L 3 U 623/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 335/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 623/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 3 U 87/07 wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfah-rens L 3 U 87/07, mit dem die Feststellung eines Arbeitsunfalls, die Anerkennung ei-nes Bandscheibenleidens und einer psychischen Erkrankung als Folgen dieses Ar-beitsunfalls sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt worden waren.

Der 1960 geborene Kläger war als Service-Ingenieur bei der S Telekommunikations-service GmbH & Co KG, die Mitglied bei der Beklagten ist, beschäftigt. In einer Un-fallmeldung vom 17. Februar 2003 gab der Kläger gegenüber seinem Arbeitgeber an, er habe sich am 07. Januar 2003 "beim Anheben eines relativ großen und schweren Tisches (zu viert)" eine Zerrung der Rückenmuskulatur zugezogen und einen heftigen Schmerz im Bereich der Lendenwirbel verspürt. Danach habe ihn der Betriebsarzt versorgt. Erst am 10. November 2003 erhielt die Beklagte vom Arbeitgeber eine Un-fallmitteilung vom selben Tag mit den Angaben des Klägers. Die Beklagte verneinte auf Anfrage des Arbeitgebers das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. d. Siebten Bu-ches Sozialgesetzbuch (SGB VII), weil der Körperschaden ohne ein plötzlich von au-ßen einwirkendes Ereignis eingetreten sei. An den Kläger erging zunächst keine ent-sprechende Mitteilung. Erst mit Schreiben vom 17. November 2005 erhob der Kläger "Widerspruch" und gab an, die Aufnahme des Unfalls sei durch den Arbeitssicher-heitsingenieur am 27. Februar 2003 erfolgt. Er verstehe nicht, dass sein Arbeitgeber den Unfall erst am 10. November 2003 der Beklagten gemeldet und diese innerhalb von zwei Tagen ohne Anhörung seiner Person entschieden habe.

Mit als Verwaltungsakt gewertetem Schreiben vom 24. November 2005 bekräftigte die Beklagte auf den "Widerspruch vom 17. November 2005" ihre Auffassung, dass es sich bei dem geschilderten Unfallhergang nicht um einen Arbeitsunfall handele. Da auch elf Monate nach dem Ereignis keine ärztlichen Berichte vorgelegen hätten, habe kein Anlass für weitere Ermittlungen bestanden.

Der Kläger reichte daraufhin diverse Unterlagen ein (u. a. ärztlicher Entlassungsbe-richt der S-RK der BfA, S Abteilung Orthopädie, vom 26. November 2004 [degenerati-ves Lendenwirbelsäulen (LWS-) syndrom, Osteochondrose, psychovegetative Er-schöpfung, Migräne], Entlassungsbericht der D Klinik, B M a D, Abteilung Psychoso-matik, vom 12. Dezember 2005 [ADHS, Anpassungsstörung], sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MdK) vom 21. März 2005 (seit November 2004 anhaltende Arbeitsunfähigkeit wegen Anpassungsstörun-gen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das Verspüren von Schmerzen beim Anheben eines Tisches stelle kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis dar. Aus den vor-gelegten medizinischen Unterlagen ergebe sich auch kein Hinweis auf einen Arbeits-unfall, sie beinhalteten Dokumentationen degenerativer, also alters- und verschleiß-bedingter Wirbelsäulen-(WS)erkrankungen sowie einer psychovegetativen Erschöp-fung. Auch die den Kläger behandelnde Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. K habe auf Anfrage eine Kenntnis über einen Arbeitsunfall verneint.

Mit seiner hiergegen bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Klä-ger unter Vorlage eines MRT-Befund vom 04. Februar 2003 sein Begehren auf Aner-kennung des von ihm geschilderten Ereignisses vom 07. Januar 2003 als Arbeitsunfall weiter verfolgt und ergänzend vorgetragen, er habe beim Anheben des Tisches nicht nur einen heftigen Schmerz im Bereich der LWS verspürt, sondern dabei ein Heraus-springen der Bandscheibe bemerkt. Trotz der Heilmittelverordnung des Betriebsarztes der S AG (6 x manuelle Therapie) sowie der durchgeführten Reha-Maßnahme in der S-Klinik S (Bericht vom 26. November 2004) sei keine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes erzielt worden. Die durch den Arbeitsunfall eingetretene Be-schränkung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit sei auch durch die Anerkennung der Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit dem 18. Februar 2003 belegt. Die durch die Behinderung vorhandene Einschränkung habe auch im Arbeitsleben zu psychischen Störungen geführt, so dass er sich einer Reha-Maßnahme auf der Grundlage der Psychosomatik und der Verhaltensmedizin unter-zogen habe. Nach seiner Rückkehr aus der Reha im November 2005 seien erhebliche psychoreaktive Störungen unter dem Druck der S-BKK aufgetreten und hätten bei ihm Angst, Depression und Stimmungswandlungen ausgelöst. Der Unfall habe erhebliche negative Auswirkungen gehabt (Beeinträchtigung als Schwerbehinderter im Berufs- und Arbeitsleben, keine Unterstützung vom Arbeitgeber und vom Integrationsamt, persönliche wie private Schwierigkeiten und finanzielle Probleme).

Mit Gerichtsbescheid vom 09. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und aus-geführt, die Entscheidung der Beklagten, das angegebene Ereignis vom 07. Januar 2003 nicht als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII anzuerkennen, sei rechtmäßig. Selbst wenn man das Vorbringen des Klägers, er habe am 07. Januar 2003 mit drei Arbeitskollegen einen schweren Tisch angehoben und anschließend LWS-Beschwerden verspürt, als wahr unterstelle und zudem das kontrollierte Anheben ei-nes schweren Gegenstandes nicht als bloße innere Ursache, sondern als von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis im Sinne des Unfallbegriffes des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII bewerte, sei dieses nicht ursächlich für die nachfolgend aufgetretenen Rü-ckenbeschwerden. Das bloße Anheben einer schweren Last sei nach unfallmedizini-schen Erkenntnissen nicht geeignet, die beim Kläger als Grund seiner Rückenbe-schwerden diagnostizierten LWS-Schäden, insbesondere die Bandscheibenvorfälle bei L4/5 und L5/S1, zu verursachen. Völlig abwegig sei ein vom Kläger hergestellter ursächlicher Zusammenhang zwischen dem angeblichen Verhebetrauma am 07. Ja-nuar 2003 und seiner psychischen, später als ADHS diagnostizierten Erkrankung. Das Ereignis selbst stelle keine Belastung dar, die als Ursache einer psychischen Erkran-kung diskutabel wäre. Ob und inwieweit es einen sonstigen Bezug der psychischen Erkrankung des Klägers zu seiner Berufstätigkeit und den Arbeitsbedingungen gebe, sei im vorliegenden Rechtsstreit um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 SGB VII ohne Bedeutung.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hat der Kläger unter Weiterverfolgung sei-nes Begehrens vorgetragen, der Betriebsarzt, die verantwortlichen Personen in der S AG und die Beklagte hätten seine Bemühungen um eine Aufklärung zum Hergang des Arbeitsunfalls verhindert. Der Arbeitgeber habe pflichtwidrig weder Nachforschungen zum Unfallhergang vor Ort durchgeführt noch persönliche Gespräche mit ihm über seinen gesundheitlichen Zustand geführt. Maßgebliche Unterlagen bzw. Akten des Arbeitgebers seien der Beklagten vorenthalten worden, wie auch die zehnmonatige Verspätung der Unfallmeldung der S AG an die Beklagte zeige. So habe er noch am 07. Januar 2003 den Betriebsarzt über den Unfall informiert, was sich auch aus den betriebsärztlichen Unterlagen, deren Beiziehung durch das Gericht er beantrage, er-gebe. Er habe zeitgleich zu seinem Arbeitsunfall im Januar 2003 alle notwendigen Maßnahmen unternommen, um eine weitere Verschlimmerung seines Gesundheits-zustandes zu vermeiden. Alle seine folgenden Probleme im Arbeitsleben resultierten aus dem Unfall. Im April 2004 sei er gegen seinen Willen vom Arbeitgeber nach D und im Oktober 2004 nach A im Team abgeordnet und seit Mai/Juni 2006 dauerhaft in A eingesetzt worden. In der Reha-Maßnahme im Oktober 2004 sei außerdem als hinzu-getretene Erkrankung die ADHS diagnostiziert worden, die dann im Oktober 2005 mit der Reha-Maßnahme in Bad M weiterbehandelt worden sei. Sein GdB betrage nun-mehr 80. Seit dem Arbeitsunfall vom Januar 2003 sei er in Folge von Mobbing, Schi-kanen und Diskriminierungen durch seine Vorgesetzten dauerkrank mit Arbeitsunfä-higkeitszeiten von Oktober 2004 bis Mai 2006 und von Oktober 2006 bis April 2007. Nach den neuesten wissenschaftlichen Gesichtspunkten seien Mobbing und psychi-sche Störungen in Zusammenhang mit Bandscheibenvorfällen zu bringen. Er weise auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09. Mai 2006 (B 2 U 26/04 R) hin.

Der Kläger hat diverse Unterlagen vorgelegt (u. a. "Eckpunkte der Ergebnisse der interdisziplinären Konsensuskonferenz zur Verbesserung der Versorgung von Kin-dern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS vom 28. und 29. Oktober 2002", Heilmittelverordnung der S-BKK über 6 x manuelle Therapie, Mitteilung der Kranken-gymnastik-Praxis B über Durchführung einer Behandlung vom 20. Januar bis zum 18. Februar 2003, Liste über Ambulanzkontakte und Wärmebehandlungen vom 07. bis zum 17. Januar 2003 wegen LWS-Beschwerden).

Durch Urteil vom 30. September 2008 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen. Selbst bei Zugrundelegung der klägerischen Schilderung des Geschehens am 07. Januar 2003 – der Kläger habe mit drei weiteren Kollegen einen schweren Tisch an-gehoben, im Anschluss einen heftigen Schmerz im Bereich des LWS und ein "He-rausspringen der Bandscheibe" verspürt und sich daraufhin bei dem Betriebsarzt vor-gestellt – habe der Senat sich nicht vom Vorliegen aller tatbestandlichen Vorausset-zungen eines Arbeitsunfalls überzeugen können. Zwar könne grundsätzlich auch das gewollte Anheben einer schweren Last, welches zu einer Gesundheitsschädigung füh-re, ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis im Sinne des Unfallbegriffes des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sein (vgl. BSG, Urteile vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – und vom 09. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R -, jeweils in juris), jedoch sei nicht wahr-scheinlich, dass es durch das geschilderte Ereignis zu einem Gesundheitserstscha-den gekommen ist. Ein durch das Anheben des Tisches verursachter Lumbago oder Bandscheibenschaden hätte erfahrungsgemäß wegen der damit verbundenen hefti-gen Schmerzen und Bewegungseinschränkung den Kläger gezwungen, seine Arbeit sofort einzustellen. Der Kläger sei aber weder direkt nach dem Ereignis vom 07. Ja-nuar 2003 wegen LWS-Beschwerden arbeitsunfähig gewesen noch habe er eine Not-wendigkeit gesehen, sich direkt in orthopädische Behandlung zu begeben. Vielmehr habe er noch bis zum 28. Januar 2003 weiter gearbeitet und sei erst am 29. Januar mit der dominanten Diagnose einer akuten Tonsillitis und einer Infektion der oberen Atemwege von seiner behandelnden Ärztin Dr. K bis zum 09. Februar 2003 krank ge-schrieben gewesen. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls scheitere vor allem aber daran, dass ein Ursa-chenzusammenhang zwischen dem Anheben des Tisches und dem Bandscheibenlei-den des Klägers nicht festgestellt werden könne. Es sei unter Berücksichtigung der vorliegenden erheblichen Vorschädigung in Form des degenerativen WS-Leidens (Osteochondrose) bereits zweifelhaft, dass die mit dem Anheben des Tisches zu viert einhergehende körperliche Anstrengung des Klägers als rechtlich wesentliche Ursa-che für dessen Bandscheibenleiden anzusehen sei. Entscheidend sei aber, dass das bloße (kontrollierte) Anheben einer schweren Last schon für sich gesehen nicht ge-eignet sei, LWS-Schäden, insbesondere Bandscheibenvorfälle, zu verursachen; viel-mehr würden hierfür Bewegungen mit Scher- und Rotationswirkung, Überbeugung, Überstreckung sowie Zugbelastung als für geeignet gehalten. Zudem gingen unfallbe-dingte LWS-Schäden stets mit begleitenden knöchernen Verletzungen oder Bandver-letzungen einher (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrank-heit, 7. Auflage 2003, Kapitel 8.3.2.6.3, S. 529, 530, Kapital 8.3.2.6.4, S. 532, 533). Ein derartig geeigneter Unfallhergang sei vom Kläger zu keiner Zeit, auch nicht bei Befragung in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 30. September 2008 ge-schildert worden. Sei daher bereits das Bandscheibenleiden nicht ursächlich durch das Anheben des Tisches bedingt, so gelte dies in weit größerem Maß für die vom Kläger vorgetragene psychische Erkrankung der ADHS. Dass sich diese durch das Anheben des Tisches am 07. Januar 2003 entwickelt habe, behaupte auch der Kläger nicht. Ob dem vom Kläger vorgetragenen "Mobbing" seitens der Vorgesetzten eine Bedeutung im Krank-heitsgeschehen der Bandscheibenbeschwerden oder der ADHS zukomme, sei nicht entscheidungserheblich, denn das sich typischerweise über einen längeren Zeitraum hinziehende "Mobbing" selbst, welches nach Angaben des Klägers bereits vor dem 07. Januar 2003 statt gefunden habe, könne keine als Unfall zu berücksichtigende Einwirkung darstellen. Die ein Unfallereignis im Sinne des § 8 SGB VII bildende Ein-wirkung sei auf den Zeitraum bis zu einer Arbeitsschicht begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1985, in SozR 220 § 548 Nr. 71).

Das dem Kläger am 18. Oktober 2008 zugestellte Urteil ist rechtskräftig geworden.

Am 03. November 2008 hat der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg bzw. beim SG Berlin begehrt.

Das LSG habe in seinem Urteil vom 18. Oktober 2008 nicht alle Tatsachen zum Un-fallhergang gewürdigt, sondern vielmehr den Sachverhalt auf die Aussage allein der Frau Dr. K (Nichtwissen vom Arbeitsunfall) aufgebaut. Die von ihm benannten Zeugen (A C, Ts S) seien nicht gehört worden. Bei der Entscheidung seien auch maßgebliche Krankenunterlagen bzw. Akten des Betriebsarztes der S AG, Dr. B, zurückbehalten worden und daher nicht in die Entscheidungsfindung eingeflossen. Auch habe das LSG seine psychischen Störungen nicht ausreichend berücksichtigt. Nach der Recht-sprechung des BSG sei eine nicht mehr steuerbare psychogene Störung zu Gunsten des Versicherten als Unfallfolge anzunehmen, wenn es der UV-Träger versäume, eine adäquate psychotherapeutische Behandlung zu veranlassen. Dies sei nachweislich nicht geschehen. Die Beklagte habe weder den Betriebsrat noch den Schwerbehin-dertenvertreter, Sicherheitsbeauftragten, Betriebsarzt, Vorgesetzten oder die BKK zum Unfallhergang und zum Mobbing durch die Vorgesetzten als Auslöser des Ar-beitsunfalls eingeschaltet. Chronische Rückenschmerzen seien zum großen Teil nicht durch Bandscheibenveränderungen, sondern durch psychosoziale Faktoren wie Hilf-losigkeit, Depressivität, Angst, Rückzug und Krankheitsgewinn bedingt. Es sei belang-los, wodurch der Schaden an der Wirbelsäule und den Gelenken entstanden sei, ob eine rein körperliche oder psychische Ursache am Anfang des Leidensweges gestan-den habe, da durch seelische Störung entstandene Wirbelsäulen- oder Gelenkschä-den wie auch die vorliegende Migräne die seelische Erkrankung wiederum verschlim-merten.

In seinem weiteren Schriftsatz vom 30. März 2011 hat der Kläger unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 21. November 1995 (VI ZR 341/94) zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufbewahrung von Krankenunterlagen durch den Krankenhausträger ergänzend vorgetragen, die Wiederaufnahme des Ver-fahrens sei zuzulassen, weil das LSG, indem es seinen Beweisanträgen nicht gefolgt sei, gegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht verstoßen habe. Auch sei ihm nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Ohne Einsicht in die Unterlagen des Betriebsarztes der SAG sei er als medizinischer Laie nicht im Stande gewesen, zu den neuen Befunden der BG und den neuen medizinischen Wertungen der Frau Dr. K Stellung zu nehmen. Es liege daher der Wiederaufnahmegrund nach § 179 Abs. 2 SGG i. V. m. § 580 Nr. 7 ZPO vor.

Der Kläger hat seinen Schriftsatz vom 17. Juli 2005 in seinem Verfahren vor dem Ar-beitsgericht B (76 Ca 9016/05), einen Artikel "Aus der Arbeit des Berufsgenossen-schaftlichen Institutes Arbeit und Gesundheit (BGAG) Nr. 3005, "Mobbing", zwei "CP-Rundschreiben" ("Betriebsärztliche Kommissionen" und "Maßnahmen zur Gesund-heitsprävention bei psychischen Belastungen"), Kopien seiner Schreiben vom 24. Juli 2007 an den Betriebsarzt der SAG Dr. B, vom 16. Mai 2010 an die Berliner Beauftrag-te für Datenschutz und Informationsfreiheit, vom 28. September 2010 an den Be-triebsarzt der S AG Dr. S und Kopien des Schreibens des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 12. August 2010 und des Gleichstellungsantrags, einge-reicht am 18. Februar 2003, vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Berufungsverfahren zu dem Aktenzeichen L 3 U 87/07 wieder aufzuneh-men und die Hauptsache erneut zu verhandeln.

Des Weiteren stellt der Kläger folgende Anträge aus dem Schriftsatz vom 30. März 2011,

1. Beweissicherung der medizinischen Unterlagen des Herrn Dr. B (Betriebsarzt der S AG in B) sowie Aufzeichnungen des betriebsärztlichen Dienstes vom 19. bis 22. Juni 2007

2. Aufzeichnungen des Betriebsarztes, Schwerbehindertenvertretung sowie des medizinischen Dienstes der S AG zum Unfallhergang am 07. Januar 2003 ins-besondere zu den Mobbingattacken durch die Vorgesetzten seit 2002 3. Die Erstellung eines sozialmedizinischen und ärztlichen Gutachtens im Zu-sammenhang:

a.) mit dem körperlichen (somatischen) und seelischen (psychischen) Ver-letzungen b.) die festgestellten beruflichen Einwirkungen (Mobbing durch Vorgesetz-te als Teilursache) für die Entstehung oder Verschlimmerung der be-stehenden Wirbelsäulenerkrankung aus medizinischer Sicht

4. Anerkennung des Ereignisses vom 07. Januar 2003 5. Die Gewährung einer Verletztenrente bzw. Berufsunfähigkeitsrente, da nach-weislich mehrere Pflichtverletzungen bei der Beklagten

a.) gegen Unfallverhütungsvorschriften b.) Umsetzung der Anzeigepflicht c.) Fahrlässige Körperverletzung d.) Unterlassung von Hilfeleistungen vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage als unzulässig abzuweisen.

Es seien keine Gründe vorhanden, das Verfahren wieder aufzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Verfahrensakte des Sozialgerichts Berlin (S 67 U 335/06 = L 3 U 87/07) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufnahme und Fortsetzung des unter dem Aktenzeichen L 3 U 87/07 geführten und rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsver-fahrens. Die nach § 578 ZPO statthafte Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsver-fahrens ist zwar form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 586 ff ZPO), sie ist aber unbegründet und daher abzuweisen, denn es liegen keine Wiederaufnahmegründe vor.

Die Wiederaufnahme eines sozialgerichtlichen Verfahrens beurteilt sich nach § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann ein rechtskräftig be-endetes Verfahren entsprechend den Vorschriften der §§ 578 ff Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Allerdings kommt die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens nur in Ausnahmefällen in Be-tracht. Grundsätzlich müssen - fehlerhafte - Urteile mit Rechtsmitteln angefochten und durch den Spruch der höheren Instanz beseitigt werden, sonst werden sie rechtskräf-tig. Ist ein Rechtsmittel aber nicht mehr gegeben, müssen sich die Beteiligten mit dem Richterspruch abfinden. Nur bei schwersten Mängeln (Nichtigkeitsklage, § 579 ZPO) oder unrichtigen Urteilsgrundlagen (Restitutionsklage, § 580 ZPO) gibt das Prozess-recht die Möglichkeit, ein rechtskräftiges Urteil durch ein Wiederaufnahmeverfahren zu beseitigen. Im Sozialrecht hat das Wiederaufnahmeverfahren wegen der Möglichkeit der Überprüfung bindender Verwaltungsentscheidungen nach § 44 Zehntes Buch So-zialgesetzbuch (SGB X) keine größere Bedeutung.

Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 584 Abs. 1 ZPO. Danach ist für die Wiederaufnahmeklage ausschließlich das Gericht zuständig, das im ersten Rechtszug erkannt hat.

Ein Fall der Nichtigkeitsklage gemäß § 579 ZPO (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung ausgeschlossener oder für befangen erklärter Richter, feh-lende gesetzmäßige Vertretung einer Partei) liegt hier offensichtlich nicht vor und wird auch nicht vom Kläger geltend gemacht.

Die Voraussetzungen der Restitutionsklage sind ebenfalls nicht erfüllt. Dazu gehört, dass zumindest einer der in § 580 Nrn. 1 bis 8 ZPO abschließend aufgeführten Wie-deraufnahmegründe vorliegt. Vom Kläger allein geltend gemacht ist das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach § 580 Nr. 7 b) ZPO. Hiernach findet die Restitu-tionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu ma-chen (§ 582 ZPO).

Hiernach liegt ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Nr. 7 b) ZPO nicht vor. Der Klä-ger hat keine andere Urkunde, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, aufgefunden bzw. ist nicht in den Stand gesetzt worden, eine solche zu benutzen. Die vorbezeichneten Unterlagen sind jedoch nicht als "aufgefunden" i. S. v. § 580 Nr. 7 b) ZPO anzusehen, denn "aufgefunden" ist eine Urkunde nur dann, wenn ihre Existenz oder ihr Verbleib der Partei bisher schuldlos unbekannt war (Baum-bach/Lauterbach, ZPO, § 580 RdNr 24 f.). Dafür, dass diese Unterlagen (medizinische Unterlagen des ehemaligen Betriebsarztes der S AG Dr. B Aufzeichnungen des be-triebsärztlichen Dienstes vom 19. bis 22. Juni 2007, der Schwerbehindertenvertretung sowie des medizinischen Dienstes zum Unfallhergang am 07. Januar.2003, insbe-sondere zu den Mobbingattacken durch die Vorgesetzten seit 2002) dem Kläger un-bekannt waren, besteht kein Anhaltspunkt; im Gegenteil, der Kläger begehrt mit seiner Wiederaufnahmeklage – wie auch im rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreit L 3 U 87/07 - überhaupt erst die Beiziehung dieser von ihm für weiterführend gehaltenen Unterlagen. Ebensowenig ist ersichtlich, dass der Kläger vorher nicht imstande gewe-sen sein sollte, diese von ihm für maßgeblich gehaltenen Unterlagen zu benutzen, weil sie z. B. unzugänglich gewesen wären oder sich in Händen eines nicht vorle-gungspflichtigen bzw. –bereiten Dritten befunden hätte. Dem Kläger steht – wie jedem Patienten – grundsätzlich das Recht auf Einsichtnahme in ihn betreffende Krankenun-terlagen zu. Aber selbst wenn ihm diese Einsicht verweigert worden wäre, würde sich daraus kein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Nr. 7 b) ZPO ergeben. Das Wieder-aufnahmeverfahren dient nicht dazu, vom Gericht für den Streitgegenstand nicht für relevant gehaltene und deshalb nicht aufgenommene Beweisanregungen oder abge-lehnte Beweisanträge nochmals vorzubringen. Der Senat hat einen Grund zur Beizie-hung dieser Unterlagen im vorausgegangenen Berufungsverfahren L 3 U 87/07 nicht gesehen und dies auch ausführlich begründet. Soweit der Kläger der Auffassung ist, das LSG hätte zu Unrecht die Beiziehung der Unterlagen unterlassen, so hätte er eine solche Rüge auf Verletzung der Aufklärungspflicht im dafür vorgesehenen Verfahren über die Zulassung einer Beschwerde an das BSG geltend machen müssen.

Vergleichbare Erwägungen gelten für seinen Antrag auf Erstellung eines sozialmedi-zinischen und ärztlichen Gutachtens über seinen Gesundheitszustand. Die Beantra-gung eines Sachverständigenbeweises ist ebenso wie die Benennung eines Zeugen (vgl. Baumbach/Lauterbach, aaO, § 580 RdNr 14) kein Wiederaufnahmegrund i. S. d. § 780 Nr. 7 b) ZPO. In Wahrheit geht es dem Kläger darum, das rechtskräftig abge-schlossene Verfahren mit denselben Beweisanträgen nochmals zu führen, was auch die weiteren von ihm gestellten Anträge - Anerkennung des Ereignisses vom 07. Ja-nuar 2003 und Gewährung einer Verletztenrente bzw. Berufsunfähigkeitsrente wegen Pflichtverletzungen bei der Beklagten – zeigen.

Im Übrigen fehlt für das Vorliegen der in § 580 Nr. 1 bis 8 ZPO weiter angeführten Wiederaufnahmegründe jeglicher Anhaltspunkt.

Die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens kommt nach alledem nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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