Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 P 3692/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 38/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob der Kläger als versicherungspflichtiges Mitglied in die soziale Pflegeversicherung (SPV) aufzunehmen bzw. zum Beitritt als Versicherungspflichtiger berechtigt ist.
Der am 1934 geborene ledige Kläger, der spanischer Staatsangehöriger ist, bezieht von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz eine deutsche und vom spanischen Rentenversicherungsträger eine spanische Rente. Außerdem bezieht er von der Zusatzversorgung seiner früheren Arbeitgeberin, der S. Straßenbahnen AG, einem eingetragenen Verein (e. V.), eine betriebliche Altersversorgung. Seit 01. Mai 1995 war er Mitglied der AOK Baden-Württemberg in Stuttgart in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Er verzog nach seinen Angaben vom 16. Oktober 1998 und der in Kopie beigefügten Abmeldebestätigung des Amts für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt S. vom 12. Mai 1998 am 13. Mai 1998 nach A./Madrid in Spanien. Daraufhin teilte die AOK Baden-Württemberg in einem Schreiben vom 06. Oktober 1998 dem Kläger mit, dass er keine Leistungen der SPV erhalten könne, solange er sich im Ausland befinde, und beendete mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 rückwirkend zum 13. Mai 1998 seine Mitgliedschaft in der KVdR, führte aber seine SPV ab 14. Mai 1998 als freiwillige Versicherung weiter. Dabei berücksichtigte sie das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 01. Oktober 1998 an die frühere Arbeitgeberin des Klägers, wonach zwar die Abführung von Beiträgen zur KVdR eingestellt werden, die Mitgliedschaft in der SPV aber bestehen bleiben sollte. Diesem Schreiben war eine Kopie des Schreibens der AOK Rheinland an den Kläger vom 08. September 1998 beigefügt, demzufolge eine Mitgliedschaft bei jener Krankenkasse in der Krankenversicherung (KV) nicht begründet werden könne, weil der Kläger wegen des Bezugs seiner spanischen Rente Anspruch auf Leistungen der KV nach den Rechtsvorschriften seines Wohnsitzlandes habe. Mit Schreiben vom 18. November 1998 bat der Kläger um Überprüfung der Beitragshöhe in der SPV und darum, den Beitrag wie bisher von seiner Rente einzubehalten. Dass er in einen anderen Mitgliedstaat der EU verzogen sei, könne nicht zu einer Beitragserhöhung führen. Mit Bescheid vom 08. Dezember 1998 setzte daraufhin die Beklagte den Monatsbeitrag zur SPV rückwirkend ab 14. Mai 1998 auf DM 12,96 (halber Beitragssatz) herab. Dieser Beitrag könne jedoch nicht von der Rente einbehalten werden, da es sich um eine freiwillige Versicherung handle, sondern sei vom Kläger selbst zu bezahlen. Nachdem der Kläger jedoch darauf bestand, pflichtversichert zu werden, erließ die Beklagte unter dem 08. März 1999 einen förmlichen Bescheid über die freiwillige SPV. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, seine deutsche KVdR ruhe nur, weshalb er in der SPV pflichtversichert sei. Seine in Spanien bestehende KV trete an die Stelle der deutschen, was zur Pflichtmitgliedschaft in der SPV führe. Dies ergebe sich aus der VO (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden: VO Nr. 1408/71) in der derzeit gültigen Fassung. Der Widerspruch des Klägers hatte jedoch keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Pflegekassen-Widerspruchsausschusses vom 28. Juni 1999). Zur Begründung wurde u. a. auf das Rundschreiben der Deutschen Verbindungsstelle "Krankenversicherung Ausland" Nr. 18/1998 verwiesen, demzufolge die Abgrenzungsregelung der Zuständigkeit für die KV auch für die SPV gelte, so dass eine Pflichtversicherung in der SPV nur dann bestehe, wenn auch die KV im Inland bestehe. Die mögliche freiwillige SPV habe die Beklagte dem Kläger aber bereits eingeräumt.
Die am 07. Juli 1999 schriftlich beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobene Klage begründete der Kläger im Wesentlichen mit einer Wiederholung seiner Argumentation im Widerspruchsverfahren. Es dürfe nicht übersehen werden, dass es sich um zwei verschiedene Versicherungen, nämlich KVdR und SPV, handle. Da das spanische Recht keine SPV kenne, komme ein Ruhen wie bei der KVdR nicht in Betracht. Art. 27 VO Nr. 1408/71 solle lediglich zwei identische Versicherungen gleichzeitig verhindern. Eine andere Auslegung sei mit Art. 48 und 51 des EG-Vertrags unvereinbar. Die Sache müsse unbedingt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung nach Art. 177 EG-Vertrag vorgelegt werden. Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Das SG wies mit Urteil vom 16. November 2000 die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ab, da der Kläger die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der SPV, nämlich das Bestehen einer KV, nicht erfülle. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das dem Bevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2000 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil verwiesen.
Mit der am 03. Januar 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Da das spanische Sozialversicherungsrecht keine SPV kenne, bestehe gegen den spanischen Versicherungsträger kein Leistungsanspruch; deshalb entfalle insoweit auch ein Grund für das Ruhen. Da ein Bezieher einer deutschen Rente in Spanien, der keine spanische Rente erhalte, pflegepflichtversichert sei, könne für ihn nichts anderes gelten. Das Urteil des EuGH vom 05. März 1998 (Molenaar Rs C 160/96) betreffe die leistungsrechtliche Seite, nicht aber die Versicherungspflicht. Die Ungleichbehandlung stelle sich für ihn als Diskriminierung dar, die gegen EG-Recht verstoße. Die freiwillige Versicherung diene nur der Anwartschaftserhaltung; ein unmittelbarer Leistungsanspruch sei daraus nicht abzuleiten. Die Weiterversicherung nach § 26 Abs. 2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) habe daher für ihn keinen Wert. Ferner vertritt er die Auffassung, dass er gar nicht aus der KVdR ausgeschieden sei. Die Beklagte übersehe im Übrigen den in § 6 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) geregelten Vorrang des EG-Rechts.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. November 2000 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 08. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 1999 festzustellen, dass er versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung ist, hilfsweise, dem EuGH folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 27 VO Nr. 1408/71 so auszulegen, dass die Krankenversicherung der Rentner nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet der Rentner wohnt, der deutschen Krankenversicherung im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB XI für die Erfüllung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gleichgestellt wird? Verneinendenfalls: 2. Verstößt Art. 27 VO 1408/71 gegen Art. 48 und 51 EG-Vertrag, wenn die Rentner ihren Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegen müssten, um in der Krankenversicherung der Rentner und somit in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI versicherungspflichtig zu sein?
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für richtig. Mit dem Ende der Mitgliedschaft des Klägers in der KVdR sei auch seine Versicherungspflicht in der SPV erloschen. Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Rentenbezieher sei nur über eine Harmonisierung des Leistungskatalogs der einzelnen in den Mitgliedstaaten bestehenden Krankenversicherungssysteme zu beseitigen. Nach § 3 SGB IV sei der Kläger von den Leistungen der deutschen SPV ausgeschlossen, solange er sich in Spanien aufhalte.
Die durch Beschluss des Senatsvorsitzenden vom 09. September 2002 beigeladene LVA Rheinprovinz hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 08. März 1999 in der durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 1999 unveränderten Gestalt dem geltenden Recht entspricht und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Das SG hat im angefochtenen Urteil die bestehende Rechtslage unter Einbeziehung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH ausführlich und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen an, als das SG die Notwendigkeit einer Vorlage des Falles an den EuGH zur Vorabentscheidung abgelehnt hat. Lediglich zusammenfassend und klarstellend ist unter Beachtung der jüngsten Entscheidungen des EuGH und im Hinblick auf die teilweise anders lautende Auffassung der Beklagten auf Folgendes hinzuweisen:
Obwohl die deutsche KVdR des Klägers, wie von diesem zutreffend bemerkt, nur ruht, hat dies doch zur Folge, dass während des Ruhens keine rechtlichen Auswirkungen dieser KVdR bestehen, auch nicht, soweit das Bestehen einer solchen Voraussetzung für eine Pflichtmitgliedschaft in der SPV ist. Tatsächlich besteht auch kein anerkennenswertes Interesse des Klägers an einer Pflichtversicherung für ihn, da er durch die Möglichkeit einer vom Beitrag her sehr günstigen freiwilligen Versicherung nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in gleicher Weise abgesichert ist wie ein Pflichtversicherter. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die freiwillige SPV vom Gesetzgeber gewiss als eine die bloße Anwartschaft erhaltende Versicherung gedacht gewesen und auch von den innerstaatlichen Gerichten (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 03. April 2001 = SozR 3 – 3300 § 20 Nr. 6) bisher so verstanden wird. Das ändert aber, abgesehen von der außerdem bestehenden Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, nichts daran, dass hier eine (freiwillige) Mitgliedschaft in der SPV besteht, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und eines der wesentlichen Ziele der EG, Hindernisse zu beseitigen, die der Freizügigkeit entgegenstehen könnten, nicht nur die Anwartschaft ohne erneute Wartezeit erhalten, sondern einen unmittelbaren Leistungsanspruch auch im EG-Ausland geben soll. Ob der derzeit geltende Beitrag, wie er in § 57 Abs. 5 SGB XI geregelt ist, auch bei der hier vorgenommenen Auslegung des Gesetzes ausreichend ist, kann nicht Gegenstand der hier zu treffenden Entscheidung sein, die ihrerseits auch nicht von der Beitragshöhe beeinflusst werden kann. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, die Beitragshöhe gegebenenfalls an die durch die Rechtsprechung bestimmte Ausweitung des abgedeckten Wagnisses anzupassen. Diese Gesetzesauslegung ist auch durch das Grundgesetz (GG), insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG, geboten. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass ein Versicherter, der nur deutsche Rentenversicherungsleistungen beanspruchen kann, zweifelsfrei bei Bestehen einer KV deswegen Mitglied der SPV auch dann bleibt, wenn er im EG-Ausland seinen Wohnsitz begründet, während derjenige, der auch eine (möglicherweise recht niedrige) ausländische Rente bezieht, wegen des Wegfalls seiner Mitgliedschaft in einer deutschen KV nicht mehr pflegeversichert mit Anspruch auf Geldleistungen sein soll. Die Behauptung, die entsprechenden Beiträge könnten nur unter Inkaufnahme von unzumutbaren Schwierigkeiten und mit erheblichem Kostenaufwand überwiesen werden, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der Kläger von der Versorgungseinrichtung seiner früheren Arbeitgeberin Rentenleistungen erhält, die er ohne weiteres zugunsten der Beklagten abtreten kann, so dass allenfalls die im Inland üblichen Bankgebühren anfallen, könnte der Kläger auch gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) vom Rentenversicherungsträger, der Beigeladenen, eine Überweisung des Beitrags verlangen, so dass die von ihm angegebenen Schwierigkeiten nicht bestehen, zumal der Rentenversicherungsträger ohnehin jedenfalls seit 01. April 2001 einen Beitragzuschuss zur SPV gemäß § 106a Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) gerade bei freiwillig Versicherten wie dem Kläger zu erbringen hat. Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte bei bestehender SPV die Geldleistungen, also insbesondere das Pflegegeld nach § 37 SGB XI, auch ins EG-Ausland erbringen kann und nach der Rechtsprechung des EuGH erbringen muss (vgl. Urteil des EuGH vom 05. März 1998 - C 160/96 Fall Molenaar = SozR 3 - 3300 § 34 Nr. 2). Insoweit beruft sich die Beklagte, wie vom Kläger zutreffend geltend gemacht, zu Unrecht auf § 3 Nr. 2 SGB IV. Denn die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts haben hier eindeutigen Vorrang (vgl. § 6 SGB IV).
Ist sonach aber für den Personenkreis, zu dem der Kläger gehört, schon nach geltendem Recht hinreichend für die Abdeckung des Wagnisses der Pflegebedürftigkeit gesorgt, bedarf es auch nicht der Einführung einer "Antragspflichtversicherung" für EG-Angehörige, die ansonsten zur Wahrung des Territorialitätsprinzips erforderlich sein könnte, das die Begründung rechtlicher Pflichten für Ausländer im Ausland untersagt.
Somit war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob der Kläger als versicherungspflichtiges Mitglied in die soziale Pflegeversicherung (SPV) aufzunehmen bzw. zum Beitritt als Versicherungspflichtiger berechtigt ist.
Der am 1934 geborene ledige Kläger, der spanischer Staatsangehöriger ist, bezieht von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz eine deutsche und vom spanischen Rentenversicherungsträger eine spanische Rente. Außerdem bezieht er von der Zusatzversorgung seiner früheren Arbeitgeberin, der S. Straßenbahnen AG, einem eingetragenen Verein (e. V.), eine betriebliche Altersversorgung. Seit 01. Mai 1995 war er Mitglied der AOK Baden-Württemberg in Stuttgart in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Er verzog nach seinen Angaben vom 16. Oktober 1998 und der in Kopie beigefügten Abmeldebestätigung des Amts für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt S. vom 12. Mai 1998 am 13. Mai 1998 nach A./Madrid in Spanien. Daraufhin teilte die AOK Baden-Württemberg in einem Schreiben vom 06. Oktober 1998 dem Kläger mit, dass er keine Leistungen der SPV erhalten könne, solange er sich im Ausland befinde, und beendete mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 rückwirkend zum 13. Mai 1998 seine Mitgliedschaft in der KVdR, führte aber seine SPV ab 14. Mai 1998 als freiwillige Versicherung weiter. Dabei berücksichtigte sie das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 01. Oktober 1998 an die frühere Arbeitgeberin des Klägers, wonach zwar die Abführung von Beiträgen zur KVdR eingestellt werden, die Mitgliedschaft in der SPV aber bestehen bleiben sollte. Diesem Schreiben war eine Kopie des Schreibens der AOK Rheinland an den Kläger vom 08. September 1998 beigefügt, demzufolge eine Mitgliedschaft bei jener Krankenkasse in der Krankenversicherung (KV) nicht begründet werden könne, weil der Kläger wegen des Bezugs seiner spanischen Rente Anspruch auf Leistungen der KV nach den Rechtsvorschriften seines Wohnsitzlandes habe. Mit Schreiben vom 18. November 1998 bat der Kläger um Überprüfung der Beitragshöhe in der SPV und darum, den Beitrag wie bisher von seiner Rente einzubehalten. Dass er in einen anderen Mitgliedstaat der EU verzogen sei, könne nicht zu einer Beitragserhöhung führen. Mit Bescheid vom 08. Dezember 1998 setzte daraufhin die Beklagte den Monatsbeitrag zur SPV rückwirkend ab 14. Mai 1998 auf DM 12,96 (halber Beitragssatz) herab. Dieser Beitrag könne jedoch nicht von der Rente einbehalten werden, da es sich um eine freiwillige Versicherung handle, sondern sei vom Kläger selbst zu bezahlen. Nachdem der Kläger jedoch darauf bestand, pflichtversichert zu werden, erließ die Beklagte unter dem 08. März 1999 einen förmlichen Bescheid über die freiwillige SPV. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, seine deutsche KVdR ruhe nur, weshalb er in der SPV pflichtversichert sei. Seine in Spanien bestehende KV trete an die Stelle der deutschen, was zur Pflichtmitgliedschaft in der SPV führe. Dies ergebe sich aus der VO (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden: VO Nr. 1408/71) in der derzeit gültigen Fassung. Der Widerspruch des Klägers hatte jedoch keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Pflegekassen-Widerspruchsausschusses vom 28. Juni 1999). Zur Begründung wurde u. a. auf das Rundschreiben der Deutschen Verbindungsstelle "Krankenversicherung Ausland" Nr. 18/1998 verwiesen, demzufolge die Abgrenzungsregelung der Zuständigkeit für die KV auch für die SPV gelte, so dass eine Pflichtversicherung in der SPV nur dann bestehe, wenn auch die KV im Inland bestehe. Die mögliche freiwillige SPV habe die Beklagte dem Kläger aber bereits eingeräumt.
Die am 07. Juli 1999 schriftlich beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobene Klage begründete der Kläger im Wesentlichen mit einer Wiederholung seiner Argumentation im Widerspruchsverfahren. Es dürfe nicht übersehen werden, dass es sich um zwei verschiedene Versicherungen, nämlich KVdR und SPV, handle. Da das spanische Recht keine SPV kenne, komme ein Ruhen wie bei der KVdR nicht in Betracht. Art. 27 VO Nr. 1408/71 solle lediglich zwei identische Versicherungen gleichzeitig verhindern. Eine andere Auslegung sei mit Art. 48 und 51 des EG-Vertrags unvereinbar. Die Sache müsse unbedingt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung nach Art. 177 EG-Vertrag vorgelegt werden. Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Das SG wies mit Urteil vom 16. November 2000 die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ab, da der Kläger die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der SPV, nämlich das Bestehen einer KV, nicht erfülle. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das dem Bevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2000 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil verwiesen.
Mit der am 03. Januar 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Da das spanische Sozialversicherungsrecht keine SPV kenne, bestehe gegen den spanischen Versicherungsträger kein Leistungsanspruch; deshalb entfalle insoweit auch ein Grund für das Ruhen. Da ein Bezieher einer deutschen Rente in Spanien, der keine spanische Rente erhalte, pflegepflichtversichert sei, könne für ihn nichts anderes gelten. Das Urteil des EuGH vom 05. März 1998 (Molenaar Rs C 160/96) betreffe die leistungsrechtliche Seite, nicht aber die Versicherungspflicht. Die Ungleichbehandlung stelle sich für ihn als Diskriminierung dar, die gegen EG-Recht verstoße. Die freiwillige Versicherung diene nur der Anwartschaftserhaltung; ein unmittelbarer Leistungsanspruch sei daraus nicht abzuleiten. Die Weiterversicherung nach § 26 Abs. 2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) habe daher für ihn keinen Wert. Ferner vertritt er die Auffassung, dass er gar nicht aus der KVdR ausgeschieden sei. Die Beklagte übersehe im Übrigen den in § 6 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) geregelten Vorrang des EG-Rechts.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. November 2000 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 08. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 1999 festzustellen, dass er versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung ist, hilfsweise, dem EuGH folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 27 VO Nr. 1408/71 so auszulegen, dass die Krankenversicherung der Rentner nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet der Rentner wohnt, der deutschen Krankenversicherung im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB XI für die Erfüllung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gleichgestellt wird? Verneinendenfalls: 2. Verstößt Art. 27 VO 1408/71 gegen Art. 48 und 51 EG-Vertrag, wenn die Rentner ihren Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegen müssten, um in der Krankenversicherung der Rentner und somit in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI versicherungspflichtig zu sein?
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für richtig. Mit dem Ende der Mitgliedschaft des Klägers in der KVdR sei auch seine Versicherungspflicht in der SPV erloschen. Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Rentenbezieher sei nur über eine Harmonisierung des Leistungskatalogs der einzelnen in den Mitgliedstaaten bestehenden Krankenversicherungssysteme zu beseitigen. Nach § 3 SGB IV sei der Kläger von den Leistungen der deutschen SPV ausgeschlossen, solange er sich in Spanien aufhalte.
Die durch Beschluss des Senatsvorsitzenden vom 09. September 2002 beigeladene LVA Rheinprovinz hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 08. März 1999 in der durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 1999 unveränderten Gestalt dem geltenden Recht entspricht und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Das SG hat im angefochtenen Urteil die bestehende Rechtslage unter Einbeziehung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH ausführlich und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen an, als das SG die Notwendigkeit einer Vorlage des Falles an den EuGH zur Vorabentscheidung abgelehnt hat. Lediglich zusammenfassend und klarstellend ist unter Beachtung der jüngsten Entscheidungen des EuGH und im Hinblick auf die teilweise anders lautende Auffassung der Beklagten auf Folgendes hinzuweisen:
Obwohl die deutsche KVdR des Klägers, wie von diesem zutreffend bemerkt, nur ruht, hat dies doch zur Folge, dass während des Ruhens keine rechtlichen Auswirkungen dieser KVdR bestehen, auch nicht, soweit das Bestehen einer solchen Voraussetzung für eine Pflichtmitgliedschaft in der SPV ist. Tatsächlich besteht auch kein anerkennenswertes Interesse des Klägers an einer Pflichtversicherung für ihn, da er durch die Möglichkeit einer vom Beitrag her sehr günstigen freiwilligen Versicherung nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in gleicher Weise abgesichert ist wie ein Pflichtversicherter. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die freiwillige SPV vom Gesetzgeber gewiss als eine die bloße Anwartschaft erhaltende Versicherung gedacht gewesen und auch von den innerstaatlichen Gerichten (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 03. April 2001 = SozR 3 – 3300 § 20 Nr. 6) bisher so verstanden wird. Das ändert aber, abgesehen von der außerdem bestehenden Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, nichts daran, dass hier eine (freiwillige) Mitgliedschaft in der SPV besteht, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und eines der wesentlichen Ziele der EG, Hindernisse zu beseitigen, die der Freizügigkeit entgegenstehen könnten, nicht nur die Anwartschaft ohne erneute Wartezeit erhalten, sondern einen unmittelbaren Leistungsanspruch auch im EG-Ausland geben soll. Ob der derzeit geltende Beitrag, wie er in § 57 Abs. 5 SGB XI geregelt ist, auch bei der hier vorgenommenen Auslegung des Gesetzes ausreichend ist, kann nicht Gegenstand der hier zu treffenden Entscheidung sein, die ihrerseits auch nicht von der Beitragshöhe beeinflusst werden kann. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, die Beitragshöhe gegebenenfalls an die durch die Rechtsprechung bestimmte Ausweitung des abgedeckten Wagnisses anzupassen. Diese Gesetzesauslegung ist auch durch das Grundgesetz (GG), insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG, geboten. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass ein Versicherter, der nur deutsche Rentenversicherungsleistungen beanspruchen kann, zweifelsfrei bei Bestehen einer KV deswegen Mitglied der SPV auch dann bleibt, wenn er im EG-Ausland seinen Wohnsitz begründet, während derjenige, der auch eine (möglicherweise recht niedrige) ausländische Rente bezieht, wegen des Wegfalls seiner Mitgliedschaft in einer deutschen KV nicht mehr pflegeversichert mit Anspruch auf Geldleistungen sein soll. Die Behauptung, die entsprechenden Beiträge könnten nur unter Inkaufnahme von unzumutbaren Schwierigkeiten und mit erheblichem Kostenaufwand überwiesen werden, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der Kläger von der Versorgungseinrichtung seiner früheren Arbeitgeberin Rentenleistungen erhält, die er ohne weiteres zugunsten der Beklagten abtreten kann, so dass allenfalls die im Inland üblichen Bankgebühren anfallen, könnte der Kläger auch gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) vom Rentenversicherungsträger, der Beigeladenen, eine Überweisung des Beitrags verlangen, so dass die von ihm angegebenen Schwierigkeiten nicht bestehen, zumal der Rentenversicherungsträger ohnehin jedenfalls seit 01. April 2001 einen Beitragzuschuss zur SPV gemäß § 106a Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) gerade bei freiwillig Versicherten wie dem Kläger zu erbringen hat. Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte bei bestehender SPV die Geldleistungen, also insbesondere das Pflegegeld nach § 37 SGB XI, auch ins EG-Ausland erbringen kann und nach der Rechtsprechung des EuGH erbringen muss (vgl. Urteil des EuGH vom 05. März 1998 - C 160/96 Fall Molenaar = SozR 3 - 3300 § 34 Nr. 2). Insoweit beruft sich die Beklagte, wie vom Kläger zutreffend geltend gemacht, zu Unrecht auf § 3 Nr. 2 SGB IV. Denn die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts haben hier eindeutigen Vorrang (vgl. § 6 SGB IV).
Ist sonach aber für den Personenkreis, zu dem der Kläger gehört, schon nach geltendem Recht hinreichend für die Abdeckung des Wagnisses der Pflegebedürftigkeit gesorgt, bedarf es auch nicht der Einführung einer "Antragspflichtversicherung" für EG-Angehörige, die ansonsten zur Wahrung des Territorialitätsprinzips erforderlich sein könnte, das die Begründung rechtlicher Pflichten für Ausländer im Ausland untersagt.
Somit war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.
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