Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 AS 7195/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 38/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtschutzverfahren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit ab dem 1. August 2010.
Der Antragsgegner ist seit dem 1. Januar 2011 als Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft SGB II S ... (Arge) der für die Erbringung von Grundsicherungsleistungen für den Antragsteller zuständige Leistungsträger.
Erstmals am 19. Januar 2006 stellte der am. 1959 geborene Antragsteller bei der Arge einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, selbständig zu sein ("Handelshaus P ..."), seit Dezember 2005 dauernd getrennt von seiner Ehefrau zu leben und alleine ein Eigenheim zu bewohnen. Mit Bescheid vom 6. April 2006 bewilligte die Arge dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2006. In der Folgezeit kam es zwischen den Beteiligten immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zur Höhe des dem Antragsteller zustehenden Anspruchs und darüber, ob Leistungen zu Recht von der Arge wegen fehlender Mitwirkung versagt worden waren. Vor dem Landessozialgericht stritten die Beteiligten zuletzt in dem Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 über den Anspruch des Antragstellers auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 1. Februar 2010.
Am 29. Juli 2010 stellte der Antragsteller bei der Arge formlos einen neuen Leistungsantrag für die Zeit ab dem 1. August 2010. Die Arge forderte den Antragsteller daraufhin mit einem Schreiben vom 23. September 2010 auf, weitere für die Bearbeitung des Leistungsantrags erforderliche Angaben auf beigefügten Vordrucken zu machen und die Unterlagen bis zum 10. Oktober 2010 einzureichen. Beigefügt waren die Vordrucke für die Angaben zu den Kosten der Unterkunft und zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. In dem Schreiben wies die Arge auf die Rechtsfolgen einer unzureichenden Mitwirkung durch den Antragsteller hin. Der Antragsteller teilte daraufhin mit Schreiben vom 10. Oktober 2010 mit, er werde das Schreiben der Arge wegen einer schwerwiegenden Erkrankung frühestens in ein bis zwei Wochen beantworten. Nachdem der Antragsteller sich nicht mehr meldete, versagte die Arge mit Bescheid vom 11. November 2010 Leistungen für die Zeit ab dem 1. August 2010 in vollem Umfang. Mit einem Schreiben von 17. November 2010 forderte der Antragsteller die Arge auf, die Kosten für die am 22. November 2010 um 8.00 Uhr vorgesehene Befüllung des Heizöltanks zu übernehmen.
In dem Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 erschien der Antragsteller am 23. November 2010 zu einem Erörterungstermin und erklärte, er sei erkrankt und müsse dringend ins Krankenhaus, habe aber derzeit wegen der Versagung von Leistungen keinen Krankenversicherungsschutz. Im Anschluss daran sprach der Antragsteller am Nachmittag desselben Tages persönlich bei der Arge vor. Er machte auf dem entsprechenden Vordruck Angaben zu seinem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Dabei gab er für die Monate November und Dezember 2010 sowie Januar 2011 jeweils Betriebseinnahmen von 0 EUR bei Betriebsausgaben von 1000,00 EUR, für Februar 2011 Betriebseinnahmen von 3000,00 EUR bei 4000,00 EUR Betriebsausgaben und für März 2011 Betriebseinnahmen von 300,00 EUR bei Betriebsausgaben von 4.000,00 EUR an. Die Arge bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 25. November 2010 für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig Leistungen in Höhe von 359,00 EUR monatlich. In dem Bescheid forderte sie den Antragsteller auf, Belege zu den aktuellen Unterkunftskosten und aktuelle Kontoauszüge vorzulegen.
Der Antragsteller hat am 30. November 2011 beim Sozialgericht Halle einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, die Arge zu verpflichten, ihm ab dem 1. August 2010 die "ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II" zu gewähren (Verfahren S 24 AS 7195/10 ER). Weiter hat er ebenfalls am 30. November 2011 beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht mit dem Begehren, die Arge zu verpflichten, ihm die zustehenden Leistungen nach dem SGB II – hier speziell die Kosten für die Befüllung des Heizöltanks gemäß dem Antrag vom 17. November 2010 – zu bewilligen (Verfahren S 24 AS 7196/10 ER).
Gegen den Versagungsbescheid vom 11. November 2010 hat der Antragsteller am 15. Dezember 2010 Widerspruch erhoben und unter anderem ausgeführt, er habe das Schreiben der Arge vom 23. September 2010 mit seinem Schreiben vom 10. Oktober 2010 fristgerecht beantwortet, so dass kein Grund für eine Totalversagung bestehe. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 25. November 2011 hat der Antragsteller am 31. Dezember 2010 Widerspruch erhoben und unter anderem ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, wieso Leistungen erst ab dem 1. November 2010 und nur in Höhe der Regelleistung bewilligt würden.
Das SG hat in beiden einstweiligen Rechtsschutzverfahren jeweils den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. Dezember 2010 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, diese Anträge seien unzulässig, weil das unter dem Aktenzeichen L 2 AS 351/10 B ER anhängige einstweilige Rechtsschutzverfahren denselben Streitgegenstand betreffe.
In dem Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 B ER hat der Senat mit Beschluss vom 13. Januar 2011 die Beschwerde gegen die Entscheidung des SG, keine einstweilige Anordnung zu erlassen, zurückgewiesen und ausgeführt: Gegenstand sei die Versagung von Leistungen für die Zeit ab dem 1. Februar 2010. Für einen daran anschließenden Zeitraum ab dem 1. August 2010 liege auf einen neuen Bewilligungsantrag des Antragstellers vom 29. Juli 2010 hin eine neue Entscheidung der Arge vom 11. November 2010 vor, die aber nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens sei. Die Arge habe sich bei ihrer Versagung einer Leistungsgewährung für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Februar 2010 darauf stützen können, dass die mangelnde Mitwirkung des Antragstellers dazu geführt habe, dass sie nicht abschließend über eine Leistungsbewilligung (auch nicht vorläufig) entscheiden konnte und deshalb die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen.
Gegen die beiden ihm am 30. Dezember 2010 zugestellten Beschlüsse des SG hat der Antragsteller jeweils am 1. Februar 2011 Beschwerde erhoben und vorgetragen, die Auffassung des SG zur Unzulässigkeit seiner Anträge sei falsch. Im Hinblick auf die Versäumung der einmonatigen Beschwerdefrist hat er auf Aufforderung durch den Berichterstatter vorgetragen, eine frühere Beschwerdeerhebung sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen. Er habe unter Schwindelanfällen und Erbrechen gelitten. Zum Absenden einer Beschwerde per Telefax habe er das Haus verlassen und Treppen steigen müssen, was ihm nicht möglich gewesen sei. Diese Angaben hat der behandelnde Arzt am 15. März 2011 mit einem von ihm unterschriebenen Bestätigungsvermerk versehen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des Sozialgerichts Halle vom 20. Dezember 2010 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 1. August 2010 unter Anrechnung der für die Zeit ab November 2010 erbrachten Zahlungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Regeleistung und der Leistungen für die angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung (Kosten der Befüllung des Heizöltanks) zu gewähren.
Der Antragsgegner hat sich nicht zur Sache geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten (Blatt 1111 bis 1163) verwiesen.
II.
Die Beschwerden des Antragsstellers sind zulässig. Wegen der Versäumung der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 173 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) gewährt der Senat dem Antragsteller nach § 67 SGG Wiedereinsetzung in der vorigen Stand. Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller aufgrund von der von ihm glaubhaft gemachten Erkrankung ohne Verschulden eine fristgerechte Beschwerdeerhebung versäumt hat.
In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg. Der Senat entscheidet über die beiden Beschwerden zusammen, denn sie betreffen den einheitlichen Anspruch des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit ab dem 1. August 2010.
Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass bei Anrufung des SG am 30. November 2010 schon das Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 beim Senat anhängig war. Dieses betraf nicht den Bewilligungsabschnitt ab dem 1. August 2010. Wegen der näheren Einzelheiten hierzu wird auf die Gründe des den Beteiligten zugestellten Beschluss des Senats vom 13. Januar 2011 in dem Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
Soweit der Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vor Eingang der Rechtsschutzanträge beim SG am 30. November 2010 geltend macht, fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Für den Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2010 begehrt der Antragsteller in der Sache zunächst die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Anfechtungswiderspruchs gegen den Versagungsbescheid der Arge vom 11. November 2010. Dies ist aber verbunden mit dem Begehren auf Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungserbringung. Denn alleine eine Anfechtung des Versagungsbescheides führt (anders als die Anfechtung eines Bescheides über die Entziehung einer bewilligten Leistung) noch nicht zur Leistungsgewährung. Der Antrag auf Verpflichtung zur Leistungserbringung ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine Regelungsanordnung in Betracht. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und dass er ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Für Leistungszeiträume vor dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht ist ein Anordnungsgrund grundsätzlich zu verneinen. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise gelten, wenn der Antragsteller besondere Umstände glaubhaft macht, auf Grund derer die Nichtgewährung in der Vergangenheit noch fortwirkt und deshalb eine besonderen Nachholbedarf begründet (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Auflage, Rdnr. 35 a). Solche besonderen Umstände hat der Antragstellter nicht glaubhaft gemacht. Er hat z. B. nicht belegt, aufgrund einer vor der Antragstellung erfolgten Heizöllieferung noch mit Verbindlichkeiten belastet zu sein, so dass ihm noch bleibende Nachteile drohen würden. Weil ein Anordnungsgrund für die Regelungsanordnung insoweit zu verneinen ist, ist auch kein Grund für eine isolierte Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vorhanden.
Für die Zeit ab dem 1. November 2010 ist das Begehren des Antragstellers ausschließlich auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtet. Er begehrte hier die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer Leistungen, als sie ihm mit Bescheid vom 25. November 2010 für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. März 2011 vorläufig bewilligt wurden. Eine solche Verpflichtung scheitert für die Zeit vor Eingang der Rechtsschutzanträge beim SG, wie oben ausgeführt, ebenfalls am Fehlen eines Anordnungsgrundes.
Für die ab Zeit dem 30. November 2011 hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Arge hat dem Antragsteller zu Recht Leistungen nur vorläufig bewilligt. Ob sich dabei die Rechtsgrundlage für die vorläufige Entscheidung aus § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ergibt (was im Hinblick auf ein Vertretenmüssen der mangelnden Entscheidungsreife für eine endgültige Bewilligung durch den Antragsteller problematisch sein könnte) oder aus § 42 SGB I kann hier offen bleiben. Jedenfalls konnte der Leistungsträger keine abschließenden Feststellungen über den Anspruch des Antragsstellers auf Alg II treffen. Der Antragsteller hatte trotz entsprechender Aufforderung durch die Arge keine die Beurteilung seiner Hilfebedürftigkeit tragfähigen Angaben über das Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit gemacht. Die schriftlich gegenüber der Arge bei der Vorsprache am 23. November 2010 gemachten Angaben sind so nicht verwertbar. Die Angaben zu den Betriebseinnahmen und – ausgaben sind nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller hat für den gesamten Zeitraum von November 2010 bis Februar 2011 laufende deutlich höhere Betriebsausgaben als Einnahmen angegeben, ohne dies zu begründen. Er hat nicht angegeben, in seinem Gewerbe unabwendbare laufende Kosten zu haben. Auch für den völligen Ausfall von Einnahmen in dem Zeitraum von November 2010 bis Januar 2011 hat er keine plausible Erklärung gegeben. Eine auch nur im Ansatz aussagekräftige und nachvollziehbare Darstellung des wirtschaftlichen Ergebnisses des Gewerbebetriebes für einen entscheidungsrelevanten Zeitraum fehlt somit völlig. Weiter hat der Antragsteller, der ein Eigenheim bewohnt, keine Angaben zur aktuellen Unterkunftskostenbelastung gemacht. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Arge die Leistungsbewilligung auf die Regelleistung beschränkt hat.
Der Senat sieht keine Anhaltpunkte dafür, den Leistungsträger aufgrund einer Güterabwägung vorläufig zur Erbringung höherer Leistungen an den Antragsteller zu verpflichten. Es ist hier zu berücksichtigen, dass es der Antragsteller in der Hand hat, dem Antragsgegner die notwendigen Informationen zu liefern, damit dieser seine Hilfebedürftigkeit auf tragfähiger Basis beurteilen und ggf. höhere Leistung bewilligen kann.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtschutzverfahren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit ab dem 1. August 2010.
Der Antragsgegner ist seit dem 1. Januar 2011 als Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft SGB II S ... (Arge) der für die Erbringung von Grundsicherungsleistungen für den Antragsteller zuständige Leistungsträger.
Erstmals am 19. Januar 2006 stellte der am. 1959 geborene Antragsteller bei der Arge einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, selbständig zu sein ("Handelshaus P ..."), seit Dezember 2005 dauernd getrennt von seiner Ehefrau zu leben und alleine ein Eigenheim zu bewohnen. Mit Bescheid vom 6. April 2006 bewilligte die Arge dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2006. In der Folgezeit kam es zwischen den Beteiligten immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zur Höhe des dem Antragsteller zustehenden Anspruchs und darüber, ob Leistungen zu Recht von der Arge wegen fehlender Mitwirkung versagt worden waren. Vor dem Landessozialgericht stritten die Beteiligten zuletzt in dem Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 über den Anspruch des Antragstellers auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 1. Februar 2010.
Am 29. Juli 2010 stellte der Antragsteller bei der Arge formlos einen neuen Leistungsantrag für die Zeit ab dem 1. August 2010. Die Arge forderte den Antragsteller daraufhin mit einem Schreiben vom 23. September 2010 auf, weitere für die Bearbeitung des Leistungsantrags erforderliche Angaben auf beigefügten Vordrucken zu machen und die Unterlagen bis zum 10. Oktober 2010 einzureichen. Beigefügt waren die Vordrucke für die Angaben zu den Kosten der Unterkunft und zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. In dem Schreiben wies die Arge auf die Rechtsfolgen einer unzureichenden Mitwirkung durch den Antragsteller hin. Der Antragsteller teilte daraufhin mit Schreiben vom 10. Oktober 2010 mit, er werde das Schreiben der Arge wegen einer schwerwiegenden Erkrankung frühestens in ein bis zwei Wochen beantworten. Nachdem der Antragsteller sich nicht mehr meldete, versagte die Arge mit Bescheid vom 11. November 2010 Leistungen für die Zeit ab dem 1. August 2010 in vollem Umfang. Mit einem Schreiben von 17. November 2010 forderte der Antragsteller die Arge auf, die Kosten für die am 22. November 2010 um 8.00 Uhr vorgesehene Befüllung des Heizöltanks zu übernehmen.
In dem Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 erschien der Antragsteller am 23. November 2010 zu einem Erörterungstermin und erklärte, er sei erkrankt und müsse dringend ins Krankenhaus, habe aber derzeit wegen der Versagung von Leistungen keinen Krankenversicherungsschutz. Im Anschluss daran sprach der Antragsteller am Nachmittag desselben Tages persönlich bei der Arge vor. Er machte auf dem entsprechenden Vordruck Angaben zu seinem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Dabei gab er für die Monate November und Dezember 2010 sowie Januar 2011 jeweils Betriebseinnahmen von 0 EUR bei Betriebsausgaben von 1000,00 EUR, für Februar 2011 Betriebseinnahmen von 3000,00 EUR bei 4000,00 EUR Betriebsausgaben und für März 2011 Betriebseinnahmen von 300,00 EUR bei Betriebsausgaben von 4.000,00 EUR an. Die Arge bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 25. November 2010 für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig Leistungen in Höhe von 359,00 EUR monatlich. In dem Bescheid forderte sie den Antragsteller auf, Belege zu den aktuellen Unterkunftskosten und aktuelle Kontoauszüge vorzulegen.
Der Antragsteller hat am 30. November 2011 beim Sozialgericht Halle einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, die Arge zu verpflichten, ihm ab dem 1. August 2010 die "ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II" zu gewähren (Verfahren S 24 AS 7195/10 ER). Weiter hat er ebenfalls am 30. November 2011 beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht mit dem Begehren, die Arge zu verpflichten, ihm die zustehenden Leistungen nach dem SGB II – hier speziell die Kosten für die Befüllung des Heizöltanks gemäß dem Antrag vom 17. November 2010 – zu bewilligen (Verfahren S 24 AS 7196/10 ER).
Gegen den Versagungsbescheid vom 11. November 2010 hat der Antragsteller am 15. Dezember 2010 Widerspruch erhoben und unter anderem ausgeführt, er habe das Schreiben der Arge vom 23. September 2010 mit seinem Schreiben vom 10. Oktober 2010 fristgerecht beantwortet, so dass kein Grund für eine Totalversagung bestehe. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 25. November 2011 hat der Antragsteller am 31. Dezember 2010 Widerspruch erhoben und unter anderem ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, wieso Leistungen erst ab dem 1. November 2010 und nur in Höhe der Regelleistung bewilligt würden.
Das SG hat in beiden einstweiligen Rechtsschutzverfahren jeweils den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. Dezember 2010 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, diese Anträge seien unzulässig, weil das unter dem Aktenzeichen L 2 AS 351/10 B ER anhängige einstweilige Rechtsschutzverfahren denselben Streitgegenstand betreffe.
In dem Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 B ER hat der Senat mit Beschluss vom 13. Januar 2011 die Beschwerde gegen die Entscheidung des SG, keine einstweilige Anordnung zu erlassen, zurückgewiesen und ausgeführt: Gegenstand sei die Versagung von Leistungen für die Zeit ab dem 1. Februar 2010. Für einen daran anschließenden Zeitraum ab dem 1. August 2010 liege auf einen neuen Bewilligungsantrag des Antragstellers vom 29. Juli 2010 hin eine neue Entscheidung der Arge vom 11. November 2010 vor, die aber nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens sei. Die Arge habe sich bei ihrer Versagung einer Leistungsgewährung für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Februar 2010 darauf stützen können, dass die mangelnde Mitwirkung des Antragstellers dazu geführt habe, dass sie nicht abschließend über eine Leistungsbewilligung (auch nicht vorläufig) entscheiden konnte und deshalb die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen.
Gegen die beiden ihm am 30. Dezember 2010 zugestellten Beschlüsse des SG hat der Antragsteller jeweils am 1. Februar 2011 Beschwerde erhoben und vorgetragen, die Auffassung des SG zur Unzulässigkeit seiner Anträge sei falsch. Im Hinblick auf die Versäumung der einmonatigen Beschwerdefrist hat er auf Aufforderung durch den Berichterstatter vorgetragen, eine frühere Beschwerdeerhebung sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen. Er habe unter Schwindelanfällen und Erbrechen gelitten. Zum Absenden einer Beschwerde per Telefax habe er das Haus verlassen und Treppen steigen müssen, was ihm nicht möglich gewesen sei. Diese Angaben hat der behandelnde Arzt am 15. März 2011 mit einem von ihm unterschriebenen Bestätigungsvermerk versehen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des Sozialgerichts Halle vom 20. Dezember 2010 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 1. August 2010 unter Anrechnung der für die Zeit ab November 2010 erbrachten Zahlungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Regeleistung und der Leistungen für die angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung (Kosten der Befüllung des Heizöltanks) zu gewähren.
Der Antragsgegner hat sich nicht zur Sache geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten (Blatt 1111 bis 1163) verwiesen.
II.
Die Beschwerden des Antragsstellers sind zulässig. Wegen der Versäumung der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 173 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) gewährt der Senat dem Antragsteller nach § 67 SGG Wiedereinsetzung in der vorigen Stand. Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller aufgrund von der von ihm glaubhaft gemachten Erkrankung ohne Verschulden eine fristgerechte Beschwerdeerhebung versäumt hat.
In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg. Der Senat entscheidet über die beiden Beschwerden zusammen, denn sie betreffen den einheitlichen Anspruch des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit ab dem 1. August 2010.
Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass bei Anrufung des SG am 30. November 2010 schon das Beschwerdeverfahren L 2 AS 351/10 beim Senat anhängig war. Dieses betraf nicht den Bewilligungsabschnitt ab dem 1. August 2010. Wegen der näheren Einzelheiten hierzu wird auf die Gründe des den Beteiligten zugestellten Beschluss des Senats vom 13. Januar 2011 in dem Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
Soweit der Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vor Eingang der Rechtsschutzanträge beim SG am 30. November 2010 geltend macht, fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Für den Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2010 begehrt der Antragsteller in der Sache zunächst die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Anfechtungswiderspruchs gegen den Versagungsbescheid der Arge vom 11. November 2010. Dies ist aber verbunden mit dem Begehren auf Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungserbringung. Denn alleine eine Anfechtung des Versagungsbescheides führt (anders als die Anfechtung eines Bescheides über die Entziehung einer bewilligten Leistung) noch nicht zur Leistungsgewährung. Der Antrag auf Verpflichtung zur Leistungserbringung ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine Regelungsanordnung in Betracht. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und dass er ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Für Leistungszeiträume vor dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht ist ein Anordnungsgrund grundsätzlich zu verneinen. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise gelten, wenn der Antragsteller besondere Umstände glaubhaft macht, auf Grund derer die Nichtgewährung in der Vergangenheit noch fortwirkt und deshalb eine besonderen Nachholbedarf begründet (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Auflage, Rdnr. 35 a). Solche besonderen Umstände hat der Antragstellter nicht glaubhaft gemacht. Er hat z. B. nicht belegt, aufgrund einer vor der Antragstellung erfolgten Heizöllieferung noch mit Verbindlichkeiten belastet zu sein, so dass ihm noch bleibende Nachteile drohen würden. Weil ein Anordnungsgrund für die Regelungsanordnung insoweit zu verneinen ist, ist auch kein Grund für eine isolierte Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vorhanden.
Für die Zeit ab dem 1. November 2010 ist das Begehren des Antragstellers ausschließlich auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtet. Er begehrte hier die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer Leistungen, als sie ihm mit Bescheid vom 25. November 2010 für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. März 2011 vorläufig bewilligt wurden. Eine solche Verpflichtung scheitert für die Zeit vor Eingang der Rechtsschutzanträge beim SG, wie oben ausgeführt, ebenfalls am Fehlen eines Anordnungsgrundes.
Für die ab Zeit dem 30. November 2011 hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Arge hat dem Antragsteller zu Recht Leistungen nur vorläufig bewilligt. Ob sich dabei die Rechtsgrundlage für die vorläufige Entscheidung aus § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ergibt (was im Hinblick auf ein Vertretenmüssen der mangelnden Entscheidungsreife für eine endgültige Bewilligung durch den Antragsteller problematisch sein könnte) oder aus § 42 SGB I kann hier offen bleiben. Jedenfalls konnte der Leistungsträger keine abschließenden Feststellungen über den Anspruch des Antragsstellers auf Alg II treffen. Der Antragsteller hatte trotz entsprechender Aufforderung durch die Arge keine die Beurteilung seiner Hilfebedürftigkeit tragfähigen Angaben über das Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit gemacht. Die schriftlich gegenüber der Arge bei der Vorsprache am 23. November 2010 gemachten Angaben sind so nicht verwertbar. Die Angaben zu den Betriebseinnahmen und – ausgaben sind nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller hat für den gesamten Zeitraum von November 2010 bis Februar 2011 laufende deutlich höhere Betriebsausgaben als Einnahmen angegeben, ohne dies zu begründen. Er hat nicht angegeben, in seinem Gewerbe unabwendbare laufende Kosten zu haben. Auch für den völligen Ausfall von Einnahmen in dem Zeitraum von November 2010 bis Januar 2011 hat er keine plausible Erklärung gegeben. Eine auch nur im Ansatz aussagekräftige und nachvollziehbare Darstellung des wirtschaftlichen Ergebnisses des Gewerbebetriebes für einen entscheidungsrelevanten Zeitraum fehlt somit völlig. Weiter hat der Antragsteller, der ein Eigenheim bewohnt, keine Angaben zur aktuellen Unterkunftskostenbelastung gemacht. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Arge die Leistungsbewilligung auf die Regelleistung beschränkt hat.
Der Senat sieht keine Anhaltpunkte dafür, den Leistungsträger aufgrund einer Güterabwägung vorläufig zur Erbringung höherer Leistungen an den Antragsteller zu verpflichten. Es ist hier zu berücksichtigen, dass es der Antragsteller in der Hand hat, dem Antragsgegner die notwendigen Informationen zu liefern, damit dieser seine Hilfebedürftigkeit auf tragfähiger Basis beurteilen und ggf. höhere Leistung bewilligen kann.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
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