Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 3719/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3830/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. August 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Mannheim wie folgt gefasst wird:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 01. Januar 2004 Altersrente in der Höhe zu zahlen, die sich im Hinblick auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. November bis 30. November 2001 erzielten Bruttoeinkommen in Höhe von DM 12.321,73, vom 01. Dezember bis 31. Dezember 2001 erzielten Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 6.429.96 und vom 01. Januar bis 31. Januar 2002 erzielten Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 3.912,89 ergibt.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger eine Neuberechnung der von ihm bezogenen Altersrente beanspruchen kann, bei der für die letzten drei Monate seines Arbeitsverhältnisses vor Renteneintritt das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt als Grundlage der Rentenberechnung anstelle des in der so genannten Entgeltvorausbescheinigung angegebenen Arbeitsentgelts zu berücksichtigen ist.
Der am 1942 geborene Kläger war bis einschließlich Januar 2002 bei der Firma W. K. KG (im Folgenden KG) beschäftigt. Bei ihm ist seit 10. Mai 1997 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Am 25. Oktober 2001 beantragte er bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als Schwerbehinderte nach § 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anerkannt sind. Nach den Angaben im Antragsvordruck wurde dem Kläger die so genannte Entgeltvorausbescheinigung (Vordruck R 250) bei Rentenantragstellung ausgehändigt. Unter dem 20. November 2001 füllte die KG die Entgeltvorausbescheinigung aus und gab darin an, für November und Dezember 2001 werde voraussichtlich ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von DM 17.000,00 gezahlt, für Januar 2002 in Höhe von DM 7.300,00 (= EUR 3.732,43). Hierin seien einmalig zu zahlende Arbeitsentgelte wie folgt enthalten: Auszahlung im November 2001 in Höhe von DM 4.750,00 (Weihnachtsgeld) sowie Auszahlungsbetrag von DM 700,00 im Januar 2002 (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld). Mit seiner Unterschrift auf dem am 26. November 2001 beim Bürgerbüro der Stadt E. und am 29. November 2001 bei der Beklagten eingegangenen Vordruck erklärte der Kläger, er sei damit einverstanden, dass der zuständige Rentenversicherungsträger das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zugrundeliege. Auf der Rückseite des Vordrucks ist unter Ziff. 1 Folgendes ausgeführt: "Hinweise für die Versicherte/den Versicherten: Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Versicherten die Entgeltbescheinigung für die Zeit bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses bis zu drei Monate im Voraus auszustellen, wenn für die anschließende Zeit Altersrente beantragt wird (§ 194 SGB VI). Dadurch kann die Rente schon vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses berechnet werden. Ein tatsächliches erzieltes Arbeitsentgelt, das von dem vorausbescheinigten Arbeitsentgelt abweicht, ist allerdings erst bei einer später zu zahlenden Rente (z. B. Hinterbliebenenrente) zu berücksichtigen." (Fettdruck im Original)
Mit Bescheid vom 30. November 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen, beginnend ab 01. Februar 2002 in Höhe von monatlich EUR 1.393,54 (Zahlbetrag). Ausweislich der Anlagen 2 und 3 zu diesem Rentenbescheid berücksichtigte sie bei der Berechnung Arbeitsentgelte für den Zeitraum vom 01. November bis 31. Dezember 2001 von DM 17.000,00, für das gesamte Jahr 2001 DM 85.235,00 und für den Januar 2002 von EUR 3.732,43, in der Anlage 2 mit der Kennzeichnung "vorl." (01. Januar bis 31. Oktober 2001) und "vorab" (01.November 2001 bis 31. Januar 2002).
Am 30. Juni 2008 erschien der Kläger auf dem Bürgerbüro seines Wohnortes und beantragte die Überprüfung des Rentenbescheids vom 30. November 2001. Er habe festgestellt, dass in seiner Rentenberechnung ein falsches Entgelt in die Berechnung mit einbezogen worden sei. Die KG habe ihm damals eine vorläufige Bescheinigung ausgestellt. Das tatsächliche Entgelt habe jedoch höher gelegen. Hierzu legte der Kläger die Durchschriften der Meldung zur Sozialversicherung der KG für die Zeiträume vom 01. Januar bis 31. Dezember 2001 und 01. März bis 30. Juni 2002 vor. Hieraus ergibt sich für das Gesamtjahr 2001 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 87.327,00 sowie für den Zeitraum vom 01. März bis 30. Juni 2002 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 1.000,00.
Mit Schreiben vom 08. Juli 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, eine Neufeststellung der Altersrente sei nicht möglich, da der Kläger auf der Entgelt(voraus)bescheinigung vom 20. November 2001 sich damit einverstanden erklärt habe, dass der Rentenversicherungsträger das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zugrundelege. Hierauf erklärte der Kläger, er sei davon ausgegangen, dass das vorausbescheinigte Entgelt nur vorläufig der Rentenberechnung zugrundegelegt würde. Für ihn sei es selbstverständlich gewesen, dass nach tatsächlicher Überweisung und nach Einbehaltung der Sozialversicherungsbeträge von seinem tatsächlichen Entgelt die Rente nochmals endgültig berechnet würde. Durch die Verfahrensweise der Beklagten erhalte er weniger Rente, obwohl er für mehr Rente Sozialversicherungsbeiträge gezahlt habe. Er bestehe daher auf Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheids.
Die Beklagte wies daraufhin mit Bescheid vom 18. Juli 2008 den Überprüfungsantrag vom 10. Juli 2008 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, weil das vorausbescheinigte Arbeitsentgelt erst zu einem späteren Leistungsfall zu berücksichtigen sei. Die vorausbescheinigten beitragspflichtigen Einnahmen hätten der Ermittlung von Entgeltpunkten für die zu berechnende Altersrente gedient. Für die Dauer des Bezugs dieser Rente verbleibe es hierbei, auch wenn die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen von den vorausbescheinigten abwichen. Damit habe sich der Kläger auch einverstanden erklärt.
Am 05. August 2008 legte der Kläger zur Niederschrift des Bürgerbüros Widerspruch ein. Auch im Bescheid vom 30. November 2001 seien im Versicherungsverlauf die Beiträge vom 01. Januar 2001 bis 31. Januar 2002 als "vorl." und "vorab" gekennzeichnet gewesen. Das tatsächliche Entgelt habe 2001 DM 87.327,00 und im Januar 2002 EUR 3.512,00 betragen. Dazu legte der Kläger nunmehr auch zusätzlich noch die Durchschrift der Meldung zur Sozialversicherung für Januar 2002 vor, aus der sich ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von EUR 3.512,00 ergibt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2008 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Das tatsächlich erzielte Entgelt könne erst bei Eintritt eines späteren Leistungsfalls Berücksichtigung finden. Der Kläger habe sich damit einverstanden erklärt, dass sie bei der Berechnung der Rente das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt zugrundelege. Die zur Rentenversicherung zu entrichtenden Beiträge seien stets nach den tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen zu berechnen.
Am 13. November 2008 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Zu deren Begründung trug er vor, er habe angenommen, dass jedenfalls im Rahmen der normalen Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres das ungekürzte tatsächliche Entgelt berücksichtigt werde. Es könne nicht angehen, dass die Beiträge aus dem tatsächlich höheren erzielten Einkommen berechnet würden, die Rente jedoch aus dem niedrigeren fiktiven Einkommen. Außerdem habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 16. November 1995 (4 RA 48/93 = SozR 3-2200 § 1401 Nr. 1) ausdrücklich entschieden, dass der Rentenversicherungsträger auf Verlangen verpflichtet, im Übrigen berechtigt sei, den Zahlbetrag der Rente abzuändern, wenn das tatsächlich erzielte Entgelt von dem vorausbescheinigten abweiche.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den Wortlaut der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entgegen. Streitig sei ein monatlicher Rentenbetrag von EUR 0,77 (bei Rentenbeginn), jetzt aufgrund der Rentenerhöhungen von EUR 0,82.
Mit Urteil vom 04. August 2009 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008, den Rentenbescheid vom 30. November 2001 im Hinblick auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. November 2001 bis 31. Januar 2002 erzielten Arbeitsentgelte abzuändern und die Rente des Klägers neu zu berechnen und dem Kläger ab dem 01. Januar 2004 höhere Leistungen zu gewähren. Im Übrigen (für die Zeit vor dem 01. Januar 2004) wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach § 70 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) müssten die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen eigentlich außer Betracht bleiben. Dies gelte auch für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres, denn § 34 Abs. 4 SGB VI schließe nach Bewilligung einer Altersrente den Wechsel in eine andere Rentenart ausdrücklich aus. Es sei zweifelhaft, ob der Auffassung des BSG im Urteil vom 16. November 1995 angesichts der klaren und eindeutigen gesetzlichen Vorgaben gefolgt werden könne. Der Anspruch des Versicherten auf beitragsäquivalente Leistungen könne angesichts der geringfügigen Abweichung von der Beitragsäquivalenz hier gegenüber dem Interesse des Rentenversicherungsträgers, in typisierender Weise eine zügige Berechnung der Renten sicherzustellen, keine überragende Bedeutung haben. Der Kläger sei aber im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er von der Möglichkeit der Entgeltvorausbescheinigung keinen Gebrauch gemacht. Es wäre im Vorfeld Sache der Beklagten gewesen, den Kläger im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung im Rahmen der Beratungspflicht nach § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) darauf hinzuweisen, dass alternativ zur Vorausbescheinigung der Arbeitsentgelte die Möglichkeit einer vorläufigen Festsetzung oder eines Vorschusses auf die Rente bestanden hätte (§§ 42, 43 SGB I). Auch wäre es möglich gewesen, das Ende des Arbeitsverhältnisses abzuwarten und sodann die Rente unter Berücksichtigung der tatsächlich bezogenen Arbeitsentgelte endgültig festzusetzen. Die Beklagte habe es unter Missachtung ihrer Beratungspflichten unterlassen, den Kläger auf diese naheliegende Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen. Dieser Beratungsfehler führe dazu, dass der Kläger so zu stellen sei, wie er stünde, wenn diese Beratung erfolgt wäre und er sich für die aufgezeigte Variante entschieden hätte. Durch die Erklärung des Klägers auf dem Formular für die Entgeltvorausbescheinigung werde eine ordnungsgemäße Beratung nicht ersetzt. Offenkundig sei der Kläger nicht auf die anderweitigen Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen worden. Daher könne der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens beanspruchen, dass der Rentenbescheid vom 30. November 2001 teilweise zurückgenommen bzw. abgeändert werde und dass für die Monate November 2001 bis Januar 2002 die Entgeltpunkte auf Basis des tatsächlich zugeflossenen Arbeitslohns berechnet würden. Aus § 44 Abs. 4 SGB X ergebe sich jedoch, dass der Kläger lediglich für einen Zeitraum seit 01. Januar 2004 die Nachzahlung der entsprechenden Rentenbeträge beanspruchen könne.
Am 21. August 2009 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie verweist auf die vom Kläger unterschriebene Erklärung im Rentenantragsformular und auf der Entgeltvorausbescheinigung, dass dieser einverstanden sei, dass der zuständige Rentenversicherungsträger das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zugrundelege. Zudem trage der Vordruck zur Entgeltvorausbescheinigung oben rechts den deutlichen Vermerk "Hinweise auf der Rückseite bitte beachten." Durch den Hinweis auf der Rückseite habe dem Kläger klar sein müssen, dass bei Erteilung der Einverständniserklärung das eventuell abweichende tatsächliche Entgelt für die aktuell bewilligte Rente nicht berücksichtigt werden könne. Andernfalls hätte er sich mit einem Beratungsbegehren an sie gewandt bzw. wenden müssen. Eine Verpflichtung zur Beratung des Klägers ohne konkretes Beratungsbegehren habe in der vorliegenden Konstellation nicht bestanden. Weder für den Kläger noch für sie sei absehbar gewesen, ob und ggf. wie das tatsächliche Entgelt vom vorausbescheinigten abweichen würde. Auch hätten die vom SG aufgezeigten Alternativen insoweit nicht bestanden, als § 43 SGB I nur eingreife, wenn zwischen verschiedenen Leistungsträgern die Zuständigkeit streitig sei. Eine vorläufige Entscheidung über die Rente bzw. eine Vorschussgewährung liefe dem Sinn und Zweck der §§ 70 Abs. 4, 194 SGB VI zuwider. Das Urteil des BSG vom 16. November 1995 sei noch zu § 1401 Reichsversicherungsordnung (RVO)/§ 123 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ergangen. Eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des § 70 Abs. 4 SGB VI hintanstelle, greife unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. § 70 Abs. 4 SGB VI gehe als lex specialis der (analogen) Anwendung des § 48 SGB X vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. August 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Tenor des Sozialgerichts Mannheim wie folgt gefasst wird: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 21. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 01. Januar 2004 Altersrente in der Höhe zu zahlen, die sich im Hinblick auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. November bis 30. November 2001 erzieltes Bruttoeinkommen in Höhe von DM 12.321,73, vom 01. Dezember bis 31. Dezember 2001 erzieltes Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 6.429,96 und vom 01. Januar bis 31. Januar 2002 erzieltes Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 3.912,89 ergibt.
Die Rentenhöhe sei schon wegen der Beitragsäquivalenz zu korrigieren. Im Übrigen seien die Ausführungen des SG zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch schlüssig. Der Kläger hat das Schreiben eines Büro- und Buchführungsservice vom 04. April 2011 vorgelegt, wonach nach Rückrechnung das monatliche Entgelt im November 2001 DM 12.321,73 betragen hat, sowie die Gehaltsabrechnung des Monats Dezember 2001 mit einem Bruttoverdienst von EUR 6.429,96.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit Urteil vom 04. August 2009 die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger ab 01. Januar 2004 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 01. November 2001 bis 31. Januar 2002 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte zu zahlen. Lediglich der Tenor der Entscheidung des SG war neu zu fassen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008, mit dem die Beklagte die Zahlung der Altersrente an den Kläger unter Berücksichtigung der in dem genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte abgelehnt hat. Zu entscheiden ist im Berufungsverfahren nur, ob der Kläger für die Zeit ab 01. Januar 2004 Anspruch auf Zahlung der Altersrente unter Berücksichtigung der in dem genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte hat. Denn für die Zeit zuvor hat das SG die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger keine Berufung eingelegt, so dass das Urteil des SG insoweit rechtskräftig ist.
2. Der Kläger hat Anspruch nach Maßgabe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, dass die Beklagte ihm die Altersrente unter Berücksichtigung der in dem genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte zahlt.
2.1. Ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Rechtsfolge kann nicht gemäß § 44 SGB X bestehen, denn dies setzte voraus, dass sich ergeben hätte, dass beim Erlass der angefochtenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden wäre, der sich als unrichtig erweist. Dies ist hinsichtlich des Rentenbescheids vom 30. November 2001 nicht der Fall. Dieser Bescheid war bei seinem Erlass rechtmäßig, soweit er bei der Berechnung der Höhe der Rente lediglich das bescheinigte voraussichtliche Arbeitsentgelt für die Monate November 2001 bis Januar 2002 berücksichtigt. § 70 Abs. 4 SGB VI bewirkt nämlich, dass die Berechnung der Rente ausgehend von den vorausbescheinigten Entgelten, unabhängig von der Höhe des dann tatsächlich erzielten Entgelts, rechtmäßig ist. Gleichermaßen kann sich ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Rechtsfolge auch nicht nach Maßgabe des § 48 SGB X begründen lassen. Dies setzte voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Die Abweichung des tatsächlich erzielten vom vorausbescheinigten Arbeitsentgelt ist indes wegen der Regelung des § 70 Abs. 4 SGB VI gerade keine wesentliche Änderung.
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Die Höhe der Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), und zwar nach Maßgabe des § 70 SGB VI, bei vorausbescheinigten Arbeitsentgelten nach Maßgabe des § 70 Abs. 4 SGB VI. Da die Altersrente des Klägers vor dem 01. Januar 2008 begann, beurteilen sich die Rechtsfolgen der Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt noch nach §§ 194 und 70 Abs. 4 SGB VI in ihren im Jahre 2001 geltenden Fassungen. § 194 Abs. 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bestimmte: Arbeitgeber haben auf Verlangen von Versicherten das voraussichtliche Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum Ende der Beschäftigung bis zu drei Monaten im Voraus zu bescheinigen, wenn von den Versicherten für die Zeit danach eine Rente wegen Alters beantragt wird (Satz 1). Bei der Ermittlung des voraussichtlichen Arbeitsentgelts sind voraussehbare beitragspflichtige Einmalzahlungen zu berücksichtigen (Satz 2). Das vorauszubescheinigende Arbeitsentgelt ist nach dem in den letzten sechs Monaten erzielten Arbeitsentgelt zu berechnen, wenn für den vorauszubescheinigenden Zeitraum die Höhe des Arbeitsentgelts nicht vorhersehbar ist (Satz 3). Die Meldepflicht nach § 28a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) bleibt unberührt (Satz 4). Nach § 194 Abs. 3 SGB VI erfolgt die Beitragsberechnung nach der tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahme. § 70 Abs. 4 SGB VI in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bestimmte: Ist für eine Rente wegen Alters eine beitragspflichtige Einnahme im Voraus bescheinigt worden (§ 194 SGB VI), sind für diese Rente Entgeltpunkte daraus wie aus der Beitragsbemessungsgrundlage zu ermitteln (Satz 1). Weicht die tatsächlich erzielte beitragspflichtige Einnahme von der vorausbescheinigten ab, bleibt sie für diese Rente außer Betracht (Satz 2). Hinsichtlich der streitigen Neuberechnung der Altersrente ergeben sich aus den seit 2002 erfolgten Änderungen der §§ 70 und 194 SGB VI keine Änderungen.
Der Wortlaut des § 70 Abs. 4 SGB VI ist eindeutig und lässt keinen Interpretationsspielraum zu. Die Entscheidung des BSG vom 16. November 1995, B 4 RA 48/93 R, die noch zu § 123 AVG ergangen ist, lässt sich auf § 70 Abs. 4 SGB VI nicht ohne weiteres übertragen. Zwar bestimmt auch § 123 AVG, für die Rentenberechnung sei ein von der Eintragung abweichendes Einkommen nicht zu berücksichtigen. Das BSG setzt sich aber in seinem genannten Urteil ausdrücklich damit auseinander, dass zwischenzeitlich an die Stelle von § 123 Abs. 1 Satz 3 AVG ergänzend und präzisierend § 70 Abs. 4 SGB VI getreten sei. Die Bestimmung, dass spätere Abweichungen des tatsächlichen gegenüber dem vom Arbeitgeber vorausbescheinigten Entgelt unbeachtlich seien, habe damit ihren systematischen Platz nunmehr im Dritten Titel "Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte" des dritten Unterabschnitts "Rentenhöhe und Rentenanpassung" im Zweiten Abschnitt "Renten", d.h. innerhalb derjenigen Normen gefunden, die inhaltlich Rentenvoraussetzungen und -höhe regelten. Die "an diese Rente" geknüpfte Maßgeblichkeit der Entgeltvorausbescheinigung sollte zudem nach der Gesetzesbegründung (zu § 69 Abs. 4 des Entwurfs, Bundestags-Drucksache 11/4124, S. 170) deren gesamten Zahlungszeitraum erfassen und allenfalls durch den Beginn einer anderen (d. h. aufgrund eines neuen Leistungsfalls) zu zahlenden Rente auflösend bedingt sein. Hiervon abweichend gelangt das BSG sodann zu seiner Auslegung des § 123 Abs. 1 AVG nach dessen Sinn und Zweck. Vorliegend anzuwenden ist indes nicht § 123 AVG, sondern § 70 Abs. 4 SGB VI. Auch diese Vorschrift verfolgt das Ziel, dem Versicherten einen zeitlich reibungslosen Übergang vom Arbeitsentgeltbezug zum Rentenbezug zu ermöglichen. Dies wird dadurch erreicht, dass der Rentenversicherungsträger die Höhe der Altersrente zunächst auf der Grundlage einer Vorausbescheinigung festsetzt (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 13. August 2008, L 13 R 58/08). Es kann vorliegend dahinstehen, ob in dem Fall, dass die Bestandskraft des auf der Entgeltvorausbescheinigung beruhenden Rentenbescheides noch nicht eingetreten ist, eine Änderung in Gestalt der Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Entgelte in dem vorausbescheinigten Zeitraum möglich oder gar zwingend vorzunehmen ist. Dafür würde sprechen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist (so auch Bayerisches Landessozialgericht a.a.O., LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. Dezember 2010, L 6 R 244/10, juris).
Jedenfalls steht aber § 70 Abs. 4 Satz 2 SGB VI einer nachträglichen Änderung des bestandskräftig gewordenen Rentenbescheids entgegen (a.A. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2010, L 5 R 272/09, juris).
Der Senat hält § 70 Abs. 4 SGB VI auch nicht für verfassungswidrig unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz (ebenso LSG Rheinland-Pfalz a.a.O.). Zwar führt die Vorschrift zu einer geringfügigen Abweichung zwischen den eingezahlten Beiträgen und der ausgezahlten Rentenleistung, da diese u. U. auf einer unterschiedlichen Bemessungsgrundlage beruhen. Allerdings richtet sich die Höhe einer Rente lediglich vor allem und nicht nur nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Der Grundsatz der Beitragsäquivalenz erfährt im SGB VI eine Vielzahl an Modifikationen. Die durch § 70 Abs. 4 SGB VI eintretenden Abweichungen sind vergleichsweise geringfügig, da sie lediglich einen Zeitraum von bis zu drei Monaten (§ 194 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) betreffen. Die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte machen im typischen Versicherungsleben eines Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung, so auch beim Kläger, nur einen außerordentlich geringen Teil der insgesamt erzielten Entgelte und zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten aus. Rentenanwartschaften sind zwar von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt. Dies gilt insbesondere insoweit, als diese auf eigenen Leistungen der Versicherten in Form einkommensbezogener Beitragszahlungen beruhen. Nichtsdestoweniger beruht das Rentenversicherungsverhältnis im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auch auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs. Dementsprechend ist auch eine wertmäßige Verminderung von Anwartschaften grundsätzlich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG möglich. Vorliegend rechtfertigt sich diese Abweichung von der Beitragsäquivalenz durch das Interesse des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers an einer zügigen Bearbeitung der Rentenanträge im Rahmen der Massenverwaltung. Andererseits dient § 70 Abs. 4 SGB VI aber auch insbesondere den Interessen der Rentenversicherten an der umgehenden Bewilligung ihrer Rente und der Vermeidung einer Lücke bei der Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts zwischen dem Zufluss des letzten Arbeitsentgelts und der ersten Rentenzahlung. Letzterem dient die Möglichkeit der Rentenberechnung aufgrund eines vorausbescheinigten Entgelts. Die geringe Abweichung bei der Rentenberechnung von dem tatsächlich in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses erzielten Entgelt, die zugunsten oder zulasten des Versicherten sich auswirken kann, erscheint durch diese Gesichtspunkte gerechtfertigt. Gleiches gilt, soweit in der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Rentner hier ein Gleichheitsverstoß im Sinne des Art. 3 GG gesehen werden sollte. Zudem ist der Rentenantragsteller nach Maßgabe des § 194 SGB VI nicht gezwungen, eine Entgeltvorausbescheinigung einzuholen, sodass er durch eigenes Verhalten die Rechtsfolge des § 70 Abs. 4 SGB VI vermeiden kann.
2.2. Allerdings sieht der Senat - wie das SG - die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Erreichung der vom Kläger hier begehrten Rechtsfolge als gegeben an. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, so etwa zuletzt im Urteil vom 28. September 2010, B 1 KR 31/09 R).
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -). Dabei trifft den Sozialversicherungsträger nicht nur die Obliegenheit, den Versicherten auf ausdrückliche entsprechende Anfrage zu beraten. Vielmehr wird eine Nebenpflicht zur Beratung auch über ausdrücklich gestellte Fragen hinaus angenommen, wenn sich der Versicherte mit einem Antrag, wie hier mit dem Antrag auf Altersrente, an den Leistungsträger wendet und sich bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten hätten genutzt werden können. Auf naheliegende rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten muss der Sozialversicherungsträger hinweisen. Dementsprechend bestimmt auch § 115 Abs. 6 SGB VI, dass die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Der Leistungsträger muss über die Rechtslage informieren. So ist beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, den Arbeitslosengeldantragsteller darauf hinzuweisen, seinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn offensichtlich ist, dass diese Verschiebung für den Antragsteller vorteilhaft sein könnte (BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 7a AL 70/05 R). Nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 SGB I hat der Leistungsträger sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Hiernach hätte die Beklagte den Kläger umfassend, klar und eindeutig über die Folgen der Erklärung zur Rentenberechnung ausgehend von den vorausbescheinigten beitragspflichtigen Einnahmen aufklären müssen. Die Antragstellung auf Altersrente ist einer der zentralen Vorgänge im Sozialversicherungsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger überhaupt. Die Konsequenzen der gesetzlichen Regelung des § 70 Abs. 4 SGB VI sind weitreichend, denn sie betreffen den die Altersrente beantragenden Antragsteller in aller Regel bis zum Lebensende. Eine Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte kommt erst bei einem Wechsel in eine andere Rentenart in Betracht und damit in der Regel erst im Falle des Todes des Versicherten bei Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Diese rechtliche Folge der abgegebenen Erklärung des Versicherten zur Rentenberechnung auf der Grundlage des vorausbescheinigten Entgelts ist auch für den Versicherten überraschend. Es ist für einen Laien kaum verständlich, wieso die binnen weniger Monate feststehende Abweichung des tatsächlichen vom voraus bescheinigten Entgelt anders als zahlreiche andere Änderungen wie etwa die nachträgliche Berücksichtigung zusätzlicher rentenrechtlicher Zeiten in der Rentenberechnung für sein gesamtes restliches Versichertenleben als Rentenbezieher nicht Berücksichtigung finden kann. Die gravierende, weil gegebenenfalls jahrzehntelang wirksame, die zentrale Leistung in der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich die Altersrente betreffende und zugleich für den Versicherten überraschende Regelung stellt dementsprechend gesteigerte Anforderungen an die Beratungs- und Hinweispflichten des Rentenversicherungsträgers. Dem wird der Hinweis auf der Entgeltvorausbescheinigung nicht gerecht. Die Beklagte hat vorliegend darauf hingewiesen, ein tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt, das von dem voraus bescheinigten Arbeitsentgelt abweiche, sei allerdings erst bei einer später zu zahlenden Rente (z. B. Hinterbliebenenrente) zu berücksichtigen. Diese Formulierung führt dem eine Altersrente beantragenden Rentenantragsteller nicht hinreichend vor Augen, dass eine Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts für ihn selbst mangels zu erwartenden Wechsels der Rentenart gar nicht in Betracht kommt. Einem Versicherten ist grundsätzlich nicht bekannt, dass alle Formen der Altersrente eine Rentenart sind und deshalb, wenn eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen wird, bei Erreichen der Regelaltersgrenze und damit den Voraussetzungen der Regelaltersrente eine Neufeststellung der bislang bezogenen Altersrente nicht erfolgt. Die Beklagte hätte den Kläger auf die naheliegenden Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen müssen, entweder eine Vorschusszahlung nach Maßgabe des § 42 SGB I zu beantragen oder aber mit der Rentenantragstellung noch zuzuwarten, bis das tatsächliche Arbeitsentgelt feststehen würde. Gegenüber der naheliegenden Gefahr, möglicherweise für immer eine zu niedrige, weil nicht dem Beitragsaufkommen entsprechende Rente zu beziehen, wäre § 42 SGB I für den Antragsteller stets eine offensichtlich zweckmäßige, nämlich völlig risikofreie Handlungsalternative (BSG, Urteil vom 16. November 1995, B 4 RA 48/93 R, Rn. 29).
Die Beklagte hat sonach eine ihr gegenüber dem Kläger bestehende Beratungspflicht verletzt mit der Folge, dass dem Kläger ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden ist. Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass das tatsächlich im Zeitraum vom 01. November 2001 bis 31. Januar 2002 erzielte Arbeitsentgelt aus seiner Beschäftigung bei der KG DM 26.404,64 bzw. EUR 13.500,49 betragen hat. Dies übersteigt das berücksichtigte voraus bescheinigte Entgelt in Höhe von DM 24.300,00, weshalb dem Kläger eine niedrigere Rente bewilligt und gezahlt wurde und wird.
Dementsprechend ist der Kläger durch die Beklagte so zu stellen, als ob er vollständig und umfassend aufgeklärt und informiert worden wäre. In diesem Falle hätte der Kläger mit der endgültigen Rentenantragstellung zugewartet, bis das tatsächliche Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate seines Beschäftigungsverhältnisses festgestanden hätte und dieses Entgelt wäre dann der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden. Dementsprechend war die Beklagte zu verurteilen, die Rente unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Entgelte neu zu berechnen.
Kann aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Leistung rückwirkend verlangt werden, gilt allerdings in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X eine Ausschlussfrist von vier Jahren (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 9). Dementsprechend hat das SG zu Recht die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen auf die Zeit ab 01. Januar 2004 beschränkt, nachdem der Kläger im Jahre 2008 die Überprüfung des Rentenbescheides beantragt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Insbesondere war die Revision nicht nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Das Urteil des Senats beruht nicht auf einem Abweichen vom Urteil des BSG vom 16. November 1995, B 4 RA 48/93 R. Denn wenn der Senat diesem Urteil gefolgt wäre, wäre die Beklagte ebenfalls zur Neuberechnung der Altersrente des Klägers verurteilt worden.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 01. Januar 2004 Altersrente in der Höhe zu zahlen, die sich im Hinblick auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. November bis 30. November 2001 erzielten Bruttoeinkommen in Höhe von DM 12.321,73, vom 01. Dezember bis 31. Dezember 2001 erzielten Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 6.429.96 und vom 01. Januar bis 31. Januar 2002 erzielten Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 3.912,89 ergibt.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger eine Neuberechnung der von ihm bezogenen Altersrente beanspruchen kann, bei der für die letzten drei Monate seines Arbeitsverhältnisses vor Renteneintritt das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt als Grundlage der Rentenberechnung anstelle des in der so genannten Entgeltvorausbescheinigung angegebenen Arbeitsentgelts zu berücksichtigen ist.
Der am 1942 geborene Kläger war bis einschließlich Januar 2002 bei der Firma W. K. KG (im Folgenden KG) beschäftigt. Bei ihm ist seit 10. Mai 1997 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Am 25. Oktober 2001 beantragte er bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als Schwerbehinderte nach § 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anerkannt sind. Nach den Angaben im Antragsvordruck wurde dem Kläger die so genannte Entgeltvorausbescheinigung (Vordruck R 250) bei Rentenantragstellung ausgehändigt. Unter dem 20. November 2001 füllte die KG die Entgeltvorausbescheinigung aus und gab darin an, für November und Dezember 2001 werde voraussichtlich ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von DM 17.000,00 gezahlt, für Januar 2002 in Höhe von DM 7.300,00 (= EUR 3.732,43). Hierin seien einmalig zu zahlende Arbeitsentgelte wie folgt enthalten: Auszahlung im November 2001 in Höhe von DM 4.750,00 (Weihnachtsgeld) sowie Auszahlungsbetrag von DM 700,00 im Januar 2002 (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld). Mit seiner Unterschrift auf dem am 26. November 2001 beim Bürgerbüro der Stadt E. und am 29. November 2001 bei der Beklagten eingegangenen Vordruck erklärte der Kläger, er sei damit einverstanden, dass der zuständige Rentenversicherungsträger das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zugrundeliege. Auf der Rückseite des Vordrucks ist unter Ziff. 1 Folgendes ausgeführt: "Hinweise für die Versicherte/den Versicherten: Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Versicherten die Entgeltbescheinigung für die Zeit bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses bis zu drei Monate im Voraus auszustellen, wenn für die anschließende Zeit Altersrente beantragt wird (§ 194 SGB VI). Dadurch kann die Rente schon vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses berechnet werden. Ein tatsächliches erzieltes Arbeitsentgelt, das von dem vorausbescheinigten Arbeitsentgelt abweicht, ist allerdings erst bei einer später zu zahlenden Rente (z. B. Hinterbliebenenrente) zu berücksichtigen." (Fettdruck im Original)
Mit Bescheid vom 30. November 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen, beginnend ab 01. Februar 2002 in Höhe von monatlich EUR 1.393,54 (Zahlbetrag). Ausweislich der Anlagen 2 und 3 zu diesem Rentenbescheid berücksichtigte sie bei der Berechnung Arbeitsentgelte für den Zeitraum vom 01. November bis 31. Dezember 2001 von DM 17.000,00, für das gesamte Jahr 2001 DM 85.235,00 und für den Januar 2002 von EUR 3.732,43, in der Anlage 2 mit der Kennzeichnung "vorl." (01. Januar bis 31. Oktober 2001) und "vorab" (01.November 2001 bis 31. Januar 2002).
Am 30. Juni 2008 erschien der Kläger auf dem Bürgerbüro seines Wohnortes und beantragte die Überprüfung des Rentenbescheids vom 30. November 2001. Er habe festgestellt, dass in seiner Rentenberechnung ein falsches Entgelt in die Berechnung mit einbezogen worden sei. Die KG habe ihm damals eine vorläufige Bescheinigung ausgestellt. Das tatsächliche Entgelt habe jedoch höher gelegen. Hierzu legte der Kläger die Durchschriften der Meldung zur Sozialversicherung der KG für die Zeiträume vom 01. Januar bis 31. Dezember 2001 und 01. März bis 30. Juni 2002 vor. Hieraus ergibt sich für das Gesamtjahr 2001 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 87.327,00 sowie für den Zeitraum vom 01. März bis 30. Juni 2002 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 1.000,00.
Mit Schreiben vom 08. Juli 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, eine Neufeststellung der Altersrente sei nicht möglich, da der Kläger auf der Entgelt(voraus)bescheinigung vom 20. November 2001 sich damit einverstanden erklärt habe, dass der Rentenversicherungsträger das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zugrundelege. Hierauf erklärte der Kläger, er sei davon ausgegangen, dass das vorausbescheinigte Entgelt nur vorläufig der Rentenberechnung zugrundegelegt würde. Für ihn sei es selbstverständlich gewesen, dass nach tatsächlicher Überweisung und nach Einbehaltung der Sozialversicherungsbeträge von seinem tatsächlichen Entgelt die Rente nochmals endgültig berechnet würde. Durch die Verfahrensweise der Beklagten erhalte er weniger Rente, obwohl er für mehr Rente Sozialversicherungsbeiträge gezahlt habe. Er bestehe daher auf Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheids.
Die Beklagte wies daraufhin mit Bescheid vom 18. Juli 2008 den Überprüfungsantrag vom 10. Juli 2008 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, weil das vorausbescheinigte Arbeitsentgelt erst zu einem späteren Leistungsfall zu berücksichtigen sei. Die vorausbescheinigten beitragspflichtigen Einnahmen hätten der Ermittlung von Entgeltpunkten für die zu berechnende Altersrente gedient. Für die Dauer des Bezugs dieser Rente verbleibe es hierbei, auch wenn die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen von den vorausbescheinigten abwichen. Damit habe sich der Kläger auch einverstanden erklärt.
Am 05. August 2008 legte der Kläger zur Niederschrift des Bürgerbüros Widerspruch ein. Auch im Bescheid vom 30. November 2001 seien im Versicherungsverlauf die Beiträge vom 01. Januar 2001 bis 31. Januar 2002 als "vorl." und "vorab" gekennzeichnet gewesen. Das tatsächliche Entgelt habe 2001 DM 87.327,00 und im Januar 2002 EUR 3.512,00 betragen. Dazu legte der Kläger nunmehr auch zusätzlich noch die Durchschrift der Meldung zur Sozialversicherung für Januar 2002 vor, aus der sich ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von EUR 3.512,00 ergibt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2008 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Das tatsächlich erzielte Entgelt könne erst bei Eintritt eines späteren Leistungsfalls Berücksichtigung finden. Der Kläger habe sich damit einverstanden erklärt, dass sie bei der Berechnung der Rente das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt zugrundelege. Die zur Rentenversicherung zu entrichtenden Beiträge seien stets nach den tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen zu berechnen.
Am 13. November 2008 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Zu deren Begründung trug er vor, er habe angenommen, dass jedenfalls im Rahmen der normalen Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres das ungekürzte tatsächliche Entgelt berücksichtigt werde. Es könne nicht angehen, dass die Beiträge aus dem tatsächlich höheren erzielten Einkommen berechnet würden, die Rente jedoch aus dem niedrigeren fiktiven Einkommen. Außerdem habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 16. November 1995 (4 RA 48/93 = SozR 3-2200 § 1401 Nr. 1) ausdrücklich entschieden, dass der Rentenversicherungsträger auf Verlangen verpflichtet, im Übrigen berechtigt sei, den Zahlbetrag der Rente abzuändern, wenn das tatsächlich erzielte Entgelt von dem vorausbescheinigten abweiche.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den Wortlaut der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entgegen. Streitig sei ein monatlicher Rentenbetrag von EUR 0,77 (bei Rentenbeginn), jetzt aufgrund der Rentenerhöhungen von EUR 0,82.
Mit Urteil vom 04. August 2009 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008, den Rentenbescheid vom 30. November 2001 im Hinblick auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. November 2001 bis 31. Januar 2002 erzielten Arbeitsentgelte abzuändern und die Rente des Klägers neu zu berechnen und dem Kläger ab dem 01. Januar 2004 höhere Leistungen zu gewähren. Im Übrigen (für die Zeit vor dem 01. Januar 2004) wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach § 70 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) müssten die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen eigentlich außer Betracht bleiben. Dies gelte auch für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres, denn § 34 Abs. 4 SGB VI schließe nach Bewilligung einer Altersrente den Wechsel in eine andere Rentenart ausdrücklich aus. Es sei zweifelhaft, ob der Auffassung des BSG im Urteil vom 16. November 1995 angesichts der klaren und eindeutigen gesetzlichen Vorgaben gefolgt werden könne. Der Anspruch des Versicherten auf beitragsäquivalente Leistungen könne angesichts der geringfügigen Abweichung von der Beitragsäquivalenz hier gegenüber dem Interesse des Rentenversicherungsträgers, in typisierender Weise eine zügige Berechnung der Renten sicherzustellen, keine überragende Bedeutung haben. Der Kläger sei aber im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er von der Möglichkeit der Entgeltvorausbescheinigung keinen Gebrauch gemacht. Es wäre im Vorfeld Sache der Beklagten gewesen, den Kläger im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung im Rahmen der Beratungspflicht nach § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) darauf hinzuweisen, dass alternativ zur Vorausbescheinigung der Arbeitsentgelte die Möglichkeit einer vorläufigen Festsetzung oder eines Vorschusses auf die Rente bestanden hätte (§§ 42, 43 SGB I). Auch wäre es möglich gewesen, das Ende des Arbeitsverhältnisses abzuwarten und sodann die Rente unter Berücksichtigung der tatsächlich bezogenen Arbeitsentgelte endgültig festzusetzen. Die Beklagte habe es unter Missachtung ihrer Beratungspflichten unterlassen, den Kläger auf diese naheliegende Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen. Dieser Beratungsfehler führe dazu, dass der Kläger so zu stellen sei, wie er stünde, wenn diese Beratung erfolgt wäre und er sich für die aufgezeigte Variante entschieden hätte. Durch die Erklärung des Klägers auf dem Formular für die Entgeltvorausbescheinigung werde eine ordnungsgemäße Beratung nicht ersetzt. Offenkundig sei der Kläger nicht auf die anderweitigen Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen worden. Daher könne der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens beanspruchen, dass der Rentenbescheid vom 30. November 2001 teilweise zurückgenommen bzw. abgeändert werde und dass für die Monate November 2001 bis Januar 2002 die Entgeltpunkte auf Basis des tatsächlich zugeflossenen Arbeitslohns berechnet würden. Aus § 44 Abs. 4 SGB X ergebe sich jedoch, dass der Kläger lediglich für einen Zeitraum seit 01. Januar 2004 die Nachzahlung der entsprechenden Rentenbeträge beanspruchen könne.
Am 21. August 2009 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie verweist auf die vom Kläger unterschriebene Erklärung im Rentenantragsformular und auf der Entgeltvorausbescheinigung, dass dieser einverstanden sei, dass der zuständige Rentenversicherungsträger das vorläufig bescheinigte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zugrundelege. Zudem trage der Vordruck zur Entgeltvorausbescheinigung oben rechts den deutlichen Vermerk "Hinweise auf der Rückseite bitte beachten." Durch den Hinweis auf der Rückseite habe dem Kläger klar sein müssen, dass bei Erteilung der Einverständniserklärung das eventuell abweichende tatsächliche Entgelt für die aktuell bewilligte Rente nicht berücksichtigt werden könne. Andernfalls hätte er sich mit einem Beratungsbegehren an sie gewandt bzw. wenden müssen. Eine Verpflichtung zur Beratung des Klägers ohne konkretes Beratungsbegehren habe in der vorliegenden Konstellation nicht bestanden. Weder für den Kläger noch für sie sei absehbar gewesen, ob und ggf. wie das tatsächliche Entgelt vom vorausbescheinigten abweichen würde. Auch hätten die vom SG aufgezeigten Alternativen insoweit nicht bestanden, als § 43 SGB I nur eingreife, wenn zwischen verschiedenen Leistungsträgern die Zuständigkeit streitig sei. Eine vorläufige Entscheidung über die Rente bzw. eine Vorschussgewährung liefe dem Sinn und Zweck der §§ 70 Abs. 4, 194 SGB VI zuwider. Das Urteil des BSG vom 16. November 1995 sei noch zu § 1401 Reichsversicherungsordnung (RVO)/§ 123 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ergangen. Eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des § 70 Abs. 4 SGB VI hintanstelle, greife unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. § 70 Abs. 4 SGB VI gehe als lex specialis der (analogen) Anwendung des § 48 SGB X vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. August 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Tenor des Sozialgerichts Mannheim wie folgt gefasst wird: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 21. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 01. Januar 2004 Altersrente in der Höhe zu zahlen, die sich im Hinblick auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. November bis 30. November 2001 erzieltes Bruttoeinkommen in Höhe von DM 12.321,73, vom 01. Dezember bis 31. Dezember 2001 erzieltes Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 6.429,96 und vom 01. Januar bis 31. Januar 2002 erzieltes Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 3.912,89 ergibt.
Die Rentenhöhe sei schon wegen der Beitragsäquivalenz zu korrigieren. Im Übrigen seien die Ausführungen des SG zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch schlüssig. Der Kläger hat das Schreiben eines Büro- und Buchführungsservice vom 04. April 2011 vorgelegt, wonach nach Rückrechnung das monatliche Entgelt im November 2001 DM 12.321,73 betragen hat, sowie die Gehaltsabrechnung des Monats Dezember 2001 mit einem Bruttoverdienst von EUR 6.429,96.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit Urteil vom 04. August 2009 die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger ab 01. Januar 2004 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 01. November 2001 bis 31. Januar 2002 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte zu zahlen. Lediglich der Tenor der Entscheidung des SG war neu zu fassen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008, mit dem die Beklagte die Zahlung der Altersrente an den Kläger unter Berücksichtigung der in dem genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte abgelehnt hat. Zu entscheiden ist im Berufungsverfahren nur, ob der Kläger für die Zeit ab 01. Januar 2004 Anspruch auf Zahlung der Altersrente unter Berücksichtigung der in dem genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte hat. Denn für die Zeit zuvor hat das SG die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger keine Berufung eingelegt, so dass das Urteil des SG insoweit rechtskräftig ist.
2. Der Kläger hat Anspruch nach Maßgabe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, dass die Beklagte ihm die Altersrente unter Berücksichtigung der in dem genannten Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte zahlt.
2.1. Ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Rechtsfolge kann nicht gemäß § 44 SGB X bestehen, denn dies setzte voraus, dass sich ergeben hätte, dass beim Erlass der angefochtenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden wäre, der sich als unrichtig erweist. Dies ist hinsichtlich des Rentenbescheids vom 30. November 2001 nicht der Fall. Dieser Bescheid war bei seinem Erlass rechtmäßig, soweit er bei der Berechnung der Höhe der Rente lediglich das bescheinigte voraussichtliche Arbeitsentgelt für die Monate November 2001 bis Januar 2002 berücksichtigt. § 70 Abs. 4 SGB VI bewirkt nämlich, dass die Berechnung der Rente ausgehend von den vorausbescheinigten Entgelten, unabhängig von der Höhe des dann tatsächlich erzielten Entgelts, rechtmäßig ist. Gleichermaßen kann sich ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Rechtsfolge auch nicht nach Maßgabe des § 48 SGB X begründen lassen. Dies setzte voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Die Abweichung des tatsächlich erzielten vom vorausbescheinigten Arbeitsentgelt ist indes wegen der Regelung des § 70 Abs. 4 SGB VI gerade keine wesentliche Änderung.
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Die Höhe der Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), und zwar nach Maßgabe des § 70 SGB VI, bei vorausbescheinigten Arbeitsentgelten nach Maßgabe des § 70 Abs. 4 SGB VI. Da die Altersrente des Klägers vor dem 01. Januar 2008 begann, beurteilen sich die Rechtsfolgen der Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt noch nach §§ 194 und 70 Abs. 4 SGB VI in ihren im Jahre 2001 geltenden Fassungen. § 194 Abs. 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bestimmte: Arbeitgeber haben auf Verlangen von Versicherten das voraussichtliche Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum Ende der Beschäftigung bis zu drei Monaten im Voraus zu bescheinigen, wenn von den Versicherten für die Zeit danach eine Rente wegen Alters beantragt wird (Satz 1). Bei der Ermittlung des voraussichtlichen Arbeitsentgelts sind voraussehbare beitragspflichtige Einmalzahlungen zu berücksichtigen (Satz 2). Das vorauszubescheinigende Arbeitsentgelt ist nach dem in den letzten sechs Monaten erzielten Arbeitsentgelt zu berechnen, wenn für den vorauszubescheinigenden Zeitraum die Höhe des Arbeitsentgelts nicht vorhersehbar ist (Satz 3). Die Meldepflicht nach § 28a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) bleibt unberührt (Satz 4). Nach § 194 Abs. 3 SGB VI erfolgt die Beitragsberechnung nach der tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahme. § 70 Abs. 4 SGB VI in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bestimmte: Ist für eine Rente wegen Alters eine beitragspflichtige Einnahme im Voraus bescheinigt worden (§ 194 SGB VI), sind für diese Rente Entgeltpunkte daraus wie aus der Beitragsbemessungsgrundlage zu ermitteln (Satz 1). Weicht die tatsächlich erzielte beitragspflichtige Einnahme von der vorausbescheinigten ab, bleibt sie für diese Rente außer Betracht (Satz 2). Hinsichtlich der streitigen Neuberechnung der Altersrente ergeben sich aus den seit 2002 erfolgten Änderungen der §§ 70 und 194 SGB VI keine Änderungen.
Der Wortlaut des § 70 Abs. 4 SGB VI ist eindeutig und lässt keinen Interpretationsspielraum zu. Die Entscheidung des BSG vom 16. November 1995, B 4 RA 48/93 R, die noch zu § 123 AVG ergangen ist, lässt sich auf § 70 Abs. 4 SGB VI nicht ohne weiteres übertragen. Zwar bestimmt auch § 123 AVG, für die Rentenberechnung sei ein von der Eintragung abweichendes Einkommen nicht zu berücksichtigen. Das BSG setzt sich aber in seinem genannten Urteil ausdrücklich damit auseinander, dass zwischenzeitlich an die Stelle von § 123 Abs. 1 Satz 3 AVG ergänzend und präzisierend § 70 Abs. 4 SGB VI getreten sei. Die Bestimmung, dass spätere Abweichungen des tatsächlichen gegenüber dem vom Arbeitgeber vorausbescheinigten Entgelt unbeachtlich seien, habe damit ihren systematischen Platz nunmehr im Dritten Titel "Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte" des dritten Unterabschnitts "Rentenhöhe und Rentenanpassung" im Zweiten Abschnitt "Renten", d.h. innerhalb derjenigen Normen gefunden, die inhaltlich Rentenvoraussetzungen und -höhe regelten. Die "an diese Rente" geknüpfte Maßgeblichkeit der Entgeltvorausbescheinigung sollte zudem nach der Gesetzesbegründung (zu § 69 Abs. 4 des Entwurfs, Bundestags-Drucksache 11/4124, S. 170) deren gesamten Zahlungszeitraum erfassen und allenfalls durch den Beginn einer anderen (d. h. aufgrund eines neuen Leistungsfalls) zu zahlenden Rente auflösend bedingt sein. Hiervon abweichend gelangt das BSG sodann zu seiner Auslegung des § 123 Abs. 1 AVG nach dessen Sinn und Zweck. Vorliegend anzuwenden ist indes nicht § 123 AVG, sondern § 70 Abs. 4 SGB VI. Auch diese Vorschrift verfolgt das Ziel, dem Versicherten einen zeitlich reibungslosen Übergang vom Arbeitsentgeltbezug zum Rentenbezug zu ermöglichen. Dies wird dadurch erreicht, dass der Rentenversicherungsträger die Höhe der Altersrente zunächst auf der Grundlage einer Vorausbescheinigung festsetzt (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 13. August 2008, L 13 R 58/08). Es kann vorliegend dahinstehen, ob in dem Fall, dass die Bestandskraft des auf der Entgeltvorausbescheinigung beruhenden Rentenbescheides noch nicht eingetreten ist, eine Änderung in Gestalt der Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Entgelte in dem vorausbescheinigten Zeitraum möglich oder gar zwingend vorzunehmen ist. Dafür würde sprechen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist (so auch Bayerisches Landessozialgericht a.a.O., LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. Dezember 2010, L 6 R 244/10, juris).
Jedenfalls steht aber § 70 Abs. 4 Satz 2 SGB VI einer nachträglichen Änderung des bestandskräftig gewordenen Rentenbescheids entgegen (a.A. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2010, L 5 R 272/09, juris).
Der Senat hält § 70 Abs. 4 SGB VI auch nicht für verfassungswidrig unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz (ebenso LSG Rheinland-Pfalz a.a.O.). Zwar führt die Vorschrift zu einer geringfügigen Abweichung zwischen den eingezahlten Beiträgen und der ausgezahlten Rentenleistung, da diese u. U. auf einer unterschiedlichen Bemessungsgrundlage beruhen. Allerdings richtet sich die Höhe einer Rente lediglich vor allem und nicht nur nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Der Grundsatz der Beitragsäquivalenz erfährt im SGB VI eine Vielzahl an Modifikationen. Die durch § 70 Abs. 4 SGB VI eintretenden Abweichungen sind vergleichsweise geringfügig, da sie lediglich einen Zeitraum von bis zu drei Monaten (§ 194 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) betreffen. Die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte machen im typischen Versicherungsleben eines Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung, so auch beim Kläger, nur einen außerordentlich geringen Teil der insgesamt erzielten Entgelte und zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten aus. Rentenanwartschaften sind zwar von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt. Dies gilt insbesondere insoweit, als diese auf eigenen Leistungen der Versicherten in Form einkommensbezogener Beitragszahlungen beruhen. Nichtsdestoweniger beruht das Rentenversicherungsverhältnis im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auch auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs. Dementsprechend ist auch eine wertmäßige Verminderung von Anwartschaften grundsätzlich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG möglich. Vorliegend rechtfertigt sich diese Abweichung von der Beitragsäquivalenz durch das Interesse des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers an einer zügigen Bearbeitung der Rentenanträge im Rahmen der Massenverwaltung. Andererseits dient § 70 Abs. 4 SGB VI aber auch insbesondere den Interessen der Rentenversicherten an der umgehenden Bewilligung ihrer Rente und der Vermeidung einer Lücke bei der Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts zwischen dem Zufluss des letzten Arbeitsentgelts und der ersten Rentenzahlung. Letzterem dient die Möglichkeit der Rentenberechnung aufgrund eines vorausbescheinigten Entgelts. Die geringe Abweichung bei der Rentenberechnung von dem tatsächlich in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses erzielten Entgelt, die zugunsten oder zulasten des Versicherten sich auswirken kann, erscheint durch diese Gesichtspunkte gerechtfertigt. Gleiches gilt, soweit in der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Rentner hier ein Gleichheitsverstoß im Sinne des Art. 3 GG gesehen werden sollte. Zudem ist der Rentenantragsteller nach Maßgabe des § 194 SGB VI nicht gezwungen, eine Entgeltvorausbescheinigung einzuholen, sodass er durch eigenes Verhalten die Rechtsfolge des § 70 Abs. 4 SGB VI vermeiden kann.
2.2. Allerdings sieht der Senat - wie das SG - die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Erreichung der vom Kläger hier begehrten Rechtsfolge als gegeben an. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, so etwa zuletzt im Urteil vom 28. September 2010, B 1 KR 31/09 R).
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -). Dabei trifft den Sozialversicherungsträger nicht nur die Obliegenheit, den Versicherten auf ausdrückliche entsprechende Anfrage zu beraten. Vielmehr wird eine Nebenpflicht zur Beratung auch über ausdrücklich gestellte Fragen hinaus angenommen, wenn sich der Versicherte mit einem Antrag, wie hier mit dem Antrag auf Altersrente, an den Leistungsträger wendet und sich bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten hätten genutzt werden können. Auf naheliegende rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten muss der Sozialversicherungsträger hinweisen. Dementsprechend bestimmt auch § 115 Abs. 6 SGB VI, dass die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Der Leistungsträger muss über die Rechtslage informieren. So ist beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, den Arbeitslosengeldantragsteller darauf hinzuweisen, seinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn offensichtlich ist, dass diese Verschiebung für den Antragsteller vorteilhaft sein könnte (BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 7a AL 70/05 R). Nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 SGB I hat der Leistungsträger sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Hiernach hätte die Beklagte den Kläger umfassend, klar und eindeutig über die Folgen der Erklärung zur Rentenberechnung ausgehend von den vorausbescheinigten beitragspflichtigen Einnahmen aufklären müssen. Die Antragstellung auf Altersrente ist einer der zentralen Vorgänge im Sozialversicherungsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger überhaupt. Die Konsequenzen der gesetzlichen Regelung des § 70 Abs. 4 SGB VI sind weitreichend, denn sie betreffen den die Altersrente beantragenden Antragsteller in aller Regel bis zum Lebensende. Eine Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte kommt erst bei einem Wechsel in eine andere Rentenart in Betracht und damit in der Regel erst im Falle des Todes des Versicherten bei Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Diese rechtliche Folge der abgegebenen Erklärung des Versicherten zur Rentenberechnung auf der Grundlage des vorausbescheinigten Entgelts ist auch für den Versicherten überraschend. Es ist für einen Laien kaum verständlich, wieso die binnen weniger Monate feststehende Abweichung des tatsächlichen vom voraus bescheinigten Entgelt anders als zahlreiche andere Änderungen wie etwa die nachträgliche Berücksichtigung zusätzlicher rentenrechtlicher Zeiten in der Rentenberechnung für sein gesamtes restliches Versichertenleben als Rentenbezieher nicht Berücksichtigung finden kann. Die gravierende, weil gegebenenfalls jahrzehntelang wirksame, die zentrale Leistung in der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich die Altersrente betreffende und zugleich für den Versicherten überraschende Regelung stellt dementsprechend gesteigerte Anforderungen an die Beratungs- und Hinweispflichten des Rentenversicherungsträgers. Dem wird der Hinweis auf der Entgeltvorausbescheinigung nicht gerecht. Die Beklagte hat vorliegend darauf hingewiesen, ein tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt, das von dem voraus bescheinigten Arbeitsentgelt abweiche, sei allerdings erst bei einer später zu zahlenden Rente (z. B. Hinterbliebenenrente) zu berücksichtigen. Diese Formulierung führt dem eine Altersrente beantragenden Rentenantragsteller nicht hinreichend vor Augen, dass eine Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts für ihn selbst mangels zu erwartenden Wechsels der Rentenart gar nicht in Betracht kommt. Einem Versicherten ist grundsätzlich nicht bekannt, dass alle Formen der Altersrente eine Rentenart sind und deshalb, wenn eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen wird, bei Erreichen der Regelaltersgrenze und damit den Voraussetzungen der Regelaltersrente eine Neufeststellung der bislang bezogenen Altersrente nicht erfolgt. Die Beklagte hätte den Kläger auf die naheliegenden Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen müssen, entweder eine Vorschusszahlung nach Maßgabe des § 42 SGB I zu beantragen oder aber mit der Rentenantragstellung noch zuzuwarten, bis das tatsächliche Arbeitsentgelt feststehen würde. Gegenüber der naheliegenden Gefahr, möglicherweise für immer eine zu niedrige, weil nicht dem Beitragsaufkommen entsprechende Rente zu beziehen, wäre § 42 SGB I für den Antragsteller stets eine offensichtlich zweckmäßige, nämlich völlig risikofreie Handlungsalternative (BSG, Urteil vom 16. November 1995, B 4 RA 48/93 R, Rn. 29).
Die Beklagte hat sonach eine ihr gegenüber dem Kläger bestehende Beratungspflicht verletzt mit der Folge, dass dem Kläger ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden ist. Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass das tatsächlich im Zeitraum vom 01. November 2001 bis 31. Januar 2002 erzielte Arbeitsentgelt aus seiner Beschäftigung bei der KG DM 26.404,64 bzw. EUR 13.500,49 betragen hat. Dies übersteigt das berücksichtigte voraus bescheinigte Entgelt in Höhe von DM 24.300,00, weshalb dem Kläger eine niedrigere Rente bewilligt und gezahlt wurde und wird.
Dementsprechend ist der Kläger durch die Beklagte so zu stellen, als ob er vollständig und umfassend aufgeklärt und informiert worden wäre. In diesem Falle hätte der Kläger mit der endgültigen Rentenantragstellung zugewartet, bis das tatsächliche Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate seines Beschäftigungsverhältnisses festgestanden hätte und dieses Entgelt wäre dann der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden. Dementsprechend war die Beklagte zu verurteilen, die Rente unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Entgelte neu zu berechnen.
Kann aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Leistung rückwirkend verlangt werden, gilt allerdings in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X eine Ausschlussfrist von vier Jahren (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 9). Dementsprechend hat das SG zu Recht die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen auf die Zeit ab 01. Januar 2004 beschränkt, nachdem der Kläger im Jahre 2008 die Überprüfung des Rentenbescheides beantragt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Insbesondere war die Revision nicht nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Das Urteil des Senats beruht nicht auf einem Abweichen vom Urteil des BSG vom 16. November 1995, B 4 RA 48/93 R. Denn wenn der Senat diesem Urteil gefolgt wäre, wäre die Beklagte ebenfalls zur Neuberechnung der Altersrente des Klägers verurteilt worden.
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