Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 3576/10 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Befangenheitsantrag der Klägerin gegen Richterin am SG ... wird für begründet erklärt.
Gründe:
I.
Die 1954 geborene Klägerin stellte erstmals am 02.06.2005 einen Antrag nach § 69 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX). Mit Bescheid des Landratsamtes B.-H. (VA) vom 05.07.2005 wurde der Grad der Behinderung (GdB) mit 30 seit 01.10.2004 festgestellt.
Mit Schreiben vom 29.05.2007 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 05.07.2005 nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X). Gleichzeitig stellte er für die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag.
Mit Bescheid vom 28.01.2008 lehnte das VA den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab. Mit Bescheid vom 29.01.2008 stellte das VA fest, dass im Gesundheitszustand der Klägerin eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Der GdB betrage 50 seit 01.01.2006.
Gegen beide Bescheide legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 21.05.2008 und 22.07.2008 wurden die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 29.01.2008 und 28.01.2008 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am 30.05.2008 Klage zum Sozialgericht ... mit dem Antrag, den Bescheid vom 29.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2008 abzuändern und den Beklagten dazu zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren GdB als 50 anzuerkennen. Gleichzeitig beantragte er, das Verfahren ruhend zu stellen, da (zum Zeitpunkt der Klageerhebung) ein Widerspruchsbescheid über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.01.2008 noch nicht ergangen sei.
Am 29.07.2008 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum SG mit dem Antrag, den Bescheid vom 28.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2008 aufzuheben und den Beklagten dazu zu verurteilen, dem am 30.05.2007 gestellten Überprüfungsantrag "nach § 45 SGB X" stattzugeben.
Mit Beschluss vom 13.08.2009 verband das SG die Rechtsstreitigkeiten ... zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
Mit Beweisbeschluss vom 09.07.2009 wurde Dr. K. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und gebeten, über die Klägerin ein Gutachten zu erstatten. Dem kam der gerichtliche Sachverständige nach und legte das neurologische Gutachten vom 07.09.2009 vor, worin er zu dem Ergebnis gelangte, der Gesamt-GdB von 50 sei für alle von ihm genannten Erkrankungen angemessen.
Am 16.09.2009 wurde das gerichtliche Sachverständigengutachten dem Bevollmächtigten der Klägerin zur Stellungnahme übersandt. Am 08.02.2010 wurde an die Erledigung der gerichtlichen Verfügung vom 16.09.2009 erinnert und hierzu eine Frist gesetzt bis zum 19.02.2010. Hierzu teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Fax vom 11.02.2010 mit, die gerichtliche Verfügung vom 16.09.2009 liege ihm nicht vor. Das SG übersandte ihm daraufhin erneut das gerichtliche Sachverständigengutachten per Fax. Mit gerichtlichem Schreiben vom 10.03.2010 wurde der Bevollmächtigte der Klägerin an die Erledigung der gerichtlichen Verfügungen vom 16.09.2009 und 08.02.2010 erinnert und es wurde ihm hierfür eine Frist bis zum 31.03.2010 gesetzt.
Mit Schreiben vom 06.05.2010 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin Stellung zum gerichtlichen Sachverständigengutachten und führte u.a. aus, der gerichtliche Sachverständige (Facharzt für Neurologie) habe sich nicht zu einer Lungenerkrankung zu äußern. Es werde beantragt, einen ärztlichen Befundbericht vom Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. F., bei dem sich die Klägerin in ärztlicher Behandlung befinde, einzuholen. Weiterer Vortrag bezüglich des neurologischen Gutachtens bleibe vorbehalten, und zwar nach einer Rücksprache mit der Klägerin.
Das SG teilte am 17.05.2010 den Beteiligten mit, dass beabsichtigt sei, über die Klagen durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 18.06.2010 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass kein Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehe. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei der Sachverhalt überhaupt nicht geklärt. Es werde vollumfänglich auf den Schriftsatz vom 06.05.2010 verwiesen. In Anbetracht der beabsichtigten Vorgehensweise des Gerichts bestehe allerdings Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG. Es werde aber nochmals beantragt, ein lungenfachärztliches Gutachten oder einen lungenfachärztlichen Befundbericht von Dr. F. einzuholen. Gehe das Gericht dieser Sache nicht nach, liege ein rechtlich zu bewertender Verfahrensfehler vor.
Am 14.07.2010 wandte sich die zuständige Richterin telefonisch an die Klägerin. Nach dem Aktenvermerk der Richterin am SG ... (im folgenden: X.) vom 14.07.2010 habe sie ein fernmündliches Gespräch mit der Klägerin geführt. In einem Telefonat mit der Klägerin sei diese darauf hingewiesen worden, dass das Gutachten mittlerweile vorliege und die Klägerin sei gefragt worden, was konkret der Klageantrag sei. Die Klägerin habe erklärt, sie werde sich mit ihrem Prozessbevollmächtigten wegen der Frage der Fortführung der Klage, des Inhaltes des Gutachtens und des Klageantrages noch einmal auseinandersetzen und sich melden. Inhaltlich gehe es ihr aber darum, überprüfen zu lassen, ob die Höhe des Grades der Behinderung und der Anfangszeitraum richtig gewesen seien.
Mit Schreiben vom 15.07.2010 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin X. mit, die Klägerin habe ihn angerufen und mit ihm Rücksprache genommen. Des weiteren führte der Bevollmächtigte der Klägerin aus, "Ihre Besprechung mit meiner Mandantin an der Bevollmächtigung vorbei könne wohl nicht ganz Ihr Ernst sein". Er wolle, dass X. das für dieses Verfahren und für sämtliche andere Verfahren unterlasse. Er werde das nicht dulden. Er dulde auch nicht, an ihm vorbei auf seine Mandantschaft Druck auszuüben, eine Klage zurückzunehmen, indem X. dann irgendwelche Geschichten erzähle über die vermeintliche Wegnahme der Schwerbehinderung. Dies habe sie getan, indem sie seiner Mandantin vorgegaukelt hätte, dass im Falle einer gerichtlichen Entscheidung die Akte an das Landratsamt zurückginge, dann das Gutachten aufgefunden würde und im weiteren Voranschreiten dann aufgrund des Gutachtens die Schwerbehinderung sogar entfallen könnte. Er wolle nicht von einer generellen Befangenheit sprechen, aber er spreche von einer Befangenheit in dieser Sache und stelle hiermit ausdrücklich entsprechenden Befangenheitsantrag gegen X. Die Besorgnis der Befangenheit müsse man allein schon deshalb haben, weil X. die Vollmacht missachtet habe.
In der dienstlichen Äußerung vom 16.07.2010 nahm X. dahingehend Stellung, dass der Bevollmächtigte der Klägerin sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe, weil sie ein telefonisches Gespräch mit seiner Mandantin geführt habe. Der Inhalt des Gesprächs ergebe sich aus dem Aktenvermerk vom Tag des Gesprächs. Wegen des weiteren Sachverhalts, insbesondere wegen der für eine professionelle rechtliche Vertretung unorthodoxen Anträge, Formulierungen der Schriftsätze und eingetretenen Verzögerungen, die ihren Anruf zur Klärung des Sachverhalts bei der Klägerin ausgelöst hätten, verweise sie auf die Akten. Sie halte sich nicht für befangen.
Mit Schriftsatz vom 13.10.2010 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin Fristverlängerung, da die Klägerin eine entsprechende Stellungnahme über das Telefongespräch erstellen werde. X. habe unter Vorgabe falscher Tatsachen versucht, die Klägerin dazu zu bewegen, das Verfahren zurückzunehmen. Die Drohgebärde, das Landratsamt würde die Schwerbehinderung wegnehmen, wenn das Klageverfahren weiter betrieben werde, sei eine Zumutung und mit rechtsstaatlichen Gründen nicht in Einklang zu bringen. Es erfülle den Nötigungstatbestand. Gleichzeitig erfülle es aber auch die Berechtigung zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit, da davon auszugehen sei, dass hier eine negative Einstellung gegenüber dem klägerischen Vorbringen vorliege.
Auf den Antrag des Bevollmächtigten auf Fristverlängerung ist ihm mit gerichtlichem Schreiben vom 03.11.2010 eine solche bis zum 30.11.2010 bewilligt worden. Auf den weiteren Fristverlängerungsantrag vom 30.11.2010 ist die Frist verlängert worden bis 31.12.2010. Mit Schreiben vom 10.01.2011 hat der Bevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, bis spätestens 31.01.2011 werde eine weitere Stellungnahme zum Befangenheitsantrag dem Gericht vorliegen. Die Klägerin habe zwischenzeitlich ein Gedächtnisprotokoll angefertigt, was ganz klar zu erkennen gebe, dass die Ausführungen von X. nicht den Tatsachen entsprächen. Hierzu solle aber eine kurze Kommentierung von seiner Seite noch erfolgen. Seitdem ist ein weiterer Schriftsatz nicht eingegangen.
II.
Das Ablehnungsgesuch des Bevollmächtigten der Klägerin gegen Richterin am SG vom 15.07.2010 - beim SG eingegangen am 19.07.2010 - ist begründet.
Trotz der Ankündigung des Bevollmächtigten der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 05.10.2010, noch einen schriftlichen Gesprächsvermerk der Klägerin einzureichen zu wollen, konnte der Senat über den Befangenheitsantrag entscheiden, da es auf den Inhalt des Telefongespräches zwischen X. und der Klägerin nicht ankommt, sondern allein der Umstand entscheidend ist, dass sich X. unter Umgehung des Bevollmächtigten der Klägerin telefonisch direkt an die Klägerin gewandt hat. Im Übrigen hat der Senat auch die Frist zur Einreichung des Gesprächsvermerkes nach der beantragten und vom Gericht bewilligten Fristverlängerung bis zum 31.12.2010 abgewartet. Ein weiteres Zuwarten mit einer Entscheidung hält der Senat daher für nicht vertretbar.
Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdziff. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. m.w.N.). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Insbesondere vermag ein Verfahrensfehler des Gerichts für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Nicht ausreichend ist die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig aaO, Rdziff. 8g, 8j).
Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine begründete Besorgnis der Befangenheit bei Richterin am SG ... (im Folgenden: X.) vorliegt.
Die Besorgnis der Befangenheit von X. ist aus der Sicht einer verständigen Partei deshalb berechtigt, weil X. sich unter Umgehung des Bevollmächtigten der Klägerin zum einen direkt an die Klägerin - und zwar telefonisch - gewandt hat und zum anderen die hierfür genannten Gründe nicht nachvollziehbar sind.
Denn zur Abklärung des Klagantrags oder Erörterung der Sach- und Rechtslage einschließlich der Fortführung des Rechtsstreits kommt grundsätzlich nur die Anberaumung eines Gerichtstermins, in dem alle Beteiligten anwesend sein können und ihnen rechtliches Gehör gewährt werden kann, in Betracht. Wenn einseitig etwas mit einem der Beteiligten besprochen werden soll, was verfahrensrechtlich nicht unbedenklich ist, kommt allerdings in Fällen, in denen ein Beteiligter einen Rechtsvertreter bevollmächtigt hat, als Adressat allein der Bevollmächtigte und nicht der Beteiligte selbst in Betracht. Denn derjenige Beteiligte, der einen Rechtsvertreter bevollmächtigt, will gerade nicht selbst angegangen werden, um rechtliche Fragen - wie den korrekten Klagantrag oder die Aussichten des Rechtsstreits - selbst beantworten und entscheiden zu müssen, und schon gar nicht ad hoc in einem Telefongespräch. Der Beteiligte kann vielmehr darauf vertrauen, dass das Gericht die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters beachtet und sich direkt an den Bevollmächtigten des Beteiligten wendet.
Zudem ist vorliegend nach Aktenlage nicht ersichtlich, worin die von der Richterin X. für klärungsbedürftig gehaltene Frage der Antragstellung gelegen haben könnte. Klageanträge waren in beiden, später verbundenen Verfahren bereits in der Klageschrift des Klägerbevollmächtigten formuliert worden. Nach Eingang des von Amts wegen eingeholten neurologischen Gutachtens hatte der Klägerbevollmächtigte zuletzt beantragt, ein lungenfachärztliches Gutachten oder einen ärztlichen Befundbericht von Dr. F. einzuholen. Diesem Vorbringen der Klägerin ist weder eine Änderung der anfänglichen Klageanträge zu entnehmen noch sind Unklarheiten hinsichtlich des für erforderlich erachteten Ermittlungsumfanges aufgetreten. Ob aus Zweckmäßigkeitsgründen die genannten Beweismittel des Sachverständigengutachtens und der Beiziehung eines Befundberichtes, was auch unschwer als das Beweismittel einer sachverständigen Zeugenaussage verstanden werden konnte, einer Rangfolge unterliegen, wurde der Entscheidung des Gerichts überlassen.
Das prozessuale Vorgehen von X. ist bei dieser Ausgangslage so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt und für den Prozessbeteiligten überraschend gewesen, dass sich für die Klägerin der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung durch Umgehung des Prozessbevollmächtigten aufdrängen muss, weshalb der Befangenheitsantrag begründet ist.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die 1954 geborene Klägerin stellte erstmals am 02.06.2005 einen Antrag nach § 69 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX). Mit Bescheid des Landratsamtes B.-H. (VA) vom 05.07.2005 wurde der Grad der Behinderung (GdB) mit 30 seit 01.10.2004 festgestellt.
Mit Schreiben vom 29.05.2007 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 05.07.2005 nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X). Gleichzeitig stellte er für die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag.
Mit Bescheid vom 28.01.2008 lehnte das VA den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab. Mit Bescheid vom 29.01.2008 stellte das VA fest, dass im Gesundheitszustand der Klägerin eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Der GdB betrage 50 seit 01.01.2006.
Gegen beide Bescheide legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 21.05.2008 und 22.07.2008 wurden die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 29.01.2008 und 28.01.2008 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am 30.05.2008 Klage zum Sozialgericht ... mit dem Antrag, den Bescheid vom 29.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2008 abzuändern und den Beklagten dazu zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren GdB als 50 anzuerkennen. Gleichzeitig beantragte er, das Verfahren ruhend zu stellen, da (zum Zeitpunkt der Klageerhebung) ein Widerspruchsbescheid über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.01.2008 noch nicht ergangen sei.
Am 29.07.2008 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum SG mit dem Antrag, den Bescheid vom 28.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2008 aufzuheben und den Beklagten dazu zu verurteilen, dem am 30.05.2007 gestellten Überprüfungsantrag "nach § 45 SGB X" stattzugeben.
Mit Beschluss vom 13.08.2009 verband das SG die Rechtsstreitigkeiten ... zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
Mit Beweisbeschluss vom 09.07.2009 wurde Dr. K. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und gebeten, über die Klägerin ein Gutachten zu erstatten. Dem kam der gerichtliche Sachverständige nach und legte das neurologische Gutachten vom 07.09.2009 vor, worin er zu dem Ergebnis gelangte, der Gesamt-GdB von 50 sei für alle von ihm genannten Erkrankungen angemessen.
Am 16.09.2009 wurde das gerichtliche Sachverständigengutachten dem Bevollmächtigten der Klägerin zur Stellungnahme übersandt. Am 08.02.2010 wurde an die Erledigung der gerichtlichen Verfügung vom 16.09.2009 erinnert und hierzu eine Frist gesetzt bis zum 19.02.2010. Hierzu teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Fax vom 11.02.2010 mit, die gerichtliche Verfügung vom 16.09.2009 liege ihm nicht vor. Das SG übersandte ihm daraufhin erneut das gerichtliche Sachverständigengutachten per Fax. Mit gerichtlichem Schreiben vom 10.03.2010 wurde der Bevollmächtigte der Klägerin an die Erledigung der gerichtlichen Verfügungen vom 16.09.2009 und 08.02.2010 erinnert und es wurde ihm hierfür eine Frist bis zum 31.03.2010 gesetzt.
Mit Schreiben vom 06.05.2010 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin Stellung zum gerichtlichen Sachverständigengutachten und führte u.a. aus, der gerichtliche Sachverständige (Facharzt für Neurologie) habe sich nicht zu einer Lungenerkrankung zu äußern. Es werde beantragt, einen ärztlichen Befundbericht vom Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. F., bei dem sich die Klägerin in ärztlicher Behandlung befinde, einzuholen. Weiterer Vortrag bezüglich des neurologischen Gutachtens bleibe vorbehalten, und zwar nach einer Rücksprache mit der Klägerin.
Das SG teilte am 17.05.2010 den Beteiligten mit, dass beabsichtigt sei, über die Klagen durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 18.06.2010 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass kein Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehe. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei der Sachverhalt überhaupt nicht geklärt. Es werde vollumfänglich auf den Schriftsatz vom 06.05.2010 verwiesen. In Anbetracht der beabsichtigten Vorgehensweise des Gerichts bestehe allerdings Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG. Es werde aber nochmals beantragt, ein lungenfachärztliches Gutachten oder einen lungenfachärztlichen Befundbericht von Dr. F. einzuholen. Gehe das Gericht dieser Sache nicht nach, liege ein rechtlich zu bewertender Verfahrensfehler vor.
Am 14.07.2010 wandte sich die zuständige Richterin telefonisch an die Klägerin. Nach dem Aktenvermerk der Richterin am SG ... (im folgenden: X.) vom 14.07.2010 habe sie ein fernmündliches Gespräch mit der Klägerin geführt. In einem Telefonat mit der Klägerin sei diese darauf hingewiesen worden, dass das Gutachten mittlerweile vorliege und die Klägerin sei gefragt worden, was konkret der Klageantrag sei. Die Klägerin habe erklärt, sie werde sich mit ihrem Prozessbevollmächtigten wegen der Frage der Fortführung der Klage, des Inhaltes des Gutachtens und des Klageantrages noch einmal auseinandersetzen und sich melden. Inhaltlich gehe es ihr aber darum, überprüfen zu lassen, ob die Höhe des Grades der Behinderung und der Anfangszeitraum richtig gewesen seien.
Mit Schreiben vom 15.07.2010 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin X. mit, die Klägerin habe ihn angerufen und mit ihm Rücksprache genommen. Des weiteren führte der Bevollmächtigte der Klägerin aus, "Ihre Besprechung mit meiner Mandantin an der Bevollmächtigung vorbei könne wohl nicht ganz Ihr Ernst sein". Er wolle, dass X. das für dieses Verfahren und für sämtliche andere Verfahren unterlasse. Er werde das nicht dulden. Er dulde auch nicht, an ihm vorbei auf seine Mandantschaft Druck auszuüben, eine Klage zurückzunehmen, indem X. dann irgendwelche Geschichten erzähle über die vermeintliche Wegnahme der Schwerbehinderung. Dies habe sie getan, indem sie seiner Mandantin vorgegaukelt hätte, dass im Falle einer gerichtlichen Entscheidung die Akte an das Landratsamt zurückginge, dann das Gutachten aufgefunden würde und im weiteren Voranschreiten dann aufgrund des Gutachtens die Schwerbehinderung sogar entfallen könnte. Er wolle nicht von einer generellen Befangenheit sprechen, aber er spreche von einer Befangenheit in dieser Sache und stelle hiermit ausdrücklich entsprechenden Befangenheitsantrag gegen X. Die Besorgnis der Befangenheit müsse man allein schon deshalb haben, weil X. die Vollmacht missachtet habe.
In der dienstlichen Äußerung vom 16.07.2010 nahm X. dahingehend Stellung, dass der Bevollmächtigte der Klägerin sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe, weil sie ein telefonisches Gespräch mit seiner Mandantin geführt habe. Der Inhalt des Gesprächs ergebe sich aus dem Aktenvermerk vom Tag des Gesprächs. Wegen des weiteren Sachverhalts, insbesondere wegen der für eine professionelle rechtliche Vertretung unorthodoxen Anträge, Formulierungen der Schriftsätze und eingetretenen Verzögerungen, die ihren Anruf zur Klärung des Sachverhalts bei der Klägerin ausgelöst hätten, verweise sie auf die Akten. Sie halte sich nicht für befangen.
Mit Schriftsatz vom 13.10.2010 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin Fristverlängerung, da die Klägerin eine entsprechende Stellungnahme über das Telefongespräch erstellen werde. X. habe unter Vorgabe falscher Tatsachen versucht, die Klägerin dazu zu bewegen, das Verfahren zurückzunehmen. Die Drohgebärde, das Landratsamt würde die Schwerbehinderung wegnehmen, wenn das Klageverfahren weiter betrieben werde, sei eine Zumutung und mit rechtsstaatlichen Gründen nicht in Einklang zu bringen. Es erfülle den Nötigungstatbestand. Gleichzeitig erfülle es aber auch die Berechtigung zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit, da davon auszugehen sei, dass hier eine negative Einstellung gegenüber dem klägerischen Vorbringen vorliege.
Auf den Antrag des Bevollmächtigten auf Fristverlängerung ist ihm mit gerichtlichem Schreiben vom 03.11.2010 eine solche bis zum 30.11.2010 bewilligt worden. Auf den weiteren Fristverlängerungsantrag vom 30.11.2010 ist die Frist verlängert worden bis 31.12.2010. Mit Schreiben vom 10.01.2011 hat der Bevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, bis spätestens 31.01.2011 werde eine weitere Stellungnahme zum Befangenheitsantrag dem Gericht vorliegen. Die Klägerin habe zwischenzeitlich ein Gedächtnisprotokoll angefertigt, was ganz klar zu erkennen gebe, dass die Ausführungen von X. nicht den Tatsachen entsprächen. Hierzu solle aber eine kurze Kommentierung von seiner Seite noch erfolgen. Seitdem ist ein weiterer Schriftsatz nicht eingegangen.
II.
Das Ablehnungsgesuch des Bevollmächtigten der Klägerin gegen Richterin am SG vom 15.07.2010 - beim SG eingegangen am 19.07.2010 - ist begründet.
Trotz der Ankündigung des Bevollmächtigten der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 05.10.2010, noch einen schriftlichen Gesprächsvermerk der Klägerin einzureichen zu wollen, konnte der Senat über den Befangenheitsantrag entscheiden, da es auf den Inhalt des Telefongespräches zwischen X. und der Klägerin nicht ankommt, sondern allein der Umstand entscheidend ist, dass sich X. unter Umgehung des Bevollmächtigten der Klägerin telefonisch direkt an die Klägerin gewandt hat. Im Übrigen hat der Senat auch die Frist zur Einreichung des Gesprächsvermerkes nach der beantragten und vom Gericht bewilligten Fristverlängerung bis zum 31.12.2010 abgewartet. Ein weiteres Zuwarten mit einer Entscheidung hält der Senat daher für nicht vertretbar.
Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdziff. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. m.w.N.). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Insbesondere vermag ein Verfahrensfehler des Gerichts für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Nicht ausreichend ist die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig aaO, Rdziff. 8g, 8j).
Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine begründete Besorgnis der Befangenheit bei Richterin am SG ... (im Folgenden: X.) vorliegt.
Die Besorgnis der Befangenheit von X. ist aus der Sicht einer verständigen Partei deshalb berechtigt, weil X. sich unter Umgehung des Bevollmächtigten der Klägerin zum einen direkt an die Klägerin - und zwar telefonisch - gewandt hat und zum anderen die hierfür genannten Gründe nicht nachvollziehbar sind.
Denn zur Abklärung des Klagantrags oder Erörterung der Sach- und Rechtslage einschließlich der Fortführung des Rechtsstreits kommt grundsätzlich nur die Anberaumung eines Gerichtstermins, in dem alle Beteiligten anwesend sein können und ihnen rechtliches Gehör gewährt werden kann, in Betracht. Wenn einseitig etwas mit einem der Beteiligten besprochen werden soll, was verfahrensrechtlich nicht unbedenklich ist, kommt allerdings in Fällen, in denen ein Beteiligter einen Rechtsvertreter bevollmächtigt hat, als Adressat allein der Bevollmächtigte und nicht der Beteiligte selbst in Betracht. Denn derjenige Beteiligte, der einen Rechtsvertreter bevollmächtigt, will gerade nicht selbst angegangen werden, um rechtliche Fragen - wie den korrekten Klagantrag oder die Aussichten des Rechtsstreits - selbst beantworten und entscheiden zu müssen, und schon gar nicht ad hoc in einem Telefongespräch. Der Beteiligte kann vielmehr darauf vertrauen, dass das Gericht die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters beachtet und sich direkt an den Bevollmächtigten des Beteiligten wendet.
Zudem ist vorliegend nach Aktenlage nicht ersichtlich, worin die von der Richterin X. für klärungsbedürftig gehaltene Frage der Antragstellung gelegen haben könnte. Klageanträge waren in beiden, später verbundenen Verfahren bereits in der Klageschrift des Klägerbevollmächtigten formuliert worden. Nach Eingang des von Amts wegen eingeholten neurologischen Gutachtens hatte der Klägerbevollmächtigte zuletzt beantragt, ein lungenfachärztliches Gutachten oder einen ärztlichen Befundbericht von Dr. F. einzuholen. Diesem Vorbringen der Klägerin ist weder eine Änderung der anfänglichen Klageanträge zu entnehmen noch sind Unklarheiten hinsichtlich des für erforderlich erachteten Ermittlungsumfanges aufgetreten. Ob aus Zweckmäßigkeitsgründen die genannten Beweismittel des Sachverständigengutachtens und der Beiziehung eines Befundberichtes, was auch unschwer als das Beweismittel einer sachverständigen Zeugenaussage verstanden werden konnte, einer Rangfolge unterliegen, wurde der Entscheidung des Gerichts überlassen.
Das prozessuale Vorgehen von X. ist bei dieser Ausgangslage so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt und für den Prozessbeteiligten überraschend gewesen, dass sich für die Klägerin der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung durch Umgehung des Prozessbevollmächtigten aufdrängen muss, weshalb der Befangenheitsantrag begründet ist.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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