Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 4038/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 387/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines Säumniszuschlags.
Die Versicherte war zunächst vom 01. September 1981 an als Bürolehrling beim Klä-ger versicherungsfrei beschäftigt. Sie durchlief dann ab dem 01. September 1983 bei ihm eine Ausbildung im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst, bevor sie mit Ablauf des 31. August 1985 ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ausschied.
Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2003, dass sie ihre bisherige Verwaltungspraxis aufgeben und nun künftig Säumniszuschläge auf verspä-tet gezahlte Nachversicherungsbeiträge erheben werde.
Sie fragte im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens unter dem 11. April 2007 beim Kläger wegen einer Nachversicherung der Versicherten an. Dieser führte unter dem 09. Mai 2007 die Nachversicherung durch und überwies mit Zahlungseingang vom 14. Mai 2007 Beiträge in Höhe von insgesamt 7.828,04 EUR. Die Beklagte hörte den Kläger unter dem 28. Oktober 2008 zur beabsichtigten Auferlegung eines Säumniszuschlags von 9.610,50 EUR an, wobei sie von einem Beginn der Säumnis am 01. Januar 1995, einer Säumnisdauer von 149 Monaten und einer Säumnisschuld von 6.466,45 EUR aus-ging. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 20. November 2008 die Einrede der Verjäh-rung. Er führte aus, dass aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen eine Nachversicherung 1985 nicht erfolgt sei. Er wies darauf hin, dass die Nachversiche-rungsbeiträge nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist lediglich aus Gründen der Fürsorge an die Beklagte überwiesen worden seien. Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 30. Juli 2009 einen Säumniszuschlag in der vorher angekündigten Höhe fest. Sie führte zur Begründung aus, dass für Nachversicherungsbeiträge, welche nicht spätes-tens bis zum Ablauf von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gezahlt würden, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 % des rück-ständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen sei. Da der Kläger grundsätzlich Kenntnis von der Nachversicherungspflicht gehabt und damit die Beiträ-ge vorsätzlich vorenthalten habe, gelte vorliegend eine dreißigjährige Verjährungsfrist. Der Kläger hat sein Begehren mit der am 21. August 2009 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass eine Nachversicherung nach Aktenlage aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen zu-nächst unterblieben sei und der Anspruch auf Zahlung des Säumniszuschlags auf-grund verspäteter Geltendmachung beziehungsweise aufgrund treuwidrigen Verhal-tens der Beklagten wegen Abweichens von ihrer bis März 2003 bestandenen Verwal-tungspraxis verwirkt sei. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2010 einen Teilvergleich geschlossen, wonach sie sich darüber einig sind, dass die Berechnungsmethode der Beklagten zur Ermittlung der Höhe der Säumnis-zuschläge so akzeptiert wird, wie sie vorgenommen wurde, und dass die Höhe der jeweiligen Säumniszuschläge nicht in Streit steht, ferner, dass der Kläger für den Fall, dass er mit seinem Begehren auf vollständige Aufhebung des gegenständlichen Be-scheids nicht durchdringen sollte, nicht die teilweise Aufhebung des Bescheids im Hinblick auf die angesetzte Höhe der Säumniszuschläge begehrt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. März 2010 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetz-buchs (SGB IV) erhoben. Ein Anspruch auf Entrichtung von Nachversicherungsbeiträ-gen sei mit dem unversorgten Ausscheiden der Versicherten aus dem Dienst des Klä-gers am 31. August 1985 unstreitig entstanden und erst mit Wertstellung am 14. Mai 2007 erfüllt worden. Da die Beiträge mithin vor dem 01. Oktober 1994 fällig geworden seien, beginne die Säumnis hier nach § 184 Abs. 1 S. 3 des Sechsten Buchs des So-zialgesetzbuchs (SGB VI) am 01. Januar 1995, wobei die vorgenannte Vorschrift klar-stelle, dass eben auch vor dem 01. Januar 1995 fällig gewordene Beiträge von § 24 Abs. 1 SGB IV erfasst seien. Die Höhe der erhobenen Säumniszuschläge stehe ent-sprechend dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich außer Streit. Der Erhebung der Säumniszuschläge stehe auch nicht § 24 Abs. 2 SGB IV entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger, welchem bekannt gewe-sen sei, dass die Versicherte unversorgt aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden sei, unverschuldet keine Kenntnis von der Verpflichtung zur Nachversicherung gehabt haben könne. Ferner sei der Anspruch der Beklagten auf die erhobenen Säumniszu-schläge auch nicht gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjährt. Es gelte hier nicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV die vierjährige, sondern nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV die – hier noch nicht abgelaufene - dreißigjährige Verjährungsfrist, weil der Kläger die Bei-träge unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, zitiert nach juris Rn. 29 ff.) bedingt vor-sätzlich vorenthalten habe. Denn ihm sei die Kenntnis von der Beitragspflicht zuzu-rechnen, und er habe es unterlassen, die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge sicherzustellen. Deshalb sei der erforderliche Vorsatz indiziert, ohne dass Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich seien, welche diesen Vorwurf würden entkräften können. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht auf Verwirkung berufen, schon weil die Beklagte nach § 24 Abs. 1 SGB IV verpflichtet gewesen sei, die entsprechen-den Festsetzungen vorzunehmen. Neben den in § 76 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 SGB IV ent-haltenen, Billigkeitsgesichtspunkten Rechnung tragenden Regelungen über Stundung und Erlass sei für das Institut der Verwirkung kein Raum; Billigkeitserwägungen seien mithin dem Einziehungsverfahren vorbehalten. Im Schreiben vom 28. März 2003 sei kein Verzicht auf eine Erhebung von Säumniszuschlägen für vergangene Zeiträume enthalten.
Der Kläger hat gegen das ihm am 23. April 2010 zugestellte Urteil am 04. Mai 2010 Berufung eingelegt. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter allein erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ver-wiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Ver-handlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann allein anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht.
Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungs-gründe zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist. Ergänzend ist auf Folgendes hin-zuweisen:
Zum Einen ist dem SG in der angefochtenen Entscheidung insoweit zu folgen, als es zutreffend ausgeführt hat, dass der Erhebung des Säumniszuschlags die in § 24 Abs. 2 SGB IV enthaltene Regelung nicht entgegen steht, wonach ein Säumniszuschlag nicht zu erheben ist, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unver-schuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der unverschuldeten Unkennt-nis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges als auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entgegen. Bei Körperschaf-ten des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatori-scher Vorkehrungen (Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maß-nahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurech-nen lassen muss. Hierbei ist eine konkret-individuelle Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -, zitiert nach juris Rn. 23). Dies zugrunde gelegt ist hier in der Tat von einer verschuldeten, weil zumindest fahrlässigen Unkenntnis auszugehen, weil sich dem Vorbringen des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für geeignete organisatorische Vorkehrungen wie et-wa den Erlass einer die Durchführung und Kontrolle der Nachversicherung gewähr-leistenden Dienstanweisung entnehmen lassen und solche auch sonst nicht ersichtlich sind. Die angefochtene Entscheidung trifft zum Anderen insoweit zu, als sie gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV unter Zugrundelegung bedingten Vorsatzes von einer dreißigjähri-gen Verjährung ausgeht. Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass der Schuldner zu ir-gendeinem Zeitpunkt Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht si-cherstellte, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG, Urteil vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, zitiert nach juris Rn. 31). Eben diesem weit gefassten Begriffsverständnis des (bedingten) Vorsatzes ist es geschuldet, dass auch im vorliegenden Fall ein solcher zu bejahen ist. Indem der Kläger nämlich sowohl in seinem Schreiben vom 20. No-vember 2008 als auch in seiner Klagebegründung ausführt, dass aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen eine Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei, bringt er zum Ausdruck und stellt er gerade nicht in Abrede, über die Nachversiche-rungspflicht der Versicherten eigentlich im Bilde gewesen zu sein. Wäre bereits ein derartiges – kaum zu widerlegendes - Vorbringen hingegen geeignet, den bedingten Vorsatz im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV entfallen zu lassen, liefe die Verlänge-rung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, obwohl der Gesetzgeber in Abkehr von § 29 RVO, welcher noch eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vorsah, soweit Beiträge nicht "absichtlich" hinterzogen waren, die dreißigjähri-ge Verjährung nun gerade unter die Voraussetzung des Vorsatzes im weiten Sinne stellte, der mithin auch den bedingten Vorsatz mit einschließt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 26 und 32).
Die angefochtene Entscheidung trifft ferner zu, als sie im Schreiben vom 28. März 2003 kein Hindernis für die Durchsetzung des von der Beklagten geltend gemachten Anspruchs erkennt. Zum einen lässt sich dem Schreiben vom 28. März 2003 weder eine Zusicherung des Inhalts, dass die Beklagte die Festsetzung eines Säumniszu-schlags von Nachversicherungsbeiträgen unterlassen werde, noch ein Verzicht auf dessen Erhebung entnehmen. Hierfür gibt der Wortlaut nichts her. Insbesondere lässt sich aus der Formulierung "künftig" nicht der Schluss ziehen, dass die Beklagte Säumniszuschläge nicht auch für zum Zeitpunkt des Schreibens abgeschlossene Nachversicherungsfälle geltend machen wolle (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -, zitiert nach juris Rn. 28).
Schließlich kommt keine Verwirkung in Betracht, welche als Ausprägung des Grund-satzes von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB auch auf Säumniszuschläge Anwendung findet und voraussetzt, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstän-de hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kom-menden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Ver-wirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf ver-trauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauens-grundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkeh-rungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (etwa BSG, a.a.O., Rn. 31 f.). Hieran gemessen ist aus den vom SG genannten Grün-den bereits ein Verwirkungsverhalten, an welches strenge Anforderungen zu stellen sind, zu verneinen. Indem es die Beklagte entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG)) unterließ, die seit 1995 bestehende zwingende Ge-setzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis um-zusetzen, erfüllt dieses rechtswidrige Unterlassen nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte der Kläger das bloße Nichtstun der Beklagten als bewusst und planmäßig er-achten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 Hs. 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines Säumniszuschlags.
Die Versicherte war zunächst vom 01. September 1981 an als Bürolehrling beim Klä-ger versicherungsfrei beschäftigt. Sie durchlief dann ab dem 01. September 1983 bei ihm eine Ausbildung im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst, bevor sie mit Ablauf des 31. August 1985 ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ausschied.
Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2003, dass sie ihre bisherige Verwaltungspraxis aufgeben und nun künftig Säumniszuschläge auf verspä-tet gezahlte Nachversicherungsbeiträge erheben werde.
Sie fragte im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens unter dem 11. April 2007 beim Kläger wegen einer Nachversicherung der Versicherten an. Dieser führte unter dem 09. Mai 2007 die Nachversicherung durch und überwies mit Zahlungseingang vom 14. Mai 2007 Beiträge in Höhe von insgesamt 7.828,04 EUR. Die Beklagte hörte den Kläger unter dem 28. Oktober 2008 zur beabsichtigten Auferlegung eines Säumniszuschlags von 9.610,50 EUR an, wobei sie von einem Beginn der Säumnis am 01. Januar 1995, einer Säumnisdauer von 149 Monaten und einer Säumnisschuld von 6.466,45 EUR aus-ging. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 20. November 2008 die Einrede der Verjäh-rung. Er führte aus, dass aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen eine Nachversicherung 1985 nicht erfolgt sei. Er wies darauf hin, dass die Nachversiche-rungsbeiträge nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist lediglich aus Gründen der Fürsorge an die Beklagte überwiesen worden seien. Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 30. Juli 2009 einen Säumniszuschlag in der vorher angekündigten Höhe fest. Sie führte zur Begründung aus, dass für Nachversicherungsbeiträge, welche nicht spätes-tens bis zum Ablauf von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gezahlt würden, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 % des rück-ständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen sei. Da der Kläger grundsätzlich Kenntnis von der Nachversicherungspflicht gehabt und damit die Beiträ-ge vorsätzlich vorenthalten habe, gelte vorliegend eine dreißigjährige Verjährungsfrist. Der Kläger hat sein Begehren mit der am 21. August 2009 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass eine Nachversicherung nach Aktenlage aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen zu-nächst unterblieben sei und der Anspruch auf Zahlung des Säumniszuschlags auf-grund verspäteter Geltendmachung beziehungsweise aufgrund treuwidrigen Verhal-tens der Beklagten wegen Abweichens von ihrer bis März 2003 bestandenen Verwal-tungspraxis verwirkt sei. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2010 einen Teilvergleich geschlossen, wonach sie sich darüber einig sind, dass die Berechnungsmethode der Beklagten zur Ermittlung der Höhe der Säumnis-zuschläge so akzeptiert wird, wie sie vorgenommen wurde, und dass die Höhe der jeweiligen Säumniszuschläge nicht in Streit steht, ferner, dass der Kläger für den Fall, dass er mit seinem Begehren auf vollständige Aufhebung des gegenständlichen Be-scheids nicht durchdringen sollte, nicht die teilweise Aufhebung des Bescheids im Hinblick auf die angesetzte Höhe der Säumniszuschläge begehrt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. März 2010 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetz-buchs (SGB IV) erhoben. Ein Anspruch auf Entrichtung von Nachversicherungsbeiträ-gen sei mit dem unversorgten Ausscheiden der Versicherten aus dem Dienst des Klä-gers am 31. August 1985 unstreitig entstanden und erst mit Wertstellung am 14. Mai 2007 erfüllt worden. Da die Beiträge mithin vor dem 01. Oktober 1994 fällig geworden seien, beginne die Säumnis hier nach § 184 Abs. 1 S. 3 des Sechsten Buchs des So-zialgesetzbuchs (SGB VI) am 01. Januar 1995, wobei die vorgenannte Vorschrift klar-stelle, dass eben auch vor dem 01. Januar 1995 fällig gewordene Beiträge von § 24 Abs. 1 SGB IV erfasst seien. Die Höhe der erhobenen Säumniszuschläge stehe ent-sprechend dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich außer Streit. Der Erhebung der Säumniszuschläge stehe auch nicht § 24 Abs. 2 SGB IV entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger, welchem bekannt gewe-sen sei, dass die Versicherte unversorgt aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden sei, unverschuldet keine Kenntnis von der Verpflichtung zur Nachversicherung gehabt haben könne. Ferner sei der Anspruch der Beklagten auf die erhobenen Säumniszu-schläge auch nicht gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjährt. Es gelte hier nicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV die vierjährige, sondern nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV die – hier noch nicht abgelaufene - dreißigjährige Verjährungsfrist, weil der Kläger die Bei-träge unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, zitiert nach juris Rn. 29 ff.) bedingt vor-sätzlich vorenthalten habe. Denn ihm sei die Kenntnis von der Beitragspflicht zuzu-rechnen, und er habe es unterlassen, die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge sicherzustellen. Deshalb sei der erforderliche Vorsatz indiziert, ohne dass Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich seien, welche diesen Vorwurf würden entkräften können. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht auf Verwirkung berufen, schon weil die Beklagte nach § 24 Abs. 1 SGB IV verpflichtet gewesen sei, die entsprechen-den Festsetzungen vorzunehmen. Neben den in § 76 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 SGB IV ent-haltenen, Billigkeitsgesichtspunkten Rechnung tragenden Regelungen über Stundung und Erlass sei für das Institut der Verwirkung kein Raum; Billigkeitserwägungen seien mithin dem Einziehungsverfahren vorbehalten. Im Schreiben vom 28. März 2003 sei kein Verzicht auf eine Erhebung von Säumniszuschlägen für vergangene Zeiträume enthalten.
Der Kläger hat gegen das ihm am 23. April 2010 zugestellte Urteil am 04. Mai 2010 Berufung eingelegt. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter allein erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ver-wiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Ver-handlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann allein anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht.
Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungs-gründe zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist. Ergänzend ist auf Folgendes hin-zuweisen:
Zum Einen ist dem SG in der angefochtenen Entscheidung insoweit zu folgen, als es zutreffend ausgeführt hat, dass der Erhebung des Säumniszuschlags die in § 24 Abs. 2 SGB IV enthaltene Regelung nicht entgegen steht, wonach ein Säumniszuschlag nicht zu erheben ist, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unver-schuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der unverschuldeten Unkennt-nis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges als auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entgegen. Bei Körperschaf-ten des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatori-scher Vorkehrungen (Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maß-nahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurech-nen lassen muss. Hierbei ist eine konkret-individuelle Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -, zitiert nach juris Rn. 23). Dies zugrunde gelegt ist hier in der Tat von einer verschuldeten, weil zumindest fahrlässigen Unkenntnis auszugehen, weil sich dem Vorbringen des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für geeignete organisatorische Vorkehrungen wie et-wa den Erlass einer die Durchführung und Kontrolle der Nachversicherung gewähr-leistenden Dienstanweisung entnehmen lassen und solche auch sonst nicht ersichtlich sind. Die angefochtene Entscheidung trifft zum Anderen insoweit zu, als sie gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV unter Zugrundelegung bedingten Vorsatzes von einer dreißigjähri-gen Verjährung ausgeht. Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass der Schuldner zu ir-gendeinem Zeitpunkt Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht si-cherstellte, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG, Urteil vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 R -, zitiert nach juris Rn. 31). Eben diesem weit gefassten Begriffsverständnis des (bedingten) Vorsatzes ist es geschuldet, dass auch im vorliegenden Fall ein solcher zu bejahen ist. Indem der Kläger nämlich sowohl in seinem Schreiben vom 20. No-vember 2008 als auch in seiner Klagebegründung ausführt, dass aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen eine Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei, bringt er zum Ausdruck und stellt er gerade nicht in Abrede, über die Nachversiche-rungspflicht der Versicherten eigentlich im Bilde gewesen zu sein. Wäre bereits ein derartiges – kaum zu widerlegendes - Vorbringen hingegen geeignet, den bedingten Vorsatz im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV entfallen zu lassen, liefe die Verlänge-rung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, obwohl der Gesetzgeber in Abkehr von § 29 RVO, welcher noch eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vorsah, soweit Beiträge nicht "absichtlich" hinterzogen waren, die dreißigjähri-ge Verjährung nun gerade unter die Voraussetzung des Vorsatzes im weiten Sinne stellte, der mithin auch den bedingten Vorsatz mit einschließt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 26 und 32).
Die angefochtene Entscheidung trifft ferner zu, als sie im Schreiben vom 28. März 2003 kein Hindernis für die Durchsetzung des von der Beklagten geltend gemachten Anspruchs erkennt. Zum einen lässt sich dem Schreiben vom 28. März 2003 weder eine Zusicherung des Inhalts, dass die Beklagte die Festsetzung eines Säumniszu-schlags von Nachversicherungsbeiträgen unterlassen werde, noch ein Verzicht auf dessen Erhebung entnehmen. Hierfür gibt der Wortlaut nichts her. Insbesondere lässt sich aus der Formulierung "künftig" nicht der Schluss ziehen, dass die Beklagte Säumniszuschläge nicht auch für zum Zeitpunkt des Schreibens abgeschlossene Nachversicherungsfälle geltend machen wolle (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R -, zitiert nach juris Rn. 28).
Schließlich kommt keine Verwirkung in Betracht, welche als Ausprägung des Grund-satzes von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB auch auf Säumniszuschläge Anwendung findet und voraussetzt, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstän-de hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kom-menden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Ver-wirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf ver-trauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauens-grundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkeh-rungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (etwa BSG, a.a.O., Rn. 31 f.). Hieran gemessen ist aus den vom SG genannten Grün-den bereits ein Verwirkungsverhalten, an welches strenge Anforderungen zu stellen sind, zu verneinen. Indem es die Beklagte entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG)) unterließ, die seit 1995 bestehende zwingende Ge-setzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis um-zusetzen, erfüllt dieses rechtswidrige Unterlassen nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte der Kläger das bloße Nichtstun der Beklagten als bewusst und planmäßig er-achten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 Hs. 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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