S 90 SO 1636/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
90
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 1636/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 29. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2009 wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für Juli 2008 bis Juni 2009 einen um 11,18 EUR monatlich erhöhten Regelsatz zu gewähren.

Der Beklagte hat dem Kläger 1/3 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung eines erhöhten Regelsatzes aufgrund des Bedarfs an Kleidung in Übergrößen. Der Kläger bezieht Grundsicherungsleistungen von der Beklagten. Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 beantragte der Kläger die Erhöhung des Regelsatzes für Kleidungsübergrößen. Er benötige Übergrößen. Mit Bescheid vom 29. August 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Juli 2008 Grundsicherungsleistungen. Dabei legte sie bei der Berechnung der Leistung wie bisher keinen betreffend Kleidung erhöhten Regelsatz zugrunde. Der Betrag wurde in den Folgemonaten weiter geleistet bis einschließlich Juni 2009. Mit weiterem Bescheid vom 29. August 2008 lehnte der Beklagte das Begehren des Klägers auf eine erhöhte Regelleistung für Kleiderübergrößen ab. § 31 Abs. 1 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) sehe Leistungen für einmalige Bedarfe vor. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen nicht vor. Hiergegen legte der Kläger am 2. September 2008 Widerspruch ein. Wegen der benötigten Übergrößen werde ein höherer Regelsatz benötigt. Ansonsten könne er seinen Bekleidungsbedarf nicht decken. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2009 als unbegründet zurück. Zwar bestehe bei der Kleidergröße 62/64 ein von der Norm abweichender Bedarf. Jedoch sei es in Berlin möglich, gut erhaltene gebrauchte Kleidung in second-hand-Geschäften und auf Flohmärkten zu erhalten. Mit seiner am 3. Juli 2009 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe die Konfektionsgrößen 68 bzw. bei Hosen 34 und eine Schuhgröße von 47. Er müsse Neuwaren kaufen, weil es in diesen Größen nur ein sehr geringes Angebot an Gebrauchtwaren gäbe. Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 29. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für Juli 2008 bis Juni 2009 einen um 34,98 EUR monatlich erhöhten Regelsatz zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 6. Dezember 2010 jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie hat teilweise Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2009 war aufzuheben und der Bewilligungsbescheid vom 29. August 2008 sowie die konkludenten Bewilligungsbescheide für die Folgemonate bis einschließlich Juni 2009 waren dahingehend abzuändern, dass der Beklagte dem Kläger eine um monatlich 11,18 EUR höhere Grundsicherungsleistungen zu gewähren hat aufgrund einer entsprechenden Regelsatzerhöhung. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden, weil für die Gewährung noch höhere Leistungen keine Rechtsgrundlage vorhanden ist. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Danach werden Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Das ist hier der Fall. Der Bedarf des Klägers für Kleidung weicht unabweisbar erheblich vom durchschnittlichen Bedarf ab. Im Regelsatz ist für Bekleidung und Schuhe ein Anteil von 10 % enthalten. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Regelsatzhöhe für Bekleidung und Schuhe zugrunde gelegt, dass Hilfeempfänger zumutbar auch auf Gebrauchtkleidung verwiesen werden können. Ein unabweisbar seiner Höhe nach von einem durchschnittlichen Bedarf abweichender Bedarf liegt z. B. vor, wenn der Leistungsberechtigte teurere Unter- oder Übergrößen tragen muss (so die Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 15/1514). Hinsichtlich der Bekleidung liegt ein Bedarf des Klägers an extremen Kleidergrößen vor. Hosen in der benötigten Größe und Oberbekleidung in der Größe des Klägers ist nur selten zu finden. Nach eigenen Recherchen des Gerichts über Internet ist die günstigste Möglichkeit des Einkaufs für die extremen Größen des Klägers bei MEN PLUS. Normale Versandhandel bieten die vom Kläger benötigten Kleidergrößen nicht an. Gebrauchtangebote waren so gut wie nicht zu finden. Anders sieht es bei Schuhen aus. In der vom Kläger benötigten Größe gibt es inzwischen selbst bei Versandhandelshäusern und üblicherweise in Berlin auch in den Schuhgeschäften Ware. Um die Höhe zu bestimmen, in welcher der Bedarfs des Klägers vom üblichen, im Regelsatz berücksichtigten Kleidungsbedarf abweicht, hat die Kammer die aktuell angesetzten Preise in der Erstbedarfsausstattung für Männer (Anlage I zum Rundschreiben Nr. 38/2004 der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Berlin) angesetzt. Das sind für Kleidung und Schuhe 335 EUR. Hinsichtlich der Bekleidung hat die Kammer dann auf Basis der günstigsten Angebote von MEN PLUS in den Größen des Klägers abweichend von den Preisen in der o.a. Anlage I zum Rundschreiben Nr. 38/2004 angesetzt: - für eine Jacke 60 EUR - für zwei Hosen insgesamt 50 EUR - für eine Strickjacke 35 EUR - Nachtbekleidung 20 EUR - Badehose 15 EUR - Bademantel 50 EUR - Sportanzug 40 EUR - Unterhosen insgesamt 35 EUR - Unterhemden insgesamt 40 EUR. Wird das berücksichtigt, sind für eine komplette Erstausstattung für den Kläger insgesamt 442 EUR anzusetzen. Diese 442 EUR hat die Kammer zu den 335 EUR ins Verhältnis gesetzt und diese Verhältnis auf den Regelsatz übertragen (Dreisatz). Danach entspricht ein Regelsatz von 46,18 EUR dem Bedarf des Klägers (35: 335 x 442 = 46,18). Diese Abweichung von über 10 EUR vom der im Regelsatz vorgesehen Summe und damit von fast einem Drittel, ist erheblich. Der Regelsatz war daher im Umfang des ungedeckten Bedarfs zu erhöhen, hier um 11,18 EUR. Im Übrigen blieb die Klage erfolglos. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine größere Erhöhung des Regelsatzes. Über die Stattgabe hinaus besteht kein ungedeckter Bedarf (s.o.). Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klage nur zu 1/3 erfolgreich ist. Die Berufung, die gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in diesem Fall der Zulassung bedarf, wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 SGG hierfür nicht vorliegen. Insbesondere kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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