L 9 R 3208/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3208/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zur erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1960 geborene Kläger kam im Jahr 1970 aus Kroatien in die Bundesrepublik Deutschland und hat hier den Hauptschulabschluss erreicht, jedoch keinen Beruf erlernt. Von Juli 1977 bis April 1992 war er - mit Unterbrechungen - als Fahrer, Lagerarbeiter, Kassierer und Verkäufer versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog er vom 24.7.1992 bis 18.11.1998 Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Danach war er bis September 2002 selbstständig tätig (Vertrieb von Messebausystemen). Vom 9.9. bis 1.10.2002 übte er eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung bei Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug aus und vom 2.10. bis 8.11.2002 eine versicherungspflichtige Beschäftigung. Von März bis August 2003 arbeitete er in einem Supermarkt (Wareneingang, Getränkemarkt). Seit September 2003 bezog er Krankengeld, Arbeitslosengeld und seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Nach seinen Angaben war er von Ende 2005 bis Anfang 2006 vier Monate in einer Behindertenwerkstatt tätig, wo er Einstiegshilfen für Badewannen aus Plastik fertigte und im Mai 2007 eine Woche als Pflegehilfe in einem Altenheim. Im Jahr 2009 arbeitete er erneut drei Monate in der Behindertenwerkstatt und ist seit September 2010 dort wieder in Teilzeit (4 Stunden täglich) beschäftigt. Wegen der einzelnen versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 10.7.2007 verwiesen (Zeiten bis 31.12.2006).

Vom 18.11. bis 9.12.2003 absolvierte er ein Heilverfahren in der Reha-Klinik Ü. in I ... Die dortigen Ärzte diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 29.12.2003 beim Kläger chronisch rezidivierende Lendenwirbelsäulen-(LWS)-Beschwerden bei muskulärer Insuffizienz und degenerativen Veränderungen, eine längere depressive Reaktion sowie rezidivierende Schulter- und Nackenbeschwerden. Sie entließen den Kläger als arbeitsfähig und führten aus, als Lagerarbeiter und für Tätigkeiten in der Lagerverwaltung sei der Kläger sechs Stunden und mehr einsetzbar. Mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten.

Am 7.3.2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Rentenantrag lehnte die Beklagte wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab (Verfügung vom 18.3.2005).

Der Kläger wurde in der Zeit vom 10.5. bis 12.5., 25.7. bis 29.7. sowie vom 21.11. bis 25.11.2006 im Krankenhaus I. und vom 22.6. bis 11.8.2005 in der Sinova-Klinik B. S. wegen eines chronischen Schmerzsyndroms bei bekanntem Wirbelsäulenleiden (Bandscheibenvorfall L4/5 und L5/S1) mit reaktiver Depression und einem cervico-thorakalem Schmerzsyndrom behandelt (Arztbrief vom 17.8.2005).

Am 15.5.2007 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger vom Internisten Dr. L. untersuchen. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 9.7.2007 unter Mitberücksichtigung zahlreicher Arztbriefe folgende Diagnosen: Chronisches Schmerzsyndrom bei bekannten degenerativen Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen sowie MRT-gesichertem Bandscheibenvorfall L5/S1 (2006/2001), geminderte psychische Belastbarkeit bei leicht- bis mäßiggradig ausgeprägter Anpassungsstörung und vorbestehenden rezidivierenden depressiven Episoden, endgradiger Bewegungsschmerz im Bereich der linken Schulter bei Zustand nach arthroskopischer Dekompression und subacormialem Engpass-Syndrom, aktuell ohne wesentliche Einschränkung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter in der Warenannahme eines Supermarktes könne der Kläger nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne länger anhaltende Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne überdurchschnittlich gehäufte Überkopfarbeiten, ohne Zeitdruck, ohne erhöhte Anforderungen an die psychische Belastbarkeit sowie an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 10.7.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Hiergegen legte der Kläger am 7.8.2007 Widerspruch ein. Daraufhin holte die Beklagte einen Befundbericht bei der Neurochirurgischen Gemeinschaftspraxis Dr. H./Dr. A.-K. vom 2.11.2007 ein, die unter anderem den Entlassungsbericht der Fachklinik E. vom 11.10.2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 5.9. bis 3.10.2007 vorlegte. Die dortigen Ärzte schätzten das Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten auf drei bis unter sechs Stunden ein. Dr. L. führte dazu in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.11.2007 aus, die quantitative Leistungseinschränkung könne auf Grund der im Entlassungsbericht beschriebenen Befunde nicht nachvollzogen werden. Unter Berücksichtigung qualitativer Leistungsausschlüsse bestehe unverändert ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 6.2.2008 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 22.2.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, ärztliche Unterlagen aus dem Paralellverfahren S 6 SB 2058/07 wegen Feststellung von Behinderungen beigezogen und ein orthopädisches Gutachten eingeholt.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. hat unter dem 3.7.2008 mitgeteilt, dass im November 2007 lediglich eine Laborkontrolle durchgeführt worden sei. Bei einer erneuten Vorstellung am 19.5.2008 habe der Kläger berichtet, er habe alle Medikamente ausgeschlichen und leide nunmehr unter massiven Spannungskopfschmerzen. Nach Verordnung von Ibuprofen 800 mg Tabletten, Mikrowellenbestrahlung und Neuraltherapie mit Procain sei es zu einer Beschwerdebesserung gekommen. Bei einer Gesundheitsvorsorgeuntersuchung vom 29.5.2008 habe der Kläger chronische Nervosität und unveränderte Lumbalgien angegeben. Der Kläger befinde sich diesbezüglich in fachärztlicher Behandlung. Bei der Vorstellung vom 4.6.2008 habe der Kläger über zunehmende Wadenbeschwerden geklagt und die Wiederaufnahme der Therapie mit Amitriptylin begehrt. Der Neurologe und Psychiater Dr. St. hat am 26.6.2008 angegeben, seit seiner Zeugenaussage vom 13.9.2007 (abgegeben im Parallelverfahren S 6 SB 2058/07, die beigezogen worden ist, ebenso ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 19.7.2008) habe er den Kläger weder untersucht noch behandelt. Der Neurochirurg Dr. A-Kh. hat unter dem 13.11.2008 berichtet, der Kläger befinde sich seit dem 8.5.2006 in seiner Behandlung und sei zuletzt am 14.9.2008 in der Praxis gewesen. Der Kläger leide unter schweren funktionellen Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten, die zur psychovegetativen Erschöpfung mit schweren Depressionen geführt hätten, weswegen er bei Dr. St. in Behandlung sei. Außerdem klage er über eine starke Bewegungseinschränkung des Handgelenks. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung könne er drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Die gehörten Ärzte haben weitere, ihnen vorliegende Arztbriefe vorgelegt.

Der Arzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sozialmedizin Dr. K. hat im Gutachten vom 13.2.2009 folgende Diagnosen gestellt: • Chronisch rezidivierende Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L5/S1 links und Osteochondrose der Wirbelsäule, chronifiziertes Schmerzsyndrom der Wirbelsäule • Zervikalsyndrom bei Osteochondrose C3 bis C7 • Impingement-Syndrom linke Schulter bei degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette. Der Kläger sei noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig (8 Stunden täglich bei 5 Tagen pro Woche) zu verrichten. Tätigkeiten, die ausgiebige Drehbewegungen der Halswirbelsäule (z. B. Kraftfahrer) erfordern, die mit anhaltenden unphysiologischen Körperhaltungen, einseitigen Bewegungsabläufen oder mit ständigen Haltungskorrekturen im Stehen verbunden seien, die in der Horizontale oder darüber hinaus durchgeführt werden, müssten unterbleiben, ebenso Arbeiten unter Einfluss von Zugluft, Nässe und Kälte.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.5.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er noch leichte körperliche Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich verrichten könne. Das SG stütze seine Überzeugung insbesondere auf das Gutachten von Dr. K., das hinsichtlich der Leistungseinschätzung mit dem Gutachten von Dr. L. übereinstimme. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Er habe keine Berufsausbildung abgeschlossen. Die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter sei allenfalls als angelernte Tätigkeit des unteren Bereichs einzustufen, weswegen der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 4.6.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.6.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG habe nicht berücksichtigt, dass bei ihm eine Depression sowie ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen vorlägen, die die Erwerbsfähigkeit zusätzlich einschränkten. Das SG hätte deswegen ein Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet einholen müssen, um seine Leistungsfähigkeit ordnungsgemäß bewerten zu können.

Der Kläger hat u. a. Arztbriefe von Dr. A-Kh., dem Neurochirurgen Dr. Gitter, der Oberschwabenklinik vom 13.10. und 23.12.2009 (stationäre Behandlung vom 7.12. bis 23.12.2009) sowie vom 3.4.2010 (stationäre Behandlung vom 30.3. bis 3.4.2010 wegen einer Operation im HWS-Bereich), MRT-Berichte von Dr. Willemsen vom 4.2.2010 und den - bekannten - Befundbericht der Fachklinik E. vorgelegt.

Der Senat hat Dr. G. und Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört (Auskünfte vom August 2010) und ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. eingeholt.

Im Gutachten vom 27.12.2010 hat Prof. Dr. Dr. W. ausgeführt, beim Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: • Rezidivierende Wurzelreizsymptomatik S1 links bei degenerativen Veränderungen an der unteren LWS (Osteochondrosen mit Bandscheibenvorfall L5/S1 links) • Somatoforme Schmerzstörung • Chronisch-depressives Syndrom im Sinne einer Dysthymie • Leichtgradiges Zervikalsyndrom nach Operation der HWS wegen degenerativer Veränderungen. Der Kläger sei noch in der Lage überwiegend körperliche leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Wegen der wirbelsäulenbedingten Beschwerden seien Heben und Tragen schwerer Gegenstände über 7 kg, überwiegendes Stehen oder Sitzen, gleichförmige Körperhaltungen und häufiges Bücken zu vermeiden. Wegen des Zervikalsyndroms und der Bewegungseinschränkung der linken Schulter sollten Überkopfarbeiten unterbleiben. Die depressive Symptomatik führe dazu, dass Tätigkeiten in Akkord, am Fließband, mit erhöhter Verantwortung sowie Schicht- und Nachtarbeiten für den Kläger nicht geeignet seien.

Der Kläger hat danach Arztbriefe über eine MRT der LWS vom 13.1.2011 und eine Myelographie vom 8.3.2011 vorgelegt und geltend gemacht, er könne nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, da er bei seiner 15- bis 16-jährigen Tätigkeit im Einzelhandel bei Rewe als Abteilungsleiter und stellvertretender Marktleiter eingesetzt gewesen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Mai 2009 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des den Bescheides vom 10. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2008 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren, weiter hilfsweise eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. W. zum Arztbrief vom 8. März 2011 einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunkt zuließen. Sie hat beratungsärztliche Stellungnahmen von Dr. E-D., Dr. G. und Dr. J. zu den Akten gereicht. Ergänzend hat die Beklagte bei Vorlage der ärztlichen Stellungnahmen von Dr. J. vom 2.3.2011 und 8.4.2011 vorgetragen, der MRT-Befund vom 13.1.2011 zeige die bekannten Verschleißerscheinungen mit leicht-gradigem Bandscheibenvorfall L5/S1. Einen wesentlichen neuen Aspekt habe diese Untersuchung nicht erbracht. Eine leichte Tätigkeiten könne der Kläger mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Aus der Myelographie der LWS vom 8.3.2011 ergebe sich keine Verschlechterung der Befunde im LWS-Bereich und im Hinblick auf die Beurteilung des Leistungsvermögens kein neuer Aspekt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 43 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2.1.1961 geboren und berufsunfähig sowie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30.9.1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29.3.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.9.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.

Gibt ein Versicherter eine nach den o. g. Maßstäben höherwertige Tätigkeit auf, ohne dass hierfür gesundheitliche Gründe vorliegen, und wendet er sich einer anderen Tätigkeit zu, ist diese letztere Tätigkeit bzw. deren Bewertung im Mehrstufenschema Maßstab für die Zumutbarkeit einer sogenannten Verweisungstätigkeit.

Gemessen an den vorstehend aufgeführten Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Eine Erwerbsminderung der Kläger, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der zahlreich vorliegenden ärztlichen Unterlagen, den beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. E-D., Dr. G. und Dr. J., dem Gutachten von Dr. L. nebst ergänzender Stellungnahme und insbesondere dem orthopädischen Sachverständigengutachten von Dr. K. und dem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. W.

Der Kläger leidet nach den auf den oben genannten ärztlichen Unterlagen und den Angaben seiner behandelnden Ärzten beruhenden Feststellungen des Senats im Wesentlichen unter folgenden, seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen • Rezidivierende Wurzelreizsymptomatik S1 links bei degenerativen Veränderungen an der unteren LWS (Osteochondrosen mit Bandscheibenvorfall L5/S1 links) • Leichtgradiges Zervikalsyndrom nach Operation der HWS wegen degenerativer Veränderungen. • Impingement-Syndrom linke Schulter bei degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette • Somatoforme Schmerzstörung • Chronisch depressives Syndrom im Sinne einer Dysthymie. Aufgrund der wirbelsäulenbedingten Beschwerden und des Zervikal- und Impingement-Syndroms der linken Schulter kann der Kläger keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten über 7 kg, mit gleichförmiger Köperhaltung, mit überwiegendem Stehen oder Sitzen, mit häufigem Bücken sowie mit Überkopfarbeiten mehr verrichten. Wegen der depressiven Symptomatik sind dem Kläger Tätigkeiten im Akkord, am Fließband, mit erhöhter Verantwortung sowie Schicht- und Nachtarbeiten nicht mehr zumutbar. Die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen hindern der Kläger jedoch nicht daran, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der Beurteilungen des Gutachters Dr. L. sowie der Sachverständigen Dr. K. und Prof. Dr. Dr. W.

Soweit der Neurochirurg Dr. A-Kh. beim Kläger in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom November 2008 körperlich leichte Tätigkeiten lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich für möglich gehalten hat, ist diese Einschätzung durch die Beurteilung von Prof. Dr. Dr. W. widerlegt, der sämtliche ärztliche Unterlagen ausgewertet hat. So ist die emotionale Schwingungsfähigkeit beim Kläger erhalten, wenn bei ihm auch eine etwas vermehrte Reizbarkeit besteht. Es liegt weder eine relevante Antriebsstörung noch ein nennenswerter sozialer Rückzug vor. So geht der Kläger regelmäßig zur Arbeit im Stephanuswerk von 10.00 bis 15.00 Uhr, fährt in der Freizeit gerne Fahrrad (1 ½ bis 2 Stunden mit Genuss), war in der Lage, eine neue Beziehung aufzunehmen, besucht gelegentlich mit seiner Partnerin deren Kinder bzw. deren Verwandtschaft und verfügt über soziale Kontakte. Bezüglich der Einschätzung der Ärzte der Klinik E. hat schon Dr. L. nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich aus den dort erhobenen Befunden keine quantitative Leistungseinschränkung ableiten lässt. Diese Beurteilung ist durch die Sachverständigengutachten von Dr. K. und Prof. Dr. Dr. W. bestätigt worden.

Durch die vorgelegten Arztbrief über das MRT vom 13.1.2011 und die Myelographie vom 8.3.2011 ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, insbesondere keine Verschlechterung der Befunde an der LWS, wie Dr. J. für den Senat nachvollziehbar in den Stellungnahmen vom 2.3. und 8.4.2011 dargelegt hat. Die rezidivierende Wurzelreizsymptomatik bei degenerativen Veränderungen hat Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten schon berücksichtigt, so dass der Senat keine Notwendigkeit gesehen hat, eine ergänzende Stellungnahme bei ihm einzuholen.

Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm vorliegender Gesundheitsstörung noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, weswegen ihm Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zusteht.

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht dem Kläger - wie das SG zutreffend dargelegt hat - ebenfalls nicht zu, da er auf Grund seines beruflichen Werdegangs und seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerarbeiter allenfalls als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs (Anlernzeit bis ein Jahr) einzustufen und damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar verweisbar ist.

Soweit der Kläger zuletzt behauptet hat, er sei bei seiner 15- bis 16-jährigen Tätigkeit im Einzelhandel bei Rewe als Abteilungsleiter und stellvertretender Marktleiter eingesetzt gewesen, steht diese Behauptung im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben im Lebenslauf und ist auch mit den Versicherungsverlauf vom 10.7.2007 nicht in Einklang zu bringen. Danach war der Kläger von Juli 1977 bis April 1979 als Fahrer bei einer Wäscherei, von Juni 1979 bis April 1984 als Lagerarbeiter, von November 1984 bis August 1986 im Großraumpaletten-Bau für Flugzeugtransporte tätig. In der Zeit von Oktober 1986 bis März 1990 war der Kläger nach seinen Angaben im Lebenslauf bei C., H.-M. und R. als Kassierer, in der Kassenabrechnung und im Wareneingang beschäftigt. Da der Kläger in diesem Zeitraum lediglich vom 30.3.1987 bis 5.5.1987, 3.7.1989 bis 9.8.1989 und 2.1.1990 bis 31.3.1990, d.h. lediglich wenige Monate, Pflichtbeitragszeiten ausweislich des Versicherungsverlaufs von 10.7.2007 aufweist, gibt es keinerlei Anhaltspunkte und erst recht keinen Nachweis für eine qualifizierte Tätigkeit des Klägers bei den Einzelhandelsunternehmen bzw. bei Rewe. Bei Feinkost B. war der Kläger nach seinen eigenen Angaben von Oktober 1991 bis April 1992, d.h. wiederum nur wenige Monate, in der Warenpräsentation, Beratung und im Verkauf beschäftigt, ohne dass er eine Ausbildung zum Verkäufer absolviert oder ein längerfristiges Anlernverhältnis durchlaufen hätte. Von Mai 1992 bis November 1998 hat der Kläger nach seinen Angaben verschiedene Tätigkeiten im Bereich Lager und als Fahrer verrichtet. Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 10.7.2007 war er jedoch von Juli 1992 bis November 1998 arbeitslos bzw. hat Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz bezogen. Zuletzt war der Kläger nach seiner selbstständigen Tätigkeit als Lagerarbeiter (Lager, Wareneingang, Lagerverwaltung) beschäftigt. Insgesamt ist damit das gesamte Berufsleben des Klägers durch ungelernte und allenfalls angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs geprägt, so dass er sozial zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist. Da er entsprechende Tätigkeiten aus den oben genannten Gründen noch verrichten kann, ist er nicht berufsunfähig und hat deswegen keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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