L 1 KA 22/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 421/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KA 22/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. März 2007 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit von Arzneimittelregressen mit Blick auf die Verordnung des Medikaments LeukoNorm C.® (im Folgenden: LeukoNorm) für die Quartale II/2003, III/2003, IV/2003, I/2004 und II/2004.

Der Kläger hat seine medizinische Ausbildung in der Türkei absolviert und an der Universität I. im Bereich der Medizin promoviert ("TIP Dr. Univ. Ist."). Er nimmt als Facharzt für Frauenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung teil. Er hat sich auf die Reproduktionsmedizin spezialisiert und ist Gründer und Leiter des K.-Zentrums "K.". Der Kläger erbringt insbesondere ärztliche Leistungen in Form von IVF- und ICSI-Behandlungen.

Das Arzneimittel LeukoNorm der C. AG ist ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel in der Darreichungsform Trockensubstanz und Lösungsmittel. Es ist ein verschreibungspflichtiges Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung (Auflösung in isotonischer Natriumchloridlösung), die intramuskulär zu injizieren und vom Hersteller zur Anwendung bei Erwachsenen gedacht ist. Der Wirkstoff ist humanes Leukozyten-Ultrafiltrat, das aus den weißen Blutkörperchen gesunder Blutspender gewonnen wird. LeukoNorm wird als Immuntherapeutikum eingesetzt bei Erkrankungen der körpereigenen Abwehr. Durch LeukoNorm wird ein immunologischer Impuls gesetzt, der eine Normalisierung unzureichender oder überschießender immunologischer Reaktionen ermöglicht. Das Arzneimittel wird nach der Gebrauchsinformation des pharmazeutischen Unternehmers angewendet bei Erkrankungen, bei denen eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit der körpereigenen Abwehr (Immunsystem) nachgewiesen wurde oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten ist. Hierzu gehören nach der Gebrauchsinformation als sonstige Indikationen auch immunologisch bedingte habituelle Aborte und die Verbesserung der Ergebnisse bei immunologisch bedingten, mehrfachen, frustranen Behandlungszyklen bei künstlicher Befruchtung (IVF oder ICSI).

Das Arzneimittel war in der DDR entwickelt und dort 1986 zugelassen worden und aufgrund dieser Zulassung dort verkehrsfähig. Aufgrund des Einigungsvertrages vom 3. Oktober 1990 in Verbindung mit § 2 Nr. 2 und Anlage 3 Kapitel II Nr. 1 § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Überleitung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915) – eine dem § 105 des Arzneimittelgesetzes (AMG) vergleichbare Übergangsnorm – galt es als sog. DDR-Altarzneimittel auch im Gebiet der alten Bundesrepublik als zugelassen (sog. fiktive Zulassung) und war bei Stellung eines Verlängerungsantrags verkehrsfähig. Ein Wirksamkeitsnachweis nach den Regeln des AMG liegt einer fiktiven Zulassung nicht zugrunde. Eine Arzneimittelzulassung nach §§ 21 und 25 AMG liegt mit ihr nicht vor. Erst mit der Verlängerung des Arzneimittels – vgl. § 4 Abs. 2 der oben genannten Verordnung und § 105 AMG – ist die Prüfung der Wirksamkeit nach dem AMG abgeschlossen und hat das Arzneimittel eine Zulassung nach dem geltenden AMG. Ein Antrag auf Verlängerung der – fiktiven – Zulassung (sog. Nachzulassung) war im Juni 1991 durch die C. AG gestellt worden. Bei LeukoNorm handelte es sich danach um ein Arzneimittel im Nachzulassungsverfahren, ohne dass der Nachzulassungsantrag in den streitbefangenen Quartalen abschließend bearbeitet war, und das bis zum Abschluss dieses Verfahrens arzneimittelrechtlich weiter in den Verkehr gebracht werden durfte, ohne dass dem eine Entscheidung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts über seine Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrunde lag. Mit Änderungsanzeige vom 4. Februar 2003 meldete der Hersteller als weiteres Indikationsbeispiel einer Erkrankung, bei der eine eingeschränkte Funktion des Immunsystems entweder nachgewiesen wurde oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden kann, die Anwendung zur Verbesserung der Ergebnisse bei immunologisch bedingten, mehrfachen, frustranen IVF- oder ICSI-Behandlungszyklen nach. Durch Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts vom 22. Dezember 2006 ist die vom Hersteller C. AG für das Arzneimittel LeukoNorm beantragte Nachzulassung abgelehnt worden, weil die Wirksamkeit des Arzneimittels in keiner der beantragten Indikationen in einer wissenschaftlich fundierten Weise nachgewiesen worden sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage des Herstellers hat das Verwaltungsgericht Darmstadt durch Urteil vom 16. Dezember 2010 abgewiesen.

Am 20. Mai 2003 verordnete der Kläger der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten S. K1 und am 12. September 2003 der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten S1 D. das Arzneimittel LeukoNorm. Am 30. Oktober 2003 und 25. November 2003 verordnete der Kläger der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten B. A., am 13. November 2003 der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten E. T., am 28. November 2003 der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten S2 S3, am 16. Dezember 2003 der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten A1 S4 und am 29. Dezember 2003 der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten A2 B1 das Arzneimittel LeukoNorm. Am 29. April 2004 verordnete der Kläger der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten G. I1 und am 10. Mai 2004 der bei der Beigeladenen zu 1 versicherten B. A. das Arzneimittel LeukoNorm.

Mit am 31. März 2004 eingegangenem Schreiben vom 29. März 2004 beantragte die Beigeladene zu 1 beim Prüfungsausschuss der Beigeladenen zu 2 für die Quartale II/2003 und III/2003, mit am 15. Juni 2004 eingegangenem Schreiben vom 7. Juni 2004 für das Quartal IV/2003 und mit am 8. November 2004 eingegangenem Schreiben vom 3. November 2004 für die Quartale I/2004 und II/2004 – wobei die Verordnungen allein das Quartal II/2004 betreffen – die Prüfung der Verordnungsweise im Einzelfall. Anlass hierfür war jeweils die Verordnung des Medikaments LeukoNorm durch den Kläger. Dieses sei zwar wegen fiktiver Altzulassung aus DDR-Zeiten verkehrsfähig, doch sei der Nachzulassungsantrag nicht abschließend bearbeitet, handele es sich deshalb nicht um eine echte Zulassung und sei der Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gegenüber der zuständigen Bundesbehörde nicht erbracht. Die Verordnung stehe daher nicht in Einklang mit Nr. 13 der Arzneimittel-Richtlinien.

Der Prüfungsausschuss bei der Beigeladenen zu 2 hörte den Kläger zur Prüfung der Verordnungsweise in besonderen Fällen an. Der Kläger trug vor, dass es sich bei dem Arzneimittel LeukoNorm im Zeitpunkt der Verordnungen um ein nach § 105 AMG fiktiv zugelassenes Arzneimittel gehandelt habe, welches sich rechtmäßig unter anderem zur Verbesserung der Ergebnisse bei immunologisch bedingten, mehrfachen, frustranen IVF- oder ICSI-Behandlungszyklen im Verkehr befunden habe. In allen streitigen Behandlungsfällen sei das Medikament innerhalb der zugelassenen Indikation und nachdem alle anderen therapeutischen Maßnahmen fehlgeschlagen gewesen seien, verordnet worden. Jeweils habe wegen zuvor gescheiterter Behandlungszyklen davon ausgegangen werden können, dass eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Immunsystems vorgelegen habe. Der Kläger verwies auf die Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juni 2003 (S 11 KR 736/03 ER) und die abweichende Praxis anderer Prüfgremien.

Auf der Grundlage der Prüfberichte setzte der Prüfungsausschuss Regresse aufgrund Prüfung der Verordnungsweise in besonderen Fällen durch Beschlüsse vom 14. Dezember 2005, zur Post aufgegeben am 29. Dezember 2005, für die Quartale II/2003, III/2003 und IV/2003 und durch Beschluss vom 3. Mai 2006, zur Post aufgegeben am 16. Mai 2006, für die Quartale I/2004 und II/2004 wie beantragt in Höhe der Nettokosten der Verordnungen (d. h. abzüglich Zuzahlungen und Rabatten) in einer Gesamthöhe von 18.666,24 EUR fest. Der Einsatz des Arzneimittels LeukoNorm im Rahmen einer IVF-Behandlung sei von der ohnehin nur fiktiven Zulassung schon nicht umfasst. Auch habe es in Anwendung der "Wobe Mugos E"-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) an der Verordnungsfähigkeit gefehlt.

Der Kläger legte hiergegen am 11. Januar 2006 und am 13. Juni 2006 jeweils fristgerecht Widerspruch ein. Er trug unter anderem vor, die Verordnungen seien innerhalb des dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut nachgemeldeten Indikationsbeispiels zur Verbesserung der Ergebnisse bei immunologisch bedingten, mehrfachen, frustranen IVF- oder ICSI-Behandlungszyklen erfolgt.

Durch Beschlüsse vom 17. Mai 2006 für die Quartale II/2003 und III/2003 sowie IV/2003 und durch Beschluss vom 27. September 2006 für die Quartale I/2004 und II/2004 wies der Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung zum einen die teilweise Nichtübereinstimmung der Verordnungen mit den Richtlinien über künstliche Befruchtung an, und zum anderen, dass LeukoNorm arzneimittelrechtlich ein sog. Altpräparat sei, das seine Verkehrsfähigkeit dem Übergangsrecht des AMG 1976 verdanke und dessen Status sich nicht auf eine arzneimittelrechtliche Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gründe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) begründe die Verkehrsfähigkeit eines Medikaments allein noch keinen Anspruch auf Versorgung mit diesem Mittel. Dieser Anspruch setze vielmehr voraus, dass es zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne gebe, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sei. Derartige Belege gäbe es für LeukoNorm nicht. Dementsprechend dürfe der Arzt diese Leistung nicht bewirken und die Kasse sie nicht bewilligen.

Hiergegen hat der Kläger jeweils fristgerecht Klage erhoben und unter anderem vorgetragen, das Arzneimittel LeukoNorm habe sich im Verordnungszeitpunkt ordnungsgemäß im gesetzlich vorgegebenen Nachzulassungsverfahren befunden, weshalb die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den "Wobe Mugos E"-Fällen vorliegend auch nicht einschlägig sei. Selbst wenn man dies anders sähe, dürfe diese überraschende Rechtsprechung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht rückwirkend auf den Fall des Klägers Anwendung finden. Zudem habe er das Arzneimittel indikationsgerecht eingesetzt. Bei den behandelten Patientinnen seien vorherige IVF- bzw. ICSI-Behandlungszyklen erfolglos geblieben und habe von einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit des Immunsystems ausgegangen werden müssen. Zum Beleg hierfür hat er auf Aufforderung des Sozialgerichts nähere Angaben zu den Behandlungsfällen gemacht und die Patientenakten sowie ein Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. vom 25. Januar 2001 vorgelegt. Die Richtlinien über künstliche Befruchtung mit ihren einschränkenden Regelungen fänden vorliegend keine Anwendung, weil die Verordnungen von LeukoNorm wegen der einschränkten Funktionsfähigkeit des Immunsystems und nur im Zusammenhang mit Maßnahmen der künstlichen Befruchtung erfolgt seien. Der Kläger hat zur Untermauerung seines Vortrags unter anderem auf die Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juni 2003 (S 11 KR 736/03 ER) und auf Schreiben des Paul-Ehrlich-Instituts hingewiesen.

Der Beklagte hat auf die völlig unzureichenden Darlegungen zu den konkreten Behandlungsfällen hingewiesen, aus denen sich das Vorliegen einer in der fiktiven Zulassung genannten Indikation nicht ergebe, und unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 (B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) die fehlende Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat die Verfahren S 3 KA 421/06 (Quartale II/2003 und III/2003), S 3 KA 422/06 (Quartal IV/2003) und S 3 KA 525/06 (Quartale I/2004 und II/2004) im Termin am 28. März 2007 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 3 KA 421/06 verbunden und die Klage durch Urteil vom 28. März 2007 abgewiesen. Rechtsgrundlage der Regresse sei § 106 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 20 Abs. 1 der Prüfungsvereinbarung zwischen der beigeladenen und weiteren Hamburger Krankenkassen und der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg vom 3. Februar 1994 in der Fassung vom 21. Juni 1999. Danach werde auf Antrag einer Krankenkasse unter anderem geprüft, ob ein Arzt durch Verordnung von Arzneimitteln im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregeln verstoßen habe. Die hierbei zu beachtenden Bagatellgrenzen und Prüffristen seien eingehalten worden. Die Festsetzung eines Regresses bei Feststellung eines Verstoßes stehe im Ermessen. Der Beklagte sei danach berechtigt gewesen, die Verordnung von LeukoNorm in den streitigen Quartalen mit Regressen zu ahnden. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 27. September 2005 zum Altpräparat Wobe Mugos E (B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) in einem Kostenerstattungsstreit herausgestellt, dass die bloße arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit noch keinen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch begründe. Die Konsequenzen dieser Entscheidung für den ein Altpräparat verordnenden Vertragsarzt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V seien zwar umstritten. Während der Beklagte die Auffassung vertrete, dass auch für Quartale vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts der Vertragsarzt bei nachträglich festgestellter fehlender Verordnungsfähigkeit einem Arzneimittelregress ausgesetzt sein müsse, habe die Kammer in ihren Entscheidungen vom 18. Oktober 2006 (S 3 KA 200/05, S 3 KA 11/06 und S 3 KA 26/06) die Auffassung vertreten, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes jedenfalls die Quartale vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts von einem Regress ausgenommen sein müssten, weil der Vertragsarzt aus der arzneimittelrechtlichen Verkehrsfähigkeit in den streitigen Fällen auf eine Verordnungsfähigkeit habe schließen dürfen. Ob diese Kammerrechtsprechung auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden sei, könne jedoch offen bleiben. Denn es fehle bei den hier streitigen Verordnungen anders als in den entschiedenen Fällen bereits an einem dokumentierten Nachweis, dass sich der Kläger überhaupt im Rahmen der zugelassenen Indikation bewegt habe. Zwar werde LeukoNorm immer dann indikationsgerecht eingesetzt, wenn eine Erkrankung vorgelegen habe, bei der eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Immunsystems nachgewiesen worden oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten gewesen sei, seien die vom Hersteller aufgeführten konkreten Krankheitsbilder nur als Beispiele genannt und seien andere Erkrankungen, die infolge einer eingeschränkten Funktion des Immunsystems auftreten können, nicht ausgeschlossen. Dies sei auch die Auffassung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts gewesen. Der LeukoNorm verordnende Arzt müsse aber ein mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschränktes Immunsystem grundsätzlich aus seiner ärztlichen Dokumentation erkennen lassen. Idealerweise geschehe dies durch eine labormedizinische Untersuchung, im Einzelfall könne auch eine dahingehende Anamnese genügen. Grundsätzlich aber müsse sich der Befund eines eingeschränkten Immunsystems in der Behandlungsdokumentation wiederfinden, um eine Rechtfertigung für die Verordnung des Medikaments zu besitzen. Derartige Feststellungen fänden sich in den vom Kläger übersandten Krankenunterlagen komplett nicht. Und auch aus den auf Anfrage des Gerichts nachträglich gefertigten Übersichten habe die Kammer eine Einschränkung des Immunsystems nicht dergestalt nachzuvollziehen vermocht, dass es geboten gewesen wäre, ein entsprechendes Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Da es damit aber an einem Nachweis eines indikationsgerechten Einsatzes von LeukoNorm fehle, seien die Regresse schon aus diesem Grund nicht zu beanstanden gewesen.

Gegen das am 1. August 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. August 2007 Berufung eingelegt. Mit ihr hat er unter anderem vorgetragen, er wende sich gegen die Feststellung im angefochtenen Urteil, aus den Krankenunterlagen ergebe sich nicht, dass eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Immunsystems nachgewiesen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten gewesen sei und deshalb die LeukoNorm-Verordnungen indikationsgerecht gewesen sein könnten. Der Kläger hat mit der Berufungsbegründung für die streitigen Behandlungsfälle die vollständige Behandlungs-, Verordnungs- und Diagnosehistorie überreicht. Aus dieser ergebe sich jeweils die Befundlage zum eingeschränkten Immunsystem und sei die Richtigkeit und Zulässigkeit der klägerischen Behandlungsweise nachvollziehbar nachgewiesen. In allen Fällen seien die nötigen diagnostischen, unter anderem auch immunologischen, Untersuchungen durchgeführt worden und habe sich aus ihnen am Ende als ultima ratio eine LeukoNorm-Indikation ergeben. Zur Frage der Verordnungsfähigkeit des Medikaments hat der Kläger zunächst auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen. Mit Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 (B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3), durch das für Arzneimittel im Nachzulassungsverfahren das Fehlen der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit festgestellt worden sei, hat er geltend gemacht, aus Gründen des Vertrauensschutzes könne diese Entscheidung keine Auswirkungen auf solche Verschreibungen haben, die zeitlich vor dem Urteil erfolgt seien, da der Kläger als Vertragsarzt aus der arzneimittelrechtlichen Verkehrsfähigkeit auf die Verordnungsfähigkeit des Arzneimittels habe schließen dürfen. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 6. Mai 2009 (B 6 KA 3/08 R, MedR 2010, 276). Hinsichtlich LeukoNorm habe zum Zeitpunkt der hier streitigen Verordnungen auf einen langen Zeitraum zurückgeblickt werden können, während dessen das Arzneimittel in täglicher Verwendung gewesen sei und durchaus seinen therapeutischen Erfolg im Einzelfall belegt haben würde. Es habe in der DDR das Zulassungsverfahren durchlaufen und sei dort ein gebräuchliches Medikament gewesen, was die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Wiedervereinigungsprozesses gegen sich gelten lassen müsse. Das Arzneimittel habe insoweit auch seinen Nutzen in Qualität, Wirtschaftlichkeit und Unbedenklichkeit belegt; neben der Verkehrsfähigkeit habe daher auch Verordnungsfähigkeit vorgelegen. Eben hierin liege auch der Unterschied zu den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen. Ausweislich der vorgelegten Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 5. Juli 2007 und des BKK Bundesverbandes vom 2. Juli 2007 sei die Ärzteschaft zudem erst zu diesem Zeitpunkt über den die Nachzulassung ablehnenden Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts vom 22. Dezember 2006 und damit den Stand der Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm informiert worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. März 2007 und die Beschlüsse des Beklagten vom 17. Mai 2006 (P 56/06 und P 58/06) und vom 27. September 2006 (P 390/06) aufzuheben, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. März 2007 und die Beschlüsse des Beklagten vom 17. Mai 2006 und vom 27. September 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Widersprüche des Klägers betreffend die Quartale II/2003, III/2003, IV/2003, I/2004 und II/2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Regresse seien bereits deshalb berechtigt gewesen, weil LeukoNorm grundsätzlich zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht hätte verordnet werden dürfen. Dies folge bereits aus Nr. 1 der Arzneimittel-Richtlinien, wonach der Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem AMG verkehrsfähigen Arzneimitteln habe, sofern sie nicht aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien oder soweit sie nicht nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wie es in den Richtlinien konkretisiert sei, nur eingeschränkt verordnet werden könnten. Ergänzend sei in Nr. 13 der Arzneimittel-Richtlinien bestimmt, dass der Vertragsarzt Arzneimittel mit nicht ausreichend gesichertem therapeutischem Nutzen nicht verordnen dürfe. Therapeutischer Nutzen setze eine Nutzen-Risiko-Abwägung mit günstigem Ergebnis voraus; er bestehe in einem nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation. Diesen Anforderungen habe die Verordnung von LeukoNorm nicht genügt. Dem stehe nicht entgegen, dass das Arzneimittel zum Zeitpunkt der Verordnungen das Nachzulassungsverfahren durchlaufen habe und insoweit nach dem AMG vorläufig als verkehrsfähig anzusehen gewesen sei. Ein laufendes Nachzulassungsverfahren berechtige noch nicht zur Verordnung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Allein der Umstand, dass ein Nachzulassungsverfahren erforderlich gewesen sei, zeige, dass die Unbedenklichkeit nach den vom AMG aufgestellten Anforderungen noch nicht abschließend geklärt gewesen sei. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 27. September 2005 (B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) festgestellt, dass eine allein die Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels betreffende arzneimittelrechtliche Entscheidung im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung noch keinen Anspruch auf Versorgung mit diesem Arzneimittel begründe. Vielmehr müsse im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits zum Zeitpunkt der Behandlung zweifelsfrei geklärt sein, ob die erhofften Vorteile einer Therapie die möglicherweise zu befürchtenden Nachteile überwögen. Danach könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass LeukoNorm als nur vorübergehend nach dem AMG verkehrsfähiges Arzneimittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig gewesen sei. Die geforderte Nutzen-Risiko-Abwägung habe eben gerade noch nicht stattgefunden. Der therapeutische Nutzen sei zum Zeitpunkt der Verordnungen im Sinne von Nr. 13 der Arzneimittel-Richtlinien nicht ausreichend gesichert gewesen. Die Einhaltung der Richtlinien sei notwendig und stellten diese auch für den Vertragsarzt verbindliches Recht dar. Die Pflicht zur Einhaltung der Richtlinien bestehe auch unabhängig von Vertrauensschutz¬erwägungen. Im Übrigen werde auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts verwiesen. Das Vorliegen der vom Kläger genannten Indikation einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit des Immunsystems, für die das Arzneimittel eingesetzt worden sein soll, sei weder nachgewiesen noch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten gewesen. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe an keiner Stelle nachvollziehbar das Vorliegen einer Immunstörung hervor. Der Beklagte hat insoweit auf eine Auswertung der medizinischen Daten und die Stellungnahme von Dr. H. Bezug genommen. Danach lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen, dass eine Störung des Immunsystems vorgelegen habe; auch seien die Gründe, warum eine LeukoNorm-Therapie durchgeführt worden sei, aus der Dokumentation des Klägers nicht zu entnehmen. Allerdings sei die Frage, ob der Kläger sich im Rahmen der genannten Indikation bewegt habe, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht entscheidungserheblich. Entscheidend bleibe, dass LeukoNorm zwar verkehrsfähig, jedoch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnungsfähig gewesen sei und die Urteile des Bundessozialgerichts zu "Wobe Mugos E" Geltung auch für die in den Quartalen vor der Entscheidung vom 27. September 2005 vorgenommenen LeukoNorm-Verordnungen hätten.

Die beigeladene Krankenkasse hat dahin Stellung genommen, dass es zu keinem Zeitpunkt einen strikten Zusammenhang zwischen arzneirechtlicher Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei schon immer eine echte Zulassungsprüfung (Durchlaufen des Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit) erforderlich gewesen, um die Verordnungsfähigkeit zu begründen. Für einen Vertrauensschutz dahingehend, dass die Verkehrsfähigkeit auch die Verordnungsfähigkeit zur Folge gehabt habe, sei deshalb erforderlich, dass Nachweise vorgelegt würden, weshalb der Kläger geglaubt habe, auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen zu dürfen. Auch sei LeukoNorm nur zugelassen zur Behandlung einer Erkrankung, bei der eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Immunsystems nachgewiesen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten sei. Der Kläger aber habe LeukoNorm verordnet, um die Schwangerschaftsrate im Rahmen einer IVF- bzw. ICSI-Behandlung zu erhöhen. Eine künstliche Befruchtung diene jedoch nicht der Behandlung einer Erkrankung. Im Übrigen fehlten in der Behandlungsdokumentation auch Nachweise, dass eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Immunsystems bei den Patientinnen vorgelegen habe. Und zudem fehle es an Studien, die belegten, dass LeukoNorm die Schwangerschaftsrate bei IVF- bzw. ICSI-Behandlungen tatsächlich erhöhen könne.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Prüfakten des Beklagten (10 Bände), der Akten des Sozialgerichts Hamburg zu den Aktenzeichen S 3 KA 200/05, S 3 KA 27/06, S 3 KA 28/06, S 3 KA 29/06, S 3 KA 30/06, S 3 KA 418/06, S 3 KA 419/06, S 3 KA 420/06, S 3 KA 422/06, S 3 KA 423/06, S 3 KA 424/06, S 3 KA 525/06, der Akten des Sozial- und Landessozialgerichts Hamburg zu den Aktenzeichen S 3 KA 11/06 = L 2 KA 15/07, S 3 KA 58/06 = L 2 KA 16/07, S 3 KA 26/06 = L 2 KA 17/07, S 3 KA 69/05 = L 1 KA 21/07 und S 3 KA 416/06 = L 1 KA 23/07 sowie der Patientenakten mit Auszügen der medizinischen Daten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nur die Beschlüsse des Beklagten, nicht auch des Prüfungsausschusses. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig (BSG 19.6.1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 35; BSG 14.5.1997 – 6 RKa 63/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 39; BSG 28.6.2000 – B 6 KA 36/98 R, juris).

Rechtsgrundlage der streitbefangenen Arzneikostenregresse ist § 106 Abs. 2 SGB V (in der Fassung des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes vom 19.12.2001, BGBl. I S. 3773, die in den Quartalen II/2003 bis IV/2003 galt, und in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl. I S. 2190, die in den Quartalen I/2004 und II/2004 galt). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder im Rahmen von Auffälligkeitsprüfungen und bzw. oder auf der Grundlage von Stichproben in Zufälligkeitsprüfungen geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (BSG 27.6.2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17).

In Ausfüllung dieser Ermächtigung haben die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hamburg und die Hamburger Krankenkassenverbände die ab 1. Januar 1994 geltende Prüfungsvereinbarung vom 3. Februar 1994 geschlossen, welche in der hier maßgeblichen Fassung des 3. Nachtrags vom 21. Juni 1999 in § 20 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass auf Antrag unter anderem einer Krankenkasse oder ihres Verbandes auch geprüft wird, ob ein Arzt durch Verordnung insbesondere von Arzneimitteln, von Heilmitteln, von Hilfsmitteln, von Krankenhausbehandlung, Veranlassung von Auftragsleistungen oder bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Anträge wegen einzelner Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel sind danach nur zulässig, wenn die Nettokosten der beanstandeten Mittel insgesamt mehr als 50 DM betragen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Prüfungsvereinbarung). Ferner muss der Antrag dem Prüfungsausschuss innerhalb einer Frist von neun Monaten nach Abschluss des Quartals vorliegen, in dem der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen vermutet wird (§ 20 Abs. 1 Satz 3 Prüfungsvereinbarung).

Einzelfallprüfungen der Behandlungsweise (§ 19 Prüfungsvereinbarung) und – wie hier – der Verordnungsweise (§ 20 Prüfungsvereinbarung) sind nach dem Bundessozialgericht insbesondere dann sachgerecht – und ihre Auswahl als Prüfmethode daher rechtmäßig –, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (BSG 27.6.2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17; zuletzt BSG 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R).

Bei der vorliegenden Streitigkeit über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von Arzneimittelverordnungen handelt es sich auch um einen Fall des § 106 SGB V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 des Bundesmantelvertrags-Ärzte. Denn jeweils steht ein Fehler der Verordnung selbst in Frage, wie dies bei Verstößen gegen die Arzneimittel-Richtlinien bzw. bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel und auch bei Verordnungen außerhalb der nach dem AMG erteilten Zulassung der Fall ist (BSG 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, mit weiteren Nachweisen).

Das Verfahren der Prüfung ist in § 106 Abs. 5 SGB V geregelt. Danach entscheiden die Prüfgremien, ob der Vertragsarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Nach § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V sollen dabei gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsvereinbarung kann der Prüfungsausschuss einen Regress festsetzen, soweit er feststellt, dass der Arzt im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Die Höhe des Regresses richtet sich nach dem tatsächlich festgestellten oder dem geschätzten Mehraufwand (§ 20 Abs. 3 Satz 2 Prüfungsvereinbarung).

Für die Prüfung, ob Arzneimittelverordnungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen haben, bedarf es der Zusammenschau von Arzneimittelrecht und Krankenversicherungsrecht.

Die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 31 SGB V setzt voraus, dass dieses vor seiner Anwendung anerkannt worden ist.

Für Fertigarzneimittel richtet sich diese Anerkennung nach dem Arzneimittelrecht. Fertigarzneimittel sind nach § 4 Abs. 1 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.

Ein Fertigarzneimittel muss im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG eine deutsche Arzneimittelzulassung oder eine europäische Arzneimittelzulassung erlangt haben. Für diese Anerkennung müssen – neben weiteren Voraussetzungen – Eignung und Unbedenklichkeit fundiert belegt sein; aus den zugrunde gelegten Studien muss sich eine Aussicht auf einen Behandlungserfolg und die Verträglichkeit der Nebenwirkungen und Risiken ergeben (zuletzt BSG 8.12.2010 – B 6 KA 38/10 B, unter Hinweis auf BSG 28.2.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, fehlt es an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist. Der Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler Arzneimittelsicherheit gebietet, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel im Sinne von § 1 AMG, d. h. die Einhaltung der Mindestsicherheits- und Qualitätsstandards, in einem dafür vorgesehenen fundierten Verfahren nachgewiesen worden sind. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde (BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung).

Verfügt ein Arzneimittel aufgrund von Übergangs- oder Verfahrensrecht über einen arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus, aufgrund dessen es arzneimittelrechtlich vorläufig in den Verkehr gebracht werden darf, folgt hieraus noch nicht automatisch die krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit. Diese setzt nach den spezifischen Kriterien des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vielmehr voraus, dass sich die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit auf eine arzneimittelrechtliche fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels im Sinne von § 1 AMG gründet und nicht allein auf arzneimittelrechtliches Übergangs- und Verfahrensrecht (BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3).

Die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit bewirkt danach nicht automatisch die krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit. Denn eine rechtsgebietsübergreifende Bindung in dem Sinne, dass all dasjenige, was arzneimittelrechtlich zulässig ist, zwingend auch zur krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht der Krankenkassen führen müsste, ist gesetzlich nicht angeordnet worden. Die Bindungswirkung von Entscheidungen aufgrund des Arzneimittelrechts bezieht sich allein auf die arzneimittelrechtliche Beurteilung der Rechtslage. Ausgeschlossen ist es demgegenüber nicht, sondern prägend und typisch, dass das Krankenversicherungsrecht zusätzliche, über das Arzneimittelrecht hinausgehende Anspruchsvoraussetzungen für die Pflicht zur Leistungsgewährung aufstellt. Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die gesetzliche Krankenversicherung immer nur ein "Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis" dar und ist nur "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt. Entscheidungen nach dem AMG sind deshalb zwar auch im Rahmen des SGB V "zu berücksichtigen", aus ihnen lässt sich jedoch nicht eine umfassende Bindung für das Krankenversicherungsrecht herleiten (so ausdrücklich BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3).

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln setzt mithin nach dem SGB V mehr voraus als die bloße Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nach dem Arzneimittelrecht. Insbesondere mit Rücksicht auf die einschränkenden Kriterien der § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V gilt, dass nicht alles, was arzneimittelrechtlich erlaubt und statthaft ist, auch zur Leistungspflicht unter dem Blickwinkel des Krankenversicherungsrechts führt. Dies erhellt schon aus der Existenz eigener gesetzlicher Leistungskonkretisierungen und -be-schränkungen (z. B. § 2, § 12 Abs. 1, § 31, §§ 34 bis 35a, § 84 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 2 SGB V) und den diese ausfüllenden untergesetzlichen Regelungen (insbesondere Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Der Versorgungsanspruch eines Versicherten umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass die Arzneimitteltherapie bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll und ggf. herkömmlichen Arzneimitteln vorzuziehen sei. Zu Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels muss es vielmehr grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlung mit ihm in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nur wenn im Arzneimittelzulassungsverfahren in ähnlicher Weise wie im Überprüfungsverfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 SGB V für Behandlungsmethoden eine fundierte Prüfung des Arzneimittels auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit stattgefunden hat und somit die erfolgreiche Anwendung des Arzneimittels anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist und dementsprechend für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden ist, ist es in diesem Umfang auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V. Nur in solchen Fällen ist also mit der Zulassung und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit im Sinne des AMG zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben. Das Bundessozialgericht hat dies wiederholt zum Ausdruck gebracht und der Senat folgt dieser Rechtsprechung (BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3, unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung; BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; BSG 3.2.2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).

Diese Restriktionen gelten zumal, wenn die Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels nur auf einer übergangsrechtlichen Position beruht, nach der es ohne hinreichend gesicherte Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weiterhin in den Verkehr gebracht werden darf. Danach kann es für den Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach § 31 Abs. 1 SGB V nicht genügen, dass der arzneimittelrechtliche Status nur aus der Inanspruchnahme einer bloßen übergangsrechtlichen Position resultiert, ohne dass eine eingehende arzneimittelrechtliche Prüfung mit einem für den Hersteller positiven Ergebnis stattgefunden hat. Denn selbst arzneimittelrechtlich handelt es sich in dieser Situation nicht um einen gesicherten Status, sondern um einen unklaren, weil nicht endgültig behobenen zulassungsrechtlichen Schwebezustand, ohne dass eine arzneimittelrechtliche Prüfung positiv das Vorliegen der Kriterien für eine Zulassung im Sinne von § 1 AMG ergeben hatte, und der durch eine Entscheidung im Nachzulassungsverfahren jederzeit beseitigt werden kann (vgl. BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3). Stellt man in Rechnung, dass im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits zum Zeitpunkt der Behandlung zweifelsfrei geklärt sein muss, ob die erhofften Vorteile einer Therapie die möglicherweise zu befürchtenden Nachteile überwiegen, würde die Anerkennung der Leistungspflicht für im Nachzulassungsverfahren befindliche, aber dort im Leistungszeitpunkt nicht positiv beurteilte Alt-Arzneimittel darauf hinauslaufen, den Krankenkassen die Kosten einer grundsätzlich ausgeschlossenen Therapie aufzuerlegen. Das aber steht im Gegensatz zu Sinn und Zweck der Regelungen über die Wirtschaftlichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 und § 12 SGB V und zum Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V (vgl. BSG, a. a. O.).

Das Bundessozialgericht hat diese Sichtweise des Ineinandergreifens von arzneimittelrechtlichem Zulassungsrecht und krankenversicherungsrechtlichem Leistungsrecht zudem in ständiger Rechtsprechung nicht nur auf die leistungsrechtliche Seite beschränkt. Mit Blick auf das Leistungserbringungsrecht und im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Arzneimittelverordnungen und mit Arzneimittelregressen wegen unwirtschaftlicher Verordnung nach § 106 SGB V hat es vielmehr betont, ein strikter Zusammenhang zwischen arzneimittelrechtlicher Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung "hat niemals bestanden" (so ausdrücklich BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, Rn. 30). Auch dieser Rechtsprechung folgt der Senat.

Für eine Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit fehlt daher die Grundlage dann, wenn der Zulassung keine oder eine strukturell nur unzureichende Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrunde liegt. Soweit ein Arzneimittel ohne Durchlaufen des Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit aufgrund Übergangsrechts die Zulassung behält oder diese verlängert wird, fehlt es an den inhaltlichen Merkmalen, die es rechtfertigen können, die Arzneimittelzulassung als ausreichend auch für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu akzeptieren (BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3; BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21).

Fehlt die Verordnungsfähigkeit und wird das Arzneimittel dennoch verordnet, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben und dem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Das Bundessozialgericht hat auch wiederholt ausgesprochen, dass bei Fehlen der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels ein sog. Basismangel vorliegt, in dem eine vorgängige Beratung im Regelfall nicht erforderlich ist, und hieraus gefolgert, dass die Auferlegung nur einer Beratung statt der Festsetzung eines Regresses keine ausreichende Sanktion wäre. Nach dieser Rechtsprechung dürfen die Prüfgremien im Falle einer widerrechtlichen und systemwidrigen Behandlungsweise dem Arzt nicht die Früchte daraus belassen. In Fällen des Fehlens der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels ist das Ermessen, das die Ermächtigung des § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V bei der Auswahl einräumt, welche Maßnahmen zu treffen sind, mithin darauf reduziert, dass die Prüfgremien die im Vergleich zur bloßen Beratung belastendere Sanktion eines Regresses wählen müssen und Ermessen nur noch bei der Festlegung der Höhe des Regresses haben. Diese Einengung des Ermessens betrifft Fälle, die schwer wiegen und in denen deshalb eine Beratung keine ausreichend schwere Sanktion darstellt. In allen übrigen besteht indessen regelmäßig das durch § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V eingeräumte Ermessen in vollem Umfang (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; zuletzt BSG 8.12.2010 – B 6 KA 38/10 B, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung).

In Anwendung dieser Rechtsprechung sind die vorliegend streitigen Einzelfallprüfungen und festgesetzten Arzneimittelregresse wegen Unwirtschaftlichkeit weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden.

Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Prüfgremien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in mehrfacher Hinsicht Beurteilungs-, Schätzungs- und Ermessensspielräume haben, die dazu führen, dass die Prüfbescheide im Hinblick auf das Erfordernis fachkundiger Beurteilung der zugrunde liegenden Gegebenheiten nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Diese beschränkt sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit hin geprüft werden können, im Bescheid genannt werden oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (vgl. BSG 30.11.1994 – 6 RKa 16/93, SozR 3-2500 § 106 Nr. 25). Diesen Anforderungen genügen die durchgeführten Verfahren und ihr Ergebnis.

Zu Recht ist der Beklagte von der Zulässigkeit der Prüfbegehren ausgegangen. Die beigeladene Krankenkasse hat jeweils im Rahmen des ihr eingeräumten Antragsrechts, unter Beachtung der Bagatellgrenzenregelung und unter Einhaltung der Neunmonatsfrist zulässigerweise die Prüfung der streitigen Verordnungen beantragt.

Zutreffend ist der Beklagte auch davon ausgegangen, dass das Verordnungsverhalten des Klägers in Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot stand. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger ein Arzneimittel zulasten der beigeladenen Krankenkasse verordnet hat, welches im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden durfte.

Bei LeukoNorm handelt es sich um ein Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG. Es erfüllte im Zeitpunkt der streitbefangenen Verordnungen nicht die spezifischen Anforderungen an ein zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähiges Arzneimittel. Denn es bot nicht die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse.

Zwar durfte LeukoNorm im Zeitpunkt der Verordnungen arzneimittelrechtlich in den Verkehr gebracht werden. Das beruhte jedoch darauf, dass dies das Übergangsrecht im Zusammenhang mit dem Einigungsvertrag so vorsah. Dieses Übergangsrechts mit Zulassungsfiktion und Nachzulassungs-Status bedurfte es, um für in der DDR zugelassene Arzneimittel bis zum Ablauf des Übergangszeitraums sicherzustellen, dass diese bis zur Erteilung einer Zulassung nach dem AMG weiterhin zum Verkehr zugelassen sind. Während des Übergangszeitraums sollten diese Arzneimittel nach den Kriterien des AMG überprüft werden und an dessem Ende nur die Arzneimittel zugelassen sein, die den Kriterien des AMG genügen. Diese arzneimittelrechtliche Übergangsregelung, nach der die erfassten Arzneimittel als zugelassen galten, begünstigte Arzneimittelhersteller, denen es hierdurch ermöglicht wurde, die Arzneimittel während des Nachzulassungsverfahrens weiterhin in den Verkehr zu bringen.

Die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit von LeukoNorm im Zeitpunkt der Verordnungen beruhte also auf arzneimittelrechtlichem Übergangsrecht, nicht aber auf einer fundierten arzneimittelrechtlichen Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels, für die eine Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen ist (dazu BSG 3.2.2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26). Aus dieser Übergangsregelung zur arzneimittelrechtlichen Verkehrsfähigkeit ist aber nicht ohne Weiteres der Schluss auf eine auch nur übergangsweise bestehende krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V erlaubt.

Denn zum einen ist der Schluss von der arzneimittelrechtlichen Verkehrsfähigkeit auf die krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit ohnehin unzulässig. Zum anderen war zwar im Arzneimittelrecht – wie dargestellt – ein übergangsweiser Bestandsschutz des Verkehrs mit in der DDR zugelassenen Arzneimitteln geschaffen worden, hatte das SGB V aber keinen solchen oder vergleichbaren Bestandsschutz von DDR-Altarzneimitteln geschaffen, sondern an der Geltung seiner schärferen Anspruchsvoraussetzungen uneingeschränkt festgehalten. Die vorläufige arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit bewirkte danach nicht die krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm, weil die Verkehrsfähigkeit nur auf einer übergangsrechtlichen Position beruhte, nach der es ohne hinreichend gesicherte Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weiterhin in den Verkehr gebracht werden durfte.

Zwar betreffen, worauf der Kläger mehrfach hingewiesen hat, die Wobe Mugos E-Entscheidungen des Bundessozialgericht (BSG 27.9.2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3; BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21), in der die hier angewendeten Maßstäbe explizit niederlegt sind, tatsächlich eine andere als die hier vorliegende Fallkonstellation. Dort beruhte die vorläufige Verkehrsfähigkeit eines Alt-Arzneimittels auf der aufschiebenden Wirkung der Klageerhebung eines Arzneimittelherstellers gegen die abschlägige Entscheidung der zuständigen Behörde über die beantragte Verlängerung der Arzneimittelzulassung im Nachzulassungsverfahren und der damit einhergehenden verfahrensrechtlichen Position, es als Alt-Arzneimittel ohne hinreichend gesicherte Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weiterhin in Verkehr bringen zu dürfen. Hier beruhte sie auf der übergangsrechtlichen Position im laufenden Nachzulassungsverfahren. Das aber hindert nicht die Übertragung der vom Bundessozialgericht allgemein formulierten Maßstäbe auf die vorliegende Konstellation. Denn in beiden Fällen bestand ein Schwebezustand zugunsten eines Arzneimittelherstellers, der bewirkte, dass die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit erhalten blieb. Und für beide Fälle gilt, dass diese vorläufige Verkehrsfähigkeit nach Arzneimittelrecht nicht automatisch die Verordnungsfähigkeit nach den spezifischen Kriterien des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V begründete. Zudem hat das Bundessozialgericht in Anwendung seiner allgemein formulierten Maßstäbe auch deutlich gemacht, dass für eine Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf eine Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung "insbesondere" dann eine Rechtfertigung fehlt, wenn die Zulassung bzw. die Verlängerung der Zulassung eines Arzneimittels ausdrücklich abgelehnt wurde und dieses lediglich deshalb weiterhin verkehrsfähig im Sinne des AMG war, weil die Verlängerungsversagung mangels Anordnung der Vollziehung noch nicht vollzogen wurde (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, Rn. 22). Dies zeigt, dass die Subsumtion des vom Bundessozialgericht entschiedenen konkreten Falles unter die allgemeinen Maßstäbe nicht die Subsumtion auch anderer Fälle unter diese Maßstäbe ausschließt. Entscheidend bleibt, dass auch vorliegend das Arzneimittel LeukoNorm im Zeitpunkt der streitbefangenen Verordnungen nicht das Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen hatte und die in der DDR erteilte Zulassung nur aufgrund Übergangsrechts im Rahmen des Einigungsvertrages behielt.

Die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von LeukoNorm in den streitbefangenen Quartalen waren also deshalb nicht zulässig, weil dieses Arzneimittel in diesen Quartalen nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden durfte. Weder bestand eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

Fehlt aber die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (so ausdrücklich BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, Rn. 25). Dementsprechend sah der Beklagte die streitbefangenen Verordnungen von LeukoNorm zu Recht als unwirtschaftlich an. Da dem Kläger eine unwirtschaftliche Verordnungsweise und deshalb ein sog. Basismangel anzulasten war, war gegen ihn der vom Beklagten festgesetzte Regress berechtigt. Schon dies trägt die Entscheidungen des Beklagten, ohne dass es insoweit auf die weiteren in ihnen oder vom Sozialgericht angestellten Erwägungen noch entscheidend ankäme.

Eine Beratung musste der Festsetzung des Regresses vorliegend nicht vorangehen. Das Erfordernis vorgängiger Beratung stellt nach § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V nur eine "Soll"-Vorgabe dar, die entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt, denn es kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden. Dies gilt auch bei Regressen aufgrund von Einzelfallprüfungen, wenn schon die Verordnungsfähigkeit fehlt ("Basismangel" im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, BSG, 3.2.2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).

Auf ein Verschulden oder das Erfordernis eines Erkennenkönnens der fehlenden Verordnungsfähigkeit kommt es vorliegend nicht an. Ob der Kläger die Verordnungen gutgläubig vornahm, ist rechtlich ohne Bedeutung. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Verordnungsregressen im Rahmen des Rechtsinstituts der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V nicht (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung).

Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass hier die fehlende Verordnungsfähigkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung im jeweiligen Verordnungszeitpunkt offenkundig und für jeden Vertragsarzt erkennbar war. Zwar gab es Stimmen in der medizinischen Wissenschaft, welche die Gabe von LeukoNorm im Rahmen der IVF- bzw. ICSI-Behandlung befürworteten. Dies belegt etwa die vom Kläger im Prüf- und Klageverfahren mehrfach vorgelegte Veröffentlichung von Würfel/Fiedler/Krüssmann/Smolka/von Hertwig zur "Verbesserung der Behandlungsergebnisse durch LeukoNorm Cytochemia® bei Patientinnen mit mehrfachen, frustranen IVF- oder ICSI-Behandlungszyklen" im Zentralblatt für Gynäkologie 2001, 361. Bereits dieser Veröffentlichung ist aber zu entnehmen, dass die LeukoNorm-Gabe sich nicht auf hinreichende Belege aus validen Studien stützen konnte. Denn die dort berichteten Studien waren die ersten publizierten überhaupt, zeichneten sich durch ein geringes Patientengut aus (Studie 1 mit zehn und Studie 2 mit 30 Patientinnen; Studie 3 mit 20 Patientinnen dauerte noch an) und waren nicht placebokontrolliert. Schließlich wird auf das Erfordernis weiterer Studien auch in dieser vom Kläger selbst in das Verfahren eingeführten Veröffentlichung hingewiesen, da sich bislang nur eine gewisse Tendenz habe erkennen lassen, wonach LeukoNorm einen positiven Einfluss auf die behandelten Patientinnen besitze. Zudem fand diese Veröffentlichung bereits früh in einem redaktionellen Beitrag in der Zeitschrift arznei-telegramm 2002, 23, deutliche Kritik. Denn die von Würfel et. al. vorgestellte Studie, die die einzige aufzufindende kontrollierte Studie sei, sei wegen methodischer Mängel, wie Pseudorandomisierung, fehlende Fallzahlberechnung und fehlende statistische Auswertung, ohne Aussagekraft.

Die Teil des den Vertragsarzt bindenden Vertragswerks bildenden Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien) bestimmten demgegenüber in den streitbefangenen Quartalen insoweit in Abschnitt D. (Allgemeine Verordnungsmöglichkeiten auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3, §§ 12, 70 SGB V), dass für die Verordnung von Arzneimitteln der therapeutische Nutzen gewichtiger ist als die Kosten (Nr. 12) und der Vertragsarzt Arzneimittel mit nicht ausreichend gesichertem therapeutischen Nutzen nicht verordnen darf (Nr. 13). Therapeutischer Nutzen setzte nach Nr. 13 eine Nutzen-Risiko-Abwägung mit günstigem Ergebnis voraus. Er war definiert mit einem nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation.

Allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse aber entsprach der Einsatz von LeukoNorm im Rahmen der IVF- bzw. ICSI-Behandlung schon ausweislich der genannten, vom Kläger selbst vorgelegten Veröffentlichung gerade nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem mehrfach in das Verfahren eingeführten Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juni 2003 (S 11 KR 736/03 ER) und den ebenfalls mehrfach eingeführten Entscheidungen anderer Prüfgremien. Zwar heißt es dort, LeukoNorm sei verkehrsfähig und könne deshalb zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Jedoch ist schon mit Blick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. Juli 1998 (B 1 KR 19/96 R, SozR 3-2500 § 31 Nr. 5) fraglich gewesen, ob diese Sicht seinerzeit rechtlich zutreffend war. Spätestens nachdem das Bundessozialgericht seine im Urteil vom 23. Juli 1998 begründete Rechtsprechung zu den Arzneitherapien durch die Entscheidung vom 28. März 2000 (B 1 KR 11/98 R, SozR 3-2500 § 135 Nr. 14, Rn. 16) bestätigt hatte, konnte kein Vertragsarzt mit Blick auf die Arzneimittel-Richtlinien mehr davon ausgehen, dass LeukoNorm ohne Weiteres in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig ist. Jedenfalls seither hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Verordnungen mit Blick auf nicht aufgrund arzneimittelrechtlicher Prüfungen von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugelassener Arzneimittel ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden (vgl. zur Situation bei Off-Label-Use-Verordnungen BSG 5.5.2010 – B 6 KA 6/09 R, juris).

In einer solchen Situation war der Vertragsarzt gehalten, bei den für ihn zuständigen vertragsärztlichen Prüfgremien anzufragen oder eine Vorab-Prüfung der betroffenen Krankenkasse zu veranlassen, ob die Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen kann. Keinesfalls reichte hierfür die vom Kläger vorgelegte Information des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e. V. an seine Mitglieder, nach dem Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juni 2003 sei die Verordnung von LeukoNorm innerhalb der zugelassenen Indikationen auch in der vertragsärztlichen Versorgung rechtens. Alternativ hätte den Patientinnen auch ein Privatrezept ausgestellt und es diesen überlassen werden können, sich bei ihrer Krankenkasse um Kostenerstattung zu bemühen. Durch die Ausstellung der Verordnungen zulasten der beigeladenen Krankenkasse und die Einlösung der Rezepte aber war die Krankenkasse auf den Regress verwiesen. Denn wenn ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in solchen Fällen die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird, und übernimmt er in einem solchen Fall das Risiko, dass im Nachhinein eine Leistungspflicht der Krankenkasse verneint wird (vgl. BSG v. 31.05.2006 – B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557; BSG 5.5.2010 – B 6 KA 6/09 R, juris; zuletzt BSG 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R).

Zu einer Ermessensausübung durch den Beklagten im Sinne der Prüfung, ob ein Regress festgesetzt wird oder unterbleiben kann, war bei den Verordnungsregressen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V mithin kein Raum. Denn weil die Frage der Unwirtschaftlichkeit einer Verordnungsweise regelmäßig nur bejaht oder verneint werden kann, kommt insoweit allein die Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Höhe des Regresses im Sinne eines Kürzungsermessens in Betracht. Doch ist vorliegend kein Grund ersichtlich, mit den Regressen lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen. Das kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, z. B. im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sog. Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und bzw. oder bei einer Anfängerpraxis, evtl. auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; BSG 3.2.2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).

Vertrauensschutz steht dem Kläger nicht zur Seite. Es hat eben nicht erst das Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts vom 27. September 2005 den Zusammenhang zwischen arzneimittelrechtlicher Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung relativiert und so Zweifel an der Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm begründen können. Vielmehr hat ein strikter Zusammenhang zwischen arzneimittelrechtlicher Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung niemals bestanden (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Der Kläger hat dafür, dass er auf einen solchen Zusammenhang habe vertrauen dürfen und vertraut habe, auch keine entsprechenden schriftlichen Verlautbarungen der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung oder der für ihn zuständigen vertragsärztlichen Prüfgremien oder der beigeladenen Krankenkasse anführen können. Zudem ergibt sich schon aus dem Sinngefüge des SGB V, dass nur solche Behandlungen und Verordnungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gestattet sind, bei denen aufgrund eingehender Prüfung die Gewähr von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit besteht. In diesem Sinne haben auch bereits vor den hier streitbefangenen Quartalen Gerichte entschieden, auch zweitinstanzlich, so z. B. das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einem Urteil von 1998 unter Anwendung der vom Bundessozialgericht formulierten Grundsätze (BSG 23.7.1998 – B 1 KR 19/96 R, SozR 3-2500 § 31 Nr. 5) in einem konkreten Fall (LSG Rheinland-Pfalz 22.10.1998 – L 5 K 22/97, juris). Zwar war diese Rechtsprechung nicht einhellig (vgl. dazu BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, Rn. 30). Bei einer solchen Lage, in der unterschiedliche Ansichten vertreten wurden, gab es aber keine tragfähige Grundlage für die Bildung eines Vertrauenstatbestandes in dem vom Kläger geltend gemachten Sinn. Von vornherein als belastbare Vertrauensgrundlage nicht in Betracht kam das Schreiben des Herstellers von LeukoNorm, der C. AG, in dem dieser dem Kläger garantierte, "dass Sie bei der Verordnung von LeukoNorm C.® im Rahmen der zugelassenen Indikation und der Fachinformation keine Nachteile haben werden." Der Hersteller ist gewiss nicht der, der dem Vertragsarzt Garantien zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung geben kann. Und auch der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e. V., der ein Interessenverband ist, konnte mit seinen Auskünften, auf die der Kläger hingewiesen hat, nicht einen zu beachtenden Vertrauensschutztatbestand begründen. Wollte der Kläger sich Gewissheit verschaffen, hätte er sich vor den Verordnungen an die für ihn zuständigen Prüfgremien und die betroffene Krankenkasse wenden müssen; dann auch wäre schnell deutlich geworden, dass dort die Frage der Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm anders gesehen wurde.

Inwieweit nach der bereits vorstehend umfänglich vorgenommenen Prüfung noch Raum für eine Heranziehung auch des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann, hat das Bundessozialgericht offen gelassen (BSG 5.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Selbst wenn man hierfür aber Raum sähe, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger führen. Denn mit LeukoNorm ist ein Arzneimittel betroffen, bei dem Zweifel an der Verordnungsfähigkeit auf der Hand lagen, besaß es doch nur eine fiktive Zulassung, ohne dass eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren stattgefunden hatte, war dem Arzneimittel auch nach jahrelangem Nachzulassungsverfahren im Zeitpunkt seiner Verordnung durch den Kläger noch keine Zulassung nach dem AMG erteilt worden und war die Studienlage zu seiner Anwendung bei immunologisch bedingten, mehrfachen, frustranen IVF- oder ICSI-Behandlungen ausgesprochen dünn. Dass es mit Blick auf LeukoNorm bundesweit eine uneinheitliche Praxis der Prüfgremien und auch gerichtliche Entscheidungen gab, die seine Verordnungsfähigkeit annahmen (SG Freiburg 16.6.2003 – S 11 KR 736/03 ER), führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der gegenüber dem Kläger festgesetzten Regresse. Denn dieser Gesichtspunkt hat Eingang bereits in die Vertrauensschutzprüfung gefunden.

Schließlich ist ein dem Kläger günstigeres Ergebnis auch nicht mit Blick auf die Grundsätze des Off-Label-Use und des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) veranlasst. Ein die Indikationen der fiktiven Zulassung überschreitender Einsatz des Arzneimittels steht vorliegend nicht im Raum, sondern will der Kläger das Arzneimittel ja gerade indikationsgerecht verordnet haben. Nur liegt der Fehlschluss von der Verkehrsfähigkeit auf die Verordnungsfähigkeit vor. Und um lebensbedrohliche Erkrankungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ging es vorliegend mit der vorgetragenen Behandlung von Immunstörungen zur Unterstützung künstlicher Befruchtungen auch von vornherein nicht.

Die Regresse waren in Höhe des der beigeladenen Krankenkasse entstandenen Schadens festzusetzen. Denn der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrektem Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen (BSG 5.5.2010 – B 6 KA 6/09 R, juris). Mängel insoweit sind nicht ersichtlich. Jeweils hat der Beklagte zu berücksichtigende Rabatte und Patienteneigenanteile abgezogen und nur die Nettobeträge festgesetzt. Eine Kürzung der Regresse im Ermessenswege war gegenüber dem Kläger, der nicht eine Anfängerpraxis, sondern ein seit Jahren eingeführtes Kinderwunschzentrum betrieb, nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und hat der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil diese keinen eigenen Antrag gestellt haben (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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