L 5 AS 454/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 43 AS 91047/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 454/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten für 250 Bewerbungen.

Der Antragsteller erhielt vom Antragsgegner vom 30. Dezember 2009 bis 30. Juni 2010 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Am 22. August 2010 hat der Antragsteller beim damals örtlich zuständigen Sozialgericht Stendal (nunmehr Sozialgericht Magdeburg) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig Bewerbungskosten zu erstatten. Im April, Mai und Juni 2010 habe er während des laufenden Leistungsbezugs die Übernahme der Kosten für eine Vielzahl von Bewerbungen beantragt. So habe er am 16. und 28. April, 11. und 25. Mai sowie am 14. und 25. Juni 2010 entsprechende Anträge beim Antragsgegner gestellt. Dieser verweigere jedoch die Auszahlung und die Bearbeitung der Anträge.

In den Verwaltungsakten des Antragsgegners finden sich zwei Anträge auf Übernahme von Reisekosten i.H.v. 133,20 EUR vom 17. März 2010. Diese haben sich auf die H. Firma p. t. S&H R. GmbH bezogen, bei der sich der Antragsteller am 31. März 2010 zu einem Vorstellungsgespräch eingefunden hatte. Des Weiteren hat er die durch ein Vorstellungsgespräch bei der Firma Berufliche Bildung B. GmbH entstandenen Kosten i.H.v. 229,20 EUR geltend gemacht. Der Antragsgegner hat daraufhin mit Bescheid vom 7. Mai 2010 die Übernahme von Kosten i.H.v. 214,40 EUR bewilligt und die Anträge im Übrigen abgelehnt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Insgesamt könnten nur 130,00 EUR als Reisekosten berücksichtigt werden.

Ausweislich der Veraltungsakten hat der Antragsteller unter dem 21. April 2010 einen weiteren Antrag auf Übernahme der Kosten für ein von ihm am 26. März 2010 wahrgenommenes Vorstellungsgespräch bei der Firma e. r. s. in K. gestellt. Diesen Antrag hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. Mai 2010 abgelehnt. Die Entstehung der Kosten liege vor dem Zeitpunkt der Antragstellung auf deren Erstattung. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2010 hat der Antragsgegner den gegen diesen Ablehnungsbescheid erhobenen Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Weitere Anträge auf Erstattung von Kosten in Zusammenhang mit Bewerbungen finden sich in den Verwaltungsakten nicht. Gegen die vorgenannten Widersprüche hat der Antragsteller Klage erhoben.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2010 hat das Sozialgericht den Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zurückgewiesen. Soweit der Antragsteller die Bearbeitung seiner gestellten Anträge verlange, sei bereits zweifelhaft, ob dieser Antrag zulässig sei; in jedem Fall sei er unbegründet. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da ihm die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) offenstehe. Auch die Art und Weise der Antragsbearbeitung unterliege keiner gerichtlichen Überprüfung, da es nicht die Stellung eines Dienstvorgesetzten habe. Soweit der Antragsteller die vorläufige Übernahme der Bewerbungskosten durch den Antragsgegner begehre, fehle es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Zum einen habe der Antragsteller selbst mit Schreiben vom 5. September 2010 mitgeteilt, es bestehe kein besonderes Eilbedürfnis für die Bearbeitung. Er habe seit Juli 2010 wieder eine Beschäftigung. Zum anderen habe er angeforderte Kontoauszüge nicht übersandt.

Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 24. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt. Er verfolge sein Ziel, dass der Antragsgegner zur Erstattung seiner Bewerbungskosten vorläufig verpflichtet werde, weiter. Auf Nachfrage, in welcher konkreten Höhe der Antragsteller eine Kostenübernahme begehre, hat er mitgeteilt, für seine 250 getätigten Bewerbungen verlange er eine Kostenerstattung von 5,00 EUR/Bewerbung. Die Bewerbungen lägen beim Antragsgegner vor.

Der Antragteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 13. Oktober 2010 den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig 1.250,00 EUR für die Kosten von 250 Bewerbungen zu erstatten.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Übernahme von Bewerbungskosten habe der Antragsteller nicht beantragt. Die gestellten Anträge hätten sich auf Reisekosten bezogen. Diese seien beschieden worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist auch statthaft. Der Beschwerdewert übersteigt nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SG den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Berufungswert von 750,00 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrundes (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

Vorliegend hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Nach § 16 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung (SGB III) kann der Antragsgegner die Kosten für die Fertigung von Bewerbungen übernehmen. Die Leistung steht mithin im Ermessen des Antragsgegners. Besonderheit einer Ermessensleistung ist es, dass das Gesetz der Verwaltung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise trotz Erfüllung der notwendigen Tatbestandvoraussetzungen im Einzelfall eine bestimmte Rechtsfolge nicht vorgibt. Sie kann die begehrte Rechtsfolge verfügen, muss es aber nicht. Der Antragsteller hat in diesen Fällen lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 39 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil (SGB I), nicht auf eine bestimmte Leistung. Nur wenn das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung, hier die begehrte Kostenübernahme. Eine Ermessensreduzierung auf "Null" ist jedoch nur dann gegeben, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die Zahlung eines Kostenbeitrags von 5,00 EUR pro Bewerbung die einzig rechtmäßige Entscheidung wäre. Im Übrigen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, überhaupt Kosten für 250 Bewerbungen gehabt zu haben. Er selbst hat keine entsprechenden Nachweise eingereicht. Sie sind auch nicht zur Verwaltungsakte des Antragsgegners gelangt.

Des Weiteren hat der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Eine aktuelle existenzielle Notlage des Antragstellers soll vermieden bzw. beseitigt werden.

Eine solche Notlage hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht. Er stand seit Juli 2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Erst im August 2010 hat er einen Antrag auf eine einstweilige Regelungsanordnung gestellt. In Ermangelung entgegenstehenden Vortrags geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller in der Lage war, mit dem daraus erzielten Entgelt eine möglicherweise bestehende Unterdeckung auszugleichen. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass er auch die seitens des Antragsgegners nicht in voller Höhe erstatteten Reisekosten auf diese Weise ausgleichen konnte. Dafür spricht auch, dass er in der Beschwerdeinstanz trotz deutlicher Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen zum Anordnungsgrund keine Ausführungen gemacht hat.

Die Beschwerde war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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