Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 423/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 380/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Hepatitis-B-Erkrankung als Berufskrankheit (BK) Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO - Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war).
Die 1960 in der T geborene und seit 1972 in Deutschland lebende Klägerin war seit dem 12. April 1980 im T e. V. tätig, und zwar zunächst für ca. 2 Jahre als Stationshilfe und im Anschluss hieran daneben auch als Reinigungskraft. Bereits zu ihrer Tätigkeit als Stationshilfe gehörten das Reinigen von Waschbecken und das Entsorgen von Müll aus den Zimmern und dem Spülraum.
Am 18. November 2002 erstattete der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit aufgrund einer im Rahmen einer betriebsärztlichen Untersuchung am 02. Mai 2002 serologisch diagnostizierten Hepatitis-B-Erkrankung. Beschwerden seien erstmals ca. 1997 aufgetreten. Die Beklagte befragte die Klägerin zu ihrem beruflichen Werdegang, die in einem Fragebogen vom 11. Dezember 2002 ihre Arbeitsbereiche wie folgt bezeichnete: "Altersheim, Innere (mit Hepatitis-Patienten) = Station 21, 22, seit sechs Jahren Waldhausklinik, verschiedene Stationen, Intensivstation ca. 10 Jahre". Das T e. V. bestätigte in einer Auskunft vom 04. Februar 2003, dass bei ihm in der Zeit ab 12. April 1980 Personen behandelt oder untersucht worden seien, die an einer Virushepatitis Typ B oder C gelitten hätten. Die Klägerin habe keinen direkten Kontakt mit ihnen gehabt. "Ca. 1985" habe sich die Klägerin beim Transport eines Müllsackes an einer Kanüle gestochen, nach diesem Ereignis sei sie sechs Wochen krank geschrieben gewesen. Mit beigefügtem Schreiben vom 05. Februar 2003 führte der Arbeitgeber weiter aus, dass von der Klägerin bisher drei unterschiedliche Zeitpunk-te genannt worden seien, wo erste Symptome der Hepatitis-B-Infektion aufgetreten sein sollten. In der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit werde das Jahr 1997 genannt. In einem Arbeitsgerichtsverfahren, welches mit der krankheitsbedingten Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 31. März 2003 geendet habe, sei wiederholt das Jahr 1993 angeführt worden. Der Betriebsarzt habe nunmehr das Jahr 1985 angegeben. Sicher sei nur, dass die Hepatitis-B-Infektion erstmals bei einer betriebsärztlichen Untersuchung im April/Mai 2002 festgestellt worden sei. Mit Schreiben vom 17. Februar 2003 und vom 29. Oktober 2003 wurde ergänzt, dass über die Kanülenverletzung keinerlei weitere Auskünfte erteilt werden könnten, insbeson-dere auch nicht darüber, ob die Kanüle mit Hepatitis B-Erregern infiziert gewesen sei. Einträge in ein Unfallbuch existierten nicht.
Die AOK Berlin übersandte am 26. Februar und 17. September 2003 Vorerkrankungsverzeichnisse, denen eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wegen einer Hepatitis-B-Infektion für das Jahr 1983 zu entnehmen ist. Die Klägerin überreichte Arztbriefe und Operationsberichte über Behandlungen in der Gynäko-logischen Abteilung des Krankenhauses N in der Zeit von Mai bis Juli 1993, ferner brachte sie in der T erstellte Laborergebnisse ihre Eltern betreffend bei, aus denen sich für diese ein negativer Hepatitis-B-Status ergibt. Laborbefunde für die Zeit vor 1997 konnten nicht mehr gefunden werden, eine Vorsorgedatei existierte seinerzeit beim früheren Arbeitgeber der Klägerin ebenfalls nicht. Die Beklagte holte Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 11. Februar 2002 und der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S vom 04. April 2003 ein, die diverse Laborergebnisse übersandten, letztere führte aus, dass eine chronische Hepatitis B vorliege. Histologisch bestünden keine Fibrose und nur eine minimale entzündliche Aktivität. Eine Therapie sei zur Zeit nicht erforderlich. Dr. S bestätigte mit Attest vom 30. Januar 2003, dass bei der Klägerin seit 1985 eine Hepatitis B-Infektion bekannt sei.
Die Beklagte holte sodann durch Prof. Dr. H, C -Klinikum, ein Gutachten vom 23. Februar 2004 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass zwischen der Hepatitis-B-Infektion und der versicherten beruflichen Tätigkeit sehr wahrscheinlich kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Es liege eine milde Verlaufsform einer chronischen Hepatitis-B-Virusinfektion im Sinne eines so genannten asymptomatischen HBsAg-Trägerstatus vor, definiert mit normalen Transaminasen, niedriger Virämie, anti-HBe-Positivität und histologisch ohne wesentliche chronische Ent-zündungsaktivität, also lediglich eine so genannte "minimal hepatitis". Bekannt sei diese seit 1985, davor seien die Hepatitis-B-Virusmarker offenbar nicht untersucht worden. Erfahrungsgemäß liege der Infektionseintritt bereits viele Jahre zurück, wenn der asymptomatische Trägerstatus diagnostiziert werde. Eindeutig dokumentiert sei die Infektion ab April 2002 mit dem Nachweis von HBsAg im Serum. Die Klägerin sei ab April 1980 im T tätig gewesen, anfangs als Stationshilfe, ab 1982 als Reinigungskraft. Das Infektionsrisiko dieser Personengruppe hin-sichtlich HBV sei nicht vergleichbar mit dem Pflegepersonal. Hier kämen Beweiserleichterungen nicht zum Tragen. Der konkrete Infektionsnachweis müsse gefordert werden. Ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe bei konkreten Verletzungen mit kontaminierten Gegenständen. Solche Ereignisse müssten dann auch aktenkundig sein. Die von der Klägerin für 1983 angegebene Kanülenstichverletzung sei nicht aktenkundig. Auch überwiegten hier die außerberuflichen Risiken. Die Klägerin komme aus der T, in der die Durchseuchung mit Hepatitis-B-Viren hoch sei. Ein HBsAg-negativer Befund der Mutter sei kein Argument gegen eine außerberufliche Infektion mit HBV.
Nach Anhörung des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Technische Sicherheit vom 17. März 2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2004 die Anerken-nung der Virushepatitis B als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Berufskrankheiten-Liste ab; ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht.
Im Widerspruchsverfahren führte die Klägerin aus, den Zeitpunkt der Kanülenstichverletzung auf das Jahr 1983 zu datieren. Dies sei seinerzeit auch der Oberschwester M mitgeteilt worden. Sie habe in der Folgezeit wegen ihrer Beschwerden auch den Arzt Dr. T aufgesucht, der die Hepatitis diagnostiziert habe. Aus welchen Gründen der Arbeitgeber das Jahr 1985 für die
Kanülenstichverletzung nenne, sei nicht bekannt. Unterlagen zur Einstellungsuntersuchung im Jahre 1980 habe sie nicht. 1978 habe man bei einer Blutuntersuchung anlässlich einer
Blinddarmuntersuchung im Krankenhaus M jedenfalls keine Hepatitis festgestellt. Bei dem vom T im Schreiben vom 05. Februar 2003 mitgeteilten Datum 1993 im Arbeitsgerichtsverfahren handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler. Die Angaben des Betriebsarztes "ca. 1985" seien durch sie auch nicht nachvollziehbar. Die Beklagte zog Unterlagen des Krankenhauses M über die 1978 durchgeführte Blut- und Blinddarmuntersuchung sowie weitere Be-funde der Dr. S sowie der Ärztin für Pathologie Dr. N bei und wies sodann den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Prof. Dr. H durch Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2006 zurück. Der Nachweis eines konkreten Infektionsereignisses könne nicht erbracht werden. Die Kanülenstichverletzung sei weder durch den Arbeitgeber noch durch ärztliche Befunde bestätigt worden. Bei der Tätigkeit als Stationshilfe und Reinigungskraft sei sie keinem besonderen beruflichen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Die Anwendung von Beweiserleichterungen käme daher nicht in Betracht. Der Infektionszeitraum hätte nicht näher eingegrenzt werden können. Anlässlich der Blinddarmoperation im Krankenhaus M 1978 sei eine Hepatitis-Serologie nicht durchgeführt worden, so dass auch insoweit eine genauere Eingrenzung des Infektionszeitraumes nicht möglich sei. Es könne nur festgestellt werden, dass sich die Klägerin irgendwann zwischen ihrer Geburt 1960 und dem Jahr 1983 mit Hepatitis B infiziert habe.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 23. Februar 2007 die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen. In der Begründung ist ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten besonderen Beweisgrundsätze mit Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen
Zusammenhang auszugehen sei, wenn nachgewiesen sei, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Bei diesem Nachweis könne dann in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Versicherte sich die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch die besondere berufliche Exposition zugezogen habe. Bei der Klägerin sei 1983 eine Hepatitis-B-Infektion aufgetreten, was aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse folge. In diesem Zeitraum sei die Klägerin auch auf Stationen eingesetzt gewesen, auf denen Hepatitis B- und C- infizierte Personen behandelt worden seien. Nach den glaubwürdigen Schilderungen der Klägerin bestehe kein Zweifel, dass es bei der Beseitigung eines Müllsackes zu einer Stichverletzung gekommen sei. Die unterschiedlichen Angaben zum Infektionszeitpunkt seien durch die Klägerin nachvollziehbar erklärt worden. Damit stehe fest, dass ein unmittelbarer Kontakt zu an Hepatitis B erkrankten Personen bestanden habe, der zu Beweiserleichterungen führe, weshalb der ursächliche Zusammenhang zwischen der Ausübung der versicherten Tätigkeit als Reinigungskraft und der 1983 aufgetretenen Hepatitis-B-Erkrankung bestehe. Hierfür spreche auch, dass andere Ursachen nicht greifbar seien. Die Verurteilung zur Gewährung einer Rente komme derzeit aber nicht in Betracht, da nach den Ausführungen der behandelnden Ärztin nur eine minimale entzündliche Aktivität bestehe und eine Therapie nicht erforderlich sei. Ein Grundurteil zur Leistungsgewährung sei im Hinblick auf eine spätere mögliche Verschlimmerung der Erkrankung auszusprechen gewesen.
Gegen dieses ihr am 14. März 2007 zugegangene Urteil richtet sich die am 11. April 2007 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte führt aus, dass der haftungsbegründende
Ursachenzusammenhang in der Regel dann gegeben sei, wenn während der in Frage kommenden Ansteckungszeit Kontakt zu einer nachweislichen Infektionsquelle bestanden habe und dabei nach Art des Kontaktes eine Virusübertragung möglich gewesen sei. Ohne den konkreten Nachweis eines Kontaktes könne der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang wahrscheinlich sein, wenn der Versicherte während der in Frage kommenden Ansteckungszeit aufgrund der Umstände des Einzelfalles einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Es stehe vorliegend nicht fest, dass sich die Klägerin die Kanülenstichverletzung überhaupt zugezogen habe, auch bleibe offen, ob es sich um eine mit Hepatitis-B-Viren kontaminierte Kanüle gehandelt habe. Nicht nur die Angaben zum Datum der Kanülenstichverletzung variierten, sondern auch die Angaben zu ersten Beschwerden wegen der Hepatitis-B-Erkrankung, hier fänden sich für das erstmalige Auftreten die Jahre 1985, 1987, 1988, 1993 und 1997. Das Jahr 1983 sei erst dann ausdrücklich benannt worden, als das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK bekannt geworden sei. Dem entsprechenden Vermerk im Vorerkrankungsverzeichnis könne jedoch lediglich aufgrund des Eintrages "Inf. Hepatitis B" nicht entnommen werden, dass zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine Krankschreibung wegen einer akuten Hepatitis erfolgt war. Auch sei nicht geklärt, auf welchen Stationen die Klägerin als Reinigungskraft eingesetzt gewesen sei bzw. von welchen Stationen die von ihr zu entsorgenden Müllsäcke stammten. Auch die Tätigkeit als solche sei nicht typischerwei-se mit einem besonders erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Eine über das normale Maß hi-nausgehende Gefährdung sei für die Klägerin nicht erkennbar. Die Beweiserleichterungen seien für eine Tätigkeit als Reinigungskraft nicht anwendbar. Die Einstellung der Klägerin als Stationshilfe 1980 lasse auch nicht den Schluss zu, dass bei der Klägerin damals noch keine Hepatitis-Infektion vorgelegen habe; ungeklärt sei geblieben, ob hier eine Testung erfolgt sei.
Die Beklagte verweist im Übrigen auf ein von ihr beigebrachtes Gutachten des Prof. Dr. O, Reha-Zentrum M, vom 03. Mai 2007. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Eingrenzung des Infektionszeitraumes nicht möglich sei. Die Feststellung des HSB-Antigenträgerstatus im Ap-ril/Mai 2002 lasse nicht erkennen, seit wann dieser Trägerstatus bestehe, die Infektion könne zu jedem Zeitpunkt vor 1985 stattgefunden haben. Bei Abwägung der beruflichen und außerbe-ruflichen Infektionsrisiken überwiegten die außerberuflichen Risiken aufgrund der Herkunft aus der T. Die Klägerin könne sich hier die Infektion bei kleineren medizinischen Eingriffen oder sonstigen Kontakten zugezogen haben. Dies sei zwar reine Spekulation, allerdings nicht entscheidend, da die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kausalität nicht vorlägen. Selbst wenn man davon ausginge, dass Nadelstichverletzungen grundsätzlich zu einer Infektionsverletzung führten, was sehr unwahrscheinlich sei, könne nur bei etwa 1 Prozent der Patienten eine Hepatitis-B-Infektiosität angenommen werden; angesichts einer derartigen Relation könnte ohne konkrete Angaben zum Infektionshergang nicht die Ursächlichkeit bejaht werden.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil vom 23. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, dass das Gutachten des Prof. Dr. H bereits deswegen fehlerhaft sei, weil dieser von einer erstmaligen Infektion erst im Jahre 2002 ausgehe, obgleich das
Vorerkrankungsverzeichnis der AOK eine Erkrankung bereits für 1983 belege. Es sei auch fehlerhaft, dass Reinigungskräfte keinem erhöhten Infektionsrisiko unterlägen. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass kein Verletztenbuch geführt worden sei.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst am 25. November 2008 einen Termin durchgeführt und die Klägerin zur Sache gehört. Das Gericht hat dann nochmals den früheren Arbeitgeber der Klägerin, das T-W-W e. V., zur Tätigkeit der Klägerin und dem Vor-gehen bei Einstellungsuntersuchungen befragt; dieser teilte mit Schreiben vom 14. Januar 2009 mit, dass Unterlagen über die Einstellungsuntersuchung der Klägerin, die als Reinigungskraft tätig gewesen sei, nicht vorlägen. Es könne auch nicht mehr festgestellt werden, auf welchen Stationen die Klägerin eingesetzt worden sei. Oberschwester M befinde sich in einem Pflegeheim und sei demenzkrank.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann ein Gutachten der Prof. Dr. M/Dr. R, M H H, vom 14. Januar 2010 eingeholt, die zu dem Ergebnis kamen, dass bei der Klägerin eine chronische Hepatitis B-Infektion bei sog. inaktivem Trägerstatus ohne Hinweise auf eine entzündliche Aktivität oder eine Fibrose im Bereich der Leber bestehe. Unwahrscheinlich sei, dass die von der Klägerin geschilderte Abgeschlagenheit und langjährige Depression auf die Lebererkrankung rückführbar sei. Es sei hinreichend wahr-scheinlich, dass die Hepatitis B-Erkrankung der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft verursacht worden sei. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Tätigkeit einem erhöhten Risiko ausgesetzt gewesen, da sie als Reinigungskraft mit infektiösem Material hätte umgehen müssen. Reinigungspersonal sei einem gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtem Gefähr-dungsrisiko zuzuordnen. Das Risiko sei vergleichbar mit nicht invasiv tätigem Personal von ärztlicher und pflegerischer Seite, jedoch geringer als bei Personal mit invasiven Tätigkeiten. Dies gelte insbesondere für die relativ leicht übertragbare Hepatitis B. Zudem sei zu berück-sichtigen, dass zum vermutlichen Infektionszeitpunkt 1983 die Sicherheitsstandards noch deutlich niedriger gewesen seien als es jetzt der Fall sei. So seien nach Angaben der Klägerin zu dieser Zeit bei der Ausübung der Tätigkeit keine Handschuhe getragen worden. Dies hätte zwar für eine Kanülenstichverletzung keinen Unterschied gemacht, wohl aber für eine Infektion mit Blut und entsprechenden kleinen Hautverletzungen. Weiter sei aufgrund der Dokumentation einer akuten Hepatitis B durch die Krankenkasse der Klägerin im Jahre 1983 der zeitliche Zu-sammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin hinreichend wahrscheinlich. Unwahrscheinlich sei eine andere Art der Infektion, da die Eltern der Klägerin keine Infektion aufwiesen und sich andere Risiko- oder außerberufliche Faktoren erkennbar nicht gefunden hätten. Eine MdE bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil ist rechtmäßig. Die Klägerin hat Anspruch auf die Anerkennung ihrer Hepatitis B- Infektion als Berufskrankheit. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten waren daher rechtswidrig sind auf-zuheben.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die Infektion mit der von der Klägerin als BK geltend gemachten Hepatitis nach dem 1983 erfolgten Eintrag im Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin "Inf. Hepatitis B" spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt gewesen sein muss und damit jedenfalls vor In Kraft Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Gleichermaßen sind noch die Bestimmungen der bis zum 30. November 1997 geltenden Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BKVO) maßgebend.
Gemäß den §§ 537 Nr. 2, 551 Abs. 1 Satz 1 RVO entschädigt die gesetzliche Unfallversicherung u. a. die Versicherten, die aufgrund des Versicherungsfalls eines Arbeitsunfalls, als der nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK gilt, in ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war".
Für die Anerkennung als BK muss grundsätzlich eine versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, bewiesen sein. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 7/08 R, und Urteil vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 30/087 R, jeweils zitiert nach juris.de).
Die Klägerin war während ihrer Tätigkeit als Stationshilfe und Reinigungskraft seit April 1980 in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Die Klägerin war auch im Gesundheitsdienst tätig. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die BK 3101 nicht lediglich für unmittelbar, das heißt mit direkter Patientenberührung beschäftigte Versicherte in Betracht kommt, weil bei Krankenhäusern allgemein Ansteckungsgefahren in besonderem Umfang vorhanden sind (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1982, Aktenzeichen 2 RU 32/82, USK 82226, zitiert nach juris). Bei der Hepatitis B Erkrankung handelt es sich ferner um eine Infektionskrankheit im Sinne der BK 3101. Anders als beim Normaltatbestand einer BK setzt die BK Nr. 3101 allerdings nicht voraus, dass die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit die zur Ansteckung mit dem Hepatitisvirus führende Einwirkung auf den Körper wesentlich verursacht hat. Denn es besteht die Besonderheit, dass die schädliche Einwirkung, also der Ansteckungsvorgang, bei dem die Krankheit übertragen wird, ein einmaliges, punktuelles Ereignis darstellt, das häufig im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden kann. Gerade aus diesem Grund sind Infektionskrankheiten, deren auslösendes Ereignis – die einmalige Ansteckung – an sich eher die Voraussetzungen des Unfallbegriffes erfüllt, als BK bezeichnet worden. Um den Nachweisschwierigkeiten zu begegnen, genügt bei der BK 3101 als "Einwirkungen", dass der Versicherte einer der versicherten Tätig-keit innewohnenden Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war (BSG; Urteile vom 02. April 2009, a. a. O.). Unerheblich war daher im vorliegenden Fall, dass die von den Beteiligten diskutierte einzelne Kanülenstichverletzung nicht nachweisbar war. Die erforderliche Einwirkungskausalität beschränkt sich also darauf, dass im Wesentlichen die Verrichtung den Versicherten einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt hat (Gefahrenexposition; Verursachung einer erhöhten Infektionsgefahr - BSG, Urteil vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 30/07 R). Das BSG hat mit dieser Entscheidung die Kriterien der erhöhten Infektionsgefahr im Sinne der BK 3101 fortentwickelt und ausgeführt, dass die be-sondere Infektionsgefahr sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtung ergeben kann. Für die Übertragungsgefahr sind der Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie die Art, Häufigkeit und Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen, also die individuellen Arbeitsvorgänge zu würdigen. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Entscheidend ist immer die Gesamtwürdigung der beiden Risikobereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit. Letztlich muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen, diese darf nicht ausgeschlossen sein.
Die danach anzustellende Gesamtwürdigung ergibt, dass die Klägerin einer besonderen Infektionsgefahr im Sinne der BK Nr. 3101 ausgesetzt war. Wie in dem vom BSG entschiedenen Fall kann dabei auch vorliegend nur auf die Übertragungsgefahr aufgrund der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten abgestellt werden, da es an verlässlichen Aussagen zur Durchseuchung der Stationen, auf denen die Klägerin tätig war, fehlt. Der Arbeitgeber der Klägerin, das T e. V., hatte insoweit lediglich in einer Auskunft vom 04. Februar 2003 bestätigt, dass bei ihm in der Zeit ab 12. April 1980 Personen behandelt oder untersucht worden seien, die an einer Virushepatitis Typ B oder C gelitten hätten.
Die besondere Infektionsgefahr bestand für die Klägerin aufgrund der konkreten von ihr vorgenommenen Verrichtungen während ihrer Tätigkeit als Stationshilfe und Reinigungskraft ab April 1980 bis zur hier vermuteten Infektionszeit im Jahr 1983. Zum Übertragungsmodus ist im Merkblatt (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, Bek. des BMA v. 01.12.2000, BArbBl. 1/2001 S. 35, zitiert nach Mehrtens/Brandenburg, M 3101, S. 3) ausgeführt, dass die Übertragung durch Blut, Blutprodukte, über Sekrete und Exsudate, und zwar beruflich vorwiegend über Stich- und Schnittverletzungen erfolgt, das Übertragungsrisiko sei hoch. Die Klägerin hat Tätigkeiten mit einem derartigen besonderen Infektionsrisiko ausgeübt. Das Gericht folgt insoweit der Einschätzung der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörten Gutachter Prof. Dr. M/Dr. R in deren Gutachten vom 14. Januar 2010, die die Frage nach einem be-sonderen Gefährdungsrisiko im Hinblick auf eine Hepatitis B-Infektion für die Klägerin mit überzeugender Begründung bejaht haben. Denn die Klägerin musste bei ihrer Tätigkeit mit infektiösem Material umgehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies bereits für sich genommen für die Annahme einer besonderen Infektionsgefahr ausreichen kann. Denn vorliegend war nach der Einschätzung der Gutachter insbesondere auch maßgebend, dass im vermuteten Infektionszeitpunkt Anfang der achtziger Jahre die Sicherheitsstandards deutlich niedriger waren, als sie es heute sind.
Das von Prof. Dr. M/Dr. R gefundene Ergebnis ist auch mit der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis zur Intensität der Infektionsgefahr, der die Klägerin ausgesetzt war, vereinbar. Soweit die Beklagte diesbezüglich ausführt, dass die Klägerin keiner
Fallgruppe zuzuordnen sei, für die eine besondere Gefährdung anerkannt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn nach der Fallgruppe 4, Kategorie II (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 3101, S. 32) kann Reinigungspersonal in medizinischen Einrichtungen bei gelegentlicher Exposition gegenüber Blut, Körperflüssigkeiten, humanem Gewebe und mit Hepatitis B oder C kontaminiertem Material durchaus einer erhöhten Infektionsgefährdung ausgesetzt sein. Erforderlich ist dann eine Einzelfallbetrachtung des Infektionsrisikos, welches nach den Feststellungen der Prof. Dr. M/Dr. R für die Tätigkeit der Klägerin, insbesondere auch wegen der Anfang der achtziger Jahre noch deutlich geringeren Sicherheitsstandards, zu bejahen sind.
Außerberufliche Risiken waren vorliegend nicht entscheidungserheblich. Liegen eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat. Die haftungsbegründende Kausalität zwischen der Gefahrenexposition und der Infektionskrankheit liegt nur dann nicht vor, wenn (einzelfallbezogen und mit Vollbeweis) festgestellt wird, dass die Infektionskrankheit nicht durch die Gefahrenexposition verursacht worden ist, wenn also eine Infektion während oder aufgrund der versicherten Verrichtungen und der damit unterstellte Ursachenzusammenhang ausgeschlossen sind (BSG, a. a. O.). Dies ist nicht der Fall. Die Inkubationszeit, die 60 bis 180 Tage, bei großen Inokulationsmengen z. T. auch deutlich weniger beträgt (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, Bek. des BMA v. 01.12.2000, BArbBl. 1/2001 S. 35, zitiert nach Mehrtens/Brandenburg, M 3101, S. 4) spricht vorliegend nicht gegen den zeitlichen
Zusammenhang. Denn wie bereits ausgeführt, war die Klägerin im spätestens anzunehmenden Infektionszeitpunkt 1983, zu welchem die Erkrankung im Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse dokumentiert worden war, bereits seit April 1980 gefährdend tätig gewesen. Unerheblich ist, dass der genaue Infektionszeitpunkt nicht bestimmbar ist, denn es reicht hier, dass der Ursachenzusammenhang nicht ausgeschlossen ist. Auch wurde nicht positiv festgestellt, dass die Infektion durch ein anderes, dem privaten Lebensbereich zuzuordnendes Infektionsrisiko verursacht worden ist. Prof. Dr. H und Prof. Dr. O vermuteten lediglich einen solchen Zusammenhang aufgrund der Herkunft der Klägerin aus der T, wobei Prof. Dr. O dies jedoch zu Recht als reine Spekulation bezeichnete. Dies gilt umso mehr, als die Mutter der Klägerin nachweislich nicht infiziert ist und die Klägerin bereits im Kindesalter in die Bundesrepublik übergesiedelt war. Ein Nachweis der Ursächlichkeit privater Risiken wurde jedenfalls nicht geführt.
Prof. Dr. H und Prof. Dr. O konnte nach allem nicht gefolgt werden. Ein konkreter Infektionsnachweis, wie ihn beide Gutachter ausdrücklich verlangen, ist nach der bereits dargelegten Rechtsprechung bei der BK 3101 nicht zu fordern. Letztlich hielten beide Gutachter ein
Überwiegen außerberuflicher Risiken lediglich aufgrund der Herkunft der Klägerin aus der T für entscheidungserheblich, was aus den bereits genannten Gründen ebenfalls nicht überzeugen konnte.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestanden nicht.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Hepatitis-B-Erkrankung als Berufskrankheit (BK) Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO - Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war).
Die 1960 in der T geborene und seit 1972 in Deutschland lebende Klägerin war seit dem 12. April 1980 im T e. V. tätig, und zwar zunächst für ca. 2 Jahre als Stationshilfe und im Anschluss hieran daneben auch als Reinigungskraft. Bereits zu ihrer Tätigkeit als Stationshilfe gehörten das Reinigen von Waschbecken und das Entsorgen von Müll aus den Zimmern und dem Spülraum.
Am 18. November 2002 erstattete der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit aufgrund einer im Rahmen einer betriebsärztlichen Untersuchung am 02. Mai 2002 serologisch diagnostizierten Hepatitis-B-Erkrankung. Beschwerden seien erstmals ca. 1997 aufgetreten. Die Beklagte befragte die Klägerin zu ihrem beruflichen Werdegang, die in einem Fragebogen vom 11. Dezember 2002 ihre Arbeitsbereiche wie folgt bezeichnete: "Altersheim, Innere (mit Hepatitis-Patienten) = Station 21, 22, seit sechs Jahren Waldhausklinik, verschiedene Stationen, Intensivstation ca. 10 Jahre". Das T e. V. bestätigte in einer Auskunft vom 04. Februar 2003, dass bei ihm in der Zeit ab 12. April 1980 Personen behandelt oder untersucht worden seien, die an einer Virushepatitis Typ B oder C gelitten hätten. Die Klägerin habe keinen direkten Kontakt mit ihnen gehabt. "Ca. 1985" habe sich die Klägerin beim Transport eines Müllsackes an einer Kanüle gestochen, nach diesem Ereignis sei sie sechs Wochen krank geschrieben gewesen. Mit beigefügtem Schreiben vom 05. Februar 2003 führte der Arbeitgeber weiter aus, dass von der Klägerin bisher drei unterschiedliche Zeitpunk-te genannt worden seien, wo erste Symptome der Hepatitis-B-Infektion aufgetreten sein sollten. In der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit werde das Jahr 1997 genannt. In einem Arbeitsgerichtsverfahren, welches mit der krankheitsbedingten Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 31. März 2003 geendet habe, sei wiederholt das Jahr 1993 angeführt worden. Der Betriebsarzt habe nunmehr das Jahr 1985 angegeben. Sicher sei nur, dass die Hepatitis-B-Infektion erstmals bei einer betriebsärztlichen Untersuchung im April/Mai 2002 festgestellt worden sei. Mit Schreiben vom 17. Februar 2003 und vom 29. Oktober 2003 wurde ergänzt, dass über die Kanülenverletzung keinerlei weitere Auskünfte erteilt werden könnten, insbeson-dere auch nicht darüber, ob die Kanüle mit Hepatitis B-Erregern infiziert gewesen sei. Einträge in ein Unfallbuch existierten nicht.
Die AOK Berlin übersandte am 26. Februar und 17. September 2003 Vorerkrankungsverzeichnisse, denen eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wegen einer Hepatitis-B-Infektion für das Jahr 1983 zu entnehmen ist. Die Klägerin überreichte Arztbriefe und Operationsberichte über Behandlungen in der Gynäko-logischen Abteilung des Krankenhauses N in der Zeit von Mai bis Juli 1993, ferner brachte sie in der T erstellte Laborergebnisse ihre Eltern betreffend bei, aus denen sich für diese ein negativer Hepatitis-B-Status ergibt. Laborbefunde für die Zeit vor 1997 konnten nicht mehr gefunden werden, eine Vorsorgedatei existierte seinerzeit beim früheren Arbeitgeber der Klägerin ebenfalls nicht. Die Beklagte holte Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 11. Februar 2002 und der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S vom 04. April 2003 ein, die diverse Laborergebnisse übersandten, letztere führte aus, dass eine chronische Hepatitis B vorliege. Histologisch bestünden keine Fibrose und nur eine minimale entzündliche Aktivität. Eine Therapie sei zur Zeit nicht erforderlich. Dr. S bestätigte mit Attest vom 30. Januar 2003, dass bei der Klägerin seit 1985 eine Hepatitis B-Infektion bekannt sei.
Die Beklagte holte sodann durch Prof. Dr. H, C -Klinikum, ein Gutachten vom 23. Februar 2004 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass zwischen der Hepatitis-B-Infektion und der versicherten beruflichen Tätigkeit sehr wahrscheinlich kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Es liege eine milde Verlaufsform einer chronischen Hepatitis-B-Virusinfektion im Sinne eines so genannten asymptomatischen HBsAg-Trägerstatus vor, definiert mit normalen Transaminasen, niedriger Virämie, anti-HBe-Positivität und histologisch ohne wesentliche chronische Ent-zündungsaktivität, also lediglich eine so genannte "minimal hepatitis". Bekannt sei diese seit 1985, davor seien die Hepatitis-B-Virusmarker offenbar nicht untersucht worden. Erfahrungsgemäß liege der Infektionseintritt bereits viele Jahre zurück, wenn der asymptomatische Trägerstatus diagnostiziert werde. Eindeutig dokumentiert sei die Infektion ab April 2002 mit dem Nachweis von HBsAg im Serum. Die Klägerin sei ab April 1980 im T tätig gewesen, anfangs als Stationshilfe, ab 1982 als Reinigungskraft. Das Infektionsrisiko dieser Personengruppe hin-sichtlich HBV sei nicht vergleichbar mit dem Pflegepersonal. Hier kämen Beweiserleichterungen nicht zum Tragen. Der konkrete Infektionsnachweis müsse gefordert werden. Ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe bei konkreten Verletzungen mit kontaminierten Gegenständen. Solche Ereignisse müssten dann auch aktenkundig sein. Die von der Klägerin für 1983 angegebene Kanülenstichverletzung sei nicht aktenkundig. Auch überwiegten hier die außerberuflichen Risiken. Die Klägerin komme aus der T, in der die Durchseuchung mit Hepatitis-B-Viren hoch sei. Ein HBsAg-negativer Befund der Mutter sei kein Argument gegen eine außerberufliche Infektion mit HBV.
Nach Anhörung des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Technische Sicherheit vom 17. März 2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2004 die Anerken-nung der Virushepatitis B als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Berufskrankheiten-Liste ab; ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht.
Im Widerspruchsverfahren führte die Klägerin aus, den Zeitpunkt der Kanülenstichverletzung auf das Jahr 1983 zu datieren. Dies sei seinerzeit auch der Oberschwester M mitgeteilt worden. Sie habe in der Folgezeit wegen ihrer Beschwerden auch den Arzt Dr. T aufgesucht, der die Hepatitis diagnostiziert habe. Aus welchen Gründen der Arbeitgeber das Jahr 1985 für die
Kanülenstichverletzung nenne, sei nicht bekannt. Unterlagen zur Einstellungsuntersuchung im Jahre 1980 habe sie nicht. 1978 habe man bei einer Blutuntersuchung anlässlich einer
Blinddarmuntersuchung im Krankenhaus M jedenfalls keine Hepatitis festgestellt. Bei dem vom T im Schreiben vom 05. Februar 2003 mitgeteilten Datum 1993 im Arbeitsgerichtsverfahren handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler. Die Angaben des Betriebsarztes "ca. 1985" seien durch sie auch nicht nachvollziehbar. Die Beklagte zog Unterlagen des Krankenhauses M über die 1978 durchgeführte Blut- und Blinddarmuntersuchung sowie weitere Be-funde der Dr. S sowie der Ärztin für Pathologie Dr. N bei und wies sodann den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Prof. Dr. H durch Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2006 zurück. Der Nachweis eines konkreten Infektionsereignisses könne nicht erbracht werden. Die Kanülenstichverletzung sei weder durch den Arbeitgeber noch durch ärztliche Befunde bestätigt worden. Bei der Tätigkeit als Stationshilfe und Reinigungskraft sei sie keinem besonderen beruflichen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Die Anwendung von Beweiserleichterungen käme daher nicht in Betracht. Der Infektionszeitraum hätte nicht näher eingegrenzt werden können. Anlässlich der Blinddarmoperation im Krankenhaus M 1978 sei eine Hepatitis-Serologie nicht durchgeführt worden, so dass auch insoweit eine genauere Eingrenzung des Infektionszeitraumes nicht möglich sei. Es könne nur festgestellt werden, dass sich die Klägerin irgendwann zwischen ihrer Geburt 1960 und dem Jahr 1983 mit Hepatitis B infiziert habe.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 23. Februar 2007 die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen. In der Begründung ist ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten besonderen Beweisgrundsätze mit Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen
Zusammenhang auszugehen sei, wenn nachgewiesen sei, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Bei diesem Nachweis könne dann in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Versicherte sich die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch die besondere berufliche Exposition zugezogen habe. Bei der Klägerin sei 1983 eine Hepatitis-B-Infektion aufgetreten, was aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse folge. In diesem Zeitraum sei die Klägerin auch auf Stationen eingesetzt gewesen, auf denen Hepatitis B- und C- infizierte Personen behandelt worden seien. Nach den glaubwürdigen Schilderungen der Klägerin bestehe kein Zweifel, dass es bei der Beseitigung eines Müllsackes zu einer Stichverletzung gekommen sei. Die unterschiedlichen Angaben zum Infektionszeitpunkt seien durch die Klägerin nachvollziehbar erklärt worden. Damit stehe fest, dass ein unmittelbarer Kontakt zu an Hepatitis B erkrankten Personen bestanden habe, der zu Beweiserleichterungen führe, weshalb der ursächliche Zusammenhang zwischen der Ausübung der versicherten Tätigkeit als Reinigungskraft und der 1983 aufgetretenen Hepatitis-B-Erkrankung bestehe. Hierfür spreche auch, dass andere Ursachen nicht greifbar seien. Die Verurteilung zur Gewährung einer Rente komme derzeit aber nicht in Betracht, da nach den Ausführungen der behandelnden Ärztin nur eine minimale entzündliche Aktivität bestehe und eine Therapie nicht erforderlich sei. Ein Grundurteil zur Leistungsgewährung sei im Hinblick auf eine spätere mögliche Verschlimmerung der Erkrankung auszusprechen gewesen.
Gegen dieses ihr am 14. März 2007 zugegangene Urteil richtet sich die am 11. April 2007 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte führt aus, dass der haftungsbegründende
Ursachenzusammenhang in der Regel dann gegeben sei, wenn während der in Frage kommenden Ansteckungszeit Kontakt zu einer nachweislichen Infektionsquelle bestanden habe und dabei nach Art des Kontaktes eine Virusübertragung möglich gewesen sei. Ohne den konkreten Nachweis eines Kontaktes könne der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang wahrscheinlich sein, wenn der Versicherte während der in Frage kommenden Ansteckungszeit aufgrund der Umstände des Einzelfalles einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Es stehe vorliegend nicht fest, dass sich die Klägerin die Kanülenstichverletzung überhaupt zugezogen habe, auch bleibe offen, ob es sich um eine mit Hepatitis-B-Viren kontaminierte Kanüle gehandelt habe. Nicht nur die Angaben zum Datum der Kanülenstichverletzung variierten, sondern auch die Angaben zu ersten Beschwerden wegen der Hepatitis-B-Erkrankung, hier fänden sich für das erstmalige Auftreten die Jahre 1985, 1987, 1988, 1993 und 1997. Das Jahr 1983 sei erst dann ausdrücklich benannt worden, als das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK bekannt geworden sei. Dem entsprechenden Vermerk im Vorerkrankungsverzeichnis könne jedoch lediglich aufgrund des Eintrages "Inf. Hepatitis B" nicht entnommen werden, dass zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine Krankschreibung wegen einer akuten Hepatitis erfolgt war. Auch sei nicht geklärt, auf welchen Stationen die Klägerin als Reinigungskraft eingesetzt gewesen sei bzw. von welchen Stationen die von ihr zu entsorgenden Müllsäcke stammten. Auch die Tätigkeit als solche sei nicht typischerwei-se mit einem besonders erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Eine über das normale Maß hi-nausgehende Gefährdung sei für die Klägerin nicht erkennbar. Die Beweiserleichterungen seien für eine Tätigkeit als Reinigungskraft nicht anwendbar. Die Einstellung der Klägerin als Stationshilfe 1980 lasse auch nicht den Schluss zu, dass bei der Klägerin damals noch keine Hepatitis-Infektion vorgelegen habe; ungeklärt sei geblieben, ob hier eine Testung erfolgt sei.
Die Beklagte verweist im Übrigen auf ein von ihr beigebrachtes Gutachten des Prof. Dr. O, Reha-Zentrum M, vom 03. Mai 2007. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Eingrenzung des Infektionszeitraumes nicht möglich sei. Die Feststellung des HSB-Antigenträgerstatus im Ap-ril/Mai 2002 lasse nicht erkennen, seit wann dieser Trägerstatus bestehe, die Infektion könne zu jedem Zeitpunkt vor 1985 stattgefunden haben. Bei Abwägung der beruflichen und außerbe-ruflichen Infektionsrisiken überwiegten die außerberuflichen Risiken aufgrund der Herkunft aus der T. Die Klägerin könne sich hier die Infektion bei kleineren medizinischen Eingriffen oder sonstigen Kontakten zugezogen haben. Dies sei zwar reine Spekulation, allerdings nicht entscheidend, da die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kausalität nicht vorlägen. Selbst wenn man davon ausginge, dass Nadelstichverletzungen grundsätzlich zu einer Infektionsverletzung führten, was sehr unwahrscheinlich sei, könne nur bei etwa 1 Prozent der Patienten eine Hepatitis-B-Infektiosität angenommen werden; angesichts einer derartigen Relation könnte ohne konkrete Angaben zum Infektionshergang nicht die Ursächlichkeit bejaht werden.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil vom 23. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, dass das Gutachten des Prof. Dr. H bereits deswegen fehlerhaft sei, weil dieser von einer erstmaligen Infektion erst im Jahre 2002 ausgehe, obgleich das
Vorerkrankungsverzeichnis der AOK eine Erkrankung bereits für 1983 belege. Es sei auch fehlerhaft, dass Reinigungskräfte keinem erhöhten Infektionsrisiko unterlägen. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass kein Verletztenbuch geführt worden sei.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst am 25. November 2008 einen Termin durchgeführt und die Klägerin zur Sache gehört. Das Gericht hat dann nochmals den früheren Arbeitgeber der Klägerin, das T-W-W e. V., zur Tätigkeit der Klägerin und dem Vor-gehen bei Einstellungsuntersuchungen befragt; dieser teilte mit Schreiben vom 14. Januar 2009 mit, dass Unterlagen über die Einstellungsuntersuchung der Klägerin, die als Reinigungskraft tätig gewesen sei, nicht vorlägen. Es könne auch nicht mehr festgestellt werden, auf welchen Stationen die Klägerin eingesetzt worden sei. Oberschwester M befinde sich in einem Pflegeheim und sei demenzkrank.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann ein Gutachten der Prof. Dr. M/Dr. R, M H H, vom 14. Januar 2010 eingeholt, die zu dem Ergebnis kamen, dass bei der Klägerin eine chronische Hepatitis B-Infektion bei sog. inaktivem Trägerstatus ohne Hinweise auf eine entzündliche Aktivität oder eine Fibrose im Bereich der Leber bestehe. Unwahrscheinlich sei, dass die von der Klägerin geschilderte Abgeschlagenheit und langjährige Depression auf die Lebererkrankung rückführbar sei. Es sei hinreichend wahr-scheinlich, dass die Hepatitis B-Erkrankung der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft verursacht worden sei. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Tätigkeit einem erhöhten Risiko ausgesetzt gewesen, da sie als Reinigungskraft mit infektiösem Material hätte umgehen müssen. Reinigungspersonal sei einem gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtem Gefähr-dungsrisiko zuzuordnen. Das Risiko sei vergleichbar mit nicht invasiv tätigem Personal von ärztlicher und pflegerischer Seite, jedoch geringer als bei Personal mit invasiven Tätigkeiten. Dies gelte insbesondere für die relativ leicht übertragbare Hepatitis B. Zudem sei zu berück-sichtigen, dass zum vermutlichen Infektionszeitpunkt 1983 die Sicherheitsstandards noch deutlich niedriger gewesen seien als es jetzt der Fall sei. So seien nach Angaben der Klägerin zu dieser Zeit bei der Ausübung der Tätigkeit keine Handschuhe getragen worden. Dies hätte zwar für eine Kanülenstichverletzung keinen Unterschied gemacht, wohl aber für eine Infektion mit Blut und entsprechenden kleinen Hautverletzungen. Weiter sei aufgrund der Dokumentation einer akuten Hepatitis B durch die Krankenkasse der Klägerin im Jahre 1983 der zeitliche Zu-sammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin hinreichend wahrscheinlich. Unwahrscheinlich sei eine andere Art der Infektion, da die Eltern der Klägerin keine Infektion aufwiesen und sich andere Risiko- oder außerberufliche Faktoren erkennbar nicht gefunden hätten. Eine MdE bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil ist rechtmäßig. Die Klägerin hat Anspruch auf die Anerkennung ihrer Hepatitis B- Infektion als Berufskrankheit. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten waren daher rechtswidrig sind auf-zuheben.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die Infektion mit der von der Klägerin als BK geltend gemachten Hepatitis nach dem 1983 erfolgten Eintrag im Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin "Inf. Hepatitis B" spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt gewesen sein muss und damit jedenfalls vor In Kraft Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Gleichermaßen sind noch die Bestimmungen der bis zum 30. November 1997 geltenden Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BKVO) maßgebend.
Gemäß den §§ 537 Nr. 2, 551 Abs. 1 Satz 1 RVO entschädigt die gesetzliche Unfallversicherung u. a. die Versicherten, die aufgrund des Versicherungsfalls eines Arbeitsunfalls, als der nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK gilt, in ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war".
Für die Anerkennung als BK muss grundsätzlich eine versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, bewiesen sein. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 7/08 R, und Urteil vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 30/087 R, jeweils zitiert nach juris.de).
Die Klägerin war während ihrer Tätigkeit als Stationshilfe und Reinigungskraft seit April 1980 in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Die Klägerin war auch im Gesundheitsdienst tätig. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die BK 3101 nicht lediglich für unmittelbar, das heißt mit direkter Patientenberührung beschäftigte Versicherte in Betracht kommt, weil bei Krankenhäusern allgemein Ansteckungsgefahren in besonderem Umfang vorhanden sind (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1982, Aktenzeichen 2 RU 32/82, USK 82226, zitiert nach juris). Bei der Hepatitis B Erkrankung handelt es sich ferner um eine Infektionskrankheit im Sinne der BK 3101. Anders als beim Normaltatbestand einer BK setzt die BK Nr. 3101 allerdings nicht voraus, dass die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit die zur Ansteckung mit dem Hepatitisvirus führende Einwirkung auf den Körper wesentlich verursacht hat. Denn es besteht die Besonderheit, dass die schädliche Einwirkung, also der Ansteckungsvorgang, bei dem die Krankheit übertragen wird, ein einmaliges, punktuelles Ereignis darstellt, das häufig im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden kann. Gerade aus diesem Grund sind Infektionskrankheiten, deren auslösendes Ereignis – die einmalige Ansteckung – an sich eher die Voraussetzungen des Unfallbegriffes erfüllt, als BK bezeichnet worden. Um den Nachweisschwierigkeiten zu begegnen, genügt bei der BK 3101 als "Einwirkungen", dass der Versicherte einer der versicherten Tätig-keit innewohnenden Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war (BSG; Urteile vom 02. April 2009, a. a. O.). Unerheblich war daher im vorliegenden Fall, dass die von den Beteiligten diskutierte einzelne Kanülenstichverletzung nicht nachweisbar war. Die erforderliche Einwirkungskausalität beschränkt sich also darauf, dass im Wesentlichen die Verrichtung den Versicherten einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt hat (Gefahrenexposition; Verursachung einer erhöhten Infektionsgefahr - BSG, Urteil vom 02. April 2009, Az.: B 2 U 30/07 R). Das BSG hat mit dieser Entscheidung die Kriterien der erhöhten Infektionsgefahr im Sinne der BK 3101 fortentwickelt und ausgeführt, dass die be-sondere Infektionsgefahr sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtung ergeben kann. Für die Übertragungsgefahr sind der Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie die Art, Häufigkeit und Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen, also die individuellen Arbeitsvorgänge zu würdigen. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Entscheidend ist immer die Gesamtwürdigung der beiden Risikobereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit. Letztlich muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen, diese darf nicht ausgeschlossen sein.
Die danach anzustellende Gesamtwürdigung ergibt, dass die Klägerin einer besonderen Infektionsgefahr im Sinne der BK Nr. 3101 ausgesetzt war. Wie in dem vom BSG entschiedenen Fall kann dabei auch vorliegend nur auf die Übertragungsgefahr aufgrund der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten abgestellt werden, da es an verlässlichen Aussagen zur Durchseuchung der Stationen, auf denen die Klägerin tätig war, fehlt. Der Arbeitgeber der Klägerin, das T e. V., hatte insoweit lediglich in einer Auskunft vom 04. Februar 2003 bestätigt, dass bei ihm in der Zeit ab 12. April 1980 Personen behandelt oder untersucht worden seien, die an einer Virushepatitis Typ B oder C gelitten hätten.
Die besondere Infektionsgefahr bestand für die Klägerin aufgrund der konkreten von ihr vorgenommenen Verrichtungen während ihrer Tätigkeit als Stationshilfe und Reinigungskraft ab April 1980 bis zur hier vermuteten Infektionszeit im Jahr 1983. Zum Übertragungsmodus ist im Merkblatt (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, Bek. des BMA v. 01.12.2000, BArbBl. 1/2001 S. 35, zitiert nach Mehrtens/Brandenburg, M 3101, S. 3) ausgeführt, dass die Übertragung durch Blut, Blutprodukte, über Sekrete und Exsudate, und zwar beruflich vorwiegend über Stich- und Schnittverletzungen erfolgt, das Übertragungsrisiko sei hoch. Die Klägerin hat Tätigkeiten mit einem derartigen besonderen Infektionsrisiko ausgeübt. Das Gericht folgt insoweit der Einschätzung der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörten Gutachter Prof. Dr. M/Dr. R in deren Gutachten vom 14. Januar 2010, die die Frage nach einem be-sonderen Gefährdungsrisiko im Hinblick auf eine Hepatitis B-Infektion für die Klägerin mit überzeugender Begründung bejaht haben. Denn die Klägerin musste bei ihrer Tätigkeit mit infektiösem Material umgehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies bereits für sich genommen für die Annahme einer besonderen Infektionsgefahr ausreichen kann. Denn vorliegend war nach der Einschätzung der Gutachter insbesondere auch maßgebend, dass im vermuteten Infektionszeitpunkt Anfang der achtziger Jahre die Sicherheitsstandards deutlich niedriger waren, als sie es heute sind.
Das von Prof. Dr. M/Dr. R gefundene Ergebnis ist auch mit der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis zur Intensität der Infektionsgefahr, der die Klägerin ausgesetzt war, vereinbar. Soweit die Beklagte diesbezüglich ausführt, dass die Klägerin keiner
Fallgruppe zuzuordnen sei, für die eine besondere Gefährdung anerkannt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn nach der Fallgruppe 4, Kategorie II (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 3101, S. 32) kann Reinigungspersonal in medizinischen Einrichtungen bei gelegentlicher Exposition gegenüber Blut, Körperflüssigkeiten, humanem Gewebe und mit Hepatitis B oder C kontaminiertem Material durchaus einer erhöhten Infektionsgefährdung ausgesetzt sein. Erforderlich ist dann eine Einzelfallbetrachtung des Infektionsrisikos, welches nach den Feststellungen der Prof. Dr. M/Dr. R für die Tätigkeit der Klägerin, insbesondere auch wegen der Anfang der achtziger Jahre noch deutlich geringeren Sicherheitsstandards, zu bejahen sind.
Außerberufliche Risiken waren vorliegend nicht entscheidungserheblich. Liegen eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat. Die haftungsbegründende Kausalität zwischen der Gefahrenexposition und der Infektionskrankheit liegt nur dann nicht vor, wenn (einzelfallbezogen und mit Vollbeweis) festgestellt wird, dass die Infektionskrankheit nicht durch die Gefahrenexposition verursacht worden ist, wenn also eine Infektion während oder aufgrund der versicherten Verrichtungen und der damit unterstellte Ursachenzusammenhang ausgeschlossen sind (BSG, a. a. O.). Dies ist nicht der Fall. Die Inkubationszeit, die 60 bis 180 Tage, bei großen Inokulationsmengen z. T. auch deutlich weniger beträgt (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, Bek. des BMA v. 01.12.2000, BArbBl. 1/2001 S. 35, zitiert nach Mehrtens/Brandenburg, M 3101, S. 4) spricht vorliegend nicht gegen den zeitlichen
Zusammenhang. Denn wie bereits ausgeführt, war die Klägerin im spätestens anzunehmenden Infektionszeitpunkt 1983, zu welchem die Erkrankung im Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse dokumentiert worden war, bereits seit April 1980 gefährdend tätig gewesen. Unerheblich ist, dass der genaue Infektionszeitpunkt nicht bestimmbar ist, denn es reicht hier, dass der Ursachenzusammenhang nicht ausgeschlossen ist. Auch wurde nicht positiv festgestellt, dass die Infektion durch ein anderes, dem privaten Lebensbereich zuzuordnendes Infektionsrisiko verursacht worden ist. Prof. Dr. H und Prof. Dr. O vermuteten lediglich einen solchen Zusammenhang aufgrund der Herkunft der Klägerin aus der T, wobei Prof. Dr. O dies jedoch zu Recht als reine Spekulation bezeichnete. Dies gilt umso mehr, als die Mutter der Klägerin nachweislich nicht infiziert ist und die Klägerin bereits im Kindesalter in die Bundesrepublik übergesiedelt war. Ein Nachweis der Ursächlichkeit privater Risiken wurde jedenfalls nicht geführt.
Prof. Dr. H und Prof. Dr. O konnte nach allem nicht gefolgt werden. Ein konkreter Infektionsnachweis, wie ihn beide Gutachter ausdrücklich verlangen, ist nach der bereits dargelegten Rechtsprechung bei der BK 3101 nicht zu fordern. Letztlich hielten beide Gutachter ein
Überwiegen außerberuflicher Risiken lediglich aufgrund der Herkunft der Klägerin aus der T für entscheidungserheblich, was aus den bereits genannten Gründen ebenfalls nicht überzeugen konnte.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestanden nicht.
Rechtskraft
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