Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AY 116/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 13/07 AY
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Mai 2007 geändert. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Klage- und das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Erstattungspflicht des Beklagten für die außergerichtlichen Kosten des Klägers für eine Untätigkeitsklage.
Der am 1985 geborene Kläger, Staatsangehöriger von Niger, reiste im März 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 30. April 2002 ab. Der Kläger teilte nachfolgend die von ihm anerkannte Vaterschaft für das am 2005 geborene Kind M. J mit deutscher Staatsangehörigkeit mit.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2006 bewilligte der Landkreis M. –Q. dem Kläger ab dem Monat August 2006 bis auf weiteres Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von 318,83 EUR monatlich sowie eine Bekleidungshilfe (20,45 EUR). Berücksichtigt wurden hierbei als laufender Bedarf: Geldbetrag 40,90 EUR (§ 3 Abs. 1 AsylbLG) Zusatzleistungen 132,93 EUR (§ 3 Abs. 2 AsylbLG) Miete 133,00 EUR Heizungskosten 12,00 EUR
Mit seinem gegen diesen Bescheid am 11. August 2006 eingelegten Widerspruch machte der Kläger höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG ab September 2005 geltend. Da er bereits seit Juni 2002 Leistungen nach dem AsylbLG beziehe, stünden ihm seit Vollendung des Dreijahreszeitraums Leistungen nach § 2 AsylbLG und im Übrigen Leistungen nach § 6 AsylbLG zur Wahrnehmung des Sorgerechts zu.
Nachdem nach seinen Angaben zuvor eine telefonische Anfrage erfolgt war, forderte der Sachbearbeiter mit Telefaxschreiben vom 4. Oktober 2006 bei dem Ordnungsamt/Ausländerbehörde des Landkreises eine schriftliche Mitteilung an, ob bei dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG erfüllt seien. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 unterrichtete der Landkreis den Kläger über den Sachstand. Es sei zur Entscheidung über den Widerspruch um eine Stellungnahme der Ausländerbehörde ersucht worden. Es werde daher um Geduld gebeten. In dem mit Telefax am 14. November 2006 übermittelten Antwortschreiben auf die Anfrage vom 4. Oktober 2006 wurden die Unterlagen zu einem den Status des Klägers im Sinne des Aufenthaltsgesetzes betreffenden Verwaltungsrechtsstreit übersandt. Mit Bescheid vom 16. November 2006, dem als Anlage eine unter dem 21. November 2006 erstellte Leistungsberechnung beigefügt war und der dem Prozessbevollmächtigten am 22. November 2006 zuging, half der Landkreis dem Widerspruch ab und bewilligte dem Kläger ab September 2005 laufende Leistungen in Höhe von 434,59 EUR monatlich auf der Grundlage von § 2 AsylbLG, analog den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).
Der Kläger hat seine am 21. November 2006 bei dem Sozialgericht eingegangene Untätigkeitsklage gegen den Beklagten am 28. November 2006 zurückgenommen und gleichzeitig beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2007 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten unbillig. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da sich diese gegen den falschen Beklagten gerichtet habe. In Bezug auf das beklagte Land sei eine Untätigkeit im Sinne des § 88 SGG nicht feststellbar. Aus dem Schreiben des Landkreises vom 16. Oktober 2006 sei eindeutig erkennbar, dass das Verfahren noch bei dieser Ausgangsbehörde geführt worden sei. Der hier zuständige Landkreis teile auch regelmäßig mit, wenn er den Widerspruch zur Entscheidung dem Landesverwaltungsamt vorlege. Daher hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erkennen können, dass die Untätigkeitsklage gegen den Landkreis habe gerichtet werden müssen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 31. Mai 2007 zugestellten Beschluss am 25. Juni 2007 Beschwerde bei dem Sozialgericht eingelegt, das dieser nicht abgeholfen und die Akten dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt vorgelegt hat.
Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Kläger aus, die Untätigkeitsklage habe sich zutreffend gegen den Beklagten als Widerspruchsbehörde gerichtet. Die Abhilfe und Vorlage der Akten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien jeweils ein verwaltungsinterner Vorgang. Der Erfolg der Klage ergebe sich aus der hier bei ihrer Erhebung abgelaufenen Dreimonatsfrist im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG. Die Nichtweitergabe der Akten an die Widerspruchsbehörde stelle keinen zureichenden Grund für das Unterbleiben einer Entscheidung über den Widerspruch dar. Der Beklagte müsse sich die Untätigkeit des Landkreises zurechnen lassen. Dass dies möglich sei, ergebe sich unter Berücksichtigung der Regelung in § 161 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Soweit sich die das Verfahren über seine Aufenthaltserlaubnis betreffenden Akten zeitweise bei dem Verwaltungsgericht befunden hätten, ergebe sich daraus nichts anderes. Auf der Grundlage von Fotokopien sei eine rechtzeitige Entscheidung über seinen Widerspruch möglich gewesen. Auch die Ausländerbehörde sei dem Landkreis zugeordnet, sodass dieser schon im Rahmen der Prüfung der Aufenthaltserlaubnis mit der Frage einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer befasst gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Mai 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er sei sachlich vor der Abhilfeentscheidung des Landkreises im Widerspruchsverfahren nicht zuständig gewesen, sodass er auch nicht "untätig" im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG habe gewesen sein können. Die Aufgaben der Ausländerbehörde seien in der Organisationseinheit des Landkreises angesiedelt. In der Rechtsprechung sei auch die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage gegen die Ausgangsbehörde anerkannt (Hinweis auf Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Juli 2006 - L 11 B 727/05 SO - juris). Über die weitere Bearbeitung der Sache durch den Landkreis sei der Kläger auch informiert gewesen. Die verzögerte (interne) Auskunft sei nicht dem Beklagten zuzurechnen. Im Übrigen habe der Landkreis auch einen Anlass gehabt, noch nicht über den Widerspruch zu entscheiden, sodass schon ein ausreichender Grund für die Überschreitung der Frist des § 88 Abs. 2 SGG vorgelegen habe.
Auf Anfrage der früheren Berichterstatterin hat der Landkreis S. , als Rechtsnachfolger des Landkreises M -Q. , mitgeteilt, nach Eingang des Widerspruchs des Klägers sei zunächst eine telefonische Anfrage bei der Ausländerbehörde erfolgt, die dann mit Schreiben vom 4. Oktober 2006 wiederholt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Mai 2007 ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Auf das vorliegende Beschwerdeverfahren findet noch § 172 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) Anwendung. Die Beschwerde ist damit statthaft, weil diese sich gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts im Sinne des § 172 Abs. 1 SGG wendet, für welche die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGG hat das Gericht in der Endentscheidung auch zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren in anderer Art beendet wird. Soweit in dem Bescheid vom 16. November 2006 auch die notwendigen Kosten "der Rechtsverfolgung" anerkannt worden sind, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn ein Anerkenntnis über Kosten, soweit diese nicht nach § 63 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) für das Widerspruchsverfahren entstanden sind, ist regelmäßig einem nicht an das Gericht adressierten Schreiben (hier dem Abhilfebescheid) nicht zu entnehmen.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind, erfolgt nach sachgemäßem Ermessen (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Mai 1996 - 3 RK 23/95 - SozR 3-2500 § 109 Nr. 1 = BSGE 78, 233 ff.; Urteil vom 16. Juni 1999 - B 9 V 20/98 R - SozR 3-3100 § 5 Nr. 7 - juris). Dabei ist im Wesentlichen maßgebend, wer im Fall einer streitigen Entscheidung voraussichtlich obsiegt hätte (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007 - L 8 B 28/06 R - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 193 RdNr. 12a, 13 m.w.N.). Insoweit ist von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen. Weitere Sachverhaltsermittlungen mit dem Ziel, die Erfolgsaussichten näher aufzuklären, erfolgen im Regelfall nicht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 RdNr. 13d; Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl. S. III/109-61). Für die am 21. November 2006 erhobene Untätigkeitsklage ist ein Obsiegen des Klägers im vorgenannten Sinne nicht abschließend festzustellen.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die so genannte Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren nach Satz 2 dieser Vorschrift bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Das Gleiche gilt nach § 88 Abs. 2 SGG, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.
Die Untätigkeitsklage war zulässig. Die Dreimonatsfrist im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Klageerhebung ohne eine dem Kläger bekannt gegebene Entscheidung über seinen Widerspruch verstrichen. Aus der am 21. November 2006 erstellten Anlage zu dem Bescheid vom 16. November 2006 ist erkennbar, dass der Bescheid nicht vor dem 21. November 2006 auf die Post gegeben worden sein kann. Die am 21. November 2006 erhobene Untätigkeitsklage liegt damit zeitlich vor dem Erlass des Bescheides vom 16. November 2006, der mit der Bekanntgabe erfolgt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor dem 22. November 2006 Kenntnis von der Abhilfeentscheidung hatte.
Die Untätigkeitsklage konnte auch (nur) gegen den Beklagten gerichtet werden. Zu Unrecht leitet der Beklagte aus der Rechtsprechung ab, dass es bei einer Klage nur gegen die Widerspruchsbehörde an deren – zu einer Kostenerstattungspflicht führenden - Untätigkeit fehlt, soweit sich der Vorgang zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch in Bearbeitung der Ausgangsbehörde befindet. Vielmehr lag der insoweit in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen LSG vom 18. Juli 2006 (a.a.O.) der Sachverhalt zugrunde, dass die Untätigkeitsklage sowohl gegen die Ausgangsbehörde als auch gegen die Widerspruchsbehörde gerichtet war. Hierzu hat das Bayerische LSG ausgeführt, dass der dortige Kläger berechtigt war, Klage gegen beide Beklagte zu erheben. Dem schließt sich der Senat für den hier zu entscheidenden Fall an. Daraus folgt indes nicht, dass eine Kostenerstattung der nur in Anspruch genommenen Widerspruchsbehörde ausscheidet. Vielmehr obliegt es dieser, organisatorische Vorkehrungen für die rechtzeitige Information über Widerspruchsverfahren zu treffen, die nicht innerhalb des von § 88 Abs. 2 SGG vorgegebenen zeitlichen Rahmens zu einem Abschluss gebracht werden, zu treffen. Sie kann dann die Entscheidungskompetenz im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 1 SGG gegebenenfalls betreiben (vgl. im Ergebnis Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 88 RdNr. 7b).
Es ist nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand nicht abschließend festzustellen, ob die Untätigkeitsklage begründet gewesen ist. Nach Aktenlage bleibt bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung offen, ob ein sachlicher Grund für die (erst) am 21. November 2006 erfolgte Entscheidung, dem Widerspruch abzuhelfen, vorgelegen hat. Dieser Entscheidung gingen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts voraus. Eine datumsmäßig zuzuordnende Anfrage bei dem Bereich Ordnungsamt/Ausländerbehörde erfolgte am 4. Oktober 2006. Der Senat sieht das Vorbringen der notwendigen Aufklärung des aufenthaltsrechtlichen Status des Klägers als nachvollziehbar und durch die Leistungsvoraussetzungen des AsylbLG als notwendig für die abschließende Entscheidung in der Sache an. Der Kläger ist durch die Zwischennachricht vom 16. Oktober 2006, d.h. vor Erhebung der Untätigkeitsklage, über die noch nicht abschließend geklärte Sachlage informiert worden. Die Rechtsprechung misst aber insbesondere auch dem Umstand Bedeutung zu, ob die Ermittlungen zeitnah auf den Eingang des Widerspruchs aufgenommen worden sind (vgl. z.B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juni 2007 - L 20 B 19/07 AY - juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Januar 2009 - L 5 B 110/06 AS - juris). Eine weitere Aufklärung im Hinblick auf die vorausgegangene telefonische Anfrage kann im Rahmen der Entscheidung über die Kostenfolgen nicht vorgenommen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt dem Ergebnis des Rechtsmittels (vgl. zur Notwendigkeit einer gesonderten Kostenentscheidung z.B. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 176 RdNr. 5 f. m.w.N. zur teilweise vertretenen abweichenden Auffassung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Erstattungspflicht des Beklagten für die außergerichtlichen Kosten des Klägers für eine Untätigkeitsklage.
Der am 1985 geborene Kläger, Staatsangehöriger von Niger, reiste im März 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 30. April 2002 ab. Der Kläger teilte nachfolgend die von ihm anerkannte Vaterschaft für das am 2005 geborene Kind M. J mit deutscher Staatsangehörigkeit mit.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2006 bewilligte der Landkreis M. –Q. dem Kläger ab dem Monat August 2006 bis auf weiteres Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von 318,83 EUR monatlich sowie eine Bekleidungshilfe (20,45 EUR). Berücksichtigt wurden hierbei als laufender Bedarf: Geldbetrag 40,90 EUR (§ 3 Abs. 1 AsylbLG) Zusatzleistungen 132,93 EUR (§ 3 Abs. 2 AsylbLG) Miete 133,00 EUR Heizungskosten 12,00 EUR
Mit seinem gegen diesen Bescheid am 11. August 2006 eingelegten Widerspruch machte der Kläger höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG ab September 2005 geltend. Da er bereits seit Juni 2002 Leistungen nach dem AsylbLG beziehe, stünden ihm seit Vollendung des Dreijahreszeitraums Leistungen nach § 2 AsylbLG und im Übrigen Leistungen nach § 6 AsylbLG zur Wahrnehmung des Sorgerechts zu.
Nachdem nach seinen Angaben zuvor eine telefonische Anfrage erfolgt war, forderte der Sachbearbeiter mit Telefaxschreiben vom 4. Oktober 2006 bei dem Ordnungsamt/Ausländerbehörde des Landkreises eine schriftliche Mitteilung an, ob bei dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG erfüllt seien. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 unterrichtete der Landkreis den Kläger über den Sachstand. Es sei zur Entscheidung über den Widerspruch um eine Stellungnahme der Ausländerbehörde ersucht worden. Es werde daher um Geduld gebeten. In dem mit Telefax am 14. November 2006 übermittelten Antwortschreiben auf die Anfrage vom 4. Oktober 2006 wurden die Unterlagen zu einem den Status des Klägers im Sinne des Aufenthaltsgesetzes betreffenden Verwaltungsrechtsstreit übersandt. Mit Bescheid vom 16. November 2006, dem als Anlage eine unter dem 21. November 2006 erstellte Leistungsberechnung beigefügt war und der dem Prozessbevollmächtigten am 22. November 2006 zuging, half der Landkreis dem Widerspruch ab und bewilligte dem Kläger ab September 2005 laufende Leistungen in Höhe von 434,59 EUR monatlich auf der Grundlage von § 2 AsylbLG, analog den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).
Der Kläger hat seine am 21. November 2006 bei dem Sozialgericht eingegangene Untätigkeitsklage gegen den Beklagten am 28. November 2006 zurückgenommen und gleichzeitig beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2007 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten unbillig. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da sich diese gegen den falschen Beklagten gerichtet habe. In Bezug auf das beklagte Land sei eine Untätigkeit im Sinne des § 88 SGG nicht feststellbar. Aus dem Schreiben des Landkreises vom 16. Oktober 2006 sei eindeutig erkennbar, dass das Verfahren noch bei dieser Ausgangsbehörde geführt worden sei. Der hier zuständige Landkreis teile auch regelmäßig mit, wenn er den Widerspruch zur Entscheidung dem Landesverwaltungsamt vorlege. Daher hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erkennen können, dass die Untätigkeitsklage gegen den Landkreis habe gerichtet werden müssen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 31. Mai 2007 zugestellten Beschluss am 25. Juni 2007 Beschwerde bei dem Sozialgericht eingelegt, das dieser nicht abgeholfen und die Akten dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt vorgelegt hat.
Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Kläger aus, die Untätigkeitsklage habe sich zutreffend gegen den Beklagten als Widerspruchsbehörde gerichtet. Die Abhilfe und Vorlage der Akten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien jeweils ein verwaltungsinterner Vorgang. Der Erfolg der Klage ergebe sich aus der hier bei ihrer Erhebung abgelaufenen Dreimonatsfrist im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG. Die Nichtweitergabe der Akten an die Widerspruchsbehörde stelle keinen zureichenden Grund für das Unterbleiben einer Entscheidung über den Widerspruch dar. Der Beklagte müsse sich die Untätigkeit des Landkreises zurechnen lassen. Dass dies möglich sei, ergebe sich unter Berücksichtigung der Regelung in § 161 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Soweit sich die das Verfahren über seine Aufenthaltserlaubnis betreffenden Akten zeitweise bei dem Verwaltungsgericht befunden hätten, ergebe sich daraus nichts anderes. Auf der Grundlage von Fotokopien sei eine rechtzeitige Entscheidung über seinen Widerspruch möglich gewesen. Auch die Ausländerbehörde sei dem Landkreis zugeordnet, sodass dieser schon im Rahmen der Prüfung der Aufenthaltserlaubnis mit der Frage einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer befasst gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Mai 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er sei sachlich vor der Abhilfeentscheidung des Landkreises im Widerspruchsverfahren nicht zuständig gewesen, sodass er auch nicht "untätig" im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG habe gewesen sein können. Die Aufgaben der Ausländerbehörde seien in der Organisationseinheit des Landkreises angesiedelt. In der Rechtsprechung sei auch die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage gegen die Ausgangsbehörde anerkannt (Hinweis auf Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Juli 2006 - L 11 B 727/05 SO - juris). Über die weitere Bearbeitung der Sache durch den Landkreis sei der Kläger auch informiert gewesen. Die verzögerte (interne) Auskunft sei nicht dem Beklagten zuzurechnen. Im Übrigen habe der Landkreis auch einen Anlass gehabt, noch nicht über den Widerspruch zu entscheiden, sodass schon ein ausreichender Grund für die Überschreitung der Frist des § 88 Abs. 2 SGG vorgelegen habe.
Auf Anfrage der früheren Berichterstatterin hat der Landkreis S. , als Rechtsnachfolger des Landkreises M -Q. , mitgeteilt, nach Eingang des Widerspruchs des Klägers sei zunächst eine telefonische Anfrage bei der Ausländerbehörde erfolgt, die dann mit Schreiben vom 4. Oktober 2006 wiederholt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Mai 2007 ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Auf das vorliegende Beschwerdeverfahren findet noch § 172 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) Anwendung. Die Beschwerde ist damit statthaft, weil diese sich gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts im Sinne des § 172 Abs. 1 SGG wendet, für welche die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGG hat das Gericht in der Endentscheidung auch zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren in anderer Art beendet wird. Soweit in dem Bescheid vom 16. November 2006 auch die notwendigen Kosten "der Rechtsverfolgung" anerkannt worden sind, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn ein Anerkenntnis über Kosten, soweit diese nicht nach § 63 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) für das Widerspruchsverfahren entstanden sind, ist regelmäßig einem nicht an das Gericht adressierten Schreiben (hier dem Abhilfebescheid) nicht zu entnehmen.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind, erfolgt nach sachgemäßem Ermessen (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Mai 1996 - 3 RK 23/95 - SozR 3-2500 § 109 Nr. 1 = BSGE 78, 233 ff.; Urteil vom 16. Juni 1999 - B 9 V 20/98 R - SozR 3-3100 § 5 Nr. 7 - juris). Dabei ist im Wesentlichen maßgebend, wer im Fall einer streitigen Entscheidung voraussichtlich obsiegt hätte (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007 - L 8 B 28/06 R - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 193 RdNr. 12a, 13 m.w.N.). Insoweit ist von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen. Weitere Sachverhaltsermittlungen mit dem Ziel, die Erfolgsaussichten näher aufzuklären, erfolgen im Regelfall nicht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 RdNr. 13d; Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl. S. III/109-61). Für die am 21. November 2006 erhobene Untätigkeitsklage ist ein Obsiegen des Klägers im vorgenannten Sinne nicht abschließend festzustellen.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die so genannte Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren nach Satz 2 dieser Vorschrift bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Das Gleiche gilt nach § 88 Abs. 2 SGG, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.
Die Untätigkeitsklage war zulässig. Die Dreimonatsfrist im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Klageerhebung ohne eine dem Kläger bekannt gegebene Entscheidung über seinen Widerspruch verstrichen. Aus der am 21. November 2006 erstellten Anlage zu dem Bescheid vom 16. November 2006 ist erkennbar, dass der Bescheid nicht vor dem 21. November 2006 auf die Post gegeben worden sein kann. Die am 21. November 2006 erhobene Untätigkeitsklage liegt damit zeitlich vor dem Erlass des Bescheides vom 16. November 2006, der mit der Bekanntgabe erfolgt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor dem 22. November 2006 Kenntnis von der Abhilfeentscheidung hatte.
Die Untätigkeitsklage konnte auch (nur) gegen den Beklagten gerichtet werden. Zu Unrecht leitet der Beklagte aus der Rechtsprechung ab, dass es bei einer Klage nur gegen die Widerspruchsbehörde an deren – zu einer Kostenerstattungspflicht führenden - Untätigkeit fehlt, soweit sich der Vorgang zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch in Bearbeitung der Ausgangsbehörde befindet. Vielmehr lag der insoweit in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen LSG vom 18. Juli 2006 (a.a.O.) der Sachverhalt zugrunde, dass die Untätigkeitsklage sowohl gegen die Ausgangsbehörde als auch gegen die Widerspruchsbehörde gerichtet war. Hierzu hat das Bayerische LSG ausgeführt, dass der dortige Kläger berechtigt war, Klage gegen beide Beklagte zu erheben. Dem schließt sich der Senat für den hier zu entscheidenden Fall an. Daraus folgt indes nicht, dass eine Kostenerstattung der nur in Anspruch genommenen Widerspruchsbehörde ausscheidet. Vielmehr obliegt es dieser, organisatorische Vorkehrungen für die rechtzeitige Information über Widerspruchsverfahren zu treffen, die nicht innerhalb des von § 88 Abs. 2 SGG vorgegebenen zeitlichen Rahmens zu einem Abschluss gebracht werden, zu treffen. Sie kann dann die Entscheidungskompetenz im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 1 SGG gegebenenfalls betreiben (vgl. im Ergebnis Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 88 RdNr. 7b).
Es ist nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand nicht abschließend festzustellen, ob die Untätigkeitsklage begründet gewesen ist. Nach Aktenlage bleibt bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung offen, ob ein sachlicher Grund für die (erst) am 21. November 2006 erfolgte Entscheidung, dem Widerspruch abzuhelfen, vorgelegen hat. Dieser Entscheidung gingen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts voraus. Eine datumsmäßig zuzuordnende Anfrage bei dem Bereich Ordnungsamt/Ausländerbehörde erfolgte am 4. Oktober 2006. Der Senat sieht das Vorbringen der notwendigen Aufklärung des aufenthaltsrechtlichen Status des Klägers als nachvollziehbar und durch die Leistungsvoraussetzungen des AsylbLG als notwendig für die abschließende Entscheidung in der Sache an. Der Kläger ist durch die Zwischennachricht vom 16. Oktober 2006, d.h. vor Erhebung der Untätigkeitsklage, über die noch nicht abschließend geklärte Sachlage informiert worden. Die Rechtsprechung misst aber insbesondere auch dem Umstand Bedeutung zu, ob die Ermittlungen zeitnah auf den Eingang des Widerspruchs aufgenommen worden sind (vgl. z.B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juni 2007 - L 20 B 19/07 AY - juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Januar 2009 - L 5 B 110/06 AS - juris). Eine weitere Aufklärung im Hinblick auf die vorausgegangene telefonische Anfrage kann im Rahmen der Entscheidung über die Kostenfolgen nicht vorgenommen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt dem Ergebnis des Rechtsmittels (vgl. zur Notwendigkeit einer gesonderten Kostenentscheidung z.B. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 176 RdNr. 5 f. m.w.N. zur teilweise vertretenen abweichenden Auffassung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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