benötigt wird, wöchentlich im Tagesdurchschnitt berechnet werden muss, so bedeutet die Vorgabe der Richtlinien, dass der Hilfebedarf für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben ist, zur Überzeugung des Senats nur, dass ein bei der vorzunehmenden Tagesdurchschnittsbemessung evtl. rechnerisch ermittelter Wert, der sich nicht in vollen Minuten ausdrückt (beispielsweise 10 Minuten 23 Sekunden), als voller Minutenwert (im Beispielsfall 10 Minuten) anzugeben ist. Die Vorgabe der vollen Minutenwerte bedeutet somit nicht primär, dass keine Minutenwerte unter 1 Minute anzugeben sind, sondern vielmehr, dass keine Sekundenwerte anzugeben sind.
Allerdings ließe die Vorgabe der Richtlinien bzgl. der Angabe von vollen Minutenwerten für jede Verrichtung der Grundpflege auch die Deutung zu, dass der Richtliniengeber Verrichtungen, die nicht eine volle Minute in Anspruch nehmen, überhaupt nicht berücksichtigt haben wollte. Dies möglicherweise deshalb, weil die hierfür benötigte Zeit der Hilfeleistung so gering ist, dass sie die Pflegestufe nicht bestimmen soll. Dieser Auslegung folgt der Senat jedoch nicht, da dann im Tagesverlauf sehr häufig auftretende, aber jeweils nur sehr kurz andauernde Hilfestellungen bei den Verrichtungen der Grundpflege überhaupt keine Berücksichtigung finden würden.
Maßgebende Verrichtung für die von der Klägerin vorliegend täglich zurückzulegenden Wege ist das Gehen. Für die Verrichtung des Gehens hat die Sachverständige entsprechend Punkt F der Richtlinien und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften einen vollen Minutenwert von 13 Minuten täglich im Wochendurchschnitt angenommen.
Sie hat für die Verrichtung des Gehens auch die weiteren Vorgaben der Richtlinien beachtet. Punkt F Ziffer 4.3 Nr. 12 der Richtlinien bestimmt zur Verrichtung Gehen folgendes: "Die Vorgabe von orientierenden Zeitwerten ist aufgrund der unterschiedlichen Wegstrecken, die seitens des Antragstellers im Rahmen der gesetzlich definierten Verrichtungen zu bewältigen sind, nicht möglich." Damit ist insbesondere für die Verrichtung des Gehens vom Richtliniengeber keinerlei Vorgabe bzgl. der zugrunde zu legenden Minuten für die einzelnen Tätigkeiten vorgegeben. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass unter Punkt F Ziffer 4.3 Nr. 13 zur Verrichtung Stehen vorgegeben ist, dass jeder Transfer einzeln zu berücksichtigen und mit 1 Minute zu bewerten ist, so ist gerade hieraus im Umkehrschluss für die Verrichtung des Gehens anzunehmen, dass es eine entsprechende Vorgabe des Richtliniengebers für diese Verrichtung nicht gibt. Hätte der Richtliniengeber die Zugrundelegung eines Zeitwertes von einer Minute für jeden einzelnen Weg vorgeben wollen, so hätte er dies unter Nr. 12 ausdrücklich tun müssen, was nicht geschehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungsansprüche aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II bei vollstationärer Pflege ab dem 01.03.2006.
Die 1923 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet insbesondere an einer mittelgradigen Demenz mit halluzinatorischer Symptomatik. Zudem ist ihre Sehkraft stark eingeschränkt. Sie lebt seit 2006 im Pflegeheim N, Ev Seniorenzentrum F. Die Beklagte gewährt Sachleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I, nachdem eine Begutachtung der Klägerin durch den MdK Nordrhein ergab, dass bei ihr unter Zugrundelegung der pflegebegründenden Diagnose "dementielle Entwicklung mit eingeschränkter Alltagskompetenz" ein Grundpflegebedarf von 67 Minuten pro Tag (Körperpflege 37 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 26 Minuten) - Feststellungen des Gutachtens von Dr. X vom 09.02.2006 - bestehe.
Einen Höherstufungsantrag vom 01.03.2006 lehnte die Beklagte nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 09.06.2006 (Pflegefachkraft S) ab, nachdem die Sachverständige aufgrund der bekannten pflegebegründenden Diagnose sowie eines Glaukoms beidseits mit erheblicher Sehschwäche einen Grundpflegebedarf von 60 Minuten pro Tag (Körperpflegebedarf 33, Ernährung 6, Mobilität 27 Minuten) annahm - Bescheid vom 16.06.2006 -.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei wegen der bei ihr vorliegenden Demenz, die zu einem erheblichen Anleitungs- und Hilfebedarf führe, nicht nachzuvollzlehen, dass die Zeitwerte des MDK-Gutachtens weit unter den Korridoren einer Vollübernahme lägen. Angemessen sei vielmehr ein Zeitaufwand im Grundpflegebereich von 186 Minuten täglich.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch die Pflegefachkraft L untersuchen, die im Gutachten vom 24.08.2006 u.a. ausführte, vom Pflegepersonal des Heims würden starke Umsetzungsstörungen beschrieben, die bei der Begutachtung nicht hätten eruiert werden können. Es sei nicht auszuschließen, dass diese phasenweise auftreten. Die Sachverständige hat einen Grundpflegebedarf von 85 Minuten täglich (Körperpflege 43, Ernährung 16, Mobilität 26 Minuten) angenommen. Gestützt auf diese Feststellungen wies die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2006 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.10.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben, zu deren Begründung sie im wesentlichen ausgeführt hat, ihr Hilfebedarf sei wesentlich höher.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2006 zu verurteilen, ihr ab dem 01.03.2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und sodann über den Gesundheitszustand sowie den Pflegebedarf der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens sowie einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin I, die einen Grundpflegebedarf von insgesamt 100 Minuten täglich im Wochendurchschnitt festgestellt hat. Hierbei hat die Sachverständige im Bereich der Körperpflege einen Bedarf von 55 Minuten täglich, im Bereich der Ernährung von 24 Minuten und im Bereich der Mobilität von 30 Minuten angenommen. Im Bereich Mobilität wird bzgl. der Verrichtung "Gehen" ein Hilfebedarf von 13 Minuten täglich zugrundegelegt, der sich aus 25 - 27 Mal täglich zurückzulegenden Wegstrecken, insbesondere zur Toilette und retour, zusammensetzt. Insoweit hat die Sachverständige ausgeführt, der Klägerin müsse verrichtungsbezogen eine orientierungsgebende Begleitung auf allen Wegen durch die Hilfsperson gegeben werden, denn die Klägerin finde sich ohne diese Hilfe nicht zurecht und habe Probleme beispielsweise ihr Zimmer oder die Toilette zu finden. Da nach den Begutachtungsrichtlinien bei Begutachtungen von Menschen, die in einer vollstationären Pflegeeinrichtung lebten, von einer durchschnittlichen häuslichen Wohnsituation mit einer Wegstrecke von 8 m als Maß für die Gehstrecke ausgegangen werden müsse, sei unter Berücksichtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin ein Zeitaufwand von einer halben Minute pro Weg anzunehmen.
Das SG hat mit Urteil vom 20.11.2007 die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab dem 01.03.2006 Leistungen nach derPflegestufe II zu gewähren:
Bei der Klägerin bestehe unter Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 122 Minuten täglich, so dass Schwerpflegebedürftigkeit vorliege. Die gerichtliche Sachverständige habe einen Hilfebedarf in der Grundpflege von insgesamt 109 Minuten täglich seitdem 01.03.2006 ermittelt. Diesen Feststellungen sei im Wesentlichen zu folgen. Für die Verrichtungen des Aufstehens und Zubettgehens sowie des Gehens seien jedoch höhere Zeitwerte anzunehmen, denn die Sachverständige habe insoweit den Hilfebedarf nicht richtlinienkonform berechnet. Sie habe bei der Ermittlung der Zeitwerte für die Durchführung der Verrichtung jeweils )2 Minute pro Einzelverrichtung zugrundegelegt. Dies entspreche nicht den Maßgaben der "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches" (Richtlinien), wonach der Wert bei den Verrichtungen mit mindestens 1 Minute zu berücksichtigen sei. Damit seien für das Aufstehen und Zubettgehen eine weitere Minute und für das Gehen 13 weitere Minuten zu berücksichtigen, so dass sich der Hilfebedarf in der Grundpflege von 109 auf 123 Minuten erhöhe.
Diese Entscheidung greift die Beklagte fristgerecht mit der Berufung an. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die vom SG angenommene Vorgabe der Richtlinien sei diesen so nicht zu entnehmen. Diese meinten mit der Vorgabe, wonach für jede Verrichtung der Hilfebedarf stets in vollen Minutenwerten anzugeben sei, eindeutig den pro Tag anfallenden Hilfebedarf, nicht die jeweilige "Einzelverrichtung". Eine andere Sichtweise würde die Definition unterschiedlicher Hilfeformen (Teilübernahme, Vollübernahme, etc.) obsolet machen. Zudem sei bzgl. der Verrichtung des Gehens kein Zeitorientierungswert vorgegeben, sodass für diese Verrichtung auch kein Mindestwert von 1 Minute existiere.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteils jedenfalls im Ergebnis für zutreffend. Die Richtlinien seien so auszulegen, wie das SG dies getan habe. Hierfür spreche auch, dass der Richtliniengeber im Bereich der Mobilität beispielsweise für die Verrichtung des Stehens (Transfer) vorgegeben habe, dass jeder Transfer einzeln zu berücksichtigen und mit mindestens 1 Minute anzunehmen sei. Bei der Klägerin bestehe im Bereich der Grundpflege zumindest der vom SG angenommene Hilfebedarf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Sachleistungen der Pflegestufe II in vollstationären Einrichtungen gemäß § 43 des XI. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Hiernach besteht der geltend gemachte Sachleistungsanspruch, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des einzelnen Falles nicht In Betracht kommt und Pflegebedürftigkeit nach der Stufe II besteht. Die Beklagte hat bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.04.2006 festgestellt, dass die Klägerin pflegebedürftig im Sinne der einschlägigen Vorschrift des § 14 SGB XI ist, wonach pflegebedürftig im Sinne dieses Buches Personen sind, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen (Abs. 1 der Vorschrift).
Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, welcher Pflegestufe im Sinne des § 15 SGB XI die Klägerin zuzuordnen ist. Diese ist nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht der Pflegestufe II, sondern nur der Pflegestufe I zuzuordnen.
Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftige Personen (§ 14) für die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) zuzuordnen, wenn die pflegebedürftige Person bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind die pflegebedürftigen Personen zuzuordnen, wenn sie bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. § 15 Abs. 3 S. 1 SGB XI bestimmt, dass der Zeltaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen muss, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen und in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen muss, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Die Klägerin bedarf zwar der Hilfe in dem vom Gesetz genannten Umfang im Bereich der Grundpflege mit einem Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten wöchentlich im Tagesdurchschnitt. Ihr Hilfebedarf ist jedoch noch nicht so hoch, dass er im Bereich der Grundpflege mindestens 2 Stunden wöchentlich im Tagesdurchschnitt beträgt. Dies folgt insbesondere aus dem Ergebnis der im Klageverfahren durchgeführten Beweiserhebung und wird bestätigt durch die im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erfolgten Feststellungen des MDK Nordrhein. Die vom SG gehörte Sachverständige I hat schlüssig und wiederspruchsfrei dargelegt, dass der Grundpflegebedarf der Klägerin nicht mindestens 2 Stunden täglich beträgt. Gegen diese Feststellungen sind im Tatsächlichen auch keine begründeten Einwendungen erhoben worden. Der Senat legt die Feststellungen der Sachverständigen seiner Entscheidung zugrunde.
Entgegen der Meinung der Vorinstanz sowie der Klägerin hat die Sachverständige den Hilfebedarf der Klägerin auch im Bereich der Mobilität richtlinienkonform berechnet. Der Senat deutet die Vorgabe des Richtliniengebers entsprechend der Auslegung der Beklagten, die im Übrigen der bisherigen ständigen Handhabung des MDK Nordrhein entspricht. Hiernach kommt es für die Vorgabe des vollen Minutenwerts nur auf die gemäß § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen und nicht auf irgendwelche Einzelverrichtungen bzw. Einzeltätigkeiten an. Damit ist es nach den Richtlinien nur nicht erlaubt, für die Verrichtung beispielsweise des Gehens Minutenwerte von etwa 30,5 oder 2,8 anzunehmen. Diese Vorgabe hat die Sachverständige beachtet.
Welcher Zeitrahmen im Normalfall für die der Grundpflege zuzuordnenden Verrichtungen zugrunde zu legen sind, hat der Gesetzgeber nicht selbst definiert, sondern dies den - hier streitigen - Richtlinien überlassen. Diese werden zur näheren Abgrenzung der in § 14 SGB XI genannten Merkmale der Pflegebedürftigkeit der Pflegestufen nach § 15 SGB XI und zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB XI von den Spitzenverbänden der Pflegekassen gemeinsam und einheitlich unter Beteiligung des medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen beschlossen. Diese haben zum 21.03.1997 entsprechende Begutachtungsrichtlinien geschaffen und zuletzt in der vorliegenden Fassung vom 11.05.2006 ergänzt. Bzgl. der Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB XI genannten Verrichtungen der Grundpflege sind in den Richtlinien unter Punkt F Orientierungswerte festgelegt. Diese bestimmen zwar, worauf die Klägerin und das SG zu Recht hingewiesen haben, dass der Hilfebedarf für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minuten anzugeben ist. Diese Vorgabe der Richtlinien bedeutet jedoch nicht, dass für jeden einzelnen Weg, welchen die Klägerin nach den Ausführungen der Sachverständigen I täglich zurücklegen muss, ein Zeitwert von mindestens 1 Minute anzunehmen ist. Vorgegeben ist lediglich, dass für jede Verrichtung ein voller Minutenwert anzugeben ist.
Verrichtung im Sinne der Richtlinien ist nicht die Einzeltätigkeit, hier der einzelne von der Pflegebedürftigen zurückzulegende Weg. Das SG setzt den Begriff der Verrichtung mit dem einzelnen jeweils vom Pflegebedürftigen zugrunde zu legenden Weg gleich, indem es den missverständlichen Begriff der "Einzelverrichtung" zugrundegelegt. Die vom Pflegebedürftigen im Einzelnen zurückzulegenden Wege sind jedoch gerade keine Verrichtungen, auch keine "Einzelverrichtungen" im Sinne des Gesetzes und auch der Richtlinien, sondern vielmehr Einzeltätigkeiten.
Was Verrichtung ist, wird durch die vorrangige gesetzliche Vorschrift des § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend bestimmt. Hiernach sind gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Etwas anderes wird auch nicht durch die Richtlinien bestimmt. Berücksichtigt man, dass nach § 15 Abs. 3 SGB XI der Zeitaufwand, der für die erforderlichen Leistungen benötigt wird, wöchentlich im Tagesdurchschnitt berechnet werden muss, so bedeutet die Vorgabe der Richtlinien, dass der Hilfebedarf für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben ist, zur Überzeugung des Senats nur, dass ein bei der vorzunehmenden Tagesdurchschnittsbemessung evtl. rechnerisch ermittelter Wert, der sich nicht in vollen Minuten ausdrückt (beispielsweise 10 Minuten 23 Sekunden), als voller Minutenwert (im Beispielsfall 10 Minuten) anzugeben ist. Die Vorgabe der vollen Minutenwerte bedeutet somit nicht primär, dass keine Minutenwerte unter 1 Minute anzugeben sind, sondern vielmehr, dass keine Sekundenwerte anzugeben sind.
Allerdings ließe die Vorgabe der Richtlinien bzgl. der Angabe von vollen Minutenwerten für jede Verrichtung der Grundpflege auch die Deutung zu, dass der Richtliniengeber Verrichtungen, die nicht eine volle Minute in Anspruch nehmen, überhaupt nicht berücksichtigt haben wollte. Dies möglicherweise deshalb, weil die hierfür benötigte Zeit der Hilfeleistung so gering ist, dass sie die Pflegestufe nicht bestimmen soll. Dieser Auslegung folgt der Senat jedoch nicht, da dann im Tagesverlauf sehr häufig auftretende, aber jeweils nur sehr kurz andauernde Hilfestellungen bei den Verrichtungen der Grundpflege überhaupt keine Berücksichtigung finden würden.
Maßgebende Verrichtung für die von der Klägerin vorliegend täglich zurückzulegenden Wege ist das Gehen. Für die Verrichtung des Gehens hat die Sachverständige entsprechend Punkt F der Richtlinien und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften einen vollen Minutenwert von 13 Minuten täglich im Wochendurchschnitt angenommen.
Sie hat für die Verrichtung des Gehens auch die weiteren Vorgaben der Richtlinien beachtet. Punkt F Ziffer 4.3 Nr. 12 der Richtlinien bestimmt zur Verrichtung Gehen folgendes: "Die Vorgabe von orientierenden Zeitwerten ist aufgrund der unterschiedlichen Wegstrecken, die seitens des Antragstellers im Rahmen der gesetzlich definierten Verrichtungen zu bewältigen sind, nicht möglich." Damit ist insbesondere für die Verrichtung des Gehens vom Richtliniengeber keinerlei Vorgabe bzgl. der zugrunde zu legenden Minuten für die einzelnen Tätigkeiten vorgegeben. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass unter Punkt F Ziffer 4.3 Nr. 13 zur Verrichtung Stehen vorgegeben ist, dass jeder Transfer einzeln zu berücksichtigen und mit 1 Minute zu bewerten ist, so ist gerade hieraus im Umkehrschluss für die Verrichtung des Gehens anzunehmen, dass es eine entsprechende Vorgabe des Richtliniengebers für diese Verrichtung nicht gibt. Hätte der Richtliniengeber die Zugrundelegung eines Zeitwertes von einer Minute für jeden einzelnen Weg vorgeben wollen, so hätte er dies unter Nr. 12 ausdrücklich tun müssen, was nicht geschehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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