L 5 AS 15/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 61 AS 48/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 15/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. März 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger beantragte am 18. November 2005 Leistungen nach dem SGB II. Er ist Komplementär und Kommanditist mit einem Anteil von 99,5 % der K. KG, seine Mutter ist Kommanditistin mit einem Anteil von 0,5 %. Der Kläger war in der Familientradition zunächst als selbständiger Handelsvertreter tätig. Seit etwa 1995 aber kamen die Einkünfte aus diesem Bereich praktisch vollständig zum Erliegen und auch nach einem Branchenwechsel in die Energie- und Umweltbranche sind den Angaben des Klägers zufolge bis heute keine nennenswerten Einkünfte erzielt worden. Die Einnahmen der KG speisen sich danach allein aus den Vermietungserträgen der Immobilie E.-Straße in Hamburg, die im Eigentum der KG bzw. des Klägers und seiner Mutter steht und 1.400 qm Grundstücksfläche sowie 480 qm Wohnfläche aufweist. Der Kläger ist verfügungsberechtigt über die Immobilie und würde einen Verkaufserlös ohne weiteres vereinnahmen können. Er bewohnt hier eine 160 qm-Wohnung; daneben bestehen Wohneinheiten für die Mutter, das Büro der KG sowie für Vermietungszwecke. Die Mieteinnahmen schwanken; die Wohnungen sind nicht durchgehend vermietet. Nach Angaben des Klägers ist der Verkehrswert der Immobilie mit etwa EUR 800.000,- zu veranschlagen; das ist nach Auffassung des Senats aus eigener Kenntnis der Marktverhältnisse ein jederzeit leicht zu erzielender Preis.

Am 23. Oktober 2006 erhob der Kläger Untätigkeitsklage (S 61 AS 2132/06) und strengte zudem ein Eilverfahren vor dem Sozialgericht (S 61 AS 2131/06 ER) an. Das Eilverfahren blieb erfolglos; mit Beschluss vom 1. November 2006 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Blick auf das Vermögen des Klägers (Lebensversicherung, Hausgrundstück) ab. Die Beschwerde blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Mit Bescheid vom 3. November 2006 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2006 zurückgewiesen.

Am 5. Januar 2007 hat der Kläger dagegen Klage erhoben unter der Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und eine Einnahmen-/Ausgabenübersicht der Firma und der Kommanditisten vorgelegt. Darauf wird verwiesen.

Nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags durch Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Januar 2007 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Februar 2007, eingegangen am 21. Februar 2007, erklärt, die Klage sei als unbedingt erhoben zu verstehen.

Das Sozialgericht wies die Klage nach Anhörung durch Gerichtsbescheid vom 5. März 2007 ab. Die Klage sei unzulässig, weil sie unter einer Bedingung erhoben worden sei. Der Schriftsatz vom 20. Februar 2007 sei nicht mehr innerhalb der Klagefrist eingegangen.

Dagegen hat der Kläger am 27. März 2007 Berufung eingelegt und erneut Einnahmen- und Ausgabenübersichten der Firma vorgelegt. Weiter macht der Kläger geltend, er sei ohnehin durch die Trennung von Ehefrau und Kindern in den 80/90er Jahren ungerechtfertigt belastet. Das Ansinnen, die Immobilie zu verkaufen, würde nun auch noch das Familienvermögen, das über Generationen durch ehrbares kaufmännisches Geschick aufgebaut worden sei, zerschlagen und seinen Kindern entziehen. Er erwarte im Übrigen, dass seine berufliche Tätigkeit zu Einkünften führen müsse, die ihm erlauben würden, das Haus aus eigener Kraft zu halten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Hamburg vom 5. März 2007 und der Bescheide vom 3. November 2006 und 6. Dezember 2006 den Beklagten zur verurteilen, Leistungen nach dem SGB II ab dem 21. November 2005 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist den Kläger auf den Verkauf des von ihm bewohnten Hausgrundstücks.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2010 hat das Gericht das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG – auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Das Gericht hat am 7. April 2011 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte, die Leistungsakte des Beklagten, die Akten des Landessozialgerichts L 5 B 569/06 ER AS und L 5 AS 51/10 nebst Prozesskostenhilfeakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats waren.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Zwar ist die Klage zulässig, da dem Kläger hinsichtlich der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG zu gewähren ist. Er hat nämlich schuldlos die Klagefrist versäumt, indem er zunächst lediglich einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe stellte – die Klage war mit einer Bedingung versehen und daher unzulässig. Nach der Entscheidung des Sozialgerichts über diesen Antrag hat er innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG) Klage erhoben (vgl. dazu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 67 Rn. 7b).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen nach dem SGB II, weil es bereits an seiner Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II fehlt. Hilfebedürftigkeit liegt nämlich u.a. nicht vor, wenn der Lebensunterhalt aus dem eigenen Vermögen gesichert werden kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Das ist hier der Fall. Das Hausgrundstück E.-Straße in Hamburg, das im Eigentum des Klägers steht bzw. ihm über seine beherrschende Stellung in der K. KG zugerechnet werden kann, ist verwertbares Vermögen i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II, da es jederzeit veräußert werden könnte. Dabei kann dahinstehen, ob die Gebäudesubstanz für eine weitere Nutzung des Gebäudes ausreicht, denn jedenfalls wäre das Grundstück nach Lage und Größe offenkundig auch für eine Neubebauung etwa mit den hier nicht unüblichen sog. Stadtvillen geeignet. Die Berücksichtigung des Hausgrundstücks ist auch nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ausgeschlossen, da es eine insoweit angemessene Größe deutlich überschreitet. Die Verwertung ist auch nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II offensichtlich unwirtschaftlich; sie bedeutet weiterhin auch keine besondere Härte für den Kläger: Soweit er geltend macht, er erwartete in kurzer Frist Einkünfte aus seiner Tätigkeit in der Energie- und Umweltbranche und könne das Haus dann aus eigener Kraft halten, so ist dies eine bloße Hoffnung, die durch nichts gestützt wird. Der Verlust des Grundstücks für die potentiellen Erben ist außer Betracht zu lassen, das ist vielmehr die Folge jeglicher Vermögensverwertung und keine Besonderheit. Schließlich würde der Verwertungserlös auch weit über den Freibeträgen nach § 12 Abs. 2 SGB II liegen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved