L 8 U 5319/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2164/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5319/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Ereignisses als versicherter Arbeitsunfall streitig.

Die 1951 geborene Klägerin war als Altenpflegerin tätig. Am 13.03.2006 wollte sie den von ihr geschobenen Speisewagen über die Schwelle zwischen Fahrstuhl und Flur ziehen. Es traten starke Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) mit Auswirkungen in den Arm auf, weshalb der Essenswagen nicht über die Schwelle gezogen werden konnte.

Die Klägerin zeigte den Vorfall der Beklagten als Arbeitsunfall mit Formblatt der Unternehmer-Unfallanzeige unter dem 20.03.2006 an. Mit Schreiben vom 05.06.2007 erfolgte im Auftrag der Klägerin eine Unfallmeldung durch Dr. J. für den "13.02.2006", der unter Angaben der von ihm gestellten Diagnosen (u.a. HWS-Syndrom) auf die Erstbehandlung durch den Unfallarzt Dr. H. verwies. Die Beklagte holte die Auskunft von Dr. H. vom 19.06.2007 ein, der eine ambulante Behandlung der Klägerin am "13.03." und "27.03.2007" bestätigte, ein Arbeitsunfall sei ihm jedoch nicht bekannt.

Mit Bescheid vom 22.11.2007 stellte die Beklagte fest, das Ereignis vom 13.03.2006 sei kein Arbeitsunfall. Der am 13.03.2006 aufgetretene Gesundheitsschaden stehe nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Ein äußeres Ereignis liege nicht vor. Es habe sich um einen willentlich in Gang gesetzten von keiner Fehlgängigkeit unterbrochenen Bewegungsablauf gehandelt.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Vorliegend sei der Bandscheibenvorfall und die damit einhergehende Arbeitsunfähigkeit Folge des Ereignisses vom 13.03.2006. Nach dem Anheben des Speisewagens seien Schmerzen aufgetreten mit Taubheitsgefühl im linken Arm. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das willentliche Anheben eines Speisewagens sei kein geeignetes Unfallereignis für die aufgetretenen Schmerzen in HWS-Bereich. Das Verheben bei Personen mit gesunder Wirbelsäule sei nicht üblich. Muskulatur und Skelettsystem seien so aufeinander abgestimmt, dass ihr Zusammenwirken keine Schädigung bedingen könne.

Die Klägerin erhob am 30.06.2008 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim. Sie machte geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten seien auch körpereigene Bewegungen, wie vorliegend das Anheben des Speisewagens, auf den Körper von außen einwirkende Ereignisse, die den Unfallbegriff erfüllten. Vorgelegt wurden ärztliche Unterlagen (u.a. Befundbericht von Dr. H. vom 27.03.2006, Bericht der neurochirurgischen Ambulanz des Universitätsklinikums H. vom 26.04.2006, Bericht des Radiologen Dr. W. vom 06.04.2006 - Befund der Magnetresonanztomographie vom 05.04.2006 -). Die Beklagte verwies darauf, ein Erstschaden sei nicht dokumentiert. Die eingereichten Befunde zeigten keinen frischen Körperschaden.

Das Sozialgericht hörte schriftlich Dr. H. als sachverständigen Zeugen (Aussage vom 31.03.2009) und holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. C. vom 18.07.2009 und auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten von Dr. K. vom 21.06.2010 ein. Der Sachverständige Dr. C. verneinte einen Arbeitsunfall. Es sei davon auszugehen, dass der kernspintomographisch nachgewiesene cervikale Bandscheibenschaden aufgrund der vorhandenen Vorschädigung der Halswirbelsäule auch bei einer Verrichtung des täglichen Lebens zum etwa gleichen Zeitpunkt hätte eintreten können. Der Bandscheibenvorfall habe sich bei dem Ereignis am 13.03.2006 zwar manifestiert, sei hierdurch aber nicht ausgelöst worden. Demgegenüber ging der Sachverständige Dr. K. von einer richtunggebenden Verschlimmerung durch das angeschuldigte Ereignis aus.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht machte die Klägerin ergänzende Angaben zum Versuch, den Speisewagen aus dem Fahrstuhl zu bewegen. Mit Urteil vom 25.10.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Dr. C. , wonach eine physiologische Muskelanspannung allein nicht ausreiche, um eine gesunde Bandscheibe zu schädigen.

Hiergegen hat die Klägerin am 16.11.2010 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat zuletzt beantragt, von Prof. Dr. S. , Leiter der Gutachtensambulanz der Orthopädischen Universitätsklinik H. , nach § 109 SGG ein weiteres Gutachten einzuholen, denn dessen wissenschaftliche Kompetenz stehe außer Frage. Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25.10.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2008 aufzuheben und das Ereignis vom 13.03.2006 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit richterlicher Verfügung vom 29.03.2011 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

II

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat die Berufung durch Beschluss ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit richterlichen Verfügungen vom 29.03. und 07.04.2011 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und über die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Beschluss belehrt worden. Zudem haben sie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung eines Arbeitsunfalles.

Die Klage ist zulässig. Der Antrag der Klägerin, das Ereignis vom 13.03.2006 als Arbeitsunfall festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als Feststellungsklage zulässig. Nach dieser Vorschrift kann mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage unter anderem die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das Unfallversicherungsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Dieses Begehren ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Die Klägerin kann nicht nur verlangen, gegenwärtige Leistungspflichten der Beklagten aufgrund dieses Rechtsverhältnisses festzustellen, sondern auch darauf klagen, die Entschädigungsverpflichtung der Beklagten für einen drohenden künftigen Leistungsfall festzustellen (BSG Urt. vom 13.12.2005 - B 2 U 29/04 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 16). Vorliegend hat die Beklagte die Feststellung eines versicherten Unfalls mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt. Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und andauert.

Ein Feststellungsanspruch ist aber nicht begründet.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R-, SozR 4-2700 § 8 Nr 17, - B 2 U 40/05 R -, UV-Recht Aktuell 2006, 419-422 und - B 2 U 26/04 R -, SGb 2006, 420-421).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3 5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte haftungsbegründende Kausalität für die geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht vor, weshalb bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu verneinen ist. Der Senat lässt offen, ob die in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vorgenommene Bewertung zutrifft, es fehle an einem äußeren (Unfall-)Ereignis. Der Senat hat bereits entschieden, dass das Auftreten von Gesundheitsstörungen bei normaler Fortbewegung ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse nicht das Merkmal eines von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt (vgl. Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, Breithaupt 2010, 645; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 -, Juris). Ob vergleichbare Voraussetzungen zur Verneinung einer Einwirkung von außen bei dem hier streitigen Bewegungsablauf vorliegen, mag dahinstehen.

Jedenfalls wäre durch die betriebsbedingte Kraftanstrengung ein Gesundheits(erst)schaden nicht wesentlich verursacht worden. Eine substantielle Organschädigung, die durch eine unfallbedingte Krafteinwirkung hervorgerufen wurde, ist nicht nachgewiesen. Nach der überzeugenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. C. ist der im Kernspintomogramm vom 05.04.2006 nachgewiesene Bandscheibenprolaps bei C 6/7 nicht durch das Ereignis am 13.03.2006 verursacht worden, weil in dem MRT-Befund die unabdingbaren Begleitverletzung am Wirbelkörper, die bei einer traumatisch bedingten Bandscheibenverletzung zu erwarten sind, nicht vorgelegen haben. Dr. C. bezieht sich hierbei auf unfallmedizinisches Erfahrungswissen aus der von ihm zitierten Fachliteratur, was für den Senat überzeugend ist. Demgegenüber ist die von Dr. K. postulierte Verschlimmerung des auch von ihm angenommenen Vorschadens nicht überzeugend, wenn er den Anhebevorgang als wesentliche Mitursache für den erlittenen Bandscheibenvorfall ansieht. Mit dem Fehlen traumatisch bedingter Begleitverletzungen setzt sich Dr. K. nicht auseinander, obgleich er ebenfalls die von Dr. C. zitierte Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) zitiert. Nach seinen eigenen Darlegungen ist die von ihm vertretene Auffassung auch schon deshalb nicht überzeugend, weil er die für einen traumatisch bedingten Bandscheibenvorfall erforderlichen Bewegungen mit Scher-oder Rotationswirkung, Überbeugung, Überstreckung oder Zugbelastung nach der Fachliteratur anführt, aber eine damit nicht vereinbare Kompressionswirkung durch die Muskelkontraktion als Ursache des Bandscheibenvorfalls beschreibt. Zusammenfassend kann daher nur ein nicht näher spezifizierter, durch Unfalleinwirkung verursachter Gesundheitsschaden allein durch die aufgetretenen Schmerzen im Nacken und mit Auswirkungen in den linken Arm als belegt angesehen werden.

Hiervon ausgehend hat Dr. C. für den Senat überzeugend ausgeführt, dass mit einer physiologischen Muskelanspannung beim Anheben eines schweren Gegenstandes auch die cervikale und cervikobrachiale Muskulatur angespannt wird, was zur kompressiven Wirkung auf die Halsbandscheibe führen kann. Danach ist zwar nach der erforderlichen 2-stufigen Kausalitätsprüfung die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalität im Sinne der conditio sine qua non zu bejahen, weil es durch diese Muskelanspannung zur Dekompensation des bildgebend dokumentierten Vorschadens gekommen ist. Jedoch verneint der Senat aufgrund der überzeugenden Erläuterung der medizinischen Zusammenhänge durch Dr. C. , dass diese berufsbedingte Kraftanstrengung wesentliche Ursache der schmerzhaften Irritation von Gewebestrukturen der HWS war, für die darüber hinaus nach Dr. C. auch eine hiermit korrelierende, dauerhafte Schädigung nicht zu objektivieren war.

Für die dem Senat obliegende rechtliche Beurteilung, welche der in Betracht kommenden Faktoren wesentliche Mitursachen sind, geht der Senat davon aus, dass die beschriebene Vorschädigung der HWS der Klägerin so weit fortgeschritten war, dass die die fragliche Einwirkung nicht unersetzlicher Natur war, sondern jedes alltägliche Ereignis die Irritation der Gewebestrukturen im Sinne der Manifestation des Bandscheibenvorfalls auch hätte auslösen können.

Zum Zeitpunkt des angeschuldigten Vorganges lagen ausweislich des MRT-Befundes bereits relevante Verschleißänderungen der HWS vor, weshalb nach Dr. C. dem Ereignis keine oder allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zukam. Nach den Angaben der Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. C. hatte sie den Speisewagen nicht mit maximaler Kraftanstrengung, sondern allenfalls mit mittlerer oder "nicht sehr starker" Kraft zunächst im Stehen herangezogen und dann aus der Hocke heraus versucht, ihn anzuheben. Ein ruckartiges Anheben hat nicht stattgefunden. Diese Angaben legt der Senat seiner Beurteilung zu Grunde. Das Bestreiten der im Gutachten wiedergegebenen Schilderung zum tatsächlichen Kraftaufwand durch die Klägerin unmittelbar nach Eingang des Gutachtens von Dr. C. ist wenig glaubhaft, denn im Gutachten wird unter Wiedergabe von Einzelheiten, die nur aus der Kenntnis der Klägerin stammen konnten, der Vorgang teilweise mit wörtlichen Zitaten geschildert und außerdem dargelegt, dass der Sachverständige zum Bewegungsablauf und zum Kraftaufwand ausdrücklich nachgefragt hatte. Dies schließt zur Überzeugung des Senats ein Missverständnis der Erklärungen der Klägerin aus. Außerdem ist das Vorbringen der Klägerin nicht konstant, denn in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Klägerin hiervon abweichend nur das Heranziehen des Speisewagens an den oberen Griffen angegeben, worauf auch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil verweist.

Die durch diesen Hergang denkbare Belastung der HWS überstieg nicht eine Alltagsbelastung, weshalb dies den Rückschluss auf eine nicht dem Unfallversicherungsschutz unterfallende entsprechend stark ausgeprägte Vorschädigung zulässt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es nicht auf das äußere Geschehen (Sturz oder plötzlicher Stoß) an (st. Rspr. des Senats, vgl. Urteil des Senats vom 16.04.2010 a.a.O.; Urteil vom 07.08.2009 - L 8 U 5351/08 -, unveröffentlicht; so auch der 1. Senat des LSG Baden Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Maßgebend für die Beurteilung ist, ob das verletzte Organ unmittelbar einer Einwirkung ausgesetzt war, die die Alltagsbelastung übersteigt. In diesem Zusammenhang ist die Beurteilung des Sachverständigen Dr. C. für den Senat nachvollziehbar, dass beim Anheben eines schweren Gegenstandes die HWS weniger stark belastet wird, wie sich aus seiner Darlegung entnehmen lässt, dass bei einer solchen Aktion, insbesondere aus der Hockstellung heraus, eher eine Schädigung der am stärksten belasteten Lendenwirbelsäule zu erwarten wäre. Es leuchtet dem Senat unmittelbar ein, dass die beim Ziehen und Heben entstehende Drucklast des Tragegewichts von den Armen über das Achsenskelett an die unter der Schulter gelegenen Organstrukturen weitergeleitet wird und die darüber liegende HWS weniger betroffen ist. Demzufolge ist auch bei einer von der Klägerin selbst als allenfalls mittlere Kraftentwicklung eingeschätzten Kraftentfaltung der Armmuskulatur der allein über die nur mittelbar beteiligte cervikale und cervikobrachiale Muskulatur vermittelte Impuls auf die HWS nur geringgradig gewesen, was bei der vom Sachverständigen Dr. C. dargelegten leichten Ansprechbarkeit der HWS-Strukturen zu der nur durch Schmerzempfinden objektivierbaren Läsion der HWS geführt hatte. Sowohl der Ablauf der schädigenden Einwirkung als auch das nur geringfügige Ausmaß der hierdurch - angenommenen - eingetretenen Schädigung sind nach wertender Betrachtung nicht geeignet, eine die Alltagsbelastung überschreitende Kraftentfaltung zu begründen.

Soweit sowohl Dr. C. als auch Dr. K. rechtliche Ausführungen zum Vorliegen oder Nichtvorliegen einer äußeren Einwirkung im Sinne des Unfallbegriffs der gesetzlichen Unfallversicherung machen, ist dies nicht entscheidungserheblich und obliegt nicht dem medizinischen Sachverständigen. Die übrigen, hiervon unabhängigen Ausführungen von Dr. C. sind hierdurch nicht tangiert, weshalb der Senat sie seiner Entscheidung hat zugrundelegen können.

Der Senat hat aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. C. keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gesehen. Der mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 28.03.2011 beantragten weiteren Beweisaufnahme nach § 109 SGG hat der Senat nicht stattgegeben, denn es ist bereits das orthopädische Gutachten von Dr. K. auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholt worden. Das Antragsrecht ist damit verbraucht. Gründe, die eine grundsätzlich nicht gebotene wiederholende Begutachtung nach § 109 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 109 RdNr. 10b) rechtfertigen, sind nicht überzeugend vorgetragen. Weshalb ein weiteres orthopädisches Gutachten durch Prof. Dr. S. erforderlich ist, drängt sich dem Senat nicht auf. Soweit die Klägerin mit der methodischen Vorgehensweise oder den Schlussfolgerungen des von ihr ausgewählten Sachverständigen Dr. K. im Nachhinein nicht einverstanden ist, rechtfertigt dies letztlich nicht die wiederholende Begutachtung durch einen anderen Arzt. Streitentscheidende medizinische Fragen, die die wissenschaftliche Kompetenz des zuletzt genannten Arztes Prof. Dr. S. erfordern, sind nicht vorgetragen. Dazuhin waren vorrangig aus Sicht des Senats die Rechtsfragen zu klären, welches glaubhafte Vorbringen der Klägerin als Tatsache festzustellen ist und ob dies die Annahme einer wesentlichen Mitursache begründet. Eine medizinisch wissenschaftliche Sachkompetenz war nicht gefordert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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