Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AS 3685/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1245/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Februar 2011 abgeändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 18. Oktober 2010 vorläufig Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 359,- EUR, ab 1. Januar 2011 von monatlich 364,- EUR bis auf Weiteres, längstens jedoch bis 31. Mai 2011 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt 70 % der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der 1970 geborene Antragsteller bewohnt ein Zimmer des Dachgeschosses des Hauses in A ... Im Erdgeschoss des Hauses wohnt der Bruder des Antragstellers mit seiner Ehefrau, im Obergeschoss seine Mutter. Der Antragsteller verfügt im Dachgeschoss über ein Waschbecken und eine Toilette, er benutzt Bad und Küche in der Wohnung seiner Mutter. Das Haus steht im Miteigentum seiner Mutter (zu 50 %) sowie des Antragstellers, seines Bruders und seiner beiden Schwestern (Anteil zu je 1/8).
Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin zum 1. Oktober 2009 Arbeitslosengeld II (ALG II). Er gab an, bei der T. K. S. gesetzlich krankenversichert zu sein. Er teilte mit, dass die Unterkunft ihm nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt werde und er eine monatliche Zahlung in Höhe von 98,50 EUR zu leisten habe. Eine Verpflegung werde ihm nicht zur Verfügung gestellt. Die Antragsgegnerin ging zunächst von einer Unterhaltsvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II aus und lehnte den Antrag des Antragstellers ab (Bescheid vom 9. November 2009). Mit Bescheid vom 24. November 2009 bewilligte sie sodann für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2010 vorläufig ALG II in Höhe der Regelleistung; der Antragsteller wurde in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Der Antragsteller wandte sich gegen die Unterhaltsvermutung und brachte vor, dass seine Mutter ihm für das Studium einen knapp bemessenen Kredit gewährt habe. Sie sei nicht mehr bereit, ihn - den Antragsteller - zu unterstützen.
Im Januar 2010 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag auf die Gewährung von ALG II. Daraufhin wurde ihm für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Juli 2010 vorläufig ALG II in Höhe der Regelleistung gewährt (Bescheid vom 13. Januar 2010); er wurde zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angemeldet. Auf Veranlassung der Antragsgegnerin fand bei dem Antragsteller ein Hausbesuch statt. In dem Ermittlungsbericht vom 5. Januar 2010 ist verzeichnet, dass es sich um ein 2-Familien-Haus handele. Die Klingel sei mit dem Namen des Antragstellers und seiner Mutter beschriftet gewesen. Der Antragsteller bewohne ein Zimmer (Schlaf- und Arbeitszimmer) im Dachgeschoss. Hier befinde sich auf dem Flur ein Waschbecken und ein WC. Der Antragsteller habe angegeben, das Bad und die Küche seiner Mutter mitzubenutzen. Die Wohnung der Mutter befinde sich eine Etage tiefer. Bezüglich der Lebensmitteleinkäufe habe der Antragsteller angegeben, dass er sich die Kosten mit seiner Mutter teile. Meistens würde seine Mutter kochen und die Wäsche erledigen.
Der Antragsteller und seine Mutter lehnten es ab, zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter Angaben zu machen, da sie gegenüber ihrem Sohn nicht unterhaltspflichtig sei und tatsächlich keinen Unterhalt gewähre. Demgegenüber ging die Antragsgegnerin von einer Unterhaltsvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II aus und bestand auf die Abgabe der Anlagen "EK" (Einkommenserklärung zur Feststellung der Einkommensverhältnisse jeder in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person) und "VM" (Anlage zur Feststellung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person).
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens S 1 AS 1469/10 ER vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) schlossen die Beteiligten am 5. Mai 2010 einen Vergleich dahingehend, dass der Antragsteller umgehend die Anlagen "VM" und "EK" ausfüllen und diese mit Kopien des aktuellen Rentenbescheids und des Sparbuchs bei der Antraggegnerin vorlegen werde und die Antragsgegnerin in drei Arbeitstagen über den Leistungsanspruch des Antragstellers endgültig entscheiden werde. Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin einen Kontoauszug vor, auf dem monatliche Rentenzahlungen im Januar 2010 an seine Mutter in Höhe von insgesamt 619,71 EUR verzeichnet sind. Außerdem legte er eine Kopie über den Saldenstand des Sparbuchs seiner Mutter vom 10. April 2008 in Höhe von 10.000,- EUR vor.
Wegen der nicht vorgelegten Anlagen entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 1. April 2010 das ALG II (vergleiche Bescheide vom 23. März 2010, 22. April 2010 und Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ordnete mit Beschluss vom 28. September 2010 die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem SG (S 1 AS 1874/10; nunmehr S 1 AS 61/11) gegen die Entscheidung über die Einstellung der Leistungen zum 1. April 2010 an (L 3 AS 3895/10 ER-B).
Auf den Fortzahlungsantrag vom 26. Juli 2010 versagte die Antragsgegnerin erneut die Leistungen nach § 66 SGB I (Bescheid vom 18. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2010). Auch hinsichtlich dieser Versagungsentscheidung ist beim SG ein Hauptsacheverfahren anhängig (S 1 AS 61/11).
Am 18. Oktober 2010 begehrte der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG die Gewährung von ALG II zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Mutter seien für den Leistungsanspruch irrelevant, da keine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II vorliege.
Das SG hat mit Beschluss vom 18. Februar 2011 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 18. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359,- EUR monatlich darlehensweise zu gewähren, und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Es liege ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vor. Zwar spreche nach Aktenlage weiterhin vieles dafür, dass der Antragsteller in einer Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter, der Zeugin S., lebe. Denn nach deren glaubhaften Angaben im Beweisaufnahmetermin vom 5. Mai 2010 im Verfahren S 1 AS 1469/10 ER koche sie überwiegend für sich und den Antragsteller, putze die gemeinsam genutzten Räume (Küche und Bad), wasche die Wäsche und erledige weitgehend die Lebensmitteleinkäufe, während der Antragsteller sein Kinderzimmer bewohne. Dass darüber hinaus die Lebensmittelkosten geteilt würden und sich der Antragsteller an den Wohnnebenkosten beteilige, wenn er gerade einmal über finanzielle Mittel verfüge, dürfte einem "Wirtschaften aus einem Topf" nicht entgegenstehen. Letztlich müsse dieser Aspekt nicht vertieft werden, da nicht zu vermuten sei, dass er von der Zeugin S. tatsächlich Leistungen erhalte, da dies nach ihrem Einkommen und Vermögen nicht erwartet werden könne. Denn diese verfüge ihren Angaben sowie den vorgelegten Unterlagen zufolge lediglich über Renteneinkünfte in Höhe von 619,71 EUR, weshalb sie nicht zur Erbringung von Unterstützungsleistungen verpflichtet sein dürfte. Dies habe das LSG Baden-Württemberg bereits im Beschluss vom 28. September 2010 im Verfahren L 3 AS 3895/10 ER-B festgestellt, wobei damals fälschlicherweise von einem Renteneinkommen in Höhe von 819, 71 EUR ausgegangen worden sei. Daneben dürfte zwar davon auszugehen seien, dass die Zeugin S. weiterhin Spareinlagen in Höhe von ca. 10.000,- EUR besitze. Da diese jedoch nicht den Absetzbetrag im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB II überstiegen, dürften sie nicht - was vom LSG ebenso gesehen worden sei - berücksichtigungsfähig seien. Der Antragsgegnerin sei zwar beizupflichten, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Antragstellers sowie der mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Person grundsätzlich mit den dafür vorgesehenen Formularen (Anlagen "VM" und "EK") glaubhaft zu machen seien. Auch gebe es keine Begründung dafür, warum der Antragsteller hiervon auf Dauer befreit werden sollte. Andererseits dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Zeugin S. im Mai 2010 erfolgt seien. Dass sich an ihrer wirtschaftlichen Situation kurze Zeit danach etwas entscheidungserhebliches geändert habe, sei nicht anzunehmen. Darüber hinaus sei ein Anordnungsgrund zu bejahen. Zwar habe die Zeugin S. betont, sie werde den Antragsteller nicht verhungern lassen, was bei einer Mutter eine Selbstverständlichkeit darstellen dürfte. Gleichwohl sei die Angelegenheit eilbedürftig, nachdem der Antragsteller glaubhaft vorgetragen habe, er habe kein Geld mehr, um seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ihm seien daher vorläufig Leistungen zur Führung eines menschenwürdigen Daseins zuzusprechen, allerdings ausschließlich in Form eines Darlehens, um einen letztlich endgültigen Rechtszustand zu vermeiden. Nach alledem dürfte viel dafür sprechen, dass der Versagungsbescheid vom 18. August 2010 nicht haltbar sei. Denn losgelöst davon, dass von der Antragsgegnerin lediglich floskelhaft ausgeführt worden sei, Ermessen sei bei der getroffenen Entscheidung ausgeübt worden, habe sie die aus dem Verfahren S 1 AS 1469/10 ER bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Zeugin Stephan unberücksichtigt gelassen und sich ausschließlich darauf berufen, der Antragsteller habe die maßgeblichen Anlagen nicht - wie in der Sitzung vom 5. Mai 2010 vereinbart - vorgelegt. Leistungen könnten in der Regel nicht deshalb versagt werden, weil sich der Antragsteller (grundlos) weigere, Formularvordrucke auszufüllen, sofern die maßgeblichen Verhältnisse anderweitig bekannt seien bzw. bekannt werden. Dem Antragsteller seien Leistungen erst ab 18. Oktober 2010 zuzusprechen gewesen, da er an diesem Tag ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt habe. Hingegen sei deren Zuerkennung nicht auf einen 6-Monats-Zeitraum, gerechnet ab 1. August 2010, zu begrenzen gewesen, da im Bescheid vom 18. August 2010 auf diesen nicht abgestellt worden sei. Zudem erfordere effektiver Rechtsschutz eine Zuerkennung von Leistungen bis zunächst zum 31. März 2011, weil die Hauptsache voraussichtlich frühestens im April 2011 entschieden werden könne. Hingegen sei eine Leistungsbewilligung vor dem 18. Oktober 2010 nicht in Betracht gekommen, weil der Antragsteller erst an diesem Tag einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt habe.
In Umsetzung dieses Beschlusses bewilligte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 18. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig und darlehensweise ALG II; eine Anmeldung zur Kranken- und Pflegeversicherung erfolgte nicht (Bescheid vom 8. März 2011).
Gegen den dem Antragsteller am 19. Februar 2011 zugestellten Beschluss des SG richtet sich seine am 21. März 2011 (Montag) beim SG eingelegte Beschwerde. Seine Krankenversicherung dulde keinen längeren Zahlungsaufschub. Ebenso wolle seine Mutter, über deren Konto sein Anteil an den Unterkunftskosten abgewickelt werde, keine längere Stundung akzeptieren und fordere Verzugszinsen. Es liege keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihm und seiner Mutter vor. Er putze einen Großteil des gemeinsam genutzten Bades, insbesondere jene Stellen, die seine Mutter ohnehin nicht mehr erreichen könne. Die Lebensmitteleinkäufe würde nicht weitgehend von ihr erledigt, sondern nahezu gleich verteilt, wie die geringen monatlichen Ausgleichsbeträge zeigten. Seine Wohnnebenkosten habe er immer beglichen bzw. notgedrungen "aufgeschuldet". Die aktuellen Rückstände resultierten nur aus der Weigerung der Antragsgegnerin, seinen Lebensunterhalt zu zahlen. Im übrigen würde seine Mutter auch bei Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt gewähren, da sie kein Verständnis für seine Arbeitslosigkeit aufbringe. Für die Beschränkung der vorläufigen Zahlung auf ein Darlehen ab 18. Oktober 2010 gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Antragsteller hat klarstellend mitgeteilt, dass er nur Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin und insbesondere keine Unterkunftskosten geltend mache.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Akten des SG zu den Verfahren S 1 AS 1469/10 ER, S 1 AS 1875/10 ER und S 1 AS 61/11 sowie des LSG Baden-Württemberg zum Verfahren L 3 AS 3895/10 ER-B Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 des SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, obwohl die streitige Ablehnungsentscheidung auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützt ist. Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheides richtet sich allein danach, ob die dort normierten Tatbestandsmerkmale der mangelnden Mitwirkung gegeben sind und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Leistung vorliegen. In einem solchen Fall kommt in der Hauptsache allein eine isolierte Anfechtungsklage in Betracht, eine Leistungsklage wäre unzulässig (vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Diese Sperrwirkung des auf § 66 SGB I gestützten Bescheides darf jedoch nicht in den Bereich der vorläufigen Regelung des Leistungsverhältnisses durch einstweilige Anordnung übertragen werden, weil ein solches Ergebnis mit rechtstaatlichen Grundsätzen, insbesondere der Garantie effektiven gerichtlichen Rechtschutzes (Artikel 19 Abs. 4, 20 Grundgesetz) nicht zu vereinbaren wäre. Denn mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels würde der Antragsteller die begehrten Leistungen für den streitigen Zeitraum nicht erlangen können (vgl. Senatsbeschluss vom 18. September 2009 - L 12 AS 3633/09 ER-B - m.w.N.). Der Senat ist daher nicht daran gehindert, auch dann über das Bestehen eines Anordnungsanspruches - im Sinne des materiellen Anspruchs auf Sozialleistungen - zu entscheiden, wenn die Antragsgegnerin die Bewilligung mit einem auf § 66 SGB I gestützten Bescheid versagt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Bescheid - wie hier - noch nicht bestandskräftig ist und Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukommt (§ 86a Abs. 1 S. 1 SGG; vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. April 2010 - L 7 AS 304/10 ER-B - (juris), wonach § 39 Nr. 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung auf eine Leistungsversagung nach § 66 Abs. 1 SGB I keine Anwendung findet).
Der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164). Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist.
Die Beschwerde ist begründet, soweit der Antragsteller sich gegen die darlehensweise Gewährung der Leistungen wendet. Zunächst hat das SG zutreffend begründet, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des begehrten ALG II sowie die erforderliche Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht hat. Insoweit verweist der Senat auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses. Zu Unrecht hat das SG die Antragsgegnerin jedoch lediglich zu einer darlehensweisen Leistungsgewährung verpflichtet. Zwar werden die Leistungen auf Grundlage einer einstweiligen Anordnung nur vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückzahlung für den Fall, dass die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren obsiegt, erbracht. Jedoch erfordert die vorläufige Leistungserbringung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht eine Begrenzung auf eine darlehensweise Leistung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2005, L 8 AS 3441/05 ER-B). Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen des § 23 SGB II für Einräumung eines Darlehens nicht vorliegen und der Antragsteller ein Darlehen auch gar nicht beantragt hat, werden dadurch die Bestimmungen umgangen, die für eine Rückforderung der Leistung nach Aufhebung einer einstweiligen Anordnung gelten. Soweit die Antragsgegnerin in Ausführung der Entscheidung des SG dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat, werden die Bescheide, soweit sie nur die gerichtliche Entscheidung ausführen, gegenstandslos, wenn sich im Hauptsacheverfahren ergeben sollte, dass dem Antragsteller die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochenen Leistungen nicht zustehen. Damit wären die Leistungen rechtsgrundlos erbracht worden und könnten von der Antragsgegnerin unter entsprechender Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB X zurückgefordert werden (Schütze in von Wulffen, 7. Aufl. 2010, § 50 Rdnr. 21). Zudem führt die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur darlehensweisen Erbringung der Leistungen vorliegend dazu, dass dem Antragsteller der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz vorenthalten wird. Denn gem. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB XI besteht bei einer lediglich darlehensweisen Gewährung keine Versicherungspflicht durch den Bezug von ALG II. Da das menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 108/10 R; BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -), diese durch die gesetzlich angeordnete Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von ALG II gewährleistet wird und der erforderliche Gesundheitsschutz des Antragstellers nicht über eine vorrangige Familienversicherung sichergestellt ist, scheidet auch aus diesem Grund eine vorläufige Leistungsgewährung in Form einer Darlehens im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aus. Die Antragsgegnerin wird den Antragsteller in Ausführung dieses Beschlusses für die Zeit vom 18. Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 gem. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB XI zur Kranken- und Pflegeversicherung anzumelden haben.
Die Beschwerde ist ferner begründet, soweit das SG den Antragsgegner nur zur vorläufigen Leistungsgewährung bis zum 31. März 2011 verpflichtet hat. Nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sollen die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Dieser zeitliche Rahmen kann auch im einstweiligen Rechtschutzverfahren als Maßstab für eine zeitliche Begrenzung herangezogen werden, wobei eine längere Bewilligung als sechs Monate ab dem Datum der Beschlussfassung des Gerichts kaum in Betracht kommen dürfte, da Hilfebedürftigkeit für einen derart langen Zeitraum im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur in Ausnahmenfällen im Voraus wird festgestellt werden können. Dagegen kann es im Einzelfall sachgerecht sein, die Verpflichtung zur Leistungsgewährung nur für einen deutlich kürzeren Zeitraum auszusprechen. Damit wird sichergestellt, dass die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung in regelmäßigeren Abständen neu überprüft werden können. Der Senat betrachtet es im vorliegenden Fall als angemessen, die einstweilige Anordnung bis zum 31. Mai 2011 zu begrenzen, weil mittlerweile der vom SG geregelte Zeitraum abgelaufen ist, der Lebensunterhalt des Antragstellers nach wie vor nicht gesichert ist und das SG im Hauptsacheverfahren eine zügige Entscheidung in Aussicht gestellt hat.
Dagegen hat die Beschwerde keinen Erfolg, soweit der Antragsteller auch die vorläufige Gewährung von ALG II für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 17. Oktober 2010 geltend macht. Das SG hat zutreffend eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für die Vergangenheit, nämlich für die Zeit vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beim SG am 18. Oktober 2010, abgelehnt, da insoweit die erforderliche Eilbedürftigkeit fehlt. Vielmehr ist es dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Es ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Leistungsgewährung im oben genannten Zeitraum in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage des Antragstellers begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 18. Oktober 2010 vorläufig Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 359,- EUR, ab 1. Januar 2011 von monatlich 364,- EUR bis auf Weiteres, längstens jedoch bis 31. Mai 2011 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt 70 % der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der 1970 geborene Antragsteller bewohnt ein Zimmer des Dachgeschosses des Hauses in A ... Im Erdgeschoss des Hauses wohnt der Bruder des Antragstellers mit seiner Ehefrau, im Obergeschoss seine Mutter. Der Antragsteller verfügt im Dachgeschoss über ein Waschbecken und eine Toilette, er benutzt Bad und Küche in der Wohnung seiner Mutter. Das Haus steht im Miteigentum seiner Mutter (zu 50 %) sowie des Antragstellers, seines Bruders und seiner beiden Schwestern (Anteil zu je 1/8).
Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin zum 1. Oktober 2009 Arbeitslosengeld II (ALG II). Er gab an, bei der T. K. S. gesetzlich krankenversichert zu sein. Er teilte mit, dass die Unterkunft ihm nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt werde und er eine monatliche Zahlung in Höhe von 98,50 EUR zu leisten habe. Eine Verpflegung werde ihm nicht zur Verfügung gestellt. Die Antragsgegnerin ging zunächst von einer Unterhaltsvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II aus und lehnte den Antrag des Antragstellers ab (Bescheid vom 9. November 2009). Mit Bescheid vom 24. November 2009 bewilligte sie sodann für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2010 vorläufig ALG II in Höhe der Regelleistung; der Antragsteller wurde in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Der Antragsteller wandte sich gegen die Unterhaltsvermutung und brachte vor, dass seine Mutter ihm für das Studium einen knapp bemessenen Kredit gewährt habe. Sie sei nicht mehr bereit, ihn - den Antragsteller - zu unterstützen.
Im Januar 2010 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag auf die Gewährung von ALG II. Daraufhin wurde ihm für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Juli 2010 vorläufig ALG II in Höhe der Regelleistung gewährt (Bescheid vom 13. Januar 2010); er wurde zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angemeldet. Auf Veranlassung der Antragsgegnerin fand bei dem Antragsteller ein Hausbesuch statt. In dem Ermittlungsbericht vom 5. Januar 2010 ist verzeichnet, dass es sich um ein 2-Familien-Haus handele. Die Klingel sei mit dem Namen des Antragstellers und seiner Mutter beschriftet gewesen. Der Antragsteller bewohne ein Zimmer (Schlaf- und Arbeitszimmer) im Dachgeschoss. Hier befinde sich auf dem Flur ein Waschbecken und ein WC. Der Antragsteller habe angegeben, das Bad und die Küche seiner Mutter mitzubenutzen. Die Wohnung der Mutter befinde sich eine Etage tiefer. Bezüglich der Lebensmitteleinkäufe habe der Antragsteller angegeben, dass er sich die Kosten mit seiner Mutter teile. Meistens würde seine Mutter kochen und die Wäsche erledigen.
Der Antragsteller und seine Mutter lehnten es ab, zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter Angaben zu machen, da sie gegenüber ihrem Sohn nicht unterhaltspflichtig sei und tatsächlich keinen Unterhalt gewähre. Demgegenüber ging die Antragsgegnerin von einer Unterhaltsvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II aus und bestand auf die Abgabe der Anlagen "EK" (Einkommenserklärung zur Feststellung der Einkommensverhältnisse jeder in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person) und "VM" (Anlage zur Feststellung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person).
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens S 1 AS 1469/10 ER vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) schlossen die Beteiligten am 5. Mai 2010 einen Vergleich dahingehend, dass der Antragsteller umgehend die Anlagen "VM" und "EK" ausfüllen und diese mit Kopien des aktuellen Rentenbescheids und des Sparbuchs bei der Antraggegnerin vorlegen werde und die Antragsgegnerin in drei Arbeitstagen über den Leistungsanspruch des Antragstellers endgültig entscheiden werde. Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin einen Kontoauszug vor, auf dem monatliche Rentenzahlungen im Januar 2010 an seine Mutter in Höhe von insgesamt 619,71 EUR verzeichnet sind. Außerdem legte er eine Kopie über den Saldenstand des Sparbuchs seiner Mutter vom 10. April 2008 in Höhe von 10.000,- EUR vor.
Wegen der nicht vorgelegten Anlagen entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 1. April 2010 das ALG II (vergleiche Bescheide vom 23. März 2010, 22. April 2010 und Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ordnete mit Beschluss vom 28. September 2010 die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem SG (S 1 AS 1874/10; nunmehr S 1 AS 61/11) gegen die Entscheidung über die Einstellung der Leistungen zum 1. April 2010 an (L 3 AS 3895/10 ER-B).
Auf den Fortzahlungsantrag vom 26. Juli 2010 versagte die Antragsgegnerin erneut die Leistungen nach § 66 SGB I (Bescheid vom 18. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2010). Auch hinsichtlich dieser Versagungsentscheidung ist beim SG ein Hauptsacheverfahren anhängig (S 1 AS 61/11).
Am 18. Oktober 2010 begehrte der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG die Gewährung von ALG II zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Mutter seien für den Leistungsanspruch irrelevant, da keine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II vorliege.
Das SG hat mit Beschluss vom 18. Februar 2011 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 18. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359,- EUR monatlich darlehensweise zu gewähren, und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Es liege ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vor. Zwar spreche nach Aktenlage weiterhin vieles dafür, dass der Antragsteller in einer Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter, der Zeugin S., lebe. Denn nach deren glaubhaften Angaben im Beweisaufnahmetermin vom 5. Mai 2010 im Verfahren S 1 AS 1469/10 ER koche sie überwiegend für sich und den Antragsteller, putze die gemeinsam genutzten Räume (Küche und Bad), wasche die Wäsche und erledige weitgehend die Lebensmitteleinkäufe, während der Antragsteller sein Kinderzimmer bewohne. Dass darüber hinaus die Lebensmittelkosten geteilt würden und sich der Antragsteller an den Wohnnebenkosten beteilige, wenn er gerade einmal über finanzielle Mittel verfüge, dürfte einem "Wirtschaften aus einem Topf" nicht entgegenstehen. Letztlich müsse dieser Aspekt nicht vertieft werden, da nicht zu vermuten sei, dass er von der Zeugin S. tatsächlich Leistungen erhalte, da dies nach ihrem Einkommen und Vermögen nicht erwartet werden könne. Denn diese verfüge ihren Angaben sowie den vorgelegten Unterlagen zufolge lediglich über Renteneinkünfte in Höhe von 619,71 EUR, weshalb sie nicht zur Erbringung von Unterstützungsleistungen verpflichtet sein dürfte. Dies habe das LSG Baden-Württemberg bereits im Beschluss vom 28. September 2010 im Verfahren L 3 AS 3895/10 ER-B festgestellt, wobei damals fälschlicherweise von einem Renteneinkommen in Höhe von 819, 71 EUR ausgegangen worden sei. Daneben dürfte zwar davon auszugehen seien, dass die Zeugin S. weiterhin Spareinlagen in Höhe von ca. 10.000,- EUR besitze. Da diese jedoch nicht den Absetzbetrag im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB II überstiegen, dürften sie nicht - was vom LSG ebenso gesehen worden sei - berücksichtigungsfähig seien. Der Antragsgegnerin sei zwar beizupflichten, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Antragstellers sowie der mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Person grundsätzlich mit den dafür vorgesehenen Formularen (Anlagen "VM" und "EK") glaubhaft zu machen seien. Auch gebe es keine Begründung dafür, warum der Antragsteller hiervon auf Dauer befreit werden sollte. Andererseits dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Zeugin S. im Mai 2010 erfolgt seien. Dass sich an ihrer wirtschaftlichen Situation kurze Zeit danach etwas entscheidungserhebliches geändert habe, sei nicht anzunehmen. Darüber hinaus sei ein Anordnungsgrund zu bejahen. Zwar habe die Zeugin S. betont, sie werde den Antragsteller nicht verhungern lassen, was bei einer Mutter eine Selbstverständlichkeit darstellen dürfte. Gleichwohl sei die Angelegenheit eilbedürftig, nachdem der Antragsteller glaubhaft vorgetragen habe, er habe kein Geld mehr, um seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ihm seien daher vorläufig Leistungen zur Führung eines menschenwürdigen Daseins zuzusprechen, allerdings ausschließlich in Form eines Darlehens, um einen letztlich endgültigen Rechtszustand zu vermeiden. Nach alledem dürfte viel dafür sprechen, dass der Versagungsbescheid vom 18. August 2010 nicht haltbar sei. Denn losgelöst davon, dass von der Antragsgegnerin lediglich floskelhaft ausgeführt worden sei, Ermessen sei bei der getroffenen Entscheidung ausgeübt worden, habe sie die aus dem Verfahren S 1 AS 1469/10 ER bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Zeugin Stephan unberücksichtigt gelassen und sich ausschließlich darauf berufen, der Antragsteller habe die maßgeblichen Anlagen nicht - wie in der Sitzung vom 5. Mai 2010 vereinbart - vorgelegt. Leistungen könnten in der Regel nicht deshalb versagt werden, weil sich der Antragsteller (grundlos) weigere, Formularvordrucke auszufüllen, sofern die maßgeblichen Verhältnisse anderweitig bekannt seien bzw. bekannt werden. Dem Antragsteller seien Leistungen erst ab 18. Oktober 2010 zuzusprechen gewesen, da er an diesem Tag ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt habe. Hingegen sei deren Zuerkennung nicht auf einen 6-Monats-Zeitraum, gerechnet ab 1. August 2010, zu begrenzen gewesen, da im Bescheid vom 18. August 2010 auf diesen nicht abgestellt worden sei. Zudem erfordere effektiver Rechtsschutz eine Zuerkennung von Leistungen bis zunächst zum 31. März 2011, weil die Hauptsache voraussichtlich frühestens im April 2011 entschieden werden könne. Hingegen sei eine Leistungsbewilligung vor dem 18. Oktober 2010 nicht in Betracht gekommen, weil der Antragsteller erst an diesem Tag einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt habe.
In Umsetzung dieses Beschlusses bewilligte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 18. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig und darlehensweise ALG II; eine Anmeldung zur Kranken- und Pflegeversicherung erfolgte nicht (Bescheid vom 8. März 2011).
Gegen den dem Antragsteller am 19. Februar 2011 zugestellten Beschluss des SG richtet sich seine am 21. März 2011 (Montag) beim SG eingelegte Beschwerde. Seine Krankenversicherung dulde keinen längeren Zahlungsaufschub. Ebenso wolle seine Mutter, über deren Konto sein Anteil an den Unterkunftskosten abgewickelt werde, keine längere Stundung akzeptieren und fordere Verzugszinsen. Es liege keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihm und seiner Mutter vor. Er putze einen Großteil des gemeinsam genutzten Bades, insbesondere jene Stellen, die seine Mutter ohnehin nicht mehr erreichen könne. Die Lebensmitteleinkäufe würde nicht weitgehend von ihr erledigt, sondern nahezu gleich verteilt, wie die geringen monatlichen Ausgleichsbeträge zeigten. Seine Wohnnebenkosten habe er immer beglichen bzw. notgedrungen "aufgeschuldet". Die aktuellen Rückstände resultierten nur aus der Weigerung der Antragsgegnerin, seinen Lebensunterhalt zu zahlen. Im übrigen würde seine Mutter auch bei Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt gewähren, da sie kein Verständnis für seine Arbeitslosigkeit aufbringe. Für die Beschränkung der vorläufigen Zahlung auf ein Darlehen ab 18. Oktober 2010 gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Antragsteller hat klarstellend mitgeteilt, dass er nur Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin und insbesondere keine Unterkunftskosten geltend mache.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Akten des SG zu den Verfahren S 1 AS 1469/10 ER, S 1 AS 1875/10 ER und S 1 AS 61/11 sowie des LSG Baden-Württemberg zum Verfahren L 3 AS 3895/10 ER-B Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 des SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, obwohl die streitige Ablehnungsentscheidung auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützt ist. Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheides richtet sich allein danach, ob die dort normierten Tatbestandsmerkmale der mangelnden Mitwirkung gegeben sind und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Leistung vorliegen. In einem solchen Fall kommt in der Hauptsache allein eine isolierte Anfechtungsklage in Betracht, eine Leistungsklage wäre unzulässig (vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Diese Sperrwirkung des auf § 66 SGB I gestützten Bescheides darf jedoch nicht in den Bereich der vorläufigen Regelung des Leistungsverhältnisses durch einstweilige Anordnung übertragen werden, weil ein solches Ergebnis mit rechtstaatlichen Grundsätzen, insbesondere der Garantie effektiven gerichtlichen Rechtschutzes (Artikel 19 Abs. 4, 20 Grundgesetz) nicht zu vereinbaren wäre. Denn mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels würde der Antragsteller die begehrten Leistungen für den streitigen Zeitraum nicht erlangen können (vgl. Senatsbeschluss vom 18. September 2009 - L 12 AS 3633/09 ER-B - m.w.N.). Der Senat ist daher nicht daran gehindert, auch dann über das Bestehen eines Anordnungsanspruches - im Sinne des materiellen Anspruchs auf Sozialleistungen - zu entscheiden, wenn die Antragsgegnerin die Bewilligung mit einem auf § 66 SGB I gestützten Bescheid versagt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Bescheid - wie hier - noch nicht bestandskräftig ist und Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukommt (§ 86a Abs. 1 S. 1 SGG; vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. April 2010 - L 7 AS 304/10 ER-B - (juris), wonach § 39 Nr. 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung auf eine Leistungsversagung nach § 66 Abs. 1 SGB I keine Anwendung findet).
Der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164). Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist.
Die Beschwerde ist begründet, soweit der Antragsteller sich gegen die darlehensweise Gewährung der Leistungen wendet. Zunächst hat das SG zutreffend begründet, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des begehrten ALG II sowie die erforderliche Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht hat. Insoweit verweist der Senat auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses. Zu Unrecht hat das SG die Antragsgegnerin jedoch lediglich zu einer darlehensweisen Leistungsgewährung verpflichtet. Zwar werden die Leistungen auf Grundlage einer einstweiligen Anordnung nur vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückzahlung für den Fall, dass die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren obsiegt, erbracht. Jedoch erfordert die vorläufige Leistungserbringung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht eine Begrenzung auf eine darlehensweise Leistung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2005, L 8 AS 3441/05 ER-B). Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen des § 23 SGB II für Einräumung eines Darlehens nicht vorliegen und der Antragsteller ein Darlehen auch gar nicht beantragt hat, werden dadurch die Bestimmungen umgangen, die für eine Rückforderung der Leistung nach Aufhebung einer einstweiligen Anordnung gelten. Soweit die Antragsgegnerin in Ausführung der Entscheidung des SG dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat, werden die Bescheide, soweit sie nur die gerichtliche Entscheidung ausführen, gegenstandslos, wenn sich im Hauptsacheverfahren ergeben sollte, dass dem Antragsteller die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochenen Leistungen nicht zustehen. Damit wären die Leistungen rechtsgrundlos erbracht worden und könnten von der Antragsgegnerin unter entsprechender Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB X zurückgefordert werden (Schütze in von Wulffen, 7. Aufl. 2010, § 50 Rdnr. 21). Zudem führt die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur darlehensweisen Erbringung der Leistungen vorliegend dazu, dass dem Antragsteller der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz vorenthalten wird. Denn gem. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB XI besteht bei einer lediglich darlehensweisen Gewährung keine Versicherungspflicht durch den Bezug von ALG II. Da das menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 108/10 R; BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -), diese durch die gesetzlich angeordnete Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von ALG II gewährleistet wird und der erforderliche Gesundheitsschutz des Antragstellers nicht über eine vorrangige Familienversicherung sichergestellt ist, scheidet auch aus diesem Grund eine vorläufige Leistungsgewährung in Form einer Darlehens im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aus. Die Antragsgegnerin wird den Antragsteller in Ausführung dieses Beschlusses für die Zeit vom 18. Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 gem. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB XI zur Kranken- und Pflegeversicherung anzumelden haben.
Die Beschwerde ist ferner begründet, soweit das SG den Antragsgegner nur zur vorläufigen Leistungsgewährung bis zum 31. März 2011 verpflichtet hat. Nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sollen die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Dieser zeitliche Rahmen kann auch im einstweiligen Rechtschutzverfahren als Maßstab für eine zeitliche Begrenzung herangezogen werden, wobei eine längere Bewilligung als sechs Monate ab dem Datum der Beschlussfassung des Gerichts kaum in Betracht kommen dürfte, da Hilfebedürftigkeit für einen derart langen Zeitraum im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur in Ausnahmenfällen im Voraus wird festgestellt werden können. Dagegen kann es im Einzelfall sachgerecht sein, die Verpflichtung zur Leistungsgewährung nur für einen deutlich kürzeren Zeitraum auszusprechen. Damit wird sichergestellt, dass die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung in regelmäßigeren Abständen neu überprüft werden können. Der Senat betrachtet es im vorliegenden Fall als angemessen, die einstweilige Anordnung bis zum 31. Mai 2011 zu begrenzen, weil mittlerweile der vom SG geregelte Zeitraum abgelaufen ist, der Lebensunterhalt des Antragstellers nach wie vor nicht gesichert ist und das SG im Hauptsacheverfahren eine zügige Entscheidung in Aussicht gestellt hat.
Dagegen hat die Beschwerde keinen Erfolg, soweit der Antragsteller auch die vorläufige Gewährung von ALG II für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 17. Oktober 2010 geltend macht. Das SG hat zutreffend eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für die Vergangenheit, nämlich für die Zeit vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beim SG am 18. Oktober 2010, abgelehnt, da insoweit die erforderliche Eilbedürftigkeit fehlt. Vielmehr ist es dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Es ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Leistungsgewährung im oben genannten Zeitraum in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage des Antragstellers begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved